L 5 AS 205/10

Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
5
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 56 AS 42/07
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 5 AS 205/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen. &8195;

Tatbestand:

Die am XXXXX 1943 geborene Klägerin begehrt Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch – SGB II – für die Zeit vom 29. Dezember 2005 bis zum 21. August 2008.

Die Klägerin beantragte am 29. Dezember 2005 Leistungen nach dem SGB II bei dem Beklagten. Sie gab an, hilfebedürftig zu sein. Sie lebe dauerhaft von ihrem Ehemann getrennt, da dieser seit dem 1. November 2011 aus gesundheitlichen Gründen in ein Wohnstift gezogen sei. Er sei schwerstpflegebedürftig. Es seien die zusätzlichen Pflegekosten, die Haftpflichtversicherung für den wegen außergewöhnlicher Gehbehinderung erforderlichen PKW und der für die beiden in Ausbildung befindlichen volljährigen Kinder zu zahlende Unterhalt sowie die eigenen Miet- und Nebenkosten aufzubringen. Außerdem bestünden Schulden in Höhe von 20.000,- Euro, so dass die Rente ihres Ehemannes nicht ausreiche, um ihren Bedarf zu decken. Auch habe sie auf Unterhalt von ihrem Ehemann verzichtet.

Die Klägerin selbst lebte zum Zeitpunkt der Antragstellung zur Miete in einer Zwei-Zimmer-Wohnung in der O.Straße, H., zusammen mit ihrer am XXXXX 1979 geborenen Tochter. Auch der Ehemann der Klägerin hatte bis zu seinem Umzug in dem Wohnstift dort gewohnt. Zum 1. August 2007 wurde auch die Klägerin in das Wohnstift aufgenommen. Sie bezog dort eine eigene Wohnung im selben Haus wie ihr Ehemann. Zum Zeitpunkt der Antragstellung erhielt der Ehemann der Klägerin bereits eine Rente als dauerhaft Erwerbsgeminderter. Die Rentenzahlung belief sich auf 1.697,74 Euro monatlich. Der Klägerin steht seit dem 22. August 2008 eine Rente zu.

Mit Bescheid vom 28. April 2006 lehnte der Beklagte den Antrag der Klägerin ab. Zur Begründung führte er im Wesentlichen aus, die Klägerin sei nicht hilfebedürftig aufgrund der nachgewiesenen Einkommensverhältnisse.

Hiergegen legte die Klägerin am 6. Juni 2006 Widerspruch ein. Sie führte aus, es seien ihre Belastungen und die ihres Ehemannes in keiner Weise berücksichtigt worden. Sie habe hierzu Unterlagen eingereicht und bitte um Überprüfung.

Mit Widerspruchsbescheid vom 30. November 2011 wies der Beklagte den Widerspruch der Klägerin als unbegründet ab. Er führte aus, ein Hilfebedarf bestehe nicht. Von der Rente des Ehemannes sei die Versicherungspauschale in Höhe von 30,- Euro pro Monat abzusetzen sowie die Kfz- Haftpflichtversicherung in Höhe von 35,50 Euro pro Monat und sein eigener Bedarf in Höhe der fiktiven Regelleistung von 311,- Euro monatlich sowie 323,- Euro an Kosten für Unterkunft und Heizung. Dach verbleibe ein für den Bedarf der Klägerin einsetzbares Einkommen von 968,24 Euro. Dieser Betrag übersteige den Bedarf der Klägerin in Höhe von 819,20 Euro um 149,04 Euro.

Hiergegen erhob die Klägerin am 4. Januar 2011 Klage vor dem Sozialgericht Hamburg. Sie vertiefte ihr Vorbringen, von ihrem Ehemann dauerhaft getrennt zu leben. Eine Unterhaltspflicht ihres Ehemannes gegenüber der Klägerin bestehe nicht, da die sonstigen Verpflichtungen und außergewöhnlichen Belastungen des Ehemannes seinen eigenen Unterhalt gefährden würden.

Mit Gerichtsbescheid vom 2. Juni 2010 – der Klägerin zugestellt am 9. Juni 2010 – wies das Sozialgericht nach Durchführung eines Erörterungstermins die Klage als unbegründet ab. Es führte im Wesentlichen aus, die Klägerin sei in der Zeit vom 29. Dezember 2005 bis zum 21. August 2008 nicht hilfebedürftig gewesen. Das Einkommen des Ehemannes sei anzurechnen. Es bestehe eine Bedarfsgemeinschaft mit dem im fraglichen Zeitraum in einem Wohnstift lebenden Ehemann, da kein Getrenntleben im Sinne des Bürgerlichen Gesetzbuches – BGB – festgestellt werden könne. Es fehle an dem dafür erforderlichen Trennungswillen. Der Ehemann der Klägerin sei aus gesundheitlichen Gründen in das Wohnstift umgezogen. Es habe stets nur ein gemeinsames Konto der Eheleute gegeben, auf das die Klägerin Zugriff gehabt habe und über dessen Eingänge sie auch habe verfügen können. Die von der Klägerin vorgetragenen Aufwendungen des Ehemannes bzw. der Klägerin bezüglich der Unterhaltszahlungen an die Kinder seien nicht vom Einkommen abzusetzen, da hierüber keine Titel vorlägen und demgegenüber ein Unterhaltsanspruch der Klägerin vorrangig sei. Selbst wenn aber ein dauerhaftes Getrenntleben angenommen würde, sei aufgrund eines Unterhaltsanspruchs der Klägerin gegenüber ihrem Ehemann ein Hilfebedarf nicht zu erkennen. Tatsächlich habe der Klägerin das Einkommen des Ehemannes zur Verfügung gestanden.

Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer am 9. Juli 2010 eingelegten Berufung vor dem Landessozialgericht Hamburg. Die Klägerin führt aus, das Sozialgericht habe den stattgefundenen Erörterungstermin fehlerhaft protokolliert. Es sei unbillig, die Klägerin auf einen Unterhaltsanspruch gegenüber ihrem kranken Ehemann zu verweisen. Nach der Düsseldorfer Tabelle dürften nur 50% des den Selbstbehalt übersteigenden Einkommens als für den Unterhaltsberechtigten zur Verfügung stehenden Betrag herangezogen werden. Dieses seien hier 382,- Euro im Monat. Es ergäbe sich für die Klägerin eine monatliche Unterdeckung von 437,20 Euro. Der Widerspruchsbescheid gehe fälschlicherweise von einer Bedarfsgemeinschaft aus. Die Klägerin sei Betreuerin ihres Ehemannes und als solche verpflichtet gewesen, für den Ehemann notgedrungen seine Angelegenheiten zu besorgen.

Die Klägerin beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hamburg vom 2. Juni 2010 und den Bescheid vom 28. April 2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 30. November 2006 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, der Klägerin für die Zeit vom 29. Dezember 2005 bis zum 21. August 2008 Leistungen nach dem SGB II nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen ohne Anrechnung von Einkünften des Ehemannes zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung gegen den Gerichtsbescheid zurückzuweisen.

Hierfür bezieht sich der Beklagte auf die Gründe in der angefochtenen Entscheidung des Sozialgerichts sowie auf die Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden.

Dem Gericht haben neben der Gerichtsakte auch die Verwaltungsvorgänge des Beklagten vorgelegen. Sie waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Für weitere Einzelheiten zum Sachverhalt wird hierauf Bezug genommen. Mit Beschluss vom 31. August 2010 hat der Senat die Berufung auf die Berichterstatterin übertragen, die zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern entscheidet.

Entscheidungsgründe:

Die Berichterstatterin konnte zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern anstelle des Senats entscheiden, da die Berufung auf sie durch Senatsbeschluss vom 31. August 2010 übertragen wurde (§ 153 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz – SGG –).

Die am 9. Juli 2010 eingelegte Berufung gegen den am 9. Juni 2010 zugestellten Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hamburg vom 2. Juni 2010 ist statthaft (§§ 143, 144 SGG) und auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht erhoben.

Die Berufung ist jedoch unbegründet. Der angefochtene Gerichtsbescheid ist rechtmäßig; der Bescheid vom 28. April 2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 30. November 2006 ist, wie vom Sozialgericht festgestellt, rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Das Sozialgericht hat die Sach- und Rechtslage zutreffend dargestellt. Auf die Entscheidungsgründe in dem angefochtenen Gerichtsbescheid vom 2. Juni 2010 wird Bezug genommen (§ 153 Abs. 2 SGG). Die mit der Berufung vorgetragen Gründe vermögen keine andere Beurteilung herbeizuführen; sie geben lediglich Anlass zu folgender Ergänzung:

Soweit die Klägerin ausführt, sie habe jedenfalls in der Zeit von Mai 2005 bis August 2007 von ihrem Ehemann getrennt gelebt und sich ihr Trennungswille durch ihre Arbeitslosmeldung dokumentiert habe, so ergeben sich hieraus keine Umstände, die vorgenommene rechtliche Würdigung zu beanstanden, dass auch in dieser Zeit die Klägerin und ihr Ehemann eine Bedarfsgemeinschaft im Sinne des SGB II gebildet haben. Auch Eheleute, die sich übereinstimmend dazu entschlossen haben in getrennten Wohnungen zu leben, können eine Bedarfsgemeinschaft bilden, wenn kein Trennungswille nach außen manifestiert wird. Gem. § 7 Abs. 3 Nr. 3 Buchstabe a SGB II gehört auch der nicht dauernd getrennt lebende Ehegatte des erwerbsfähigen Hilfebedürftigen zur Bedarfsgemeinschaft. Bei der Auslegung des Begriffs des "nicht dauernd getrennt lebenden Ehegatten" im Sinne dieser Vorschrift ist nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts auf diejenigen Grundsätze zurückzugreifen, die im Bereich des Familienrechts entwickelt worden sind (vgl. BSG, Urteil vom 18.2.2010, B 4 AS 49/09 R). Denn auch das SGB II geht davon aus, dass eine Bedarfsgemeinschaft bei Eheleuten (noch) bestehen kann, wenn diese, beispielsweise wegen des Aufenthalts eines pflegebedürftigen Ehegatten in einem Heim, räumlich voneinander getrennt leben. Der Grundgedanke der Bedarfsgemeinschaft beruht auf der Annahme, dass in dieser Gemeinschaft alle Mitglieder füreinander Verantwortung auch im finanziellen Sinne übernehmen. Erst nachrangig, wenn die Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft ihren Bedarf nicht gemeinsam decken können, sind Grundsicherungsleistungen zu gewähren (vgl. § 9 Abs. 1 Satz 1 Erstes Buch Sozialgesetzbuch – SGB I –; § 9 Abs. 2 Satz 3 SGB II). Die Vermutung einer gegenseitigen Bedarfsdeckung hat der Gesetzgeber dabei nicht vorrangig mit dem Vorhandensein von Unterhaltsansprüchen verknüpft (vgl. BSG, Urteil vom 15.4.2008, B 14/7b AS 58/06 R). Bei Eheleuten verlangt er – im Unterschied etwa zur Konstellation der eheähnlichen Lebensgemeinschaft (§ 7 Abs. 3 Nr. 3c SGB II) – gerade das gemeinsame Leben in einem Haushalt nicht. Hierauf hat das Sozialgericht zutreffend hingewiesen. Unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (vgl. Urteil vom 18.2.2010, a.a.O.) kommt es vor dem Hintergrund der familienrechtlichen Grundsätze für das Vorliegen einer dauerhaften Trennung darauf an, ob einer der Partner die bisherige Form der Lebensgemeinschaft ohne gemeinsamen Lebensmittelpunkt nicht mehr aufrecht erhalten, das Eheband also lösen will.

Dieses war bei der Klägerin und ihrem Ehemann nicht der Fall. Nach der persönlichen Anhörung der Klägerin unter Berücksichtigung ihres Vortrags ist der Senat – wie schon zuvor das Sozialgericht – zu der Überzeugung gelangt, dass ein Trennungswille in der fraglichen Zeit weder bei der Klägerin noch bei ihrem Ehemann vorlag. Weder wurde in der Zeit von Mai 2005 bis August 2007 noch später eine Trennung mit dem Willen zur Auflösung des ehelichen Bandes vollzogen, sondern es besteht nach wie vor eine Einstands- und Verantwortungsgemeinschaft. Dieses ergibt sich aus der Betrachtung und Würdigung der nach Außen erkennbaren Hinweise auf die das Verhältnis zwischen der Klägerin und ihrem Ehemann prägenden Lebensumstände. Hierbei ist von Bedeutung, dass Anlass für die Aufgabe eines gemeinsamen Lebensmittelpunktes im selben Haushalt der Gesundheitszustand des Ehemannes der Klägerin war, der aufgrund seiner seit vielen Jahren bestehenden Erkrankung an Multiple Sklerose (MS) von der Klägerin nicht mehr im ausreichenden Maße gepflegt werden konnte. Die räumliche Trennung war demnach von äußeren Umständen erzwungen und war nach Auffassung des Senats nicht von dem Willen zur Auflösung des ehelichen Bandes getragen. Gewichtiges Indiz für ein Festhalten an der inneren Bindung zu ihrem Ehemann ist nach Ansicht des Senats, dass die Klägerin nach dem krankheitsbedingten Umzug ihres Ehemannes in ein Wohnstift ebenfalls in das Wohnstift gezogen ist, wenngleich erst zu einem späteren Zeitpunkt und in eine eigene Wohnung, aber immerhin im gleichen Haus wie der Ehemann. Damit hat die Klägerin eine zu ihrem Ehemann trotz getrennter Haushalte bestehende innere Nähe nach außen durch Wiederherstellung der räumlichen Nähe erkennbar gemacht, wie es bei einem Willen zur Lösung des Ehebandes nach Auffassung des Senats nicht zu erwarten gewesen wäre. Aus der Bestellung zur Betreuerin ihres Ehemannes lässt sich die möglichst weitgehende Herstellung der räumlichen Nähe allein nicht erklären, denn es war der Klägerin die Wahrnehmung der Betreuungsaufgaben auch möglich, als sie noch in der ehemaligen gemeinsamen Zwei-Zimmer-Wohnung in der O.Straße verblieben war, ihr Ehemann aber schon eine eigene Wohnung im Wohnstift bezogen hatte. Die Möglichkeit, zusammen mit ihrem Ehemann im gleichen Wohnstift zu leben, ist nach Ansicht des Senats auch keine reine Zufälligkeit, die dem Umstand geschuldet war, dass sich die Klägerin ohnehin aus finanziellen Gründen gezwungen sah, die Zwei-Zimmer-Wohnung in der O.Straße 16 aufzugeben und gerade zu diesem Zeitpunkt eine Wohnung im Wohnstift frei geworden war. Vielmehr bedarf eine solche gemeinsame Unterbringung von Ehepartnern in einer zweckgerichteten Einrichtung einer rechtzeitigen Anmeldung und – wie aus der vorlegten Aufnahme- und Hausordnung des Wohnstifts zu entnehmen ist – auch der Zahlung eines nach den Einkommens- und Vermögensverhältnissen festgesetzten Unkostenbeitrages. Hieraus ergibt sich für den Senat, dass die Klägerin und ihr Ehemann eine gemeinsame Perspektive für Alter und Krankheit beabsichtigt haben dürften, was mit einer gewollten Lösung des Ehebandes kaum in Einklang zu bringen wäre. Der Senat verkennt dabei nicht, dass die langjährige Erkrankung des Ehemannes der Klägerin und sein zunehmender Pflegebedarf besondere Belastungen für die Ehe mit sich gebracht haben. Dass aber damit eine innere Abwendung vom Ehepartner einhergeht, ist weder zwangsläufig noch im vorliegenden Falle ersichtlich. Die Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung erklärt, dass man einen Menschen nach so vielen Jahren des Zusammenlebens nicht einfach fallen lassen könne. Unter Berücksichtigung dieser Aussage, der von der Klägerin eingenommenen räumlichen Nähe zu ihrem Ehemann und der Besorgung seiner wirtschaftlichen Angelegenheiten und Führung eines gemeinsamen Kontos ist es bei einer solchen Sachlage erforderlich, dass weitere objektivierbare Merkmale der Lebensgestaltung den Trennungswillen erkennbar machen. Solche liegen nicht vor.

Aus der Arbeitslosmeldung der Klägerin in der Zeit von Mai 2005 bis August 2007 ist ein Trennungswille nicht abzuleiten. Die Arbeitslosmeldung ist lediglich eine Voraussetzung, um einen Leistungsanspruch gegenüber dem zuständigen Leistungsträger geltend zu machen. Sie steht mit einem möglichen Willen zur Auflösung eines Ehebandes in keinem Zusammenhang.

Soweit die Klägerin der Auffassung ist, es ergäbe sich auch bei Anrechnung des Einkommens ihres Ehemannes eine Bedarfsunterdeckung und somit ein Leistungsanspruch, da der zivilrechtlich geschuldete Unterhalt lediglich auf die Hälfte des den Selbstbehalt übersteigenden Betrag reduziert sei, verhilft auch dies der Berufung nicht zum Erfolg. Da hier vom Vorliegen einer Bedarfsgemeinschaft auszugehen ist, ist nicht auf die zivilrechtlich bedeutsamen Begrenzungen der Leistungspflicht gegenüber Unterhaltsberechtigten abzustellen. Abzuziehen vom Einkommen des nicht leistungsberechtigten Mitglieds einer Bedarfsgemeinschaft ist dessen eigener Bedarf nach dem SGB II (vgl. BSG, Urteil vom 15.4.2008, a.a.O.). Denn der Gesetzgeber knüpft bei der Einkommens- und Vermögensanrechnung innerhalb einer Bedarfsgemeinschaft nicht an die bürgerlich-rechtliche Unterhaltspflicht an, sondern begründet für Leistungen nach dem SGB II eine eigenständige, davon zu unterscheidende, öffentlich-rechtliche Bedarfsdeckungs- und Leistungserwartung zwischen den Mitgliedern der Bedarfsgemeinschaft (vgl. LSG Sachsen, Urteil vom 7.9.2006, L 3 AS 11/06).

Auch der in der mündlichen Verhandlung durch die Klägerin vorgetragene Hinweis auf § 94 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch – SGB XII – vermag an dieser Rechtslage nichts zu ändern. § 94 SGB XII betrifft den Übergang von Ansprüchen einer nach dem SGB XII leistungsberechtigten Person gegen einen nach bürgerlichem Recht Unterhaltspflichtigen und ist auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar. Gemeint sind Fälle, in denen der zuständige Sozialleistungsträger Leistungen erbringt, obwohl die leistungsberechtigte Person einen Unterhaltsanspruch gegen eine dritte Person geltend machen kann. Eine solche Konstellation liegt nicht vor. Denn die Klägerin ist nicht leistungsberechtigt im Sinne des SGB XII. Einer Leistungsberechtigung des Ehemannes dürfte auch hier sein Einkommen entgegenstehen. Darüber hinaus würde bei Berechtigung des Ehemannes der Klägerin, Leistungen nach dem SGB XII zu beziehen zu können, erst recht keine Konstellation vorliegen, die dem vorliegenden Fall entspricht.

Sofern die Klägerin mit ihrem Hinweis auf § 94 SGB XII zum Ausdruck bringen wollte, dass auch Härtegesichtspunkte bei der Anrechnung der Einkünfte ihres Ehemannes zu berücksichtigen seien, ist darauf zu verwiesen, dass die Härtefall- und Unbilligkeitsklauseln des BGB und des SGB XII bei der Bedürftigkeitsprüfung nach dem SGB II im Rahmen von Bedarfsgemeinschaften nicht anwendbar sind (siehe oben). Darüber hinaus wären solche Härtefall- und Unbilligkeitsgründe aber auch nicht ersichtlich, denn solche sind nicht lediglich aus den wirtschaftlichen Verhältnissen des Unterhaltspflichtigen herzuleiten, sondern sie setzen vielmehr eine Situation des Unterhaltspflichtigen voraus, in der üblicherweise nicht (mehr) erwartet werden kann, nun (auch noch) im Hinblick auf den Unterhaltsanspruch in die Pflicht genommen zu werden (siehe Fallgruppen bei Münder in: Lehr- und Praxiskommentar zum SGB XII (LPK-SGB XII), § 94 Rdnr. 46) oder erfordern eine grobe Verletzung von Pflichten des Unterhaltsberechtigten gegenüber dem Unterhaltspflichtigen (vgl. § 1579 Nr. 2-7 BGB).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision wird nicht zugelassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
Saved