L 5 AS 112/12 B

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
5
1. Instanz
SG Dessau-Roßlau (SAN)
Aktenzeichen
S 8 AS 1344/10
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 5 AS 112/12 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 26. Januar 2012 wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Die Klägerin wendet sich mit ihrer Beschwerde gegen einen Beschluss des Sozialgerichts Dessau-Roßlau (SG), das die Gewährung von Prozesskostenhilfe zur Durchführung eines sozialgerichtlichen Verfahrens abgelehnt hat. Die Beteiligten streiten darum, ob die Klägerin einen Anspruch gegen den Beklagten hat, dass dieser über ihren Antrag auf die Gewährung von Einstiegsgeld gemäß § 16b Zweites Buch Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) neu entscheidet.

Die Klägerin schloss am 23. Dezember 2009 einen Arbeitsvertrag für überbetriebliche Mitarbeiter mit der R. D. GmbH & Co. KG. Gemäß § 2 des Vertrages begann das Arbeitsverhältnis am 25. Dezember 2009 und war bis zum 31. März 2010 befristet. Es endete durch Arbeitgeberkündigung zum 10. Februar 2010.

Sie beantragte am 7. Januar 2010 die Gewährung von Einstiegsgeld ab dem 25. Dezember 2009. In ihrer "Anlage zum Antrag auf Einstiegsgeld vom 07.01.2010" führte sie aus, sie habe am 23. Dezember 2009 einen Anruf der I. –B. GmbH erhalten, wonach sie dort zum 25. Dezember 2009 als Leiharbeiterin über die Fa. R. eingestellt werden könne. Dies müsse noch mit R. abgesprochen werden. Deshalb habe sie den Arbeitsvertrag erst gegen Mittag unterschreiben können. Das "Arbeitsamt" sei an diesem Tag schon gegen 12.30 Uhr geschlossen und am 24. Dezember 2009 nicht geöffnet gewesen. Sie habe daher erst am 28. Dezember 2009, früh um 07.30 Uhr nach ihrer Nachtschicht, persönlich bei dem Beklagten vorsprechen können. Dort sei ihr gesagt worden, dass sie keinen Anspruch auf Einstiegsgeld habe. Nach diesbezüglichen Gesprächen in ihrer Arbeitsstelle habe sie aber am 7. Januar 2010 telefonisch eine Auskunft vom Beklagten erbeten, der ihr dann die Unterlagen zugesandt habe. Mit Bescheid vom 22. Januar 2010 lehnte der Beklagte den Antrag auf Gewährung von Einstiegsgeld ab. Das Arbeitsentgelt betrage 6,42 EUR pro Stunde brutto. Bei Gewährung von Einstiegsgeld würde die Klägerin gegenüber einem nicht hilfebedürftigen Erwerbstätigen aus vergleichbarer Beschäftigung und persönlicher Situation besser gestellt werden.

Den hiergegen gerichteten Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 29. März 2010 zurück. Beim Einstiegsgeld gemäß § 16 SGB II handele es sich um eine im Rahmen einer Ermessensentscheidung zu bewilligende Leistung. Es seien unter anderem die Eignung sowie die individuelle Lebenssituation des erwerbsfähigen Hilfebedürftigen zu berücksichtigen. Das Einstiegsgeld diene nicht primär dazu, den Lebensunterhalt des Hilfebedürftigen zu sichern, sondern stelle einen Anreiz zur Aufnahme einer sozialversicherungspflichtigen oder selbstständigen Erwerbstätigkeit dar. Es müsse darauf geachtet werden, dass die Summe aus dem zu berücksichtigenden Einkommen aus Beschäftigung, dem Arbeitslosengeld II und dem Einstiegsgeld nicht wesentlich höher liege als das Einkommen, das ein nicht hilfebedürftiger Erwerbstätiger aus einer vergleichbaren Beschäftigung erziele. Der Stundenlohn von 6,42 EUR sei branchenüblich und falle nicht in den Niedriglohnsektor im Land Sachsen-Anhalt. Unter Beachtung des allgemeinen Lohnniveaus ergäbe sich durch die Gewährung von Einstiegsgeld eine wirtschaftliche Besserstellung gegenüber den nicht hilfebedürftigen Erwerbstätigen.

Hiergegen hat die Klägerin am 30. April 2010 Klage beim SG erhoben, die Bewilligung von Prozesskostenhilfe beantragt und vorgetragen, sie habe am 28. Dezember 2009 die Gewährung eines Einstiegsgelds beantragt. Der Beklagte habe das Ermessen fehlerhaft ausgeübt. Einstiegsgeld könne auch erbracht werden, wenn die Hilfebedürftigkeit durch die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit entfiele. Der Vergleich mit einem Einkommensbezieher, der kein Einstiegsgeld erhalte, gehe fehl. Weiterhin seien nicht unerhebliche Fahrtkosten zur Arbeitsstelle zu berücksichtigen. Außerdem habe es sich nicht um eine Vollzeitstelle gehandelt, da sei nur 35 Std./Woche gearbeitet habe. Zudem sei die Überwindung von Hilfebedürftigkeit wahrscheinlich gewesen. Zwar sei das Arbeitsverhältnis ursprünglich befristet gewesen, habe aber unmittelbar in ein Arbeitsverhältnis übergehen sollen. Letztlich habe sich das Unternehmen jedoch gegen eine Weiterbeschäftigung entschieden. Der Beklagte hat ausgeführt, das Einstiegsgeld sei erst am 7. Januar 2010 und damit nach der Unterzeichnung des Arbeitsvertrages beantragt worden. Fraglich sei daher bereits die Erforderlichkeit der beantragten Förderleistung.

Das SG hat mit Beschluss vom 26. Januar 2012 den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt. Der Anspruch auf Neubescheidung über den Antrag auf Einstiegsgeld sei nicht gegeben, da die in § 16b Abs. 1 Satz 1 SGB II vorausgesetzte Erforderlichkeit fehle. Der Begriff der Erforderlichkeit beinhalte ein Element der Unverzichtbarkeit im Sinne einer engen Kausalität. Daher könne das Einstiegsgeld nur gewährt werden, wenn das angestrebte Ziel ansonsten nicht verwirklicht werden könne. Die vom Gesetz als maßgeblicher Zweck bezeichnete Eingliederung in den allgemeinen Arbeitsmarkt sei hier über den Abschluss des Arbeitsvertrages vom 23. Dezember 2009 und die Aufnahme der entsprechenden Tätigkeit erfolgt. Das Einstiegsgeld wäre nur dann erforderlich gewesen, wenn eine Beschäftigungsaufnahme ohne diese Leistung nicht hätte erfolgen können. Vor diesem Hintergrund sei zu berücksichtigen, dass die Klägerin jedenfalls erst nach Unterzeichnung des Arbeitsvertrags am 23. Dezember 2009 und auch nach Aufnahme der Arbeit am 25. Dezember 2009 überhaupt einen Antrag auf Gewährung von Einstiegsgeld gestellt habe. Wenn ohne eine solche Bewilligung oder eine feste Zusage der Arbeitsvertrag unterschrieben und die Arbeit aufgenommen habe werden können, zeige dies, dass eine Erforderlichkeit für den hier in Rede stehenden Arbeitsvertrag und den nachfolgenden Antritt der Arbeit nicht gegeben gewesen sei. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus § 16b Abs. 1 Satz 2 SGB II, der an der Voraussetzung der Erforderlichkeit nichts ändere. Diese Norm solle nur sicherstellen, dass das Einstiegsgeld auch erbracht werden kann, wenn die Hilfebedürftigkeit durch oder nach Aufnahme der Erwerbstätigkeit entfalle. Die Erforderlichkeit sei ein notwendiges Tatbestandsmerkmal. Da dieses nicht vorliege, stelle sich die Frage des Ermessens auf der Rechtsfolgenseite nicht mehr. Das Einstiegsgeld könne zudem nur Hilfebedürftigen gewährt werden. Wer am Tag der Antragstellung bereits eine sozialversicherungspflichtige Tätigkeit aufgenommen habe, erfülle schon deshalb die Leistungsvoraussetzungen nicht mehr.

Die Klägerin hat gegen den am 2. Februar 2012 zugestellten Beschluss am 1. März 2012 Beschwerde beim SG eingelegt, das diese an das Landessozialgericht Sachsen-Anhalt weitergeleitet hat. Sie hat vorgetragen, sie habe den Antrag vor der Arbeitsaufnahme gestellt, nämlich formlos am 28. Dezember 2009, 07.30 Uhr. Der Arbeitsbeginn habe zeitlich danach gelegen.

Der Beklagte hat sich nicht geäußert.

II.

Es kann offen bleiben, ob der maßgebliche Wert des Beschwerdegegenstands erreicht wird und die Beschwerde statthaft im Sinne des § 73a SGG i.V.m. § 127 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO) ist (vgl. LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 31. Januar 2012 – L 2 AS 180/11 B – juris). Insoweit bestehen Zweifel, ob das wirtschaftliche Interesse für das im Zeitraum vom 25. Dezember 2009 bis zum 10. Februar 2010 begehrte Einstiegsgeld 750,00 EUR übersteigt.

Die Beschwerde ist jedenfalls unbegründet.

Nach § 73a Abs. 1 SGG i.V.m. §§ 114 ff. ZPO ist auf Antrag Prozesskostenhilfe zu bewilligen, soweit – neben weiteren Voraussetzungen – die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder -verteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Als hinreichend sind die Erfolgsaussichten einzuschätzen, wenn der Erfolg in der Hauptsache zwar nicht gewiss, eine Erfolgschance jedoch nicht unwahrscheinlich ist (vgl. Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 13. März 1990, 1 BvR 94/98, NJW 1991, 413 ff.). Prozesskostenhilfe kommt jedoch nicht in Betracht, wenn ein Erfolg in der Hauptsache zwar nicht gänzlich ausgeschlossen, die Erfolgschance aber nur eine entfernte ist (Bundessozialgericht, Urteil vom 17. Februar 1989, B 13 RJ 83/97 R, SozR 1500, § 72 Nr. 19). Das Gericht muss den Rechtsstandpunkt des antragstellenden Beteiligten auf Grund seiner Sachdarstellung, der vorhandenen Unterlagen und unter Berücksichtigung des gegnerischen Vorbringens für zumindest vertretbar halten und – soweit nötig – in tatsächlicher Hinsicht zumindest von der Möglichkeit einer Beweisführung überzeugt sein. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Erfolgsaussichten im Rahmen der Prüfung eines Anspruchs auf Prozesskostenhilfe ist der Zeitpunkt der Entscheidungsreife des Antrags.

Das SG ist zutreffend davon ausgegangen, dass vor dem Hintergrund des genannten Prüfungsmaßstabs keine hinreichenden Erfolgsaussichten dahingehend bestehen, dass es den Beklagten unter Aufhebung seiner Ablehnungsentscheidung verpflichten würde, über den Antrag auf Bewilligung von Einstiegsgeld unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden. Der Senat verweist nach eigener Überprüfung der Sach- und Rechtslage auf die überzeugenden Gründe des SG.

Ergänzend ist auszuführen:

Ziel des Einstiegsgelds als Leistung zur Eingliederung in Arbeit ist es, dem Hilfebedürftigen einen finanziell attraktiven Anreiz für die Aufnahme einer unselbstständigen oder selbstständigen Tätigkeit zu schaffen (BT-Drucksache 15/1516, S. 59). Einstiegsgeld und die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit müssen dafür in einem zeitlichen und sachlichen Zusammenhang stehen. Dies allein reicht aber noch nicht aus. Der erkennende Senat geht davon aus, dass Erforderlichkeit dann vorliegt, wenn zwischen der begehrten Förderung und der beabsichtigten Eingliederung in den Arbeitsmarkt ein kausaler Zusammenhang besteht (so auch BSG, Urteil vom 6. April 2006, B 7 AL 20/05 R (21) zur Förderungsbedürftigkeit i.S.v. § 217 Satz 2 SGB III i.d.F. bis 31. Dezember 2003; BSG, Urteil vom 6. Mai 2008, B 7/7a AL 16/07 R (21) zu § 217 SGB III i.d.F. ab dem 1. Januar 2004 mit der Maßgabe der Kausalitätsprüfung im Rahmen der Ermessensausübung). Erforderlichkeit setzt ferner voraus, dass eine Eingliederung in den allgemeinen Arbeitsmarkt mit weniger kostspieligen Mitteln als der Bewilligung des Einstiegsgelds nicht erreicht werden kann (Spellbrink in: Eicher/Spellbrink, SGB II, Grundsicherung für Arbeitsuchende, 2. Aufl., § 29 Rdnr. 19).

Demnach ist das Einstiegsgeld nicht erforderlich, wenn das Beschäftigungsverhältnis auch ohne die Bewilligung von Einstiegsgeld aufgenommen wird und somit die Eingliederung auch ohne Förderung erfolgt ist (vgl. BSG, Urteile vom 6. April 2006 und vom 6. Mai 2008, a.a.O., im Ergebnis ebenso: Bayerisches LSG, Urteil vom 20. November 2011, L 7 AS 643/11, juris, zur beantragten Förderung einer bereits ausgeübten Tätigkeit).

Hier lagen Vertragsabschluss und Arbeitsantritt vor der Antragstellung, die frühestens am 28. Dezember 2009 angenommen werden kann. Soweit die Klägerin in ihrer Beschwerde vorträgt, der Arbeitsbeginn habe zeitlich nach der Antragstellung am 28. Dezember 2009, 07.30 Uhr, gelegen, ist dies unzutreffend. Aus der "Anlage zum Antrag auf Einstiegsgeld vom 07.01.2010" geht ein anderer Sachverhalt hervor. Dort hat die Klägerin wörtlich ausgeführt, sie habe erst am 28. Dezember 2009 um 07.30 Uhr nach ihrer Nachtschicht persönlich beim Beklagten vorsprechen können.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 127 Abs. 4 ZPO.

Der Beschluss ist endgültig, § 177 SGG.
Rechtskraft
Aus
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