S 29 AS 17/09

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Dortmund (NRW)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
29
1. Instanz
SG Dortmund (NRW)
Aktenzeichen
S 29 AS 17/09
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Der Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 03.11.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.12.2008 verurteilt, für den Monat Dezember 2008 die Kosten der Unterkunft und Heizung für die Wohnung der Klägerin im Haus E 13 in Dortmund in tatsäch- licher Höhe neben den Kosten der Unterkunft und Heizung der neuen Wohnung zu übernehmen.

Der Beklagte trägt die erstattungsfähigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin.

Die Berufung wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die Übernahme einer Miete für zwei Wohnungen nach den Vorschriften des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch (SGB II) anlässlich eines vom Beklagten veranlassten Umzuges.

Die XXXX geborene alleinstehende Klägerin bezieht seit Januar 2005 (mit einer Unterbrechung) Leistungen zur Grundsicherung für Erwerbsfähige nach dem SGB II unter Anrechnung einer Witwenrente. Im April 2007 hörte die Rechtsvorgängerin des Beklagten (im Weiteren einheitlich Beklagter) die Klägerin erstmals dazu an, dass die Kosten der Unterkunft der von ihr bewohnten, 80 qm großen Wohnung mit einer Kaltmiete von 375,00 Euro unangemessen hoch seien. Angemessen für einen Ein-Personen-Haushalt sei eine Wohnfläche von 45 qm und eine Kaltmiete von maximal 235,80 Euro monatlich. Zu einer Aufforderung, die Kosten der Wohnung zu senken, kam es aufgrund einer Arbeitsaufnahme der Klägerin nicht. Erst nach Kündigung des Arbeitsverhältnisses und einem neuen Antrag der Klägerin auf Leistungen zur Grundsicherung vom 07.02.2008, wobei die Kosten der Unterkunft und Heizung mit insgesamt 565,00 Euro nachgewiesen wurden, forderte der Beklagte die Klägerin unter gleichzeitiger Bewilligung von Leistungen mit Schreiben vom 27.02.2008 zur Senkung der Kosten der Unterkunft auf den für angemessen erachteten Betrag auf. Es wurde darauf hingewiesen, dass die tatsächlichen Kosten der Unterkunft nur noch für einen Zeitraum von sechs Monaten übernommen würden. Die Klägerin legte daraufhin ein ärztliches Attest vor, wonach ein Umzug aus körperlichen und psychischen Gründen nicht für zumutbar gehalten wurde. Der Beklagte bewilligte danach Leistungen in bisheriger Höhe für die Zeit bis einschließlich Februar 2009 weiter.

Am 02.10.2008 reichte die Klägerin einen Vorvertrag für die Anmietung einer 67qm großen Wohnung mit einer Kaltmiete von 235,00 Euro (zuzüglich 160,00 Euro für Betriebskosten und Heizungsvorauszahlung sowie 35,00 Euro für Garagenmiete) zum 01.12.2008 ein. Die Wohnung sollte unrenoviert ohne Bodenbelag übernommen werden. Am 06.10.2008 sicherte der Beklagte die Übernahme der Kosten der neuen Unterkunft zu.

Am 28.10.2008 beantragte die Klägerin die Übernahme der doppelten Miete für den Monat Dezember 2008 mit der Begründung, es müsse renoviert werden. Außerdem beantragte sie die Übernahme der Umzugskosten mit der Begründung, sie sei physisch nicht in der Lage, den Umzug selbst durchzuführen. Ein diesbezügliches ärztliches Attest legte sie vor.

Mit Schreiben vom 03.11.2008 teilte der Beklagte der Klägerin mit, die Übernahme der Miete für zwei Wohnungen sei nach den Hinweisen des Kommunalen Trägers nicht möglich. Der Wohnungsmarkt in Dortmund lasse es zur Zeit zu, dass doppelte Mieten vermieden werden könnten.

Hiergegen legte die Klägerin am 11.11.2008 Widerspruch ein und führte aus, kleine Wohnungen, die den Anforderungen des Beklagten hinsichtlich der Kosten entsprächen, seien schwer zu finden und die Vermeidung von Doppelmieten scheitere auch an den Vorgaben der Umzugsunternehmen (der Kostenvoranschlag des Unternehmens, für das der Beklagte die Übernahme der Kosten zugesichert hatte, sah einen Umzug am 08.12.2008 vor, der tatsächliche Umzug fand am 15.12.2008 statt).

Der Beklagte wies den Widerspruch mit Bescheid vom 11.12.2008, adressiert an den Mieterverein Dortmund, der die Klägerin bis dahin vertreten hatte, als unbegründet zurück.

Gegen den laut Eingangsstempel am 17.12.2008 zugegangenen Bescheid hat die Klägerin am 16.01.2009 Klage erhoben. Zur Begründung trägt sie vor, die Entstehung der Doppelmiete sei praktisch unvermeidbar. Sie falle nur bei entsprechender Kulanz des neuen Vermieters nicht an. Die Übernahme der Umzugskosten sei erst mit Schreiben vom 24.11.2008 erklärt worden und erst danach habe sie das Umzugsunternehmen beauftragen können, so dass auch aus diesem Grund ein Umzug bis zum 30.11.2008 nicht möglich gewesen sei. Bezüglich der Gründe für das Entstehen einer doppelten Miete hat die Klägerin im Übrigen vorgetragen, sie habe beide Wohnungen renovieren müssen, was ihr selbst aus körperlichen Gründen nicht möglich gewesen sei. Entsprechend habe der Beklagte auch die Kosten der Renovierung der neuen Wohnung durch ein beauftragtes Unternehmen übernommen. Aufgrund ihrer Wirbelsäulenbeschwerden nach mehreren Bandscheibenvorfällen habe sie auch auf eine behindertengerechte Wohnung achten müssen und deshalb nicht sofort etwas Passendes gefunden. Die Kündigungsfrist für die alte Wohnung sei zum 31.12.2008 abgelaufen und die Zusage des Vermieters für die neue Wohnung habe sie, weil andere Interessenten schon für Dezember 2008 zur Verfügung gestanden hätten, bei einer Anmietung ab Januar 2009 nicht erhalten.

Die Klägerin beantragt,

den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 03.11.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.12.2008 zu verurteilen, für den Monat Dezember 2008 die tatsächlichen Kosten der Unterkunft und Heizung für die Wohnung im Haus E 57 in Dortmund zusätzlich zu den Kosten der neuen Wohnung zu übernehmen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er ist der Ansicht, ein Nachweis dafür, dass die doppelte Miete unvermeidbar gewesen sei, sei bisher nicht erbracht.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie den der die Klägerin betreffenden Verwaltungsakten des Beklagten ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig und begründet. Die Klägerin ist durch die Entscheidung des Beklagten im Sinne von § 54 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beschwert, denn sie hat Anspruch auf die Übernahme der Kosten der Unterkunft und Heizung für die im Dezember 2008 noch angemietete bisherige Wohnung und die ab Dezember 2008 angemietete neue Wohnung.

Auf welche Vorschriften des SGB II sich ein Anspruch für die Erstattung von umzugsbedingten Doppelmieten stützt, ist in der Rechtsprechung noch nicht abschließend geklärt. Die Mehrzahl der Landessozialgerichte (Bayrisches LSG – L 16 B 665/08 und L 7 AS 99/06; LSG Sachsen-Anhalt – L 5 AS 331/11 ER, sämtlich abrufbar über Sozialgerichtsbarkeit.de – Entscheidungen) tendieren dazu, § 22 Abs. 3 Satz 1 SGB II als maßgebliche Anspruchsgrundlage zu sehen; die durch einen Umzug übergangsweise entstandenen doppelten Mietbelastungen werden den Wohnungsbeschaffungskosten zugeordnet. Dem schließt sich die Kammer an, denn wollte man derartige Kosten den Kosten der Unterkunft nach § 22 Abs. 1 SGB II zuordnen, müssten grundsätzlich die Kosten mehrerer, gleichzeitige inne gehabter Wohnungen für angemessen erachtet werden. Dies kann jedoch nicht richtig sein, weil grundsätzlich nur die Kosten der Wohnung zu berücksichtigen sind, die der Leistungsempfänger tatsächlich bewohnt oder wo er eine Wohnung unter Umständen inne hat, die darauf schließen lassen, dass er die Wohnung beibehalten und benutzen wird (§ 30 Abs. 2 SGB I). Angemessen im Falle eines Umzuges können bis zu dessen Zeitpunkt daher nur die Kosten der Wohnung sein, die aktuell noch bewohnt wird.

Wohnungsbeschaffungskosten und Umzugskosten, denen die Kammer die Kosten einer Doppelmiete zuordnet, können nach § 22 Abs. 3 SGB II jedoch nur bei vorheriger Zusicherung durch den örtlich zuständigen Kommunalen Träger übernommen werden. Die Zusicherung zum Umzug hat der Beklagte im vorliegenden Fall am 06.10.2008 erteilt. Dementsprechend hatte er nach Maßgabe des ihm in § 22 Abs. 3 SGB II eingeräumten Ermessens Wohnungsbeschaffungskosten und Umzugskosten zu übernehmen. Die Übernahme der Kosten steht zwar nach dem Wortlaut der Vorschrift im Ermessen des Beklagten, das sich aber im Falle eines von ihm veranlassten Umzuges auf die Höhe der Kosten reduziert. Im vorliegenden Einzelfall geht das Gericht davon aus, dass das Ermessen des Beklagten nur dahingehend ausgeübt werden konnte, die der Klägerin für den Monat Dezember 2008 entstandene Doppelmiete zu übernehmen. Zum einen hat nämlich die Klägerin glaubhaft und aufgrund ständiger Recherchen der Kammer im Internet nachvollziehbar dargelegt, dass Wohnungen, die den finanziellen Vorgaben des Beklagten für Ein-Personen-Haushalte entsprechen und auch behindertengerecht sind (Vermeidung von Treppen) selbst bei dem in Dortmund ansonsten als entspannt anzusehenden Wohnungsmarkt schwer zu finden sind, und zum anderen hat das Gericht berücksichtigt, dass der Beklagte selbst bei der Auswahl der Umzugsunternehmen, für die die Klägerin Kostenvoranschläge eingereicht hatte, das Unternehmen (die H. Fischer-Umzüge) unter Zusage einer Kostenübernahme vom 24.11.2008 ausgewählt hatte, das sein Angebot erst für ein Auftragsdatum am 08.12.2008 erstellt hatte. Der Klägerin kann vor diesem Hintergrund auch unter Berücksichtigung des dem Beklagten zustehenden Ermessens nicht vorgeworfen werden, grundlos höhere Kosten des Umzuges und der Wohnungsbeschaffung verursacht zu haben.

Genauso wenig kann ihr vorgehalten werden, sie habe bei der Wohnungssuche bereits hinreichend auf die Vermeidung einer Doppelmiete hinwirken können. Zwar ist dem Gericht hinsichtlich der Wohnungssituation im Bereich der Stadt Dortmund bekannt, dass auch kleine Wohnungen für Ein-Personen-Haushalte unter Beachtung der Kostenvorgaben des Beklagten ohne weiteres anzumieten sind und der Wohnungsmarkt insoweit entspannt ist. Anders gestaltet sich dies nach den regelmäßigen Recherchen der Kammer im Internet (Immobilienscout24.de) jedoch bei behindertengerechten Wohnungen. Kleine Wohnungen im Parterre oder über einen Aufzug erreichbar stehen kaum zu den finanziellen Vorgaben des Beklagten zur Verfügung. Die Entscheidung der Klägerin, die ihren Bedürfnissen entsprechende verfügbare Wohnung bereits zum 01.12.2008 anzumieten, ist nach alledem nachvollziehbar. Das dem Beklagten nach § 22 Abs. 3 hinsichtlich der zu übernehmenden Wohnungsbeschaffung- und Umzugskosten zustehende Ermessen ist nach alledem nach Auffassung des Gerichts dahingehend reduziert, dass die der Klägerin tatsächlich entstandenen Kosten zu übernehmen sind. Insoweit muss sich der Beklagte insbesondere an der Aufforderung gegenüber der Klägerin, das Umzugsunternehmen Fischer zu beantragen, festhalten lassen, wo aus dem Kostenvoranschlag bereits hervorging, dass ein Umzug erst im Dezember 2008 stattfinden würde, die weitere Nutzung der alten Wohnung also zwangsläufig war.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Zulassung der Berufung hat das Gericht für nicht erforderlich angesehen, denn das vorliegende Urteil weicht nicht von einer Entscheidung eines Obergerichtes ab und hat auch keine grundsätzliche Bedeutung (§ 144 SGG). Geregelt worden ist lediglich ein Einzelfall unter Berücksichtigung der besonderen Situation der Klägerin und der vom Beklagten vorab gemachten Vorgaben bezüglich des Umzuges.
Rechtskraft
Aus
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