L 7 AS 323/11 NZB

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
7
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 17 AS 1418/10
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 7 AS 323/11 NZB
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
1. Eine Pauschale für Verpflegungsmehraufwand ist Einkommen im Sinne von § 11 SGB II.
2. Die Zweckbindung nach § 11a Absatz 3 SGB II muss öffentlich-rechtlich und ausdrücklich erfolgen.
I. Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Berufung im Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 29. März 2011, Az.: S 17 AS 1418/10 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung von Rechtsanwalt B., A-Stadt, für das Beschwerdeverfahren wird abgelehnt.



Gründe:


I.
Die Kläger und Beschwerdeführer (Bf) begehren höhere Leistungen für September 2010 insoweit, als bei der Einkommensanrechnung des Bf zu 2) der in der Gehaltsbescheinigung als "Verpflegungsmehraufwand" ausgewiesene Teilbetrag von 102,00 Euro nicht als Einkommen zu berücksichtigen sei.
Mit Urteil vom 29.03.2011 wies das Sozialgericht Augsburg die gegen den Bescheid vom 20.09.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.011.2010 gerichtete Klage ab. Der "Verpflegungsmehraufwand" sei als Einkommen beim Bf zu 2) zu berücksichtigen. Beim Verpflegungsmehraufwand handle es sich um keine zweckbestimmte Einnahme, die anrechnungsfrei bleiben könne. Dies ergebe sich aus der Rechtsprechung des BSG. Selbst wenn man abweichend hiervon mit der Rechtsprechung des LSG Sachsen davon ausginge, dass eine Zweckbindung vorliegen könne, so sei dies nur in dem Umfang der Fall, in dem die zweckentsprechende Verwendung nachgewiesen werde (so auch LSG Sachsen, Urteil 21.9.2010 L 7 AS 395/10 B). Hierfür habe der Bf zu 2) nichts vorgetragen; er habe nicht einmal die Pauschale nach § 6 Abs 3 Alg-II-VO geltend gemacht.
Hiergegen haben die Kläger Beschwerde zum Bayer. Landessozialgericht eingelegt und Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren unter Beiordnung von Rechtsanwalt B., A-Stadt, beantragt. Die Frage, ob Verpflegungsmehraufwendungen zweckbestimmte Einnahmen im Sinne von § 11 Abs. 3 Nr. 1 SGB II a.F. seien, habe grundsätzliche Bedeutung.

II.
Die zulässige Beschwerde ist unbegründet.
Zulassungsgründe nach § 144 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) liegen nicht vor.
Grundsätzliche Bedeutung nach § 144 Abs. 2 Satz 1 SGG ist schon deshalb zu verneinen, weil sich die Rechtslage im Hinblick auf den Einkommensbegriff seit 01.01.2011 geändert hat. Insoweit ist keine Rechtsfrage mehr erkennbar, die für die Zukunft noch geklärt werden müsste. Besondere Umstände, die eine Klärung der alten Rechtslage noch notwendig erscheinen lassen (vgl Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leiterer, SGG, 9. Auflage 2009 § 160 Rz 14f), sind weder vorgetragen noch ersichtlich.
Nach der neuen Rechtslage ist die Frage der Zweckbindung nur noch nach § 11a Abs 3 SGB II relevant. Nicht zu berücksichtigen als Einkommen sind dann nach § 11a Abs 3 Satz 1 SGB II lediglich "Leistungen, die aufgrund öffentlich-rechtlicher Vorschriften zu einem ausdrücklich genannten Zweck erbracht werden" (weitergehende Berücksichtung allerdings in besonderen, gesetzlich nach § 11a Abs 3 Satz 1 SGB II vorgesehenen Fällen). Die Berücksichtung von öffentlich-rechtlich zweckbestimmten Einnahmen als Einkommen erfolgt dann nur insoweit, als diese Einnahmen und die Leistungen nach dem SGB II im Einzelfall demselben Zweck dienen. Verpflegungsmehraufwand wird vom Arbeitgeber - wie auch im konkreten Fall - regelmäßig privat und ohne öffentlich-rechtliche Zweckbindung gezahlt.
Eine Zweckbindung bewirkt im Übrigen nicht, dass es sich wegen der Zweckbindung schon gar nicht um Einkommen handelt. Schon aus der Überschrift des § 11a SGB II
"Nicht zu berücksichtigendes Einkommen" ergibt sich, dass auch bei einer Zweckbestimmung für bestimmte Einnahmen diese auf jeden Fall "Einkommen" iS von § 11 SGB II sind, die dann im gesetzlich jetzt genau umrissenen Rahmen allerdings ggf nicht als Einkommen zu berücksichtigen sind.
Erst recht stellt ein ausbezahlter "Verpflegungsmehraufwand" Einkommen dar. Dies ergibt sich insbesonder daraus, dass die in § 6 Abs 3 Alg-II-VO vorgesehen Abzugspauschale für Verpflegungsmehraufwand nur dann überhaupt sinnvoll ist, wenn eine entsprechende Einnahme auch relevantes Einkommen darstellt. Demgemäß wird auch eine vom Arbeitgeber als Sachleistung bereitgestellte Verpflegung als Einnahme gewertet, vgl § 2 Abs 5 Alg-II-VO in der jetzigen Fassung.
Zulassungsgründe nach § 144 Abs. 2 Nr. 2 und Nr. 3 SGG sind weder vorgetragen noch ersichtlich.
Im Ergebnis ist die Beschwerde zurückzuweisen mit der Folge, dass die Entscheidung des SG rechtskräftig ist, § 145 Abs. 4 Satz 4 SGG.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und der Erwägung, dass die Bf mit ihren Begehren erfolglos blieben.
Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren ist mangels Erfolgsaussichten - Zulassungsgründe nach § 144 Abs. 2 SGG liegen, wie oben dargelegt, nicht vor - abzulehnen, § 73 a SGG i.V.m. § 114 Zivilprozessordnung.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 177 SGG.
Rechtskraft
Aus
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