S 78 AS 8137/12 ER

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
SG Berlin (BRB)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
78
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 78 AS 8137/12 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
1. Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Antragsteller vorläufig ab dem 25. April 2012 bis zur Entscheidung in der Hauptsache, längstens jedoch bis zum 30. Juni 2012, darlehensweise Regelbedarfe zur Sicherung des Lebensunterhalts und Bedarfe für Unterkunft und Heizung zu gewähren, und zwar - für den Zeitraum vom 25. April 2012 bis 30. April 2012 in Höhe von insgesamt 66,04 EUR - und für den Zeitraum ab 1. Mai 2012 bis längstens 30. Juni 2012 in Höhe von insgesamt monatlich 650,20 EUR. Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt. 2. Der Antragsgegner trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Antragstellers. 3. Dem Antragsteller wird für das Verfahren des einstweiligen Rechtschutzes vor dem Sozialgericht Berlin Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwalt G , -Str ...30, B , beigeordnet.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten über Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II).

Der 1980 geborene Antragsteller ist griechischer Staatsangehöriger. Seinen Angaben zufolge hält er sich, nachdem er im November 2011 von seinem griechischen Arbeitgeber gekündigt wurde, seit Dezember 2011 in Deutschland auf. Seit dem 26. Januar 2012 ist er im Haus Str ... in B gemeldet, wo er laut Untermietvertrag vom 28. Dezember 2011 ein Zimmer zu einem monatlichen Mietzins von 360,00 EUR einschließlich Betriebskosten von 32,00 EUR, Heiz- und Warmwasserkosten von 70,00 EUR sowie seinen Angaben gegenüber dem Antragsgegner zufolge einschließlich Stromkosten bewohnt. Seit ebenfalls dem 26. Januar 2012 ist der Antragsteller im Besitz einer Bescheinigung gemäß § 5 des Gesetzes über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern (FreizügG/EU). Seinen Angaben zufolge erhält der Antragsteller seit der Kündigung monatlich 465,50 EUR Arbeitslosengeld I aus Griechenland. Der Bezug endet den Angaben des Antragstellers zufolge aufgrund seiner Entscheidung, nach Deutschland zu gehen, am 6. April 2012, wobei er für diesen Monat infolge von Kürzungen in Griechenland nur 350,00 EUR erhält. Am 27. Januar 2012 beantragte der Antragsteller beim Antragsgegner Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Mit Bescheid vom 1. März 2012 lehnte der Antragsgegner den Antrag mit der Begründung ab, der Antragsteller habe lediglich ein alleiniges Aufenthaltsrecht zur Arbeitssuche in der Bundesrepublik Deutschland. Hiergegen erhob der Antragsteller mit Schreiben seines Bevollmächtigten vom 27. März 2012 Widerspruch.

Mit seinem am 27. März 2012 beim Sozialgericht Berlin eingegangen Antrag beantragt der Antragsteller,

den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, dem Antragsteller ab Antragstellung Leistungen nach dem SGB II vorläufig zu bewilligen.

Der Antragsgegner beantragt,

den Antrag abzuweisen.

Er ist der Ansicht, der Antragsteller sei nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II vom Leistungsbezug ausgeschlossen. Zur Begründung macht er insbesondere geltend, die Bundesrepublik Deutschland habe am 15. Dezember 2011 einen Vorbehalt gegen das Europäische Fürsorgeabkommen erklärt, mit der Folge, dass der Leistungsausschluss auf die Staatsangehörigen der Vertragsstaaten wieder Anwendung finde. Im Übrigen sei dem Vortrag, der Leistungsausschluss sei europarechtswidrig, nicht zuzustimmen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 30. März 2012 hat der Antragsgegner den Widerspruch unter Hinweis auf den Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II zurückgewiesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte und die Behelfsakte des Antragsgegners Bezug genommen, die dem Gericht bei der Entscheidungsfindung vorgelegen haben.

II.

Der Antrag auf einstweiligen Rechtschutz ist zulässig und in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.

Nach § 86 b Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht der Hauptsache, soweit ein Fall nach § 86 b Abs. 1 SGG nicht vorliegt, auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (Sicherungsanordnung). Einstweilige Anordnungen sind nach Satz 2 der Vorschrift auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Regelungsanordnung). Voraussetzung für den Erlass der hier einschlägigen Regelungsanordnung nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 SGG, mit der der Antragsteller die Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II begehrt, ist neben einer besonderen Eilbedürftigkeit der Regelung (Anordnungsgrund) ein Anspruch der Antragsteller auf die begehrte Leistung (Anordnungsanspruch). Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch sind glaubhaft zu machen (§ 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG i. V. m. § 920 Abs. 2 ZPO). Dabei darf eine an der Erfolgsaussicht in einem Hauptsacheverfahren orientierte Entscheidung bei einer möglichen Verletzung des grundgesetzlich garantierten Existenzminimums nicht auf einer summarischen Prüfung beruhen. Wenn die Erfolgaussicht nicht abschließend geklärt werden kann, ist grundsätzlich aufgrund einer Folgenabwägung zu entscheiden. Diese ist darauf ausgerichtet, die Verletzung grundgesetzlicher Gewährleistungen – hier die Sicherung des Existenzminimums – zu verhindern (vgl. zu den Maßstäben der Entscheidung im einstweiligen Rechtsschutzverfahren: Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 12. Mai 2005, 1 BvR 569/05).

Vor diesem Hintergrund ist eine Folgenabwägung vorzunehmen, weil sich die entscheidungserhebliche Frage, ob der Antragsteller von den Leistungen nach dem SGB II gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II wirksam ausgeschlossen ist, im vorliegenden Eilrechtsschutzverfahren in der Kürze der Zeit nicht abschließend klären lässt.

Nach summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage erscheint es keineswegs ausgeschlossen, dass der Antragsteller einen Anspruch auf die begehrten Leistungen nach dem SGB II hat.

Nach § 7 Abs. 1 S. 1 SGB II i. V. m. § 19 SGB II erhalten Personen Arbeitslosengeld II, die das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a SGB II noch nicht erreicht haben, erwerbsfähig sowie hilfebedürftig sind und ihren gewöhnlichen Aufenthalts in der Bundesrepublik Deutschland haben, wobei die Leistungen den Regelbedarf, Mehrbedarfe und den Bedarf für Unterkunft und Heizung umfassen.

Die Leistungsvoraussetzungen des § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II liegen bei dem Antragsteller vor. Er ist zwischen 15 und 64 Jahren alt, erwerbsfähig und hat seinen gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland. Ferner hat der Antragsteller durch Abgabe der eidesstattlichen Versicherung vom 5. April 2012 und Vorlage der Kontoauszüge hinreichend glaubhaft gemacht, hilfebedürftig im Sinne von § 9 SGB II zu sein, da er danach seinen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen, erhält.

Überdies spricht vieles dafür, dass der Antragsteller nicht nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II vom Leistungsbezug ausgeschlossen ist. Nach dieser Vorschrift sind von den Leistungen nach dem SGB II Ausländerinnen und Ausländer ausgenommen, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt, und ihre Familienangehörigen.

Zwar dürfte der Antragsteller ein Aufenthaltsrecht allein aus § 2 Abs. 2 Nr. 1 FreizügG/EU zum Zwecke der Arbeitssuche herleiten können. Insofern sind Anhaltspunkte dafür, dass sich ein Aufenthaltsrecht aus anderen Rechtsvorschriften ergibt, weder von dem Antragsteller vorgetragen noch sonst ersichtlich. An der Anwendbarkeit des Leistungsausschlusses nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II im vorliegenden Fall bestehen jedoch erhebliche Bedenken sowohl im Hinblick auf Art. 4 der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit (Abl. L 166 vom 30.04.2004, S. 1ff.; im Folgenden: VO 883/2004) als auch im Hinblick auf das von der Bundesrepublik Deutschland und Griechenland ratifizierte Europäische Fürsorgeabkommen vom 11. Dezember 1953 (BGBl. 1956, Teil II S. 563) in der Fassung des Gesetzes vom 20. September 2001 (BGBl. 2001, Teil II S. 1086).

Nach Art. 4 der VO 883/2004 haben Personen, für die diese Verordnung gilt, die gleichen Rechte und Pflichten aufgrund der Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats wie die Staatsangehörigen dieses Staates, sofern in dieser Verordnung nichts anderes bestimmt ist. Der persönliche Geltungsbereich ist für den Antragsteller, als in Deutschland lebenden griechischen Staatsbürger eröffnet. Denn gemäß ihrem Art. 2 Abs. 2 gilt die Verordnung für alle Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats, Staatenlose und Flüchtlinge mit Wohnort in einem Mitgliedstaat, für die die Rechtsvorschriften eines oder mehrerer Mitgliedstaaten gelten oder galten, sowie für ihre Familienangehörigen und Hinterbliebenen. Darüber hinaus sind die im vorliegenden Fall begehrten Leistungen nach dem SGB II auch in den sachlichen Geltungsbereich der VO 883/2004 einbezogen. Insofern besagt der Wortlaut des Art. 3 Abs. 3 i.V.m. Art. 70 i.V.m. Anhang X der VO 883/2004 ausdrücklich, dass der Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 4 Verordnung (EG) 883/2004 auch im Bereich der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II Anwendung findet. Da der Antragsteller sowohl melderechtlich als auch tatsächlich in Deutschland wohnt, kommt hier schließlich keine Ungleichbehandlung nach Art. 70 Abs. 4 der VO 883/2004 in Betracht, wonach "die in Absatz 2 genannten Leistungen [ ] ausschließlich in dem Mitgliedstaat, in dem die betreffenden Personen wohnen, und nach dessen Rechtsvorschriften gewährt [werden]". Gemäß Art. 288 Abs. 2 der Vertrages über die Arbeitsweise der EU (Fassung aufgrund des am 1.12.2009 in Kraft getretenen Vertrages von Lissabon - konsolidierte Fassung bekanntgemacht im ABl. EG Nr. C 115 vom 9.5.2008, S. 47; ehemals Art. 249 Abs. 2 EGV) ist eine Verordnung der EU ein Rechtsakt, der allgemeine Geltung hat, in allen Teilen verbindlich ist und unmittelbar in jedem Mitgliedsstaat gilt, ohne dass (zuvor) eine Umsetzung in nationales Recht zu erfolgen hat.

Vor diesem Hintergrund wird der Leistungsausschluss des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II für Unionsbürger in der Rechtsprechung teilweise als mit Art. 4 der VO 883/2004 unvereinbar erachtet und vertreten, die Norm sei im Lichte des unmittelbar anwendbaren Art. 4 VO 883/2004 europarechtskonform einschränkend auszulegen (SG Dresden, Beschluss vom 05.08.2011, Az: S 36 AS 3461/11 ER, zitiert nach juris Rn. 46 unter Hinweis u.a. auf Hessisches LSG, Beschluss vom 14.07.2011, Az: L 7 AS 107/11 B ER, juris Rn. 18ff; SG Berlin, Urteil vom 27.03.2012, Az: S 110 AS 28262/11, veröffentlicht unter www.sozialgerichtsbarkeit.de; SG Berlin, Beschluss vom 03.04.2012, Az: S 129 AS 7051/12 ER, nicht veröffentlicht). Andernorts wird eine Unvereinbarkeit des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II mit der VO Nr. 883/2004 nicht für zwingend gehalten und im Ergebnis von der Europarechtskonformität des Leistungsausschlusses ausgegangen (LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 29.02.2012, Az: L 20 AS 2347/11 B ER; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 05.03.2012, Az: L 29 AS 414/12 B ER; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 03.04.2012, Az: L 5 AS 2157/11 B ER).

Darüber hinaus bestehen an der Wirksamkeit des Leistungsausschlusses im Hinblick auf das von der Bundesrepublik Deutschland und Griechenland ratifizierte Europäische Fürsorgeabkommen vom 11. Dezember 1953 (BGBl. 1956, Teil II S. 563) in der Fassung des Gesetzes vom 20. September 2001 (BGBl. 2001, Teil II S. 1086) erhebliche Bedenken. Insofern hat zwar die Bundesrepublik Deutschland für Leistungen nach dem SGB II einen Vorbehalt gegen das Europäische Fürsorgeabkommen erklärt, demzufolge sie keine Verpflichtung übernimmt, die im SGB II vorgesehenen Leistungen an Staatsangehörige der übrigen Vertragsstaaten in gleicher Weise und unter den gleichen Bedingungen wie den eigenen Staatsangehörigen zuzuwenden. Dieser Vorbehalt ist mit Wirkung zum 19. Dezember 2011 auch bereits in Kraft getreten. Es erscheint allerdings fraglich, ob der Vorbehalt mit Art. 19 c) des Wiener Übereinkommens über das Recht der Verträge vom 23. Mai 1969 (Wiener Vertragsrechtskonvention; BGBl. 1985, Teil II, S. 926ff.) vereinbar ist. Danach kann ein Staat bei der Unterzeichnung, Ratifikation, Annahme oder Genehmigung eines Vertrags oder beim Beitritt einen Vorbehalt nur anbringen, sofern nicht der Vorbehalt mit Ziel und Zweck des Vertrags unvereinbar ist (vgl. hierzu BT-Plenarprotokoll 17/167, 19823).

Die Frage, ob die Ausschlussnorm des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II europarechtskonform ist, bzw. die Frage, ob sich – ungeachtet des erklärten Vorbehalts – aus dem Europäischen Fürsorgeabkommen ein Anspruch des Antragstellers herleiten lässt, können dabei aus Sicht des Gerichts im Rahmen des hiesigen vorläufigen Rechtsschutzverfahrens nicht entschieden werden, weil diese Fragen einer eingehenden Prüfung bedürfen und daher einem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben müssen (so im Ergebnis auch LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 29.11.2010, Az: L 34 AS 1001/10 B ER; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 30.11.2010, Az: L 34 AS 1501/10 B ER).

Die Zweifel an der Wirksamkeit der Ausschlussregelung des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II reichen aus, um entsprechend den oben genannten Maßstäben des Bundesverfassungsgerichts über den vorläufigen Rechtsschutz gegen die Versagung von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende über den Weg der Folgenabwägung zu entscheiden. Es kann nicht mit Sicherheit verneint werden, dass dem Antragsteller ein Anspruch auf die begehrten Leistungen nach dem SGB II zusteht.

Die Folgenabwägung fällt im vorliegenden Fall zugunsten des Antragstellers aus. Abzuwägen sind die Folgen, die einträten, wenn die begehrte Anordnung nicht erginge und der Rechtsschutzsuchende im Hauptsacheverfahren obsiegte, gegenüber den Folgen, die entstünden, wenn die Anordnung erlassen würde und der Rechtsschutzsuchende im Hauptsacheverfahren keinen Erfolg hätte. Dies zugrunde gelegt wöge eine Unterdeckung des Existenzminimums schwerer als die Gefahr möglicherweise zu Unrecht erbrachter Leistungen. Dem Antragsteller sind daher vorläufig Leistungen zu bewilligen.

Die Eilbedürftigkeit ergibt sich bereits aus dem Existenz sichernden Charakter der Leistungen nach dem SGB II. Der Antragsteller hat insofern durch Abgabe der eidesstattlichen Versicherung vom 5. April 2012 und Vorlage der Kontoauszüge hinreichend glaubhaft gemacht, über keine ausreichenden Mittel zur Bestreitung seines Lebensunterhalts zu verfügen. Schon deswegen ist ihm ein Abwarten einer Entscheidung in der Hauptsache nicht zuzumuten.

Das Gericht legt für den Zeitraum, in dem die Leistungen zu gewähren sind, den Zeitpunkt der Entscheidung und als Endpunkt das Ende des vom Antrag vom 27. Januar 2012 umfassten sechsmonatigen Bewilligungszeitraumes zugrunde (§ 41 Abs. 1 Satz 4 SGB II). Soweit der Antragsteller Leistungen für einen Zeitraum vor der gerichtlichen Entscheidung begehrt, fehlt es an einem Anordnungsgrund. Im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes kommt grundsätzlich keine Leistungsgewährung für einen in der Vergangenheit liegenden Zeitraum in Betracht, was sich bereits aus dem Bedarfsdeckungscharakter des Arbeitslosengeldes II ergibt. Ein wesentlicher Nachteil, der durch die vorläufige Leistungsgewährung abzuwenden wäre, kann bei bereits abgelaufenen Zeiträumen in der Regel nicht entstehen.

Für die Höhe des Leistungsanspruchs war zwar ein monatlicher Regelbedarf des Antragstellers von 374,00 EUR zu Grunde zu legen. Angesichts der Vorläufigkeit des Beschlusses war die Leistungsgewährung allerdings auf das Notwendige zu beschränken, so dass eine Kürzung des Regelbedarfs auf 85% vorzunehmen war (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 30.11.2010, Az: L 34 AS 1501/10 B ER, juris Rn. 40). Hinsichtlich der Leistungen für Unterkunft und Heizung war ein monatlicher Bedarf des Antragstellers in Höhe von 332,30 EUR zugrunde zu legen. Dieser errechnet sich aus dem vom Antragsteller zu zahlenden monatlichen Gesamtmietzins von 360,00 EUR abzüglich des bereits im Regelbedarf enthaltenen Betrags für Strom in Höhe von 27,70 EUR (vgl. Zeitschrift für das Fürsorgewesen 1/2012, Seite 5 – Abteilung 4 Nr. 18). Im April 2012 war das Einkommen des Antragstellers aus dem Arbeitslosengeld I aus Griechenland in Höhe von 350,00 EUR abzüglich einer Versicherungspauschale von 30,- EUR, mithin ein Betrag von 320,00 EUR zu berücksichtigen.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer analogen Anwendung von § 193 SGG.

Dem Antragsteller war unter Beiordnung seines Verfahrensbevollmächtigten Prozesskostenhilfe zu bewilligen, weil er die Kosten der Prozessführung nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen auch anteilig nicht aufbringen kann, hinreichende Erfolgsaussicht besteht und die beabsichtigte Rechtsverfolgung nicht mutwillig erscheint (§ 73 a Abs. 1 SGG i.V.m. §§ 114, 115, 117 Abs. 2 ZPO).

Da in der Hauptsache die Berufungssumme des § 144 Abs. 1 S. 1 SGG überschritten wäre, ist die Beschwerde nicht nach § 172 Abs. 3 Nr. 1 SGG ausgeschlossen.
Rechtskraft
Aus
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