L 3 AS 588/10

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
3
1. Instanz
SG Dresden (FSS)
Aktenzeichen
S 21 AS 6317/08
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 3 AS 588/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Die Aufwendungen für die Kabelanschlussgebühren sind den von der Regelleistung erfassten Bedarfen zuzurechnen.

2. Zur Frage der Vergleichbarkeit der mietvertraglich vereinbarter Kabelanschlussgebühr einerseits und den in der Heizkostenvorauszahlung enthaltenen Kosten der Warmwasserbereitung andererseits.

3. Der Umstand, dass terrestrisch über den digitalen Rundfunk nur öffentlich-rechtliche Sender und nicht auch private Rundfunkanbieter empfangen werden können, begegnet im Hinblick auf das Informationsgrundrecht in Artikel 5 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 GG keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Die mediale Grundversorgung ist damit gewährleistet.

4. Wenn ein terrestrischer oder satellitengestützter Empfang von Fernsehprogrammen in der Wohnung des
Hilfebedürftigen nicht möglich ist, ist eine Lösung im Regelungssystem der Regelleistung zu suchen. Ein Überwechseln in das Regelungssystem der Kosten für Unterkunft und Heizung ist auch wegen der unterschiedlichen Leistungsträger für die verschiedenen Teile der Grundsicherung und den damit
verbundenen Verantwortlichkeiten nicht gerechtfertigt.

5. Bei Aufwendungen, die einen unter die Regelleistung fallenden Bedarf betreffen, ist ebenso wie bei Kosten für Unterkunft und Heizung zu berücksichtigen, ob bei einer aus mehreren Personen bestehenden Bedarfs- oder Haushaltsgemeinschaft der zu deckende Bedarf bei mehreren dieser Personen bestehen kann. In diesem Fall erscheint es geboten, auch die Aufwendungen bei von anderen Mitgliedern der Bedarfsgemeinschaft genutzten oder nutzbaren Gegenständen oder Einrichtungen anteilig pro Kopf auf die Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft zu verteilen.
I. Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichtes Dresden vom 18. August 2010 wird zurückgewiesen.

II. Die außergerichtlichen Kosten der Klägerin sich auch nicht für das Berufungsverfahren zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt die Übernahme der Gebühren für einen Kabelanschluss.

Die 1967 geborene Klägerin bewohnt zusammen mit ihrem 1961 geborenen Ehemann und ihren 1991 und 1994 geborenen Kindern eine Genossenschaftswohnung in D.

Die Klägerin bezieht seit Juni 2007 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II). Auf den Weiterbewilligungsantrag vom 9. Mai 2008 erging der Bewilligungsbescheid vom 21. Mai 2008, der den Zeitraum vom 1. Juni 2008 bis zum 30. November 2008 umfasst und der Leistungsbewilligungen für alle vier Familienmitglieder enthält. Auf den mit Schreiben vom 4. Juni 2008 eingelegten Widerspruch des Ehemannes der Klägerin erließ die ARGE D den Änderungsbescheid vom 26. Juni 2008. Hiergegen legte der Ehemann mit Schreiben vom 20. Juni 2008 Widerspruch ein. Die ARGE D wies den Widerspruch vom 4. Juni 2008, den sie als gegen den Bescheid vom 21. Mai 2008 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 26. Juni 2008 gerichtet ansah, mit Widerspruchsbescheid vom 4. Juli 2008 zurück. Den Widerspruch vom 20. Juni 2008 verwarf die ARGE D mit Widerspruchsbescheid vom 27. November 2008 als unzulässig.

Der Ehemann der Klägerin erhob gegen den Widerspruchsbescheid vom 4. Juli 2008 Klage. Dieses unter dem Aktenzeichen S 21 AS 3502/08 geführte Verfahren wurde zusammen mit zwei weiteren Verfahren mit Beschluss vom 28. Oktober 2008 zum Verfahren Az. S 21 AS 1376/08 verbunden. Dieses verbundene Verfahren wurde durch gerichtlichen Vergleich vom 15. Februar 2011 beendet.

Auf den Weiterbewilligungsantrag vom 21. Oktober 2008 erließ die ARGE D den Bewilligungsbescheid vom 4. November 2008 für den Zeitraum vom 1. Dezember 2008 bis 31. Mai 2009 und erneut mit Bewilligungen für die vier Familienangehörigen.

Bereits mit Schreiben vom 27. September 2008 hatte die Klägerin beantragt, die Kosten für den Kabelanschluss in Höhe von monatlich 6,45 EUR zu übernehmen. Bei Durchsicht der Unterlagen habe sie festgestellt, dass die Kabelgebühren für das Kabelfernsehen nicht in der Miete enthalten seien und direkt an den Kabelnetzbetreiber überwiesen werden müssten.

Diesen Antrag lehnte die ARGE D mit Bescheid vom 7. Oktober 2008 ab. Die Kabelgebühren würden durch die gewährte Regelleistung in Höhe von 282,67 EUR abgedeckt und stellten keinen unabweisbaren Bedarf im Sinne von § 23 Abs. 1 SGB II dar. Im Widerspruchsschreiben vom 28. Oktober 2008 wurde dagegen eingewandt, dass in diversen Mietverträgen die Kabelgebühren als kalte Betriebskosten aufgeführt würden. Wenn die Kabelgebühren an den Kabelnetzbetreiber nicht gezahlt würden, werde man vom Fernsehempfang abgesperrt und könne nicht fernsehen. Dies stelle eine Ungleichbehandlung im Vergleich zu denjenigen Mietern dar, denen die Kabelgebühr mit der Miete durch den Vermieter abverlangt werde.

Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 27. November 2008 zurückgewiesen. Vorliegend handle es sich bei den Kabelgebühren nicht um Kosten der Unterkunft im Sinne von § 22 SGB II, weil sie durch die Mieter selbständig außerhalb der Mietkosten getragen und an den Provider abgeführt würden.

Die nunmehr anwaltlich vertretene Klägerin hat am 18. Dezember 2008 Klage erheben lassen. Kosten für einen Kabelanschluss seien keine Kosten der Unterkunft im engeren Sinne. Es handle sich aber um umlagefähige Betriebskosten. Kabelgebühren seien unausweichliche Nebenkostenfaktoren, weil andernfalls ein Fernsehempfang nicht möglich sei. Ein terrestrischer Fernsehempfang sei auf Grund der technischen Veränderungen nahezu nicht mehr möglich. Auf Grund der Möglichkeit des Kabelanschlusses sei der Vermieter berechtigt, das Anbringen von Satellitenschüsseln zu untersagen. Im weiteren Verlauf des Verfahrens ist die Frage erörtert worden, ob ein Fernsehempfang mit Hilfe eines Parabolspiegels mit einem Standfuß, der auf dem Wohnungsbalkon aufgestellt wird, ermöglicht werden könne. Ferner ist das Urteil des Bundessozialgerichtes vom 19. Februar 2009 (Az. B 4 AS 48/08 R) und dessen Übertragbarkeit auf den vorliegenden Fall diskutiert worden. Die Klägerin hat zuletzt begehrt, die Kabelanschlussgebühren ab 1. Oktober 2008 in Höhe von monatlich 6,45 EUR und ab 1. Januar 2010 in Höhe von 7,16 EUR zu gewähren.

Das Sozialgericht hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 18. August 2010 abgewiesen. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Übernahme der Kabelanschlussgebühren gemäß § 22 Abs. 1 SGB II, weil sie insoweit keine Nebenkosten zu zahlen habe. Eine analoge Anwendung von § 22 SGB II scheide aus, weil es an einer Regelungslücke fehle. Denn die Bedürfnisse der Unterhaltung, Teilhabe am kulturellen Leben und die Informationsbeschaffung seien im Regelsatz enthalten. Soweit das Bundessozialgericht mit seiner Rechtsprechung zur Übernahme mietvertraglich vereinbarter Kabelanschlussgebühren eine Doppelbelastung des Hilfebedürftigen in den Fällen vermeiden wolle, in denen der Hilfebedürftige die Gebühren auch dann zahlen müsse, wenn es sich durch ein anderes Medium informieren wolle, liege eine solche Konstellation hier nicht vor. Denn die Klägerin könne frei wählen, welche Informationsmedium sie bevorzuge. Eine Anspruchsgrundlage ergebe sich auch nicht aus Artikel 1 des Grundgesetzes (GG) i. V. m. dem Sozialstaatsgebot des Artikel 20 Abs. 1 GG oder seit dem 3. Juni 2010 aus § 21 Abs. 6 SGB II. Denn es liege kein unabweisbarer, laufender, nicht nur einmaliger, besonderer Bedarf im Sinne der Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes vor.

Die Klägerin hat gegen den ihr am 20. Juli 2008 zugestellten Gerichtsbescheid am 20. August 2008 Berufung eingelegt. Sie macht geltend, dass das Bundessozialgericht im Urteil vom 19. Februar 2009 die Rechtsfrage offen gelassen habe, wie zu verfahren sei, wenn der vorhandene Kabelanschluss der einzige technische Zugang zum Fernsehen sei und der Vermieter jeden anderen Anschluss untersage beziehungsweise eine andere Empfangsmöglichkeit als über den Kabelanschluss nicht gegeben sei. Vorliegend sei der Fernsehempfang nicht anderes gewährleistet. Der Vermieter habe den Anbau einer Parabolantenne untersagt. Das Aufstellen einer Parabolantenne führe nicht zu dem notwendigen Empfang, soweit die technischen Voraussetzungen in der konkreten Wohnung dafür nicht gegeben seien. Schließlich verfüge die Klägerin auch nicht über die finanziellen Mittel für die Anschaffung einer Parabolantenne. Unter Berücksichtigung von Artikel 5 Abs. 1 GG sei es nicht zu rechtfertigen, dass der vom Bundessozialgericht formulierte Informationsstandard (Radio und Fernsehen als standardmäßig genutzte Informationsquellen, Versorgungsgrad von 95%) einem Hilfebedürftigen nicht gewährt werden solle, wenn Kabelanschlussgebühren nicht Bestandteil der Unterkunftskosten seien. Der Hilfebedürftige könne nicht ohne Weiteres auf eine Tageszeitung oder einen Internetanschluss verwiesen werden, weil insoweit zu prüfen wäre, ob die erforderlichen finanziellen Mittel vorhanden wären. Der Kabelanschluss erfolge durch die Klägerin nicht freiwillig, weil sie zum Empfang von Fernsehen und Radio auf diesen Anschluss angewiesen sei. Schließlich bestehe eine Ungleichbehandlung mit der Gruppe, deren Kabelanschlussgebühren über die verordnung über die Aufstellung von Betriebskosten (Betriebskostenverordnung – BetrKV) durch den Vermieter abgerechnet würden. Es könne nicht von der "Willkür" des Vermieters abhängen, ob Kabelgebühren auf den Mieter umgelegt werden und der Hilfebedürftige dann die Möglichkeit habe, aus den nicht für den Kabelanschluss einzusetzenden Mitteln des Regelsatzes weitere Informationsquellen wie Zeitung oder Internetanschluss zu finanzieren.

Die Kläger beantragt:

1. Der Gerichtsbescheid des Sozialgerichtes Dresden vom 18. August 2010 wird aufgehoben. 2. Der Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 7. Oktober 2008 in der gestalt des Widerspruchbescheides vom 27. November 2008 verpflichtet, die Kabelanschlussgebühren für die Wohnung 201, Jacob-Winter-Platz 8, 01239 Dresden ab dem 1. Oktober 2008 in Höhe von monatlich 6,45 EUR und ab 1. Januar 2010 in Höhe von monatlich 7,16 EUR zu gewähren. 3. Der Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Klägerin.

Das zum 1. Januar 2011 an die Stelle der ARGE D getretene Jobcenter beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie vertritt im Schriftsatz vom 14. März 2012 die Auffassung, dass das Berufungsverfahren wegen doppelter Rechtshängigkeit unzulässig sei.

Der Senat hat eine Auskunft bei der Geschäftsstelle Digitaler Rundfunk M eingeholt. Auf deren Schreiben vom 13. März 2012 wird Bezug genommen.

Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erteilt.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten aus beiden Verfahrenszügen sowie die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I. Das Gericht entscheidet gemäß § 153 Abs. 1 i. V. m. § 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung über die Berufung.

II. Beteiligt auf der Klägerseite (vgl. § 69 Nr. 1 SGG) war im Klageverfahren und ist im Berufungsverfahren nur die Klägerin, nicht auch die weiteren Mitglieder ihrer Bedarfsgemeinschaft.

Der Bewilligungsbescheid vom 21. Mai 2008 betreffend Arbeitslosengeld II und Sozialgeld beinhaltet zwar eine Leistungsbewilligung nicht nur für die Klägerin, sondern für drei weitere Angehörige. Diese bildeten eine Bedarfsgemeinschaft im Sinne von § 7 Abs. 3 Nr. 1, 3 Buchst. a und Nr. 4 SGB II. Die Klage vom 18. Dezember 2008, die diesem Berufungsverfahren zugrunde liegt, ist aber durch die rechtskundig vertretene Klägerin nur in ihrem Namen erhoben worden. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes waren für eine Übergangszeit bis 30. Juni 2007 Rechtsbehelfe sowie Gerichtsentscheidungen, die eine Bedarfsgemeinschaft betrafen, erweiternd dahin auszulegen, dass alle Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft sowohl von den entsprechenden prozessualen Anträgen als auch von den Gerichtsentscheidungen erfasst wurden, es sei denn, einer solchen Auslegung wurde durch die betroffenen Personen widersprochen, eine Bedarfsgemeinschaft wurde bestritten oder einzelne Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft waren offensichtlich vom Leistungsbezug nach dem SGB II ausgeschlossen (vgl. BSG, Urteil vom 7. November 2006 – B 7b AS 8/06 RBSGE 97, 217 ff. [Rdnr. 11] = SozR 4-4200 § 22 Nr. 1 Rdnr. 11 = JURIS-Dokument Rdnr. 11; BSG, Urteil vom 29. März 2007 – B 7b AS 4/06 R – JURIS-Dokument Rdnr. 9). Da diese Übergangsfrist zum Zeitpunkt der Klageerhebung abgelaufen war, ist vor dem Hintergrund der lediglich auf die Klägerin bezogenen Anträge und schriftsätzlichen Ausführungen eine erweiternde Auslegung der Klage auf die anderen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft der Klägerin nicht möglich.

III. Die Berufung ist statthaft. Denn die Klägerin begehrt die Übernahme von Kabelanschlussgebühren für einen Zeitraum von mehr als einem Jahr. Über dieses Klagebegehren hat das Sozialgericht ohne Einschränkungen entschieden. Damit kommt es gemäß § 144 Abs. 1 Satz 2 SGG nicht auf den Wert des Beschwerdegegenstandes nach Maßgabe von § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG an. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, ob das Sozialgericht den Anspruch im geltend gemachten zeitlichen Umfang zu Recht seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat.

IV. Die Berufung ist jedoch unzulässig. Denn der Rechtsverfolgung stand zunächst der Einwand der doppelten Rechtshängigkeit entgegen. Danach fehlte ihr das Rechtsschutzbedürfnis.

1. Die Klage (Az. S 21 AS 6317/08) war wegen doppelter Rechtshängigkeit im Sinne von § 17 Abs. 1 Satz 2 des Gerichtsverfassungsgesetzes (GVG) unzulässig. Danach kann während der Rechtshängigkeit die Sache von keiner Partei anderweitig anhängig gemacht werden. Die Sperrwirkung des § 17 Abs. 1 Satz 2 GVG beginnt mit dem Eintritt der Rechtshängigkeit, hier der Klageerhebung (vgl. § 94 SGG), und endet mit der Beendigung der Rechtshängigkeit. Diese Beendigung kann unter anderem durch den Abschluss eines gerichtlichen Vergleiches eintreten (vgl. Kissel/Mayer, Gerichtsverfassungsgesetz [6. Aufl., 2010], § 17 Rdnr. 12; Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Sozialgerichtsgesetz [9. Aufl., 2008], § 94 Rdnr. 4, m. w. N.).

a) Streitig ist der Anspruch auf Übernahme der monatlichen Gebühren für einen Kabelanschluss. Als mögliche Anspruchsgrundlagen kommen in Betracht: § 22 Abs. 1 SGB II betreffend der Übernahme der angemessenen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung, § 23 Abs. 1 SGB II (in der bis zum 31. Dezember 2010 geltenden Fassung) betreffend die abweichende Erbringung einer Leistung für einen unabweisbaren Bedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts oder Artikel 1 GG i. V. m. Artikel 20 Abs. 1 GG (oder seit dem 3. Juni 2010: § 21 Abs. 6 SGB II) betreffend die Übernahme eines Mehrbedarfes für einen im Einzelfall unabweisbaren, laufenden, nicht nur einmaligen besonderen Bedarf.

Unabhängig von der Frage, auf welche Anspruchsgrundlage zurückgegriffen wird, gelten die Aufwendungen für Kabelanschlussgebühren als mit dem allgemeinen Leistungsantrag vom 9. Mai 2008 mit beantragt. Das Bundessozialgericht hat in Bezug auf die Auslegung eines Antrages wiederholt den Grundsatz der Meistbegünstigung betont. Wenn ein Antragsteller zum Ausdruck bringt, dass er Leistungen vom Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende begehrt, dann ist der Antrag so auszulegen, dass das Begehren des Antragstellers möglichst weitgehend zum Tragen kommt. Als beantragt sind alle Leistungen anzusehen, die nach Lage des Falls ernsthaft in Betracht kommen. Das Bundessozialgericht hat hierzu im Urteil vom 19. August 2010 (Az.: B 14 AS 10/09 R, SozR 4-4200 § 23 Nr. 10 Rdnr. 24 = JURIS-Dokument Rdnr. 24) festgehalten: "Wird mit einem Antrag ein Hilfebedarf nach dem SGB II geltend gemacht, so sind damit alle Leistungen umfasst, die der Sicherung des Lebensunterhalts in Form des Arbeitslosengeldes II dienen, also regelmäßig alle im 1. und 2. Unterabschnitt des 2. Abschnitts des 3. Kapitels SGB II genannten Leistungen. Dem steht nicht entgegen, dass es sich bei den in § 23 Abs. 3 SGB II genannten Leistungen um einmalige Sonderbedarfe handelt."

b) Für das vorliegende Verfahren hat dies folgende Konsequenzen:

(1) Der Antrag auf Übernahme der Aufwendungen für Kabelanschlussgebühren wurde am 29. September 2008 gestellt. Bereits am 9. Mai 2008 war ein Weiterbewilligungsantrag auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II gestellt worden. Damit waren nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes die Aufwendungen für Kabelanschlussgebühren als ein möglicher Bedarfsposten von dem allgemeinen, umfassenden Antrag vom 9. Mai 2008 auf Weiterbewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes im Sinne von § 19 Satz 1 SGB II (in der hier maßgebenden, vom 1. August 2006 bis 31. Dezember 2010 geltenden Fassung) mit umfasst.

(2) Der geltende gemachte (Teil-)Anspruch auf Übernahme der Aufwendungen für Kabelanschlussgebühren ist auf die Zeit bis zum 30. November 2008 beschränkt. Denn an diesem Tag endete der Leistungszeitraum aus dem Bewilligungsbescheid vom 21. Mai 2008, der den (Haupt-)Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II betrifft. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes werden aber Folgebescheide für Folgezeiträume weder in unmittelbarer noch in analoger Anwendung von § 96 SGG Gegenstand eines Klageverfahrens (vgl. z. B. BSG, Urteil vom 7. November 2006 (Az.: B 7b AS 14/06, BSGE 97, 242 ff. Rdnr. 30 = SozR 4-4200 § 20 Nr. 1 Rdnr. 30 = JURIS-Dokument Rdnr. 30).

(3) Auf den Weiterbewilligungsantrag vom 9. Mai 2008 hin wurde der Bewilligungsbescheid vom 21. Mai 2008 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 26. Juni 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. Juli 2008 erlassen. Die hiergegen erhobene Klage (Az.: S 21 AS 3502/08) und damit der geltend gemachte Anspruch auf höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II einschließlich des Anspruches auf Übernahme der Kabelanschlussgebühren war somit seit dem 9. Juli 2008 rechtshängig. Dieser umfassende Anspruch auf höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II ist die "Sache" im Sinne von § 17 Abs. 1 Satz 2 GVG. Auf Grund von § 17 Abs. 1 Satz 2 GVG konnte deshalb der (Teil-)Anspruch auf Übernahme der Kabelanschlussgebühren nicht nochmals in einem gesonderten Klageverfahren, nämlich dem unter dem Az. S 21 AS 6317/08, anhängig gemacht werden.

2. Der Einwand der doppelten Rechtshängigkeit setzte sich in das Berufungsverfahren fort. Denn mit der Zustellung des Gerichtsbescheides vom 18. August 2010 (Az. S 21 AS 6317/08) wurde zwar das erstinstanzliche Verfahren abgeschlossen, die Rechtskraft trat damit aber nicht ein. Vielmehr wurde der Eintritt der formellen und materiellen Rechtskraft durch die eingelegte Berufung gehemmt (vgl. Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Sozialgerichtsgesetz [9. Aufl., 2008], § 143 Rdnr. 6). Der Rechtsverfolgung im Berufungsverfahren stand somit zunächst weiterhin der Einwand der doppelten Rechtshängigkeit entgegen. Dies änderte sich erst mit dem Abschluss des gerichtlichen Vergleiches am 15. Februar 2011. An diesem Tag wurde der gerichtliche Vergleich im Verfahren Az. S 21 AS 1376/08, der auch den Verfahrensteil aus der vormaligen selbständigen Klage Az.: S 21 AS 3502/08 umfasste und der keinen Widerrufsvorbehalt enthielt, geschlossen. Damit war die Rechtshängigkeit des Verfahrens, das gegenüber dem vorliegenden Rechtsschutzverfahren die Sperrwirkung nach § 17 Abs. 1 Satz 2 GVG entfaltet hatte, entfallen.

3. Das Rechtsschutzbegehren, mit der die Übernahme der Kabelanschlussgebühren verfolgt wird, ist jedoch nicht nach dem Wegfall der doppelten Rechtshängigkeit zulässig geworden. Ihm steht nunmehr entgegen, dass für die Fortführung des Verfahrens das Rechtsschutzbedürfnis, das heißt das rechtsschutzwürdige Interesse an der begehrten gerichtlichen Sachentscheidung, fehlt. Denn mit dem gerichtlichen Vergleich vom 15. Februar 2011 fand unter anderem auch der Rechtsstreit in Bezug auf Bewilligungsbescheid vom 21. Mai 2008 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 26. Juni 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. Juli 2008 seinen Abschluss. Damit war abschließend und für die Beteiligten bindend über die Ansprüche der Klägerin und ihrer drei Familienangehörigen auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II für den Zeitraum vom 1. Juni 2008 bis zum 30. November 2008 entschieden. Der Umstand, dass bei dem Vergleich möglicherweise von den Beteiligten die damals bereits streitigen Aufwendungen für die Kabelanschlussgebühren nicht berücksichtigt wurden, schließt die Bindungswirkung des Vergleiches auch für diese Aufwendungen nicht aus. Es gibt deshalb kein rechtsschutzwürdiges Interesse, die Übernahme der Kabelanschlussgebühren, die in den Zeitraum vom 1. Juni 2008 bis zum 30. November 2008 fielen, weiter in einem gerichtlichen Verfahren zu verfolgen.

V. Unabhängig von der Unzulässigkeit der Rechtsverfolgung wäre die Klage auch unbegründet gewesen, weil die Klägerin keinen Anspruch auf Übernahme der Kabelanschlussgebühren hat. Der Senat hält es für angezeigt, trotz der Unzulässigkeit der Klage ausnahmsweise auch zum geltend gemachten Anspruch Ausführungen zu machen, weil nach Aktenlage seitens der Kläger die Übernahme der Kabelanschlussgebühren bis in die Gegenwart hinein geltend gemacht wird.

1. Ausgangspunkt ist § 19 Satz 1 SGB II in der hier maßgebenden, vom 1. August 2006 bis 31. Dezember 2010 geltenden Fassung (vgl. Artikel 1 Nr. 18 des Gesetzes vom 20. Juli 2006 [BGBl. I S. 1706]). Danach erhielten erwerbsfähige Hilfebedürftige als Arbeitslosengeld II Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts einschließlich der angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung. Das Sozialgeld, das nicht erwerbsfähige Angehörige, die mit erwerbsfähigen Hilfebedürftigen in Bedarfsgemeinschaft lebten, nach Maßgabe von § 28 Abs. 1 Satz 1 SGB II erhielten, umfasste gemäß § 28 Abs. 1 Satz 2 SGB II die sich aus § 19 Satz 1 SGB II ergebenden Leistungen vorbehaltlich der Maßgaben in § 28 Abs. 1 Satz 3 SGB II.

Die in § 19 Satz 1 SGB II enthaltene Unterscheidung zwischen zwei Leistungsbestandteilen ist aus verschiedenen Gründen von Bedeutung. So wird beispielsweise die Regelleistung zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach § 20 SGB II in pauschalierter Form gewährt, während Leistungen für Unterkunft und Heizung gemäß § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht werden, soweit diese angemessen sind. Die Erbringung von Leistungen im Einzelfall für einen nach den Umständen unabweisbaren Bedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts war in § 23 Abs. 1 SGB II (in der hier maßgebenden, vom 1. Januar 2005 bis zum 31. Dezember 2010 geltenden Fassung) nur für einen von den Regelleistungen umfassten Bedarf vorgesehen, nicht aber für einen auf die Unterkunft und Heizung entfallenden Bedarf. Leistungsträger für die von der Regelleistung umfassten Bedarfe ist die Bundesagentur für Arbeit, wohingegen die kommunalen Träger für die Leistungen nach § 22 SGB II zuständig sind (vgl. § 6 Abs. 1 Satz 1 SGB II). Vorbehaltlich der Regelungen in § 46 SGB II zieht jede Leistungsträgerschaft auch die Kostentragung für die jeweiligen Leistungen nach sich. Auf Grund dieser Unterschied muss für jeden einzelnen Bedarf eine klare Entscheidung getroffen werden, welchem der zwei Leistungsbestandteile er zuzuordnen ist.

2. Die Regelleistung zur Sicherung des Lebensunterhalts umfasste gemäß § 20 Abs. 1 SGB II in der vom 1. August 2006 bis zum 31. Dezember 2010 geltenden Fassung (vgl. Artikel 1 Nr. 19 Buchst. a des Gesetzes vom 20. Juli 2006 [BGBl. I. S. 1706]) insbesondere Ernährung, Kleidung, Körperpflege, Hausrat, Haushaltsenergie ohne die auf die Heizung entfallenden Anteile, Bedarfe des täglichen Lebens sowie in vertretbarem Umfang auch Beziehungen zur Umwelt und eine Teilnahme am kulturellen Leben. Ausgangspunkt für die Festlegung der Höhe der Regelleistung war die Einkommens- und Verbrauchsstichprobe 2003 (vgl. BT-Drs. 15/1516 S. 56). Die dortige Abteilung 09 (Freizeit, Unterhaltung, Kultur) enthält zum Beispiel Bedarfe für Rundfunkempfänger, Tonaufnahme- und Tonwiedergabegräte, für Fernseh- und Videogeräte, TV-Antennen, für Zeitungen und Zeitschriften oder für Bücher und Broschüren (vgl. die Übersicht bei BVerfG, Urteil vom 9. Februar 2010 – 1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09BVerfGE 125, 175 [194] = JURIS-Dokument Rdnr. 58; Spellbrink, in: Eicher/Spellbrink, SGB II [2. Aufl., 2008], § 20 Rdnr. 32).

Demgegenüber stellt die Bedarfsregelung in § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II auf die Unterkunft ab. Unter den Begriff der Unterkunft fallen alle baulichen Anlagen oder Teile hiervon, die geeignet sind, Schutz vor der Witterung zu bieten und einen Raum der Privatheit zu gewährleisten (vgl. BSG, Urteil vom 16. Dezember 2008 – B 4 AS 1/08 RSozR 4-4200 § 22 Nr. 14 Rdnr. 11 = JURIS-Dokument Rdnr. 11; Berlit, in: Münder [Hrsg.], SGB II [4. Aufl., 2011], § 22 Rdnr. 19; Piepenstock, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II [3. Aufl., 2011], § 22 Rdnr. 37, m. w. N.). Übernahmefähige Aufwendungen müssen somit im Zusammenhang mit dem bestimmungsgemäßen Gebrauch der Unterkunft stehen.

Die Kabelanschlussgebühren sind die Gegenleistung dafür, dass der Kabelnetzbetreiber die Möglichkeit eröffnet, Rundfunk- und Fernsehen über einen Kabelanschluss empfangen zu können. Damit wird der Hilfebedürftige in die Lage versetzt, sich informieren, sich bilden, am kulturellen Leben teilhaben und sich unterhalten zu können. Aus diesem Grund sind die Aufwendungen für die Kabelanschlussgebühren den von der Regelleistung erfassten Bedarfen zuzurechnen. Diese Zuordnung entspricht auch der Auffassung in der Rechtsprechung und im Schrifttum (vgl. z. B. BSG, Urteil vom 19. Februar 2009 – B 4 AS 48/08 RBSGE 102, 274 ff. Rdnr. 16 = JURIS-Dokument Rdnr. 16, m. w. N.; Lang/Link, in: Eicher/Spellbrink, SGB II [2. Aufl., 2008], § 22 Rdnr. 23).

3. Etwas anderes gilt nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes ausnahmsweise dann, wenn der Hilfebedürftige mietvertraglich verpflichtet ist, die Kabelanschlussgebühren an den Vermieter zu zahlen.

Zur Übernahmefähigkeit von Kabelanschlussgebühren hat das Bundessozialgericht im Urteil vom 19. Februar 2009 im Einzelnen ausgeführt, dass zu den tatsächlichen Aufwendungen im Sinne des § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II auch die Nebenkosten der Unterkunft gehören, soweit es sich um die ihrer Art nach in § 2 BetrKV aufgeführten Betriebskosten handele. § 556 Abs. 1 BGB i. V. m. § 2 BetrKV legten abschließend fest, welche Nebenkosten aus dem Mietobjekt vom Vermieter auf den Mieter umgelegt werden dürften (vgl. BSG, Urteil vom 19. Februar 2009 – B 4 AS 48/08 RBSGE 102, 274 ff. Rdnr. 16 = JURIS-Dokument Rdnr. 16). Nach § 2 Nr. 15 Buchst. b BetrKV seien die Kosten des Betriebs der mit einem Breitbandkabelnetz verbundenen privaten Verteilanlage Betriebskosten; hierzu gehörten die Kosten entsprechend Buchstabe a (Kosten des Betriebs der Gemeinschafts-Antennenanlage), ferner die laufenden monatlichen Grundgebühren für Breitbandkabelanschlüsse (vgl. BSG, a. a. O., Rdnr. 17). Die Kosten für Kabelanschluss und -nutzung seien auch nicht deswegen von den Leistungen nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II auszunehmen, weil sie der Informationsbeschaffung, Bildung sowie Unterhaltung dienten und es dem Einzelnen ermöglichten, seine Umwelt zu erfahren sowie am kulturellen Leben teilzuhaben. Zwar seien derartige Bedürfnisse des täglichen Lebens regelmäßig von der Regelleistung abgedeckt. Dies gelte aber zumindest dann nicht, wenn Fernsehen und Radiohören von einer technischen, fest mit den Mietsachen verbundenen Vorrichtung abhängig seien und die Aufwendungen hierfür mietvertraglich begründet würden (vgl. BSG, a. a. O., Rdnr. 18, m. w. N.). Daraus folge, dass tatsächliche Aufwendungen für umlagefähige Betriebskosten – auch die Kosten für einen Kabelanschluss und die Anschlussnutzungsgebühren – grundsätzlich nur dann erstattungsfähig seien, wenn die Verpflichtung zur Zahlung durch den Mietvertrag begründet worden sei. Übernehme der Hilfebedürftige die Kosten "freiwillig", etwa um einen bestimmten "besseren" Standard zu erhalten, handle es sich nicht um Kosten der Unterkunft im Sinne von § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II. Nur die Aufwendungen, die mit der Unterkunft rechtlich und tatsächlich verknüpft seien, seien auch als Leistungen nach § 22 SGB II zu erbringen (vgl. BSG, a. a. O., Rdnr. 19, m. w. N.). Gleichwohl sei die vom Hilfebedürftigen kraft Mietvertrages zu tragende monatliche Grundgebühren für Breitbandkabelanschlüsse dann nicht als angemessene Kosten für Unterkunft vom Grundsicherungsträger zu übernehmen, wenn der Fernsehempfang bereits anderweitig technisch gewährleistet sei (vgl. BSG, a. a. O., Rdnr. 21).

Die Rechtsauffassung des Bundessozialgerichtes, die auf sozialhilferechtliche Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes zurückgeht (vgl. BVerwG, Urteil vom 28. November 2001 – 5 C 9/01, 5 PKH 39/01BVerwGE 115, 256), wird in der obergerichtlichen Rechtsprechung (vgl. z. B. Sächs. LSG, Urteil vom 25. Oktober 2010 – L 7 AS 346/09 – JURIS-Dokument Rdnr. 21 ff.; LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 23. Juli 2009 – L 5 AS 111/09 – JURIS-Dokument Rdnr. 17 [für eine Eigentumswohnung]; LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 26. November 2009 – L 26 AS 407/07 – JURIS-Dokument Rdnr. 23; LSG für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 13. Juli 2010 – L 1 AS 11/07 – JURIS-Dokument Rdnr. 40) und im Schrifttum (vgl. z. B. Berlit, in: Münder [Hrsg.], SGB II [4. Aufl., 2011], § 22 Rdnr. 27; Lang/Link, a. a. O.; Piepenstock, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II [3. Aufl., 2011], § 22 Rdnr. 47, m. w. N) geteilt. Soweit ersichtlich ist dieser Rechtsauffassung ausdrücklich bislang nur die 40. Kammer des Sozialgerichtes Dresden entgegengetreten (vgl. SG Dresden, Urteile vom 29. Juni 2010 – S 40 AS 390/09 – JURIS-Dokument Rdnr. 29 ff. und S 40 AS 391/09 – JURIS-Dokument Rdnr. 20 ff.). Die Kammer hat ihre Rechtsauffassung mit der bedenkenswerten Vergleichbarkeit der mietvertraglich vereinbarter Kabelanschlussgebühr einerseits und den in der Heizkostenvorauszahlung enthaltenen Kosten der Warmwasserbereitung andererseits begründet (vgl. SG Dresden, Urteile vom 29. Juni 2010 – S 40 AS 390/09 – JURIS-Dokument Rdnr. 35 und S 40 AS 391/09 – JURIS-Dokument Rdnr. 26). Zu Letzterem hat das Bundessozialgericht im Urteil vom 27. Februar 2008 ausgeführt, dass grundsätzlich gemäß § 22 Abs. 1 SGB II – im Rahmen der Angemessenheit – ein Anspruch auf Übernahme der vollständigen und tatsächlichen Kosten für die Bereitung von Warmwasser bestehe. Allerdings bestehe dieser Anspruch auf Übernahme der Kosten der Unterkunft nur, soweit der Bedarf nicht bereits anderweitig gedeckt sei. Dies sei hier der Fall. Die Kosten der Warmwasserbereitung seien bereits von der Regelleistung gemäß § 20 SGB II umfasst. Diese könnten daher nicht zweifach gedeckt werden: Im Rahmen der Regelleistung gemäß § 20 Abs. 2 SGB II und im Rahmen der Kosten der Unterkunft gemäß § 22 SGB II (vgl. BSG, Urteil vom 27. Februar 2008 – B 14/11b AS 15/07 R – BSGE 100, 94 ff. Rdnr. 20 = SozR 4-4200 § 22 Nr. 5 Rdnr. 20 = JURIS-Dokument Rdnr. 20).

Einer eingehenderen Auseinandersetzung mit den beiden dargestellten Rechtsauffassungen bedarf es vorliegend nicht, weil nach beiden Rechtsauffassungen ein Anspruch der Klägerin auf Übernahme der monatlichen Kabelanschlussgebühren nicht besteht. Ausgehend von der für die Klägerin günstigeren Rechtsauffassung des Bundessozialgerichtes steht dem geltend gemachten Anspruch entgegen, dass der Fernsehempfang – entgegen ihrem Vortrag – anderweitig technisch gewährleistet war. Es war ein terrestrischer Empfang des digitalen Rundfunks möglich. Auf die Frage nach einem etwaigen Rundfunkempfang mittels Parabolantenne oder -spiegel kommt es nicht an.

Die Geschäftsstelle Digitaler Rundfunk M hat hierzu im Schreiben vom 13. März 2012 mitgeteilt, dass das digitale Antennenfernsehen DVB-T in M in drei Etappen eingeführt worden sei. Im Dezember 2005 sei es zeitgleich in den Ballungsräumen H , L und E /W eingeführt worden. Im Juli 2007 seien D /L , C und das E sowie das Sächsische und Thüringer V , seit Oktober 2007 die Region M und der B mit dem H versorgt worden. Der Abschluss des Sendenetzausbaues sei im Juli 2008 flächendeckend auch in S -A und T erfolgt. In D sei der Empfang ab 23. Juli 2007 möglich gewesen. Informationen zu einem nicht oder nur eingeschränkten Empfang in dem Ortsteil, in dem die Klägerin wohne, lägen nicht vor. Es könne lediglich zu kurzzeitigen Störungen wegen planmäßiger Wartungsarbeiten kommen. In D könnten folgende 12 Programme empfangen werden: B Rundfunk (BR), M Rundfunk (mdr), Rundfunk B -B (rbb) und W Rundfunk (WDR) auf Kanal 29, ZDF, 3Satz, KIKA/zdf.neo und zdf.info auf Kanal 36 sowie Das Erste, arte, einsfestival und phoenix auf Kanal 39 (vgl. auch die Übersichten in der Rubrik Digitales Fernsehen – Programme unter http://www.digitalerrundfunk.de/front content.php sowie die Rubrik Sachsen unter http://www.dvb-t-portal.de/Regionen/). Eine Zimmerantenne ist nach den vorliegenden Informationen für den Empfang des digitalen Rundfunks in D ausreichend (vgl. die Rubrik Digitales Fernsehen – Empfangsprognose unter http://www.digitalerrundfunk.de/front content.php). Der Umstand, dass in D terrestrisch über den digitalen Rundfunk nur öffentlich-rechtliche Sender und nicht auch private Rundfunkanbieter empfangen werden können, begegnet im Hinblick auf das Informationsgrundrecht in Artikel 5 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 GG keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Die mediale Grundversorgung ist mit den aufgeführten Sendern gewährleistet.

Lediglich ergänzend ist anzumerken, dass nach Auffassung des Senates nicht dem Landessozialgericht M -V darin zu folgen ist, dass ausnahmsweise die Übernahme von Kabelanschlussgebühren in Betracht kommt, wenn ein terrestrischer oder satellitengestützter Empfang von Fernsehprogrammen in der Wohnung des Hilfebedürftigen nicht möglich ist (vgl. LSG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 18. Juli 2006 – L 8 AS 9/05 – JURIS-Dokument Rdnr. 41; a. A.: Sächs. LSG, Urteil vom 25. Oktober 2010 – L 7 AS 346/09 – JURIS-Dokument Rdnr. 28). Denn der Empfang von Rundfunk und Fernsehen deckt einen Bedarf, der – wie dargestellt – von der Regelleistung in § 20 SGB II umfasst werden. Wenn aber ein solcher Bedarf als nicht oder nicht hinreichend gedeckt angesehen wird, ist eine Lösung im Regelungssystem der Regelleistung zu suchen, zum Beispiel über § 23 Abs. 1 SGB II a. F., § 21 Abs. 6 SGB II n. F. oder eine verfassungskonform erweiternde Auslegung einer Anspruchsgrundlage. Ein Überwechseln in das Regelungssystem der Kosten für Unterkunft und Heizung ist auch wegen der unterschiedlichen Leistungsträger für die verschiedenen Teile der Grundsicherung (vgl. § 6 Abs. 1 Satz 1 SGB II) und den damit verbundenen Verantwortlichkeiten nicht gerechtfertigt.

4. Die Kabelanschlussgebühren von zunächst 6,45 EUR und später 7,16 EUR konnten von der Klägerin aus den mit der Regelleistung zur Verfügung gestellten Mitteln bestritten werden. Nach der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe 2003 entfiel auf die Abteilung 09 (Freizeit, Unterhaltung, Kultur) bei einer Regelleistung in Höhe von 345,00 EUR ein Anteil von 39,25 EUR (vgl. die Übersicht bei Spellbrink, in: Eicher/Spellbrink, SGB II [2.Aufl., 2008], § 20 Rdnr. 24). Wenn bei der Klägerin die geltend gemachten Aufwendungen in vollem Umfang angesetzt werden, entspricht dies einem Anteil von grob gerundet 16 % bis 18 %.

Nach Auffassung des Senates ist allerdings bei Aufwendungen, die einen unter die Regelleistung fallenden Bedarf betreffen, ebenso wie bei Kosten für Unterkunft und Heizung zu berücksichtigen, ob bei einer aus mehreren Personen bestehenden Bedarfs- oder Haushaltsgemeinschaft der zu deckende Bedarf bei mehreren dieser Personen bestehen kann. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes sind die Kosten, wenn Hilfebedürftige eine Unterkunft gemeinsam mit anderen Personen nutzen, im Regelfall anteilig pro Kopf aufzuteilen (vgl. z. B. BSG, Urteil vom 27. Februar 2008 – B 14/11b 55/06 R – SozR 4-4200 § 22 Nr. 9, Leitsatz). Die Klägerin teilt ihre Unterkunft mit drei anderen Personen, die im Falle eines Kabelanschlusses ebenfalls die Möglichkeit haben, Kabelrundfunk und -fernsehen zu nutzen. In diesem Fall erscheint es geboten, auch die Aufwendungen bei von anderen Mitgliedern der Bedarfsgemeinschaft genutzten oder nutzbaren Gegenständen oder Einrichtungen anteilig pro Kopf auf die Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft zu verteilen. Damit entfällt in dem 4-Personenhaushalt von den geltend gemachten Kosten in Höhe von 6,45 EUR ein Anteil in Höhe von 1,61 EUR auf die Klägerin. Bei den höheren Aufwendungen von 7,16 EUR ergibt dies einen Anteil von 1,79 EUR. Der auf die Klägerin entfallende Anteil läge dann bei ca. 4 % bis 4,5 % des in der Abteilung 09 vorgesehenen Betrages. Die Betragsanteile in Höhe von 1,61 EUR oder 1,79 EUR lägen noch unter dem Anteil in Höhe von 2,40 EUR, der in der Abteilung 09 auf die Gütergruppe "Fernseh- und Videogeräte, TV-Antennen" enthalten war (vgl. Eicher/Spellbrink, SGB II [2. Aufl., 2008], § 20 Rdnr. 32).

Auch bei der Regelleistung in Höhe von 312,00 EUR, die bei der Klägerin wegen der Bedarfsgemeinschaft mit ihrem Ehemann zugrunde gelegt worden ist, verschieben sich die Relationen nur unwesentlich.

5. Für eine ergänzende Leistungserbringung waren die Voraussetzungen nicht gegeben.

In Betracht kam zum einen § 23 Abs. 1 SGB II in der hier maßgebenden, bis zum 31. Dezember 2010 geltenden Fassung. Nach § 23 Abs. 1 Satz 1 SGB II erbrachte, wenn im Einzelfall ein von den Regelleistungen umfasster und nach den Umständen unabweisbarer Bedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts weder durch das Vermögen nach § 12 Abs. 2 SGB II noch auf andere Weise gedeckt werden konnte, die Agentur für Arbeit bei entsprechendem Nachweis den Bedarf als Sachleistung oder als Geldleistung und gewährte dem Hilfebedürftigen ein entsprechendes Darlehen. Hierzu hat aber das Bundesverfassungsgericht im Urteil vom 9. Februar 2010 festgehalten, dass durch die Gewährung eines Darlehens nach § 23 Abs. 1 SGB II nur vorübergehende Spitzen besonderen Bedarfs aufgefangen werden könnten. Zur Deckung eines dauerhaften, besonderen Bedarfs sei die Gewährung eines Darlehens hingegen ungeeignet (vgl. BVerfG, Urteil vom 9. Februar 2010 – 1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09BVerfGE 125, 175 [254] = JURIS-Dokument Rdnr. 207). In ähnlicher Weise hat sich bereits das Bundessozialgericht im Urteil vom 7. November 2006 geäußert (vgl. BSG, Urteil vom 7. November 2006 – B 7b AS 14/06 RBSGE 97, 242 ff. [Rdnr. 20] = SozR 4-4200 § 20 Nr 1 Rdnr. 20 = JURIS-Dokument Rdnr. 20). Die Aufwendungen für die Kabelanschlussgebühren stellen aber einen dauerhaften Bedarf dar.

Der Anspruch kann auch nicht aus Artikel 1 Abs. 1 GG i. V. m. Artikel 20 Abs. 1 GG – zu Lasten des Bundes – geltend gemacht werden. In Nummer 3 Satz 2 des Tenors des Urteil vom 9. Februar 2010 hat das Bundesverfassungsgericht festgelegt, dass für einen unabweisbaren, laufenden, nicht nur einmaligen besonderen Bedarf, der nicht von den Leistungen nach §§ 20 ff. SGB II erfasst wird, bis zur – nunmehr mit Wirkung ab 3. Juni 2010 in § 21 Abs. 6 SGB II erfolgten (vgl. Artikel 3a Nr. 2 Buchst. b des Gesetzes vom 27. Mai 2010 [BGBl. I S. 671]) – Neuregelung ein Anspruch nach Maßgabe der Urteilsgründe unmittelbar aus Artikel 1 Abs. 1 GG i. V. m. Artikel 20 Abs. 1 GG geltend gemacht werden kann (vgl. BGBl I 2010, 193). In den Urteilsgründen hat es ausgeführt, dass Ein solcher Anspruch erst entstehe, wenn der Bedarf so erheblich sei, dass die Gesamtsumme der dem Hilfebedürftigen gewährten Leistungen – einschließlich der Leistungen Dritter und unter Berücksichtigung von Einsparmöglichkeiten des Hilfebedürftigen – das menschenwürdige Existenzminimum nicht mehr gewährleiste. Dieser zusätzliche Anspruch dürfte angesichts seiner engen und strikten Tatbestandsvoraussetzungen nur in seltenen Fällen entstehen (vgl. BVerfG, Urteil vom 9. Februar 2010 – 1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09BVerfGE 125, 175 [255] = JURIS-Dokument Rdnr. 208). Bei der Höhe des streitigen monatlichen Bedarfes sind diese strengen Voraussetzungen ersichtlich nicht gegeben.

Aus der seit 3. Juni 2010 geltenden Anspruchsgrundlage in § 21 Abs. 6 SGB II ergibt sich nicht anders. Denn dort hat der Gesetzgeber die zitierten Passagen aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes vom 9. Februar 2010 wörtlich übernommen.

VI. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 183, 193 SGG.

VII. Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.

Dr. Scheer Höhl Atanassov
Rechtskraft
Aus
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