S 11 AS 78/12

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
SG Landshut (FSB)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
11
1. Instanz
SG Landshut (FSB)
Aktenzeichen
S 11 AS 78/12
Datum
2. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Angelegenheiten nach dem SGB II
I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.



Tatbestand:


Die Beteiligten streiten um einen Anspruch der Klägerin als Vermieterin einer an eine Leistungsempfängerin von Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) vermieteten Wohnung gegen den Grundsicherungsträger als Beklagten auf Zahlung rückständiger Mieten sowie Verzugsschaden und Verzugszinsen.

Die Klägerin ist Eigentümerin einer laut Mietvertrag 125,5 qm großen 4,5-Zimmer-Wohnung in der C-Straße in B-Stadt. Mit Mietvertrag vom 26.10.2006 vermietete sie diese ab dem 15.11.2006 an Frau U.

Frau U. bezog von der Rechtsvorgängerin des beklagten Jobcenters (im Folgenden Beklagter) laufend Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. In der Vergangenheit war sie bereits mehrfach innerhalb des Stadtgebiets von B-Stadt umgezogen. Der Beklagte hatte hierbei generell die Zusicherung zum Umzug nicht erteilt.

Mit Bewilligungsbescheid vom 13.09.2006 (Bl. 176) in der Fassung des Änderungsbescheids vom 17.10.2006 (Bl. 195) bewilligte der Beklagte Frau U. und ihren drei Kindern Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für die Zeit vom 01.10.2006 bis 31.03.2007 in Höhe von monatlich 732,23 Euro. Neben der Regelleistung für Frau U., Sozialgeld für ihre Kinder und Mehrbedarf für Alleinerziehende für Frau U. bewilligte er für Kosten der Unterkunft und Heizung insgesamt 485,23 Euro.

Am 26.10.2006 unterzeichnete Frau U. den Mietvertrag für die Wohnung in der C.-Str. in B-Stadt zu einem monatlichen Mietzins von insgesamt 760,00 Euro (535,00 Euro Kaltmiete, 75,00 Euro Nebenkostenvorauszahlung sowie 150,00 Euro Heizkostenvorauszahlung).

Am 27.10.2006 unterzeichnete Frau U. eine mit "Abtrittserklärung für Mietzahlung" überschriebene und von ihr und dem Vertreter der Klägerin unterschriebene vorformulierte Erklärung (Blatt 233 der Behördenakte). Darin heißt es: "Die Mieterin, Frau ..., erklärt sich damit einverstanden, dass die gemäß § 2 des Mietvertrags vom 26.10.2006 vereinbarte Miete in einer Höhe von 760 EUR betreffend die Wohnung ...direkt an den Vermieter, Frau ..., gezahlt wird. Die Vereinbarung kann von Mieterseite nicht ohne Zustimmung des Vermieters aufgehoben werden ..."

Mit Bescheid vom 30.10.2006 verweigerte der Beklagte die Zustimmung zum Umzug in diese Wohnung aufgrund der Unangemessenheit der Größe und der Miethöhe.

In die streitgegenständliche Wohnung zog Frau U. zum 15.11.2006 zusammen mit ihrer am 07.04.1998 geborenen Tochter sowie ihren zwei am 19.11.2001 und am 19.09.2004 geborenen Söhnen ein.

Mit Fax vom 04.12.2006 zeigte die Klägerin dem Beklagten gegenüber an, dass Frau U. zum 15.11.2006 in die Wohnung gezogen sei, jedoch noch keine Mietzahlungen erfolgt seien. Der Beklagte teilte daraufhin mit, dass weder Mietvertrag noch Abtretungserklärung vorgelegt worden seien. Eine direkte Überweisung an die Klägerin sei frühestens ab Januar 2007 möglich, da die Zahlungen für November und Dezember 2007 bereits an Frau U. erfolgt seien.

Am 15.12.2006 bestätigte der Beklagte die Kenntnisnahme der Abtrittserklärung vom 27.10.2006. Mit Schreiben (Blatt 246 der Behördenakte) vom gleichen Tag teilte er der Klägerin wörtlich folgendes mit: "Ich bin bereit, den monatlichen Mietzins aus der von mir zu gewährenden Leistung an Sie zu überweisen. Ich möchte Sie darauf aufmerksam machen, dass die Überweisung der monatlichen Mieten nur solange in Betracht kommt, wie Ihr Mieter einen Anspruch auf laufende Leistungen (zumindest in Höhe der zu überweisenden Miete) nach dem SGB II hat. Rechtsbeziehungen zwischen Ihnen und der im Briefkopf genannten Stelle werden durch diese Überweisung nicht begründet, insbesondere trete ich nicht in den bestehenden Mietvertrag ein und übernehme keinerlei Haftung für die Erfüllung der vertraglichen Verpflichtungen Ihres Mieters." In dem Schreiben wird weiter als Beginn der Überweisung Januar 2007 angegeben, die Höhe des Mietzinses wird mit 760,00 Euro ausgewiesen.

Mit Änderungsbescheid vom 15.12.2006 bewilligte der Beklagte Frau U. sowie ihren drei Kindern und dem zugezogenen Partner Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für die Zeit vom 01.10.2006 bis 31.03.2007 in im Vergleich zum Bewilligungsbescheid veränderter Höhe, ab Dezember 2006 in Höhe von monatlich 845,96 Euro. An Kosten für Unterkunft und Heizung wurden ab Dezember 563,65 Euro bewilligt (Kaltmiete 420,90 Euro, Nebenkosten 75,00 Euro, Heizkosten 67,75 Euro). Ferner wurde darin die Direktüberweisung der Miete ab Januar 2007 in Höhe von 760,00 Euro an die Vermieterin bestimmt.

Am 28.03.2007 bat Frau U. den Beklagten, die Direktüberweisung der Miete an die Klägerin einzustellen, da die Klägerin keine Zahlungen an die Stadtwerke geleistet hätte. Der Beklagte lehnte dies in einem persönlichen Gespräch mit Frau U. ab

Mit Bewilligungsbescheid vom 30.03.2007 (Bl. 262) bewilligte der Beklagte Frau U., ihren drei Kindern und ihrem Partner Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für die Zeit vom 01.04.2007 bis 30.09.2007 in Höhe von monatlich 845,96 Euro. Die Direktüberweisung der Miete an die Klägerin wurde aufrechterhalten.

Am 26.04.2007 unterzeichnete Frau U. einen neuen Mietvertrag für eine Wohnung in der G-S-Str. in B-Stadt zum 01.07.2007. Am 04.05.2007 unterschrieb sie eine Abtretungserklärung, mit welcher sie alle ihr für das Mietverhältnis zustehenden Mietzuschüsse an den Vermieter abtrat und sich mit einer Direktüberweisung der Miete einverstanden erklärte. Am 05.07.2007 erfolgte die durch Frau U. zum 02.07.2007 beantragte städtische Anmeldung für die neue Wohnung. Frau U. zeigte dem Beklagten mit Veränderungsanzeige vom 12.07.2007 die Änderung der Wohnung zum 01.07.2007 an.

Mit Änderungsbescheid vom 14.06.2007 bewilligte der Beklagte Frau U. sowie ihren drei Kindern und dem zugezogenen Partner Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für die Zeit vom 01.04.2007 bis 30.09.2007, ab Juli 2007 in Höhe von monatlich 642,17 Euro. An Kosten für Unterkunft und Heizung wurden ab Juli 506,17 Euro bewilligt (Kaltmiete 327,25 Euro, Nebenkosten 116,46 Euro, Heizkosten 62,46 Euro). Ferner wurde darin die Direktüberweisung der Miete ab Juli 2007 an den neuen Vermieter bestimmt.

Am 10.07.2007 zeigte die Klägerin dem Beklagten an, dass die Mietzahlung für Juli nicht erfolgt sei, die Wohnung sei nicht gekündigt. Mit Schreiben vom 11.07.2007 teilte der Beklagte der Klägerin mit, dass die Mietzahlungen ab 01.07.2007 wegen des neuen Mietvertrags eingestellt würden. Im Übrigen verwies er auf das Schreiben vom 15.12.2006.

Mit Änderungsbescheid vom 12.07.2007 wurden für die Zeit vom 01.04.2007 bis 30.09.2007 in der Höhe veränderte Leistungen nach dem SGB II bewilligt. Hinsichtlich der Direktüberweisungen traten keine Änderungen ein.

Mit Schreiben vom 19.07.2006 forderte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin den Beklagten zur Zahlung der Miete für Januar und Juli 2007 in Höhe von 1.520,00 Euro bis zum 26.07.2007 auf. Der Beklagte sei zur Zahlung aufgrund der Abtretungserklärung verpflichtet. Dies lehnte der Beklagte mit Schreiben vom 01.08.2006 ab; die vertraglichen Pflichten wie die Einhaltung der Kündigungsfrist würden dem Mieter obliegen.

Mit Änderungsbescheid vom 09.06.2008 wurden für die Zeit vom 01.07.2007 bis 30.09.2007 in der Höhe veränderte Leistungen nach dem SGB II bewilligt. Hinsichtlich der Direktüberweisung traten keine Änderungen ein.

Am 14.08.2007 hat der Prozessbevollmächtigte wegen der rückständigen Mietzahlungen für Januar, Juli und August 2007 sowie Verzugsschaden und Verzugszinsen Klage zum Amtsgericht B-Stadt erhoben. Es sei der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten eröffnet. Der Beklagte sei auf Grundlage der Abtretungserklärung zur Zahlung verpflichtet.

Am 28.08.2007 hat das Amtsgericht B-Stadt die Klage zum Sozialgericht B-Stadt übersandt. Nach richterlichem Hinweis vom 03.07.2009 hat das Sozialgericht B-Stadt das Verfahren wegen fehlender Zuständigkeit an das Amtsgericht B-Stadt zurückübersandt.

Mit Beschluss vom 11.09.2009 hat das Amtsgericht B-Stadt den Rechtsstreit förmlich an das Sozialgericht München verwiesen.

Mit Beschluss vom 31.01.2012 hat sich das Sozialgericht München für örtlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das Sozialgericht Landshut verwiesen.

Die Klägerin hat zuletzt beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, an sie 3.040,00 Euro nebst 5 Prozentpunkte über dem jeweils aktuellen Basiszinssatz Zinsen p.a. aus 760,00 Euro seit dem 05.01.2007, aus weiteren 760,00 Euro seit dem 05.07.2007, aus weiteren 760,00 Euro seit dem 06.08.2007 und aus weiteren 760,00 Euro seit dem 06.09.2007, sowie 229,55 Euro brutto Verzugsschaden nebst 5 Prozentpunkte über dem jeweils aktuellen Basiszinssatz Zinsen p.a. hieraus seit 27.07.2007 zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Der Anspruch auf Kosten für Unterkunft und Heizung würde bei Frau U. bestehen bleiben. Aus der Abtretungserklärung vom 26.10.2006 würde sich lediglich ein neuer Zahlungsempfänger ergeben, eine Verpflichtung aus dem Mietvertrag ergäbe sich für den Beklagten nicht. Mit Abschluss des neuen Mietvertrags zum 01.07.2007 und der Abtretungserklärung habe der Beklagte nur an den neuen Vermieter zahlen können. Da Frau U. ab dem 01.07.2007 nicht mehr in der Wohnung der Klägerin wohne, könne auch keine Zahlung des Beklagten an die Klägerin erfolgen. Bezüglich der nicht erfolgten Kündigung und der Zahlungsrückstände müsse die Klägerin sich direkt an Frau U. wenden. Die Miete für Januar 2007 habe der Beklagte an die Klägerin überwiesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die im Verfahren gewechselten Schriftsätze, die beigezogenen Verwaltungsakten des Beklagten sowie die Gerichtsakten Bezug genommen.



Entscheidungsgründe:


Das Gericht konnte vorliegend ohne mündliche Verhandlung entscheiden, nachdem die Beteiligten hierzu mit Schreiben vom 17.04.2012 und 27.04.2012 ihr Einverständnis erteilt haben, § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

A. Das Sozialgericht Landshut ist zur Entscheidung über den Rechtsstreit berufen.

Gemäß § 17 a Abs. 2 Satz 3 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) ist das Sozialgericht an die Rechtswegverweisung durch Beschluss des Amtsgerichts B-Stadt vom 11.09.2009 gebunden. Die sachliche Zuständigkeit folgt aus § 8 SGG.

Die örtliche Zuständigkeit des Sozialgerichts Landshut steht aufgrund des Verweisungsbeschlusses des Sozialgerichts München vom 31.01.2012 bindend fest, § 98 Satz 1 SGG iVm § 17a Abs. 2 Satz 3 GVG.

B. Das beklagte Jobcenter als gemeinsame Einrichtung nach §§ 6d, 44b Abs. 1 Satz 1 SGB II ist gemäß § 70 Nr. 1 SGG beteiligtenfähig. Es steht insoweit einer juristischen Person des öffentlichen Rechts gleich. Gemäß § 76 Abs. 3 Satz 1 SGB II ist die gemeinsame Einrichtung als Rechtsnachfolger an die Stelle der bisherigen beklagten Arbeitsgemeinschaft (ARGE) getreten. Es handelt sich um einen kraft Gesetzes eintretenden Beteiligtenwechsel (vgl. BSG, Urteil vom 18.01.2011, B 4 AS 99/10 R).

C. Der Streitgegenstand wird durch die zuletzt gestellten Anträge bestimmt. Die Klageerweiterung vom 05.09.2007 ist dabei gemäß § 99 Abs. 3 Nr. 2 SGG zulässig und bestimmt den Streitgegenstand mit.

D. Die Klage ist in der Form der allgemeinen Leistungsklage gemäß § 54 Abs. 5 SGG zulässig. Die Klägerin begehrt eine Geldzahlung, die nicht den Erlass eines Verwaltungsaktes erfordert. Im Verhältnis Klägerin zu Beklagten bestand keine sozialrechtliche Leistungsbeziehung, innerhalb derer Verwaltungsakte ergehen könnten.

E. Die Klage hat in der Sache jedoch keinen Erfolg. Die Klägerin hat gegen den Beklagten weder aus eigenem noch aus abgetretenem Recht einen Anspruch auf Zahlung der Monatsmieten Januar 2007 sowie Juli bis September 2007 in Höhe von 3.040,00 Euro zuzüglich der geltend gemachten Verzugszinsen und eines Verzugsschadens.

1. Für die eingeforderten Mietzahlungen kommt eine Geltendmachung aus eigenem Recht nicht in Betracht.

Die Klägerin ist zu keiner Zeit an die Stelle der Leistungsempfänger Frau U., ihrer Kinder sowie ihres Partners getreten. Im Sozialrecht ist anders als im Zivilrecht eine Neubestimmung der Gläubigerstellung oder der vollständige Eintritt in ein Vertragsverhältnis unter Einschluss des neuen Gläubigers in das Pflichtengefüge nicht vorgesehen (vgl. BSG, Urteil vom 30.01.2002, B 5 RJ 26/01 R dort Ziffer. 2a).

Hierzu in Einklang ist es allgemeine Meinung, dass im Falle einer reinen Direktzahlung der Leistungen für Unterkunft und Heizung nach § 22 Abs. 4 SGB II (in der bis 31.12.2010 geltenden Fassung, im Folgenden a.F.) bzw. § 22 Abs. 7 SGB II (in der ab 01.01.2011 geltenden Fassung) dem Vermieter nur eine Empfangsberechtigung zukommt, er aber in keine eigene Anspruchsposition gegenüber dem Leistungsträger eintritt (vgl. nur Lang/Link in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Auflage 2008, § 22 Rz. 99, Berlit in LPK, Sozialgesetzbuch II, 4. Auflage 2011, § 22 Rz. 173).

Nichts anderes ergibt sich aus dem Schreiben des Beklagten vom 15.12.2006. Darin führte der Beklagte ausdrücklich aus, dass durch die Direktüberweisungen der Miete an die Klägerin zwischen ihr und dem Beklagten keine Rechtsbeziehungen begründet werden, insbesondere kein Eintritt in den Mietvertrag erfolge und keine Haftung für die Erfüllung der vertraglichen Verpflichtungen der Mieterin übernommen werde. Ein Rechtsbindungswille zum Eintritt in eine eigene Schuldnerstellung des Beklagten gegenüber der Klägerin liegt damit eindeutig nicht vor.

Die Zahlung der Monatsmieten an den Vermieter bewirkt in den Fällen der Direktüberweisung nach § 22 Abs. 4 SGB II a.F. damit nur die Schuldbefreiung im Sinne von § 362 Abs. 2 BGB im Leistungsverhältnis zwischen Leistungsträger (hier des Beklagten) und Leistungsempfänger (hier Frau U., ihre Kinder und ihr Partner).

2. Der geltend gemachte Anspruch auf die rückständigen Mietzahlungen kann sich somit nur aus abgetretenem Recht ergeben. Eine wirksame Abtretung liegt jedoch nicht vor.

Ansprüche auf Geldleistungen aus einem Sozialrechtsverhältnis können nur unter den in § 53 SGB I geregelten Voraussetzungen übertragen, d.h. abgetreten werden, die §§ 398 ff Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) werden dadurch modifiziert und sind nur anwendbar, sofern § 53 SGB I keine Einschränkung trifft (vgl. nur Pflüger in jurisPK-SGB I, 2. Auflage 2011, § 53 Rz. 5, 10; Seewald in Kasseler Kommentar, 73. Ergänzungslieferung 2012, § 53 Rz. 7, 7c).

Eine Verfügbarkeit über Geldansprüchen auf Sozialleistungen wollte der Gesetzgeber zwar im Interesse eines möglichst freien Rechtsverkehrs nicht völlig ausschließen, aufgrund des notwendigen sozialen Schutzes der Leistungsempfänger aber auch nicht völlig unbegrenzt zulassen (vgl. Pflüger, a.a.O. § 53 Rz. 5; Seewald, a.a.O. § 53 Rz. 2).

a. Zunächst ist in Fällen wie der vorliegenden "Abtrittserklärung für Mietzahlung" zu klären, ob Inhalt der Erklärung tatsächlich eine Übertragung bzw. Abtretung im rechtlichen Sinne von § 53 SGB I und §§ 398 ff BGB sein sollte. Unabhängig von der Frage, ob die Übertragung nach § 53 SGB I als öffentlich-rechtlicher Vertrag im Sinne von 53 ff SGB X oder als privat-rechtlicher Vertrag zu qualifizieren ist, bedarf es für eine wirksame Übertragung von Ansprüchen eines entsprechenden Erklärungswillens des Übertragenden.

Die "Abtrittserklärung für Mietzahlung" vom 27.10.2006 ist daher entsprechend §§ 133, 157 BGB nach dem objektiven Empfängerhorizont auszulegen.

Aus dem Wortlaut der Abtrittserklärung ergibt sich keine eindeutige Erklärung im Sinne einer Abtretung im rechtlichen Sinn. Frau U. hat sich einverstanden erklärt, dass die vereinbarte Miete direkt an die Vermieterin gezahlt wird. Objektiver Erklärungsinhalt ist danach die Ermächtigung zur direkten Auszahlung an die Klägerin mit Erfüllungswirkung nach § 362 Abs. 2 iVm § 185 BGB, nicht aber der Anspruchsübergang auf Leistungen aus dem Sozialrechtsverhältnis. Nichts anderes ergibt sich aus dem zusätzlichen Satz: "Die Vereinbarung kann von Mieterseite nicht ohne Zustimmung des Vermieters aufgehoben werden". Ein eigenständiger Abtretungswille ist darin nicht zu erkennen.

Die Bezeichnung der Erklärung als "Abtrittserklärung" hat hinter dem ermittelten Erklärungsinhalt zurückzutreten ("falsa demonstratio non nocet").

Die Klägerin erwarb damit mangels Abtretungserklärung keine Anspruchsposition gegenüber dem Beklagten (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 11.11.2010, L 9 AS 480/10).

b. Unabhängig davon wäre eine Abtretung der Leistungsansprüche nur unter den Voraussetzungen nach § 53 Abs. 2 SGB I möglich gewesen. Ein Sachverhalt, der von § 53 Abs. 2 Nr. 1 SGB I umfasst ist, liegt nicht vor, sodass nur § 53 Abs. 2 Nr. 2 SGB I in Betracht käme. Danach können Ansprüche auf Geldleistungen übertragen und verpfändet werden, wenn der zuständige Leistungsträger feststellt, dass die Übertragung oder Verpfändung im wohlverstandenen Interesse des Berechtigten liegt.

Vor dem Hintergrund, dass Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II zur Deckung des Bedarfs der Leistungsberechtigten gewährt werden und von den Leistungsberechtigten hierfür einzusetzen sind, sind an die Voraussetzungen für ein solches wohlverstandenes Interesse hohe Anforderungen zu stellen. Dies gilt gerade in Fällen wie dem vorliegenden, in denen der Mietzins über den bewilligten Kosten für Unterkunft und Heizung liegt und nur unter Heranziehung der Leistungen für den Regelbedarf überhaupt beglichen werden kann. Es ist anzunehmen, dass bei einer solchen Konstellation nicht mehr von einem wohlverstandenen Interesse des Leistungsempfängers ausgegangen werden könnte.

Eine ausdrückliche positive Feststellung des wohlverstandenen Interesses war seitens des Beklagten nicht erfolgt.

Mit dem Schreiben vom 15.12.2006 verwehrte er sich der Klägerin gegenüber vielmehr gegen die Begründung eigenständiger Rechtsbeziehungen zwischen ihm und ihr und lehnte damit zugleich ein wohlverstandenes Interesse der Leistungsberechtigten ab (vgl. zur Feststellung als Wirksamkeitsvoraussetzung auch LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 24.05.2006, L 5 B 147/06 AS ER, L 5 B 395/06 AS PKH).

c. Einer wirksamen Abtretungserklärung würde ferner teilweise die fehlende Verfügungsbefugnis von Frau U. über die Leistungsansprüche ihres Partners entgegenstehen. Im Hinblick auf die Leistungsansprüche ihrer Kinder wäre eine Verfügungsbefugnis nur im Falle der alleinigen elterlichen Sorge möglich, §§ 1626, 1626a BGB. Die Klärung dieses Umstandes kann vorliegend mangels Entscheidungserheblichkeit jedoch offen bleiben, § 128 Abs. 1 Satz 2 SGG.

d. Nachdem vorliegend keine wirksame Abtretung der Leistungsansprüche an die Klägerin erfolgte, bedarf es auch keiner abschließenden Klärung, ob die Leistungen für Januar 2007 an die Klägerin tatsächlich ausbezahlt wurden, wovon allerdings nach dem Vorbringen des Beklagten und den Akten auszugehen ist. Der Beklagte leistete nach seinem Schreiben vom 15.12.2006 ersichtlich erst ab Januar 2007 direkt an die Klägerin, die Leistungen für die Vormonate muss die Klägerin gemäß § 407 Abs. 1 BGB gegen sich gelten lassen.

Ferner bedarf es keiner abschließenden Klärung des Umstandes, zu welchem Zeitpunkt Frau U. und ihre Kinder konkret die Wohnung der Klägerin verlassen haben. Grundsätzlich gilt jedoch hierfür, dass die den Leistungsberechtigten gemäß § 22 SGB II zu gewährenden tatsächlichen Kosten für Unterkunft und Heizung nur auf die konkret genutzte Wohnung bezogen sind. Hat ein Leistungsempfänger mehrere Wohnungen angemietet, ist maßgeblich für die zu gewährenden Kosten die tatsächlich genutzte Wohnung (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, a.a.O., Berlit, a.a.O. Rz. 23 mwN). Mit Auszug aus der Wohnung der Klägerin verloren Frau U. und ihre Kinder den Leistungsanspruch auf die Kosten für diese Wohnung. Da sich die Abtrittserklärung vom 27.10.2006 allein auf die Miete für die Wohnung der Klägerin bezog, würde auch bei unterstellter Wirksamkeit der Abtretung diese ab Auszug ins Leere gehen, es können nur existente Forderungen abgetreten und übertragen werden, vgl. § 398 BGB.

3. Eine Zahlungsverpflichtung des Beklagten auf Grundlage von Schadensersatzansprüchen scheidet bereits wegen fehlenden schuldhaften Verhaltens aus. Mit dem Schreiben vom 15.12.2006 hat der Beklagte gegenüber der Klägerin vielmehr klargestellt, dass durch die Auszahlungen keine eigenständigen Rechtsbeziehungen zwischen ihnen entstehen.

Daher kann sich die Klägerin schließlich auch nicht auf hervorgerufenes schützenswertes Vertrauen berufen.

4. Nachdem die Hauptforderung nicht besteht, stehen der Klägerin die geltend gemachten Nebenforderungen auf Verzugsschaden und Verzugszinsen ebenfalls nicht zu.

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Es handelt sich um ein kostenpflichtiges Verfahren, da weder Kläger noch Beklagter zum privilegierten Personenkreis nach § 183 SGG zählen. Insbesondere ist die Klägerin nicht Leistungsempfängerin im Sinne von
§ 183 Satz 1 SGG. Die Streitwertfestsetzung ergeht durch gesonderten Beschluss.
Rechtskraft
Aus
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