L 11 AS 870/12 B PKH

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
11
1. Instanz
SG Würzburg (FSB)
Aktenzeichen
S 16 AS 641/12 ER
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 11 AS 870/12 B PKH
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Verfahren vor dem SG wegen hinreichender Erfolgsaussicht.
I. Auf die Beschwerde des Antragstellers wird Ziffer III. des Beschlusses des Sozialgerichts Würzburg vom 06.11.2012 aufgehoben.

II. Dem Antragsteller wird für das Verfahren S 16 AS 641/12 ER vor dem Sozialgericht Würzburg Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwältin A. S., A-Stadt, beigeordnet.



Gründe:


I.
Streitig sind Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (Arbeitslosengeld - Alg II) nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) im Hinblick auf Mietschulden in Höhe von 1.687,35 EUR.

Der Antragsteller (ASt) bewohnt eine angemessene Wohnung der Stadt- und Wohnbau GmbH A-Stadt. Im Hinblick auf die fehlende Gewährung der Unterkunftskosten in Sanktionszeiträumen kam der ASt hinsichtlich seiner Mietzahlungen in Rückstand. Einen Antrag auf Übernahme der Mietschulden iHv 733,80 EUR lehnte die Antragsgegnerin (Ag) mit Bescheid vom 23.02.2012 ab. Die Gewährung eines Darlehens würde dem Zweck der Sanktionen widersprechen. Dementsprechend wurden auch weitere Anträge auf Übernahme von Mietschulden iHv 604,70 EUR mit Bescheid vom 18.06.2012 bzw. 29.08.2012 abgelehnt. Über die Widersprüche des ASt gegen die Bescheide vom 18.06.2012 bzw. 29.08.2012 ist nach Aktenlage bislang nicht entschieden. Im Rahmen der Widerspruchsbegründung vom 05.10.2012 beantragte er die zwischenzeitlich aufgelaufenen Mietrückstände iHv 2.338,25 EUR - hilfsweise als Darlehen - zu übernehmen.

Nach einer wegen Zahlungsrückstandes von der Vermieterin ausgesprochenen Kündigung erging am 24.09.2012 ein Räumungsurteil des Amtsgerichts A-Stadt (Az: 1 C 468/12). In Bezug auf die Mietrückstände hinsichtlich der Garage und der durch die Räumungsklage entstandenen Kosten schloss der ASt mit seiner Vermieterin Ratenzahlungsvereinbarungen. Die Kosten der Unterkunft und Heizung iHv 359,90 EUR werden von der Ag seit 01.10.2012 direkt an die Vermieterin gezahlt.

Mit Beschluss vom 06.11.2012 hat das Sozialgericht Würzburg (SG) einen Antrag, die Ag im Wege einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, Mietrückstände iHv 2.338,25 EUR - hilfsweise als Darlehen - zu übernehmen, abgelehnt (Ziffern I. und II.) und den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) "zurückgewiesen" (Ziffer III.). Da eine langfristige Sicherung der Unterkunft nicht glaubhaft gemacht worden sei, bestehe kein Anspruch auf Übernahme der Mietschulden. Trotz gerichtlicher Aufforderung sei keine aktuelle Erklärung der Vermieterin vorgelegt worden, dass sie trotz des Räumungstitels bereit sei, von diesem keinen Gebrauch zu machen. Für den PKH-Antrag fehle es an einer hinreichenden Erfolgsaussicht.

Dagegen hat der ASt Beschwerde beim Bayerischen Landessozialgericht eingelegt und die Verpflichtung der Ag im Wege der einstweiligen Anordnung, Mietrückstände iHv 1.687,35 EUR zu übernehmen, hilfsweise in Form eines Darlehens, beantragt. Das SG habe eine Frist zur Vorlage einer Erklärung der Vermieterin bis 31.11.2012 gesetzt. Die Vermieterin habe insofern mit Schreiben vom 05.11.2012 erklärt, sie werde das Mietverhältnis aufrecht erhalten, wenn alle Rückstände ausgeglichen würden. Demnach könne durch die Übernahme der Mietschulden eine drohende Obdachlosigkeit vermieden werden.
Mit Beschluss vom 21.12.2012 (Az: L 11 AS 850/12 B ER) hat der Senat die Ziffer I. des Beschlusses des Sozialgerichts Würzburg vom 06.11.2012 abgeändert und die Ag verpflichtet, dem ASt vorläufig, längstens bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache, ein Darlehen in Höhe von 1.687,35 EUR zur Begleichung seiner Mietschulden zu gewähren. Im Übrigen wurde die Beschwerde gegen Ziffer I. des Beschlusses zurückgewiesen.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf die beigezogene Akte der Ag sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz - insbesondere auch die Akte L 11 AS 850/12 B ER - Bezug genommen.

II.
Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist zulässig (§§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz -SGG-) und begründet. Zu Unrecht hat das SG den Antrag auf Bewilligung von PKH abgelehnt.
Nach der beim SG rechtzeitig vorgelegten Erklärung erfüllt der ASt die notwendigen persönlichen und wirtschaftlichen Voraussetzung iSv § 73a SGG iVm §§ 114 f. Zivilprozessordnung (ZPO) für eine PKH-Bewilligung. Es lagen auch hinreichende Erfolgsaussichten des Antrages auf Erlass einer einstweiligen Anordnung vor.
Aus verfassungsrechtlichen Gründen dürfen die Anforderungen an die Erfolgsaussicht nicht überspannt werden. Es reicht für die Prüfung der Erfolgsaussicht aus, dass der Erfolg eine gewisse Wahrscheinlichkeit für sich hat (vgl. BSG, Urteil vom 17.02.1998 - B 13 RJ 83/97 R - SozR 3-1500 § 62 Nr.19). Diese gewisse Wahrscheinlichkeit (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl. § 73a Rn.7) ist in aller Regel dann anzunehmen, wenn das Gericht den Rechtsstandpunkt des Beteiligten aufgrund der Sachverhaltsschilderung und der vorgelegten Unterlagen für zutreffend oder zumindest für vertretbar hält und in tatsächlicher Hinsicht die Möglichkeit des Obsiegens des PKH- Beantragenden ebenso wahrscheinlich ist wie sein Unterliegen. Schwierige, bislang ungeklärte Rechts- und Tatfragen sind nicht im PKH-Verfahren zu entscheiden, sondern müssen auch von Unbemittelten einer prozessualen Klärung zugeführt werden können (vgl. BVerfG, Beschluss vom 14.07.1993 - 1 BvR 1523/92 - NJW 1994, 241f). PKH muss jedoch nicht schon dann gewährt werden, wenn die entscheidungserhebliche Rechtsfrage zwar noch nicht höchstrichterlich geklärt ist, ihre Beantwortung aber im Hinblick auf die einschlägige gesetzliche Regelung oder die durch die bereits vorliegende Rechtsprechung gewährten Auslegungshilfen nicht in dem genannten Sinne als "schwierig" erscheint (vgl. BVerfG, Beschluss vom 13.03.1990 - 2 BvR 94/88 - BVerfGE 81, 347ff). Ist dies dagegen nicht der Fall und steht eine höchstrichterliche Klärung noch aus, so ist es mit dem Gebot der Rechtsschutzgleichheit nicht zu vereinbaren, der unbemittelten Partei wegen der fehlenden Erfolgsaussichten ihres Begehrens PKH vorzuenthalten (vgl. BVerfG, Beschluss vom 19.02.2008 - 1 BvR 1807/07 - NJW 2008, 1060ff).

Unter Beachtung dieser Grundsätze war dem ASt PKH für sein Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes beim SG zu bewilligen. Eine hinreichende Aussicht auf Erfolg des Antrages iSv § 73a SGG iVm § 114 Satz 1 ZPO bestand. Insofern wird auf den Beschluss des Senats vom 21.12.2012 im Verfahren Az: L 11 AS 850/12 B ER Bezug genommen.

Im Hinblick auf die hinreichenden Erfolgsaussichten des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung hat das SG die Bewilligung von PKH zu Unrecht abgelehnt. Der Beschluss des SG vom 06.11.2012 war deshalb hinsichtlich Ziffer III. aufzuheben und dem ASt PKH für das Verfahren vor dem SG zu bewilligen.

Dieser Beschluss ergeht kostenfrei und ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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