L 7 AS 1391/12 B

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
7
1. Instanz
SG Köln (NRW)
Aktenzeichen
S 36 SF 217/12 E
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 7 AS 1391/12 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde der Beschwerdeführerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Köln vom 26.06.2012 wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Zwischen den Beteiligten ist noch streitig, ob bei der Höhe der erstattungsfähigen Rechtsanwaltsgebühren im Rahmen der durch das Sozialgericht (SG) Köln für ein einstweiliges Anordnungsverfahren bewilligten Prozesskostenhilfe auch eine Einigungsgebühr zu berücksichtigen ist.

Mit Beschluss vom 08.05.2012 bewilligte das SG dem Antragsteller Prozesskostenhilfe unter Beiordnung der Beschwerdeführerin, Rechtsanwältin U aus L. Im einstweiligen Rechtsschutzverfahren begehrte der Antragsteller unter dem 26.04.2012 vorläufig Leistungen nach dem SGB II. Nachdem der Antragsteller auf Anforderung des SG weitere Unterlagen zur Glaubhaftmachung einer Hilfebedürftigkeit übersandt hatte, wies das SG den Antragsgegner darauf hin, dass nach den vorliegenden Unterlagen das Vermögen des Antragstellers nicht sofort verwertbar sei. Es werde um Prüfung einer darlehensweisen Bewilligung gebeten. Daraufhin teilte der Antragsgegner mit Schreiben vom 10.05.2012 mit, dass er die SGB II-Leistungen nunmehr darlehensweise bewilligen werde. Der entsprechende Bescheid werde kurzfristig erstellt. Sobald dieser vorläge, werde der Antragsgegner diesen unaufgefordert nachreichen. Auf Anfrage des SG vom 10.05.2012, ob das Anerkenntnis angenommen und der Rechtsstreit für erledigt erklärt werde, teilte der Antragsteller unter dem 15.05.2012 mit, der Rechtsstreit könne nicht für erledigt erklärt werden, weil bisher kein Bescheid im Hinblick auf die darlehensweise

Gewährung erstellt worden sei. Mit Schreiben vom 14.05.2012 (Eingang 16.05.2012) übersandte der Antragsgegner den Darlehensbescheid vom 14.05.2012. Auf nochmalige Anfrage des SG vom 16.05.2012, ob nunmehr der Rechtsstreit für erledigt erklärt werde, erfolgte unter dem 18.05.2012 eine Erledigungserklärung des Antragstellers.

Die Beschwerdeführerin beantragte mit Schreiben vom 18.05.2012 die Festsetzung von Gebühren und Auslagen in Höhe von insgesamt 487,90 Euro nach folgender Berechnung:

Verfahrensgebühr Nr. 3102 VV RVG 200,00 Euro
Einigungsgebühr Nr. 1002, 1006 VV RVG 190,00 Euro
Auslagenpauschale Nr. 7002 VV RVG 20,00 Euro
Umsatzsteuer Nr. 7008 VV RVG 77,90 Euro

Summe 487,90 Euro

Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle setzte die Vergütung mit Beschluss vom 13.06.2012 auf 261,80 Euro nach folgender Berechnung fest:

Verfahrensgebühr Nr. 3102 VV RVG 200,00 Euro
Auslagenpauschale Nr. 7002 VV RVG 20,00 Euro
Umsatzsteuer Nr. 7008 VV RVG 41,80 Euro

Summe 261,80 Euro

Eine Einigungsgebühr sei nicht entstanden. Diese Gebühr entstehe nur für die Mitwirkung beim Abschluss eines Vergleichs, durch den der Streit oder die Ungewissheit der Parteien über ein Rechtsverhältnis beseitigt werde, nicht aber für eine "Regelung", die sich ausschließlich auf ein Anerkenntnis beziehe. Ein solches Anerkenntnis läge vor. Dem Antrag des Antragstellers, ihm vorläufig Leistungen nach dem SGB II zu gewähren, sei der Antragsgegner nachgekommen. Die Prozessbevollmächtigte habe hierauf das Verfahren für erledigt erklärt. Die formellen Voraussetzungen für den Abschluss eines Vergleichs seien nicht gegeben, ein gegenseitiges Nachgeben läge nicht vor.

Im Rahmen der Erinnerung trug die Beschwerdeführerin vor, dass eine Einigungsgebühr entstanden sei, weil ein gegenseitiges Nachgeben vorläge. Der Antragsgegner habe nach anfänglicher Weigerung Leistungen zu gewähren, angeboten, zumindest darlehensweise Leistungen zu gewähren. Dies sei akzeptiert worden. Darin sei ein diesseitiges Nachgeben zu sehen, weil der Antragsteller die Leistungen als Beihilfe geltend gemacht habe.

Nachdem der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle der Erinnerung nicht abgeholfen hatte, hat das SG mit Beschluss vom 26.06.2012 die Erinnerung der Beschwerdeführerin zurückgewiesen. Eine Einigungsgebühr nach Nr. 1006 VV RVG sei nicht entstanden. Nach dem Wortlaut von Nr. 1000 VV RVG, auf den Nr. 1005 VV RVG verweise, entstehe eine Einigungsgebühr für die Mitwirkung beim Abschluss eines Vertrages, durch den der Streit oder die Ungewissheit der Parteien über ein Rechtsverhältnis beseitigt werde, es sei denn, der Vertrag beschränke sich ausschließlich auf ein Anerkenntnis oder einen Verzicht. Voraussetzung sei demnach, dass unter Mitwirkung eines Anwalts eine gegenseitige vertragliche Vereinbarung geschlossen werde, die das weitere Verfahren hinfällig mache. Das dem Kostenfestsetzungsbeschluss zugrunde liegende Eilverfahren sei nicht durch eine gegenseitige Vereinbarung beendet, sondern durch ein angenommenes Anerkenntnis. Es läge kein gegenseitiges Nachgeben vor. Der Antragsgegner habe an Stelle der begehrten vorläufigen Bewilligung als Zuschuss eine darlehensweise Bewilligung nach § 24 Abs. 5 SGB II vorgenommen, da dem Antragsteller die Verwertung seines zu berücksichtigenden Vermögens nicht möglich gewesen sei. Die Bewilligung als Darlehen sei in derartigen Fällen die gesetzlich vorgesehene Handlungsweise und stelle kein Nachgeben des Antragsgegners dar, so dass der Rechtsstreit nicht durch einen gegenseitigen Vertrag beendet worden sei.

Gegen den der Beschwerdeführerin am 27.06.2012 zugestellten Beschluss hat diese am 11.07.2012 Beschwerde eingelegt. Sie ist weiterhin der Auffassung, dass eine Einigungsgebühr entstanden sei, weil ein gegenseitiges Nachgeben vorläge. Sie begehrt die Festsetzung eine Einigungsgebühr in Höhe von 190,00 Euro einschließlich der Umsatzsteuer. Der Beschwerdegegner hält den angefochtenen Beschluss für zutreffend.

II.

Das Landessozialgericht entscheidet über die Beschwerde wegen der grundsätzlichen Bedeutung durch den Senat gemäß den §§ 56 Abs. 2 Satz 1, 33 Abs. 8 Satz 2 des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes (RVG).

Beschwerdeführer ist in Verfahren, die die Höhe der Rechtsanwaltsvergütung bei gewährter Prozesskostenhilfe betreffen, der Rechtsanwalt selbst bzw. die Landeskasse, vertreten durch den Bezirksrevisor, Beschwerdegegner ist die Landeskasse bzw. der Rechtsanwalt. Die durch die Prozesskostenhilfe begünstigte Partei ist nicht beteiligt (vgl. Hartmann, Kostengesetze, 42. Auflage 2012; § 56 RVG Rn. 4; LSG NRW, Beschluss vom 24.11.2010, L 9 AS 878/10 B; LSG NRW, Beschluss vom 13.02.2009, L 12 B 159/08 AS; LSG NRW, Beschluss vom 15.07.2009, L 20 B 27/09 AS).

Die Beschwerde der Beschwerdeführerin, der das SG nicht abgeholfen hat, ist gemäß § 56 Abs. 2 in Verbindung mit § 33 Abs. 3 Satz 1 RVG zulässig, weil der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,00 Euro übersteigt. Neben der geltend gemachten Einigungsgebühr in Höhe von 190,00 Euro ist auch die Umsatzsteuer bei dem Wert des Beschwerdegegenstandes zu berücksichtigen (Hartmann, a.a.O, § 56 RVG Rn. 14). Die Beschwerde wurde auch fristgerecht eingelegt (§§ 56 Abs. 2, 33 Abs. 3 Satz 3 RVG).

Die Beschwerde ist jedoch unbegründet. Die von der Beschwerdeführerin beantragten Gebühren sind unbillig und daher zu reduzieren.

Nach § 55 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit § 45 Abs. 1 RVG erhält der im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordnete Rechtsanwalt eines Klägers bzw. Antragstellers für anwaltliche Tätigkeiten die gesetzliche Vergütung. Dies sind sämtliche Gebühren und Auslagen, die sich aus seiner Tätigkeit ab Wirksamwerden seiner Beiordnung ergeben (§ 48 Abs. 1 Satz 1 RVG). In Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit, in denen das Gerichtskostengesetz - wie hier (gemäß § 183 SGG) - nicht anzuwenden ist, entstehen nach § 3 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 2 Abs. 2 RVG i.V.m. Teil 3 Abschnitt 1 der Anlage 1 zum RVG (Vergütungsverzeichnis - VV) Betragsrahmengebühren.

Als gesetzliche Gebühr sind hier eine Verfahrensgebühr nach Nr. 3102 VV RVG und die Auslagenpauschale nach Nr. 7002 VV RVG angefallen, was zwischen den Beteiligten, auch in der Höhe, nicht streitig ist.

Zu Recht hat das SG die Voraussetzungen für eine Einigungsgebühr verneint. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob der Darlehensbescheid vom 14.05.2012 als Anerkenntnis oder lediglich als Teilanerkenntnis anzusehen ist. Zweifel bezüglich eines Teilanerkenntnisses bestehen deshalb, weil der Antragsteller im Rahmen der einstweiligen Anordnung nur die Gewährung von Leistungen nach dem SGB II beantragt hat, ohne im Antrag explizit einen Zuschuss, hilfsweise ein Darlehen zu beantragen.

Aber selbst wenn in diesem Sinne der Antrag ausgelegt wird, der Darlehensbescheid vom 14.05.2012 als Teilanerkenntnis anzusehen wäre, sind die Voraussetzungen für eine Einigungsgebühr nicht gegeben. Auch in diesem Falle fehlt es an einer Vereinbarung. Es handelt sich vielmehr um die (bloße) Annahme eines (Teil-) Anerkenntnis bei gleichzeitiger Erledigungserklärung. Bloße einseitige Erklärungen, auch wenn sie von beiden Seiten abgegeben werden und zur Beendigung eines Rechtsstreits führen, genügen für die Annahme einer Vereinbarung nicht (Müller-Rabe in Gerold/Schmidt, Kommentar zum RVG, 20. Auflage 2012, Nr. 1000 VV RVG Rn. 35)

Es ergibt sich folgende Berechnung:

Verfahrensgebühr Nr. 3102 VV RVG 200,00 Euro
Auslagenpauschale Nr. 7002 VV RVG 20,00 Euro
Umsatzsteuer Nr. 7008 VV RVG 41,80 Euro

Summe 261,80 Euro

Das Verfahren ist gebührenfrei (§ 56 Abs. 2 Satz 2 RVG). Kosten werden nicht erstattet (§ 56 Abs. 2 Satz 3 RVG).

Diese Entscheidung kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 56 Abs. 2 Satz 1, § 33 Abs. 4 Satz 3 RVG, § 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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