L 3 AS 1118/11

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
3
1. Instanz
SG Dresden (FSS)
Aktenzeichen
S 23 AS 3707/09
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 3 AS 1118/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Zum Begriff „derselben Angelegenheit“ in § 15 Abs. 2 Satz 1 RVG.

2. Es erscheint diskussionswürdig, ob bei Streitigkeiten über SGB II-Leistungen wegen des gesetzgeberischen Konzeptes der Individualansprüche überhaupt dieselbe Angelegenheit im Sinne von Nummer 1008 VV RVG gegeben ist (hier verneint für Widerspruchsverfahren von mehreren Mitgliedern einer Bedarfsgemeinschaft gegen Aufhebungs- und Erstattungsbescheide).

3. Bei der Frage nach dem Umfang der anwaltlichen Tätigkeit ist auch der Umfang der Tätigkeit von Kanzleimitarbeitern zu berücksichtigen.

4. Serviceleistungen eines Rechtsanwaltes für seinen Mandanten, die über das von einem Anwalt nach dem Berufs-, Standes- oder Gebührenrecht erwartete oder geforderte Maß hinausgehen (hier: Sortieren von Unterlagen), können nicht bei der Gebührenfestsetzung berücksichtigt werden. Wie einer Behörde bei einer
Antragstellung obliegt es aber auch einem Rechtsanwalt, das vorgelegte Material auf entscheidungsrelevante Unterlagen hin durchzusehen.

5. a) Bei der Beurteilung des Umfanges der anwaltlichen Tätigkeit sind arbeisterleichternde Umstände (zum
Teil bezeichnet als Synergieeffekt oder Rationalisierungseffekt) zu berücksichtigen. Entscheidend ist, dass ein Rechtsanwalt die Tätigkeiten in einer Angelegenheit in einem gleich oder ähnlich gelagerten Fall nutzen kann. Dies kann in vielfältiger Weise geschehen, zum Beispiel durch die Übernahme von Textpassagen aus früheren Schriftstücken oder die Übernahme ganzer Schriftsätze, aber auch durch den Rückgriff auf früher erworbene Informationen und Erkenntnisse.
b) Die zu berücksichtigende Arbeitserleichterung rechtfertigt aber nicht schon als solche, in dem gleichgelagerten Verfahren unbesehen die Mindestgebühr heranzuziehen.
c) Wenn sich bei einer feststehenden Arbeitserleichterung des Rechtsanwaltes keine chronologische Abfolge der anwaltlichen Tätigkeiten feststellen lässt, kann auch nicht bestimmt werden, in welchem Verfahren der Rechtsanwalt die Hauptarbeit leistete und in welchen Fällen ihm diese zuerst geleistete Tätigkeit zugute kam. In einem solchen Fall kann der arbeitserleichternde Effekt von Aufträgen in gleich gelagerten Fällen nur
dadurch berücksichtigt werden, dass der Umfang der anwaltlichen Tätigkeit in allen Fällen im gleichen Maße als vermindert angesehen wird.

6. Für die Einordnung, ob die rechtliche Schwierigkeit durchschnittlich, über- oder unterdurchschnittlich ist, ist nicht nach einzelnen Rechtsgebieten zu differenzieren (Abweichung von der bisherige Rechtsprechung des 6. Senates des Sächs. LSG im Rahmen der „Chemnitzer Tabelle“; vgl. Sächs. LSG, Beschluss vom 31. März 2010 – L 6 AS 99/10 B KO – JURIS-Dokument Rdnr. 46 ff.).

7. Kein geeigneter Gradmesser für die Beurteilung der Schwierigkeit einer anwaltlichen Tätigkeit ist der Umfang der verfassten Schriftsätze in einem Widerspruchs- oder Klageverfahren.

8. Eine Gebührenbestimmung ist nicht unbillig im Sinne von § 14 Abs. 1 Satz 4 RVG, wenn ein Rechtsanwalt mehrere Bescheide mit mehreren Widersprüchen statt gehäuft mit einem Widerspruch angreift.
I. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 28. Oktober 2011 wird zurückgewiesen.

II. Die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers sind im Klageverfahren im Umfang von 1/3 und im Berufungsverfahren in vollem Umfang erstattungsfähig.

III. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Höhe der vom Beklagten zu erstattenden Aufwendungen des Klägers für die Hinzuziehung seines Bevollmächtigten im Widerspruchsverfahren streitig.

Der Kläger, seine Lebensgefährtin (eine slowakische Staatsangehörige) und der minder-jährigen Sohn bildeten im streitbefangenen Zeitraum eine Bedarfsgemeinschaft im Sinne des Sozialgesetzbuches Zweites Buch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II). die ARGE D (im Folgenden: ARGE) bewilligte mit Bescheid vom 16. April 2008 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 7. Juli 2008 und vom 18. Juli 2008 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II für die Zeit vom 1. Juni 2008 bis zum 30. November 2008. Für Mai und Juni 2008 beliefen sich die bewilligten Leistungen für den Kläger auf 237,38 EUR (= 111,06 EUR [Regelleistung] + 126,32 EUR [Leistungen für Unterkunft und Heizung]) und 256,73 EUR (=130,41 EUR + 126,32 EUR), für seine Lebensgefährtin auf 237,40 EUR (= 111,06 EUR + 126,34 EUR) und 256,75 EUR (= 130,41 EUR + 126,34 EUR) sowie für den Sohn auf 58,85 EUR und 63,65 EUR (Kosten für Unterkunft und Heizung).

Der Kläger bezog für die Zeit ab 28. Mai 2008 Krankengeld. Daraufhin erließ die ARGE am 14. August 2008 vier Aufhebungs- und Erstattungsbescheide. Zwei Bescheide betrafen die Lebensgefährtin des Klägers und den Sohn sowie die Monate Mai und Juni 2008, zwei weitere den Kläger ebenfalls für die beiden genannten Monate. Die Rückforderungsbeträge beliefen sich für den Kläger für Mai 2008 auf 20,28 EUR (Regelleistung) und für Juni 2008 auf 152,14 EUR (= 130,41 EUR [Regelleistung] + 21,73 EUR [Leistungen für Unterkunft und Heizung]), für seine Lebensgefährtin auf 20,29 EUR (Regelleistung) und 152,15 EUR (= 130,41 EUR [Regelleistung] + 21,74 EUR [Leistungen für Unterkunft und Heizung]) sowie für den Sohn auf 5,03 EUR und 37,72 EUR (jeweils Leistungen für Unterkunft und Heizung). Außerdem erließ die ARGE am 14. August 2008 einen Änderungsbescheid betreffend die Zeit vom 1. Juli 2008 bis zum 30. November 2008; dieser wurde später nochmals für November 2008 mit Bescheiden vom 6. Oktober 2008 und 5. Januar 2009 geändert.

Der Kläger und seine Lebensgefährtin legten gegen die Aufhebungs- und Erstattungsbescheide vom 14. August 2008 mit drei Schreiben vom 18. August 2008 jeweils getrennt und einmal gemeinsam Widerspruch ein, ohne diese allerdings zu begründen. Das Widerspruchsverfahren des Klägers zum Aufhebungs- und Erstattungsbescheid, der den Monat Mai 2008 betraf, trug den Aktenzeichenzusatz W 11277/08.

Mit vier Schriftsätzen vom 6. Januar 2009 zeigte der Klägerbevollmächtigte, der zuvor weder vom Kläger noch von dessen Lebensgefährtin mandatiert war, seine Vertretung für die drei Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft in den vier Widerspruchsverfahren an. Die vier Vollmachten waren jeweils auf einen der Widersprüche sowie entweder auf die Angelegenheiten des Klägers oder auf die seiner Lebensgefährtin und des Sohnes bezogen und trugen nur die Unterschrift des jeweiligen Auftraggebers. Mit den im Wortlaut nahezu übereinstimmenden Schriftsätzen machte er geltend, dass das Krankengeld erst am 17. Juli 2008 zugeflossen sei.

Die ARGE erließ unter dem 9. (oder 13.) Februar 2009 zahlreiche Bescheide. Betreffend Mai 2008 nahm sie mit zwei Rücknahmebescheiden die beiden Aufhebungs- und Erstattungsbescheide zurück und erklärte in zwei "Abhilfebescheiden im Widerspruchsver-fahren", dass die im Widerspruchsverfahren entstandenen Kosten auf Antrag übernommen würden, soweit sie notwendig gewesen seien und nachgewiesen würden. Ferner bewilligte sie mit Änderungsbescheid vom 9. Februar 2009 dem Kläger für Mai 2008 Leistungen in Höhe von 266,61 EUR (= 140,29 EUR [Regelleistung] + 126,32 EUR [Leistungen für Unterkunft und Heizung]), seiner Lebensgefährtin in Höhe von 266,62 EUR (=140,28 EUR + 126,34 EUR) und dem Kind 66,10 EUR (Kosten für Unterkunft und Heizung). Betreffend Juni 2008 erließ die ARGE zwei Änderungsbescheide, mit denen die Rückforderungsbeträge aus den beiden Bescheiden vom 14. August 2008 herabgesetzt wurden. Sie betrugen nunmehr für den Kläger 103,20 EUR, für seine Lebensgefährtin 103,22 EUR und für das Kind 25,29 EUR. Danach wurden die beiden, den Monat Juni 2008 betreffenden Widersprüche mit zwei Widerspruchsbescheiden vom 25. Februar 2009 zurückgewiesen. Die im Widerspruchsverfahren entstandenen notwendigen Aufwendungen wurden jeweils zu einem Drittel für erstattungsfähig erklärt.

Der Klägerbevollmächtigte reichte in Bezug auf das Widerspruchsverfahren des Klägers zum Aufhebungs- und Erstattungsbescheid, der den Monat Mai 2008 betraf (Akten-zeichenzusatz W 11277/08), mit Schriftsatz vom 19. Februar 2009 die hier streitbefangene Kostenrechnung ein. Darin machte er einen Gesamtbetrag in Höhe von 309,40 EUR geltend, der sich aus einer Geschäftsgebühr in Höhe von 240,00 EUR, einer Auslagen-pauschale in Höhe von 20,00 EUR und Umsatzsteuer in Höhe von 49,40 EUR zusammensetzte.

Mit Bescheid vom 6. April 2009 erklärte die ARGE, für das Widerspruchsverfahren, das die Lebensgefährtin des Klägers und den Monat Mai 2008 betraf, Kosten in Höhe von 309,40 EUR und für das Widerspruchsverfahren des Klägers 57,12 EUR zu erstatten. Der zuletzt genannte Betrag setzte sich zusammen aus einer Geschäftsgebühr in Höhe von 40,00 EUR, einer Auslagenpauschale in Höhe von 8,00 EUR und Umsatzsteuer in Höhe von 9,12 EUR. Diese niedrige Kostenerstattung wurde damit begründet, dass es sich bei dem Widerspruch des Klägers um denselben Sachverhalt, denselben Bewilligungszeitraum und damit denselben Tatsachenvortrag gehandelt habe wie beim Widerspruch seiner Lebensgefährtin. Außerdem seien beide Widersprüche am gleichen Tag eingereicht worden. Auf Grund der Parallelität der beiden Verfahren sei ein minimaler anwaltlicher Aufwand entstanden. Es hätten nur die entsprechenden Daten in den Widerspruchsschreiben angepasst werden müssen.

Der Klägerbevollmächtigte legte hiergegen mit Schriftsatz vom 30. April 2009 Widerspruch ein. In jedem einzelnen der Widerspruchsverfahren seien mit den Auftraggebern Besprechungen im Umfang von mindestens einer Stunde zu führen gewesen. Umfangreiche Unterlagen seien zu sichten und entsprechend der Notwendigkeit eines zulässigen und schlüssigen Vortrages zu sortieren gewesen. Kopien hätten erstellt werden müssen. Ferner müsse die Aktenanlage, das Einheften aller Unterlagen in die Akte, das Diktieren und Schreiben der Widerspruchsschreiben mit den entsprechenden Daten und Aktenzeichen der Beklagten eingerechnet werden. Dies bedeute einen Zeitaufwand nicht unter einer halben Stunde in jedem Verfahren.

Die ARGE wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 3. Juli 2009 zurück.

Der Kläger hat am 3. August 2009 Klage erhoben, mit der die Gebührenforderung in Höhe von 309,40 EUR geltend gemacht worden ist. Zwischen den Beteiligten wurde unter anderem kontrovers erörtert, ob das Führen getrennter Mandantengespräche erforderlich sei, wenn die Mandanten derselben Bedarfsgemeinschaft angehören. Das Sozialgericht hat am 28. Oktober 2011 eine mündliche Verhandlung durchgeführt, in der der Klägerbevollmächtigte zu seinem tatsächlichen Aufwand befragt worden ist. Diesbezüglich wird auf die Sitzungsniederschrift verwiesen. Der Kläger in dem hier gestellten Klageantrag nur noch Gebühren in Höhe von 132,80 EUR gefordert.

Das Sozialgericht hat mit Urteil vom 28. Oktober 2011 antragsgemäß den Beklagten, das zum 1. Januar 2011 an die Stelle der ARGE getretene Jobcenter, verpflichtet, dem Kläger im Widerspruchsverfahren mit dem Aktenzeichenzusatz W 11277/08 entstandene Kosten in Höhe von insgesamt 132,80 EUR zu erstatten, und die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers zu tragen. Das Sozialgericht hat die Auffassung vertreten, dass es sich nach Maßgabe von § 14 des Gesetzes über die Vergütung der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte (Rechtsanwaltsvergütungsgesetz – RVG) bei dem Widerspruchsverfahren nicht um ein durchschnittliches Verfahren, sondern ein Verfahren gehandelt habe, für das ein Drittel der Mittelgebühr angemessen sei. Der Umfang und die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, die Bedeutung der Angelegenheit für den Kläger sowie dessen Einkommens- und Vermögensverhältnisse seien unterdurchschnittlich gewesen. Auch habe ein besonderes Haftungsrisiko des Klägerbevollmächtigten nicht bestanden. Der Argumentation des Beklagten, dass der gesamte anwaltliche Aufwand im Parallelverfahren entstanden sei, könne im Hinblick auf die gesetzlichen Regelungen nicht gefolgt werden. Diese Einwände beträfen überwiegend das Kriterium des Umfangs der anwaltlichen Tätigkeit und seien im Rahmen der vorgenommenen Abwägung mit dem Ergebnis eines unterdurchschnittlichen Umfanges auch berücksichtigt worden. Gegen die Praxis des Beklagten spreche ferner, dass nicht zu erkennen und zuzuordnen sei, in welchem der jeweiligen Parallelverfahren welcher konkrete anwaltliche Aufwand entstanden sei. Das Gericht teile im Übrigen nicht die Auffassung des Beklagten, dass es sich bei der vorliegenden Konstellation um den denkbar einfachsten Fall anwaltlicher Tätigkeit im sozialgerichtlichen Verfahren handle. Das Sozialgericht hat die Berufung zugelassen, weil die Rechtsfrage, inwiefern Synergieeffekte bei der Kostenerstattung in parallel gelagerten Verfahren zu berücksichtigen seien, bislang höchstrichterlich nicht geklärt sei.

Der Beklagte hat gegen das ihm am 29. November 2011 zugestellte Urteil am 22. Dezember 2011 Berufung eingelegt. Er vertritt die Auffassung, dass Synergieeffekte zu berücksichtigen seien. Bei der Bearbeitung gleichgelagerter Konstellationen entfalle eine jeweils neue Einarbeitung in den Sachverhalt und gegebenenfalls in die Rechtsmaterie. Auch der Erwägung des Sozialgerichtes, dass der Ansatz von Synergieeffekten deshalb nicht ent-stehen könne, weil nicht geklärt sei, in welchem der jeweiligen Parallelverfahren welcher konkrete Aufwand entstanden sei, könne sich der Beklagte nicht anschließen. Da denknotwendig in einem Verfahren zunächst die Durchsicht einmal komplett habe erfolgen müssen, habe dies zwangsläufig auf das andere Verfahren verwendet werden können. Damit sei es möglich, das kostenrechtlich zuerst behandelte Verfahren mit der vollen Arbeitsleistung anzusetzen und das parallele Verfahren entsprechend niedriger. Das behauptete einstündige Mandantengespräch werde mit Nichtwissen bestritten. Im Übrigen würde in diesem Fall nur ein Zeitanteil von 15 Minuten auf jedes Widerspruchsverfahren entfallen. Soweit geltend gemacht werde, dass unsortierte Unterlagen vom Anwalt hätten eingesehen und sortiert werden müssen, spiegle sich dies nicht im Widerspruchsschreiben wieder. Zudem seien Dritte nicht zur Kostenübernahme von Sortierleistungen eines Bevollmächtigten zuständig. Die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit sei wesentlich unterdurchschnittlich. Hinsichtlich der Kostengrundentscheidung sei zu berücksichtigen, dass der Klägerbevollmächtigte erst im Verfahren vor dem Sozialgericht den Klageantrag auf 132,80 EUR beschränkt habe. Hierin liege eine teilweise Klagerücknahme. Schließlich könnten in Sachverhalten wie dem Vorliegenden die §§ 15 und 16 RVG einschlägig sein mit der Folge, dass die Gebühren in Gänze nur einmal zu erstatten wären.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 28. Oktober 2011 aufzuheben und die Klage abzuweisen, hilfsweise die Revision zuzulassen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält den Beklagten mit dem Bestreiten des einstündigen Mandantengespräches für präkludiert. Der Auffassung des Beklagten, das Sozialgericht habe Synergieeffekte nicht berücksichtigt, und Kosten von "Sortierleistungen eines Bevollmächtigten" seien nicht durch Dritte zu übernehmen, ist der Kläger entgegengetreten. Er vertritt die Auffassung, dass keine einheitliche Angelegenheit vorliege. § 16 RVG sei vom Wortlaut her ab-schließend formuliert.

Der Senat hat in der mündlichen Verhandlung vom 8. November 2012 den Klägerbevollmächtigten nochmals befragt. Insoweit wird auf die Sitzungsniederschrift verwiesen.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten aus beiden Verfahrenszügen sowie die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten Bezug ge-nommen.

Entscheidungsgründe:

I. Die Berufung ist statthaft.

Die Berufung ist nicht dem Grunde nach gemäß § 144 Abs. 4 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) ausgeschlossen. Danach ist die Berufung ausgeschlossen, wenn es sich um die Kosten des Verfahrens handelt. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes handelt es sich aber, wenn – wie vorliegend – in der Hauptsache über die Kosten eines isolierten Vorverfahrens (vgl. §§ 78 ff. SGG) gestritten wird, nicht um Kosten des Verfahrens im Sinne dieser Ausschlussregelung (vgl. BSG, Urteil vom 1. Juli 2009 – B 4 AS 21/09 RBSGE 104, 30 ff. [Rdnr. 9] = SozR 4-1935 § 14 Nr. 2 Rdnr. 9 = JURIS-Dokument Rdnr. 9, m. w. N.; Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Sozialgerichtsgesetz [10. Aufl., 2012], § 144 Rdnr. 49, m. w. N.).

II. Das Sozialgericht hat die Berufung zugelassen. Nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG bedarf die Berufung der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluss des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750,00 EUR nicht übersteigt. Dieser Grenzwert wird vorliegend überschritten, weil sich die Zahlungspflicht des Beklagten aus dem angefochtenen Urteil auf 132,80 EUR beläuft. Von diesem Betrag wäre noch der bereits bewilligte Betrag in Höhe von 57,12 EUR abzuziehen. Das Sozialgericht hatte daher über die Zulassung der Berufung zu befinden.

III. Gegenstand des Rechtsstreits ist die Entscheidung der ARGE darüber, in welcher Höhe die zu erstattenden Aufwendungen festzusetzen sind (vgl. § 63 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 1 des Sozialgesetzbuches Zehntes Buch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – [SGB X]). Die ARGE entschied bindend, dass dem Kläger die Kosten des Vorverfahrens dem Grunde nach erstattet werden (vgl. § 63 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 und 3 Satz 1 SGB X) und die Zuziehung eines Rechtsanwalts im Sinne von § 63 Abs. 2 und 3 Satz 2 SGB X notwendig war. Eine Einschränkung in Bezug auf die Kostengrundentscheidung, namentlich eine Quotelung der Kosten, nahm sie dabei nicht vor. Die Formulierung im Abhilfebescheid, dass die Kosten erstattet werden, "soweit sie notwendig waren und nachgewiesen sind", bezieht sich insoweit nur auf die Höhe der Aufwendungen (vgl. BSG, Urteil vom 27. Januar 2009 – B 7/7a AL 20/07 R – SozR 4-1935 § 14 Nr. 1 Rdnr. 11 = JURIS-Dokument Rdnr. 11). Richtige Klageart ist deshalb die kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage gemäß § 54 Abs. 4 SGG (vgl. BSG, Urteil vom 27. Januar, a. a. O., Rdnr. 10 bis 12).

Ein Gutachten nach § 14 Abs. 2 RVG musste nicht eingeholt werden, weil diese Regelung nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes nur im Rechtsstreit zwischen Mandant und Rechtsanwalt anwendbar ist, nicht hingegen im Prozess zwischen dem Gebührenschuldner, hier dem Kläger, und dem Erstattungspflichtigen, hier dem beklagten Grund-sicherungsträger (vgl. BSG, Urteil vom 27. Januar 2009, a. a. O., Rdnr. 17, m. w. N.; BSG, Urteil vom 1. Juli 2009, a. a. O., Rdnr. 13, m. w. N.; BSG, Urteil vom 21. Dezember 2009 – B 14 AS 83/08 R – SozR 4-1300 § 63 Nr. 11 Rdnr. 14 = JURIS-Dokument Rdnr. 14; so schon zu § 12 Abs. 2 der Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte, der Vorgängerregelung des § 14 Abs. 2 RVG: BSG, Urteil vom 18. Januar 1990 – 4 RA 40/89 – JURIS-Dokument Rdnr. 12).

IV. Die solchermaßen beschriebene Berufung ist unbegründet. Das Sozialgericht hat den Beklagten zu Recht in dem tenorierten Umfang zur Zahlung höherer Aufwendungen verurteilt, weil der Bescheid der ARGE vom 6. April 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. Juli 2009 rechtswidrig ist und den Kläger in seinen Rechten verletzt (vgl. § 54 Abs. 1 Satz 2 SGG) und ihm der geltend gemachte Anspruch zusteht.

Der Kläger hat Anspruch auf Erstattung seiner Aufwendungen nach § 63 Abs. 1 Satz 1 SGB X auf der Grundlage einer nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz zu bestimmenden Geschäftsgebühr, hier in Höhe des begehrten Erstattungsbetrag in Höhe 132,80 EUR.

1. Soweit der Widerspruch erfolgreich ist, hat gemäß § 63 Abs. 1 Satz 1 SGB X der Rechtsträger, dessen Behörde den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen hat, demjenigen, der Widerspruch erhoben hat, die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen zu erstatten. Gemäß § 63 Abs. 2 SGB X sind die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts oder eines sonstigen Bevollmächtigten im Vorverfahren erstattungsfähig, wenn die Zuziehung eines Bevollmächtigten notwendig war. Die Behörde, die die Kostenentscheidung getroffen hat, setzt auf Antrag den Betrag der zu erstattenden Aufwendungen fest (vgl. § 63 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 1 SGG). Gebühren und Auslagen im Sinne von § 63 Abs. 2 SGB X sind die gesetzlichen Gebühren; Aufwendungen der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung sind grundsätzlich auch die Gebühren und Auslagen, die ein Rechtsanwalt seinem Mandanten, hier dem Kläger, in Rechnung stellt (vgl. BSG, Urteil vom 1. Juli 2009, a. a. O., Rdnr. 15). Gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 RVG bemisst sich die Vergütung (Gebühren und Auslagen) für anwaltliche Tätigkeiten der Rechtsanwälte – vorbehaltlich der hier nicht einschlägigen Ausnahmeregelungen in § 1 Abs. 2 RVG – nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz. Gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 RVG bestimmt sich die Höhe der Vergütung nach dem Vergütungsverzeichnis der Anlage 1 zu diesem Gesetz (im Folgenden: VV RVG).

2. Der vom Kläger geltend gemachte Anspruch auf Erstattung seiner Aufwendungen nach § 63 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist nicht gemäß § 15 Abs. 2 Satz 1 RVG wegen eines der beiden Widerspruchsverfahren seiner Lebensgefährtin oder des zweiten von ihm geführten Widerspruchsverfahrens ausgeschlossen. Nach dieser Regelung kann der Rechtsanwalt die Gebühren in derselben Angelegenheit nur einmal fordern.

a) Den in § 15 Abs. 2 Satz 1 RVG eingeführten Begriff "derselben Angelegenheit" greift der Gesetzgeber an verschiedenen Stellen im Rechtsanwaltsvergütungsgesetz auf. Mit § 16 RVG ("Dieselbe Angelegenheit") sollen bestimmte Tätigkeiten einer Angelegenheit zugeordnet werden, bei denen es ohne diese Vorschrift zumindest zweifelhaft wäre, ob sie eine gemeinsame Angelegenheit bilden (vgl. BT-Drs. 15/1971 S. 190 [Zu § 16]; vgl. auch: Müller-Rabe, in: Gerold/Schmidt, Rechtsanwaltsvergütungsgesetz [20. Aufl., 2012], § 16 Rdnr. 1a). Diese Vorschrift ist nicht abschließend, sondern enthält nur Beispielsfälle für das Vorliegen der Identität von Gegenständen (vgl. BSG, Urteil vom 17. Oktober 2007 – B 6 KA 4/07 RSozR 4-1935 § 17 Nr. 1 Rdnr. 16 = JURIS-Dokument Rdnr. 16). Zu § 16 RVG soll § 17 RVG ("Verschiedene Angelegenheiten") das Gegenstück bilden. Hier sollen Fälle abschließend (vgl. BSG, a. a. O.) aufgeführt werden, bei denen es ohne diese Vorschrift zumindest zweifelhaft wäre, ob sie verschiedene Angelegenheiten darstellen (vgl. BT-Drs. 15/1971 S. 191 [Zu § 17]). In § 18 RVG ("Besondere Angelegenheiten") sollen solche Tätigkeiten abschließend (vgl. Hartmann, Kostengesetze [42. Aufl., 2012], § 18 RVG Rdnr. 1) aufgezählt werden, die grundsätzlich selbstständige Angelegenheiten bilden sollen, gleichgültig mit welchen anderen Tätigkeiten des Anwalts sie im Zusammenhang stehen (vgl. BT-Drs. 15/1971 S. 192 [Zu § 18]). Schließlich soll in § 19 festgelegt werden, dass alle Vorbereitungs-, Neben- und Abwicklungstätigkeiten sowie Nebenverfahren zu dem jeweiligen Rechtszug oder jeweiligen Verfahren gehören, wenn die Tätigkeit nicht nach § 18 eine besondere Angelegenheit ist (vgl. BT-Drs. 15/1971 S. 190 [Zu § 16]). An "dieselbe Angelegenheit" knüpft der Gesetzgeber in § 7 Abs. 1 RVG an, wonach der Rechtsanwalt, wenn er in derselben Angelegenheit für mehrere Auftraggeber tätig wird, die Gebühren nur einmal erhält. Die Auftraggebermehrheit in derselben Angelegenheit hat gemäß Nummer 1008 VV RVG eine Erhöhung der Verfahrens- oder Geschäftsgebühr für jede weitere Person zur Folge.

Trotz der wiederholten Erwähnungen werden weder der Begriff "Angelegenheit" noch der Begriff "derselben Angelegenheit" im Rechtsanwaltsvergütungsgesetz definiert. Die abschließende Klärung hat der Gesetzgeber der Rechtsprechung und dem Schrifttum über-lassen (vgl. BSG, a. a. O.; Mayer, in: Gerold/Schmidt, Rechtsanwaltsvergütungsgesetz [20. Aufl., 2012], § 15 Rdnr. 5; Hartmann, a. a. O., § 15 RVG Rdnr. 10). Bei der Aus-legung ist zu beachten, dass es sich bei "derselben Angelegenheit" um einen gebührenrechtlichen Begriff handelt, der sich mit dem prozessrechtlichen Begriff des (Ver- fahrens-)Gegenstandes decken kann aber nicht decken muss (vgl. Hartmann, a. a. O., § 15 RVG Rdnr. 12, m. w. N.; vgl. auch BGH, Urteil vom 21. Juni 2011 – VI ZR 73/10NJW 2011, 3167 ff. = JURIS-Dokument, jeweils Rdnr. 10). Der Begriff "Angelegenheit" dient gebührenrechtlich zur Abgrenzung desjenigen anwaltlich zusammengehörenden Tätigkeitsbereiches, der mit einer Pauschgebühr abgegolten werden soll (vgl. Hartmann, a. a. O., m. w. N.).

Die Frage, ob von einer oder von mehreren Angelegenheiten auszugehen ist, lässt sich nicht allgemein, sondern nur im Einzelfall unter Berücksichtigung der jeweiligen Umstände beantworten, wobei insbesondere der Inhalt des erteilten Auftrages maßgebend ist (vgl. BGH, Urteil vom 21. Juni 2011, a. a. O., jeweils Rdnr. 9, m. w. N.). Dieselbe Angelegenheit im Sinne von § 15 Abs. 2 Satz 1 RVG ist in der Regel gegeben, wenn ein einheitlicher Auftrag, ein einheitlicher Rahmen der anwaltlichen Tätigkeit und ein innerer Zusammenhang zwischen den verschiedenen Gegenständen vorliegt (vgl. BGH, Urteil vom 21. Juni 2011, a. a. O., jeweils Rdnr. 10, m. w. N.; Mayer, a. a. O., § 15 Rdnr. 6 ff., m. w. N.).

Vorliegend können die Tätigkeiten des Klägerbevollmächtigten in den Widerspruchsverfahren gegen die Aufhebungs- und Erstattungsbescheide weder dem Tätigkeitskatalog in § 16 RVG noch dem in § 17 RVG zugeordnet werden. Es ist deshalb zu klären, ob es sich bei den Widerspruchsverfahren um dieselbe Angelegenheit im Sinne von § 15 Abs. 2 Satz 1 RVG handelt.

Gegen die Einstufung der anwaltlichen Tätigkeit als "dieselbe Angelegenheit" im Sinne von § 15 Abs. 2 Satz 1 RVG spricht aber bereits der Umstand, dass es an einem einheit-lichen Auftrag vom Kläger und seiner Lebensgefährtin fehlt. Beide erteilten dem Klägerbevollmächtigten für jedes Widerspruchsverfahren eigenständige Vollmachten.

Etwas anderes lässt sich auch nicht aus den Urteilen des Bundessozialgerichtes vom 21. Dezember 2009 und vom 27. September 2011 herleiten.

Hintergrund des Gebührenstreits, der dem Urteil vom 21. Dezember 2009 zugrunde lag, war ein Widerspruchsverfahren, in dem die Kläger eine höhere Kaltmiete bei der Kostenzusicherung für die neue Wohnung erstrebten. Das Bundessozialgericht sah die Voraus-setzungen für eine Gebührenerhöhung gemäß Nummer 1008 VV RVG – und damit konkludent das Vorliegen "derselben Angelegenheit" – als gegeben, weil der Klägerbevollmächtigte den Widerspruch im Namen beider Kläger eingelegt hatte (vgl. BSG, Urteil vom 21. Dezember 2009 – B 14 AS 83/08 R – SozR 4-1300 § 63 Nr. 11 = JURIS-Dokument, jeweils Rdnr. 20 ff.). Die Vollmacht war von der volljährigen Klägerin zu 1 zugleich für sie und ihren minderjährigen Sohn, den Kläger zu 2, eingelegt worden. Auf Grund der gesetzlichen Vertretung durch die Mutter und der darauf beruhenden gemeinsamen Vollmachtserteilung unterscheiden sich der vom Bundessozialgericht entschiedene Fall und der Fall des Klägers.

Im zweiten Fall hatten die Beteiligten im Ausgangsverfahren um die Höhe der SGB II-Leistungen für die drei Kläger gestritten. Das Bundessozialgericht konnte nicht ab-schließend über den Gebührenstreit entscheiden, weil nicht feststand, wer Vertragspartner und Auftraggeber des Rechtsanwaltes war (vgl. BSG, Urteil vom 27. September 2011 – B 4 AS 155/10 R – SozR 4-1935 § 7 Nr. 1 = JURIS-Dokument, jeweils Rdnr. 18 ff.). Das Gericht erachtete es allerdings als möglich, dass im Auftrag der Klägerin zu 1 wegen der Vermutungsregelungen in § 38 SGB II zugleich eine Bevollmächtigung des Rechtsanwaltes auch für die beiden anderen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft gelegen haben könnte (vgl. BSG, Urteil vom 27. September 2011, a. a. O., Rdnr. 22 f.).

Es erscheint diskussionswürdig, ob bei Streitigkeiten über SGB II-Leistungen wegen des gesetzgeberischen Konzeptes der Individualansprüche (vgl. BSG, Urteil vom 7. November 2006 – B 7b AS 8/06 RBSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr. 1 = JURIS-Dokument, jeweils Rdnr. 12) überhaupt dieselbe Angelegenheit im Sinne von Nummer 1008 VV RVG gegeben ist. Der 4. Senat des Bundessozialgerichtes hat die mit diesem Konzept verbundenen gebührenrechtlichen Probleme gesehen und sich eine Rückzugsmöglichkeit eröffnet, indem er festhielt, dass nicht für alle Fallkonstellationen anzunehmen sei, dass bei einer Bedarfsgemeinschaft die Zahl deren Mitglieder stets die Zahl der Auftraggeber oder der vertretenen Personen widerspiegle (vgl. BSG, Urteil vom 27. September 2011, a. a. O., Rdnr. 23). Anstatt eine Kasuistik über den Anwendungsbereich von Nummer 1008 VV RVG im Bereich des SGB II zu eröffnen, erscheint es erwägenswert, jeden Rechtsstreit eines Mitglieds einer Bedarfsgemeinschaft über eine individuelle Rechtsposition im Recht des SGB II als eigene Angelegenheit im gebührenrechtlichen Sinne zu behandeln. Etwaige Arbeitserleichterungen wegen der Bearbeitung ähnlich gelagerter Fälle oder wegen Vorkenntnissen aus früheren Verfahren des Mandanten können bei der Bestimmung des Umfangs der anwaltlichen Tätigkeit berücksichtigt werden.

Aber selbst auf der Grundlage des Ansatzes des Bundessozialgerichtes im Urteil vom 27. September 2011 könnte vorliegend kein einheitlicher Auftrag vom Kläger und seiner Lebensgefährtin festgestellt werden. Zum einen greift die Vermutungsregelung in § 38 SGB II nicht, weil sie nicht für die Rückabwicklung von Leistungsverhältnissen gilt (vgl. Schleswig-Holst. LSG, Urteil vom 13. November 2008 – L 6 AS 16/07 – JURIS-Dokument Rdnr. 24; LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 10. November 2011 – L 29 AS 2038/09 – JURIS-Dokument Rdnr. 49; Link, in: Eicher/Spellbrink, SGB II [2. Aufl., 2008], § 38 Rdnr. 23b; Aubel, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II [3. Aufl., 2012], § 38 Rdnr. 31). Zum anderen kommt die gesetzliche Vermutung nicht zur Anwendung, soweit die Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft gegenüber der Agentur für Arbeit – oder vor-liegend der ARGE – erklären, dass sie ihre Interessen selbst wahrnehmen wollen (vgl. BT-Drs. 15/1516 S. 63 [Zu § 63]), oder soweit Anhaltspunkte bestehen, dass eine Vollmacht durch die übrigen in der Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen nicht gewollt oder nicht erteilt worden ist (vgl. Link, a. a. O., Rdnr. 13; Aubel, a. a. O., Rdnr. 23).

Vorliegend fehlt es zudem an einem einheitlichen Rahmen der anwaltlichen Tätigkeit und einem inneren Zusammenhang zwischen den verschiedenen Gegenständen.

Zwar beruhen die Widerspruchsverfahren auf einem einheitlichen Lebenssachverhalt, nämlich der ursprünglichen Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes an die drei Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft des Klägers, dem Bezug von Krankengeld durch den Kläger und dem hierauf folgenden Erlass von vier Aufhebungs- und Erstattungsbescheiden. Jedoch ist zu beachten, dass es sich bei Ansprüchen nach dem SGB II um Individualansprüche handelt (vgl. BSG, Urteil vom 7. November 2006 – B 7b AS 8/06 RBSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr. 1 = JURIS-Dokument, jeweils Rdnr. 12). Sofern zu Unrecht bewilligte Leistungen von den Mitgliedern einer Bedarfsgemeinschaft zurückgefordert werden sollen, können auch im Rückabwicklungsverhältnis sowohl die Aufhebung eines rechtswidrigen Bewilligungsbescheids als auch die Erstattungsforderung erbrachter SGB II-Leistungen nur gegenüber dem jeweiligen Leistungsempfänger als einzelnem hilfebedürftigen Mitglied einer Bedarfsgemeinschaft im Sinne von § 7 Abs. 3 SGB II erfolgen (vgl. BSG, Urteil vom 16. Mai 2012 – B 4 AS 154/11 R – SozR 4-1300 § 33 Nr. 1 = JURIS-Dokument, jeweils Rdnr. 16). Zudem sind die Rückforderungen in gesonderten Verwaltungsverfahren, beginnend mit der individuellen Anhörung (vgl. § 24 SGB X) des von der Rückforderung betroffenen Leistungsempfängers, zu verfolgen. Bei unterschied-lichen materiell-rechtlichen und – daraus resultierend – unterschiedlichen verfahrensrechtlichen Anforderungen fehlt regelmäßig der notwendige innere Zusammenhang zwischen den zu bearbeitenden Verfahrensgegenständen (vgl. SG Gotha, Urteil vom 2. Februar 2011 – S 40 AS 3737/09 – JURIS-Dokument Rdnr. 17; vgl. auch: Mayer, a. a. O., § 15 Rdnr. 9 und 29, m. w. N.). So sah das Bundesverfassungsgericht bei Verfassungsbeschwerden, die gleich gelagerte Fälle betrafen, keine gemeinsame Angelegenheit im gebührenrechtlichen Sinne. Denn jeder der Beschwerdeführer habe gegen einen nur ihn selbst betreffenden Beschluss wegen Verletzung seiner höchstpersönlichen Grundrechte Verfassungsbeschwerde erhoben. Die Tatsache, dass die Begründungen der parallel liegenden Verfassungsbeschwerden weitgehend wortgleich seien sowie die Verbindung der Verfassungsbeschwerden zur gemeinsamen Entscheidung machten die einzelnen Beschwerden nicht zu der-selben Angelegenheit im Sinne von § 6 der Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte (vgl. BVerfG, Beschluss vom 6. Februar 1976 – 2 BvR 747/73 u. a. – AnwBl 1976, 161 [164]). Auch soweit das Sozialgericht Berlin Rechtsanwälten in Kostensetzungsverfahren vorhält, es entspreche nicht einer zweckentsprechenden Rechtsverfolgung, wenn mehrere Bescheide mit mehreren Widersprüchen statt gehäuft mit einem Widerspruch angegriffen würden, sieht es hierbei nicht "dieselben Angelegenheit" im Sinne von § 15 Abs. 2 Satz 1 RVG, sondern hält den Gebührenansatz der Rechtsanwälte lediglich für unbillig im Sinne von § 14 Abs. 1 Satz 4 RVG (vgl. SG Berlin, Urteil vom 26. März 2012 – S 91 AS 13629/11 – JURIS-Dokument Rdnr. 25).

Lediglich ergänzend wird angemerkt, dass bei der vom Beklagten erwogenen Behandlung der vier Widersprüche als "dieselben Angelegenheit" im Sinne von § 15 Abs. 2 Satz 1 RVG nicht erheblich ist, dass in dem Kostenfestsetzungsbescheid, der das wohl als führend angesehene Widerspruchsverfahren der Lebensgefährtin des Klägers betrifft, keine Gebührenerhöhung gemäß Nummer 1008 VV RVG in Bezug auf das Widerspruchsverfahren des Klägers enthalten ist. Damit wäre zwar der Kostenfestsetzungsbescheid in Bezug auf das Widerspruchsverfahren der Lebensgefährtin rechtswidrig. Diese rechtswidrig zu niedrige Kostenfestsetzung kann jedoch nicht dadurch kompensiert werden, dass zum Widerspruchsverfahren des Klägers eine – wenn auch niedrige – Kostenfestsetzung erfolgt. Einer solchen Kompensation steht die Regelung des § 15 Abs. 2 Satz 1 RVG entgegen, wonach der Rechtsanwalt die Gebühren in derselben Angelegenheit nur einmal fordern kann.

3. Rechtsgrundlage der Geschäftsgebühr ist Nr. 2400 VV RVG i. V. m. § 14 RVG.

Die Geschäftsgebühr nach Nr. 2400 VV RVG entsteht gemäß Teil 2 Abschnitt 4 Absatz 1 Nr. 1 VV RVG in sozialrechtlichen Angelegenheiten, in denen im gerichtlichen Verfahren Betragsrahmengebühren entstehen (§ 3 RVG). Betragsrahmengebühren entstehen gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 RVG in Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit, in denen das Gerichtskostengesetz (GKG) nicht anzuwenden ist. Diese Regelung gilt gemäß § 3 Abs. 2 RVG entsprechend für eine Tätigkeit außerhalb eines gerichtlichen Verfahrens. Wenn vorliegend Gebühren für ein gerichtliches Verfahren im Streit wären, entstünden Betragsrahmengebühren. Denn der Kläger ist ein Leistungsempfänger im Sinne von § 183 Satz 1 SGG und hatte sich gegen die die Rückforderung von Leistungen nach dem SGB II gewandt. Verfahren, die in dieser Eigenschaft vor den Gerichten geführt werden, sind (gerichts-)kostenfrei. Die Geschäftsgebühr entsteht für das Betreiben des Geschäfts einschließlich der Information und für die Mitwirkung bei der Gestaltung eines Vertrags (vgl. Teil 2 Abschnitt 4 Absatz 2 Satz 1 VV RVG i. V. m. Vorbemerkung 2.3 Abs. 3).

Die Geschäftsgebühr umfasst gemäß Nr. 2400 VV RVG einen Betragsrahmen von 40,00 EUR bis 520,00 EUR; eine Gebühr von mehr als 240,00 EUR kann nur gefordert werden, wenn die Tätigkeit umfangreich oder schwierig war (sogenannte Schwellengebühr). Gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1 RVG bestimmt der Rechtsanwalt bei Rahmengebühren die Gebühr im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers, nach billigem Ermessen. Ferner ist gemäß § 14 Abs. 1 Satz 3 RVG bei Rahmengebühren, die sich nicht nach dem Gegenstandswert richten, das Haftungsrisiko zu berücksichtigen. Wenn – wie vorliegend – die Gebühr von einem Dritten zu ersetzen ist, ist die von dem Rechtsanwalt getroffene Bestimmung nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist (vgl. § 14 Abs. 1 Satz 4 RVG).

4. Das Sozialgericht vertrat die Auffassung, dass die konkreten Umstände des vorliegenden Falles eine Festsetzung der Betragsrahmengebühr durch den Rechtsanwalt des Klägers auf 93,00 EUR zulassen würden. Dieser Betrag entspricht dem, den das Sozialgericht in der mündlichen Verhandlung vom 28. Oktober 2011 als Grundlage für eine vergleichsweise Beilegung des Rechtsstreites angesprochen und den der Klägerbevollmächtigte danach in seinen Klageantrag übernommen hatte. Möglicherweise wäre vorliegend auch eine höhere Gebühr in Betracht gekommen. Dem Kläger kann jedoch im Berufungsverfahren nicht mehr zugesprochen werden, als er im erstinstanzlichen Verfahren beantragt hat, zumal wenn nur der Beklagte der Rechtsmittelführer ist.

a) Der Umfang der anwaltlichen Tätigkeit war vorliegend unterdurchschnittlich, wie das Sozialgericht zutreffend feststellte.

Maßstab für die Beurteilung des Umfanges der anwaltlichen Tätigkeit ist der zeitliche Aufwand, den der Rechtsanwalt tatsächlich in der Sache betrieben hat und den er davon objektiv auch auf die Sache verwenden musste. Bezugspunkt der anwaltlichen Tätigkeit ist das in der jeweiligen Gebührenziffer umschriebene Tätigkeitsfeld (vgl. BSG, Urteil vom 1. Juli 2009, a. a. O., Rdnr. 28, m. w. N). Nummer 2400 VV RVG umfasst außergerichtliche Tätigkeiten in sozialrechtlichen Angelegenheiten, in denen im gerichtlichen Verfahren Betragsrahmengebühren entstehen, mithin kostenfreie Verfahren (vgl. Mayer, in: Gerold/Schmidt, Rechtsanwaltsvergütungsgesetz [20. Aufl., 2012], 2400, 2401 VV RVG Rdnr. 1).

Was bei einer außergerichtlichen Tätigkeit eines Rechtsanwaltes im Bereich des Sozialrechts berücksichtigt werden kann, hat das Bundessozialgericht beispielhaft im Urteil vom 1. Juli 2009 aufgelistet. In Betracht kommen der Aufwand für Besprechung und Beratung, mitunter außerhalb der Kanzleiräume, das Lesen der Verwaltungsentscheidung, das Aktenstudium, die Anfertigung von Notizen, und das Anfordern von Unterlagen beim Mandanten, deren Sichtung, die Rechtsprechungs- und Literaturrecherche, die Auseinandersetzung hiermit, das Eingehen auf von der Behörde herangezogene Beweismittel, der Schriftverkehr mit dem Auftraggeber und der Gegenseite sowie ergänzend alle Tätigkeiten, die mangels entsprechender Gebührenvorschriften nicht durch eine besondere Gebühr vergütet werden (vgl. BSG, Urteil vom 1. Juli 2009, a. a. O., Rdnr. 29). Für das Erstellen von Ablichtungen ist in Nummer 7000 VV RVG eine gesonderte Pauschale vorgesehen. Wenn ein mit der Sache bislang noch nicht befasster Rechtsanwalt mit der Durchführung des sozialrechtlichen Vorverfahrens beauftragt wird, kommt es für den Umfang seiner Tätigkeit nicht nur auf die Zahl der gefertigten Schriftsätze an. Von Bedeutung ist, so das Bundes-sozialgericht, darüber hinaus unter anderem, welchen Einsatz der Rechtsanwalt im Einzelnen zur Erstellung dieser Ausführungen notwendigerweise erbringen muss. Zu berücksichtigen sind dabei zum Beispiel das Lesen der Verwaltungsentscheidung, die Beratung des Mandanten, das Aktenstudium, das Anfertigung von Notizen, mithin bei Geltendmachung eines Anspruchs die Darlegung, wie sich dieser rechnerisch ermittelt, und zwar unter Eingehung auf die streitigen Rechtsvorschriften sowie der Heranziehung von Kommentarliteratur und, soweit vorhanden, einschlägiger Rechtsprechung (vgl. BSG, Urteil vom 1. Juli 2009, a. a. O., Rdnr. 30).

Vor dem Hintergrund der möglichen anwaltlichen Tätigkeiten im Vorverfahren hielt sich der Aufwand des Klägerbevollmächtigten in dem der streitbefangenen Kostenfestsetzung zugrundeliegenden Widerspruchsverfahren sowie in den drei anderen Widerspruchsver-fahren in Grenzen. Zwar war er zuvor nicht mit der Angelegenheit befasst. Jedoch führte er nur eine Besprechung mit dem Kläger und dessen Lebensgefährtin, hatte die von diesen mitgebrachten Unterlagen zu sichten, die Aufhebungs- und Erstattungsbescheide zu prüfen sowie Widerspruchsschreiben zu fertigen. Dies waren vier weitgehend übereinstimmende Schreiben. Eine Akteneinsicht in die Verwaltungsakten wurde nicht beantragt. Ein besonderer Aufwand im Hinblick darauf, dass die Lebensgefährtin des Klägers slowakische Staatsangehörige war, wurde nicht vorgetragen.

Soweit zwischen dem Klägerbevollmächtigten und dem Beklagten streitig ist, welchen zeitlichen Umfang das Gespräch zwischen dem Klägerbevollmächtigten und dem Kläger sowie dessen Lebensgefährtin hatte, mussten hierzu keine Ermittlungen angestellt werden. Denn nach den vom Beklagten im Berufungsverfahren bestrittenen Angaben des Klägerbevollmächtigten, die er in der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht am 28. Oktober 2011 gemacht hatte, dauerte das Gespräch etwa eine Stunde. Den Zeitaufwand je Verfahren schätzte der Klägerbevollmächtigte im Widerspruchsschrieben vom 30. April 2009 selbst auf nicht unter eine halbe Stunde ein. Diese Einschätzung erscheint nicht un-realistisch im Hinblick darauf, dass mit der Rechtsanwaltsvergütung nicht nur die persön-liche Tätigkeit des Rechtsanwaltes, sondern sämtliche mit der Mandatsbearbeitung an-fallenden Tätigkeiten in seiner Kanzlei vergütet werden. Bei der Frage nach dem Umfang der anwaltlichen Tätigkeit ist somit auch der Umfang der Tätigkeit von Kanzleimitarbeitern zu berücksichtigen. Da allerdings das Sozialgericht den Umfang der anwaltlichen Tätigkeit ohnehin schon als unterdurchschnittlich einstufte, kann dahingestellt bleiben, ob auf das einzelne der vier Widerspruchsverfahren ein Zeitanteil von nicht unter einer halben Stunde (so der Klägerbevollmächtigte) oder von höchstens einer Viertelstunde (so der Beklagte) entfiel.

Soweit der Beklagte in Bezug auf den Vortrag des Klägerbevollmächtigten, der Kläger und dessen Lebensgefährtin hätten eine große Tüte mit unsortierten einzelnen Unterlagen vorgelegt, einwendet, Sortierleistungen eines Rechtsanwaltes seien im Rahmen der Kostenerstattung nicht zu übernehmen, ist dieser Einwand insoweit dem Grunde nach berechtigt, als Serviceleistungen eines Rechtsanwaltes für seinen Mandanten, die über das von einem Anwalt nach dem Berufs-, Standes- oder Gebührenrecht erwartete oder geforderte Maß hinausgehen, nicht bei der Gebührenfestsetzung berücksichtigt werden können. Wenn ein Rechtsanwalt – wie dem Senat aus einigen Verfahren bekannt ist – es auf Grund der besonderen Umständen des Einzelfalles als angezeigt erachtet, sich vertieft um die Belange seines Mandanten zu kümmern, im Einzelfall bis hin zu dessen faktischer Betreuung, können solche zusätzlichen Leistungen jedenfalls nicht im Rahmen des Rechtsanwaltsvergütungsrechtes gegenüber dem Erstattungspflichtigen in Ansatz gebracht werden. Andererseits ist zu berücksichtigen, dass Personen, die in SGB II-Angelegenheiten einen Rechtsanwalt aufsuchen, einen Rechtsbeistand gerade deshalb in Anspruch nehmen, weil sie nicht über die die notwendige Erfahrung im Umgang mit Rechtsvorschriften, (Verwal- tungs-)Verfahren und Behörden verfügen. Wie einer Behörde bei einer Antragstellung obliegt es deshalb auch einem Rechtsanwalt, das vorgelegte Material auf entscheidungsrelevante Unterlagen hin durchzusehen.

Neben den im Urteil des Bundessozialgerichtes vom 1. Juli 2009 angesprochenen Gesichtspunkten sind, was in der Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes (vgl. BSG, Beschluss vom 22. Februar 1993 –14b/4 REg 12/91SozR 3-1930 § 116 Nr. 4 S. 16 = JURIS-Dokument Rdnr. 7) sowie der Landessozialgerichte (vgl. z. B. LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 26. März 2008 – L 26 B 2007/07 AS PKH – JURIS-Dokument Rdnr. 5; LSG für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 28. Dezember 2010 – L 19 AS 1954/10 B – JURIS-Dokument Rdnr. 33, m. w. N.; Bay. LSG, Beschluss vom 2. Dezember 2011 – L 15 SF 28/11 B – JURIS-Dokument Rdnr. 23 ff.; Hess. LSG, Beschluss vom 21. März 2012 – L 2 AS 517/11 B – JURIS-Dokument Rdnr. 17; Thür. LSG, Beschluss vom 9. Mai 2012 – L 6 SF 467/12 B – JURIS-Dokument Rdnr. 16) anerkannt ist, bei der Beurteilung des Umfanges der anwaltlichen Tätigkeit auch arbeisterleichternde Umstände (zum Teil bezeichnet als Synergieeffekt oder Rationalisierungseffekt) zu berücksichtigen. Entscheidend ist, dass ein Rechtsanwalt die Tätigkeiten in einer Angelegenheit in einem gleich oder ähnlich gelagerten Fall nutzen kann. Dies kann in vielfältiger Weise geschehen, zum Beispiel durch die Übernahme von Textpassagen aus früheren Schriftstücken oder die Übernahme ganzer Schriftsätze, aber auch durch den Rückgriff auf früher erworbene Informationen und Erkenntnisse.

Die zu berücksichtigende Arbeitserleichterung rechtfertigt aber nicht schon als solche, in dem gleichgelagerten Verfahren unbesehen die Mindestgebühr heranzuziehen. Denn auch eine Arbeitserleichterung ist nur einer von mehreren Gesichtspunkten zur gebührenrecht-lichen Beurteilung einer anwaltlichen Tätigkeit (vgl. auch LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 26. März 2008, a. a. O., Rdnr. 6).

Vorliegend besteht zudem die Besonderheit, dass zwar wegen der gleich gelagerten Sachverhalte und rechtlichen Fragestellungen arbeitserleichternde Effekte bei der Bearbeitung der vier Mandate des Klägers und seiner Lebensgefährtin eintraten. Jedoch lässt sich die vom Beklagten behauptete chronologische Bearbeitung der Vorgänge nicht feststellen. Weder begründete der Beklagte, woraus er auf die chronologische Bearbeitung der Man-date schließt, noch gibt es diesbezüglich Anhaltspunkte. Die vier Widerspruchsschreiben tragen dasselbe Datum und gingen an denselben Tagen zunächst per Telefax und danach im Original bei der ARGE ein.

Nach dem vom Klägerbevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht am 28. Oktober 2011 beschriebenen Geschehensablauf liegt es vielmehr nahe, dass die Angelegenheiten zeitlich mehr oder weniger parallel bearbeitet wurden. Hierfür spricht, dass beide Mandanten zeitgleich anwesend waren, die von ihnen mitgebrachten Unterlagen jedenfalls in Teilen (z. B. in Bezug auf die Bewilligungsbescheide) beide Mandanten be-trafen, und auch die Rechtsberatung ihnen gegenüber gemeinsam erfolgte. Wenn sich aber bei einer feststehenden Arbeitserleichterung des Rechtsanwaltes keine chronologische Abfolge der anwaltlichen Tätigkeiten feststellen lässt, kann auch nicht bestimmt werden, in welchem Verfahren der Rechtsanwalt die Hauptarbeit leistete und in welchen Fällen ihm diese zuerst geleistete Tätigkeit zugute kam. In einem solchen Fall kann der arbeitserleichternde Effekt von Aufträgen in gleich gelagerten Fällen nur dadurch berücksichtigt werden, dass der Umfang der anwaltlichen Tätigkeit in allen Fällen im gleichen Maße als vermindert angesehen wird.

b) Das Sozialgericht führte zutreffend aus, dass die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit vorliegend durchschnittlich war. Es legte hierbei die vom Bundessozialgerichtes formulierten Kriterien (vgl. BSG, Urteil vom 1. Juli 2009, a. a. O., Rdnr. 32, m. w. N.) zugrunde und schloss sich der Auffassung des Bundessozialgerichtes an, dass hinsichtlich der Einordnung, ob die rechtliche Schwierigkeit durchschnittlich, über- oder unterdurchschnittlich ist, nicht nach einzelnen Rechtsgebieten zu differenzieren ist (vgl. BSG, Urteil vom 1. Juli 2009, a. a. O., Rdnr. 35, m. w. N.; anders im Ergebnis die bisherige Recht-sprechung des 6. Senates des Sächsischen Landessozialgerichtes im Rahmen der "Chemnitzer Tabelle", die das Rentenverfahren als Ausgangspunkt nahm: vgl. Sächs. LSG, Beschluss vom 31. März 2010 – L 6 AS 99/10 B KO – JURIS-Dokument Rdnr. 46 ff.). Soweit das Sozialgericht ausführte, dass bei einem Aufhebungs- und Erstattungsbescheid regelmäßig verschiedene formelle Voraussetzungen zu prüfen und die individuellen Leistungsansprüche unter Berücksichtigung anzurechnenden Einkommens nachzuvollziehen sei, was die Zuordnung der anwaltlichen Tätigkeit zum durchschnittlichen Bereich rechtfertige, ist dies nicht zu beanstanden. Da die vom Umfang zu unterscheidende Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit die Intensität der Arbeit meint (vgl. BSG, Urteil vom 1. Juli 2009, a. a. O., Rdnr. 32, m. w. N.), ist auch der Hinweis des Sozialgerichtes zutreffend, dass die Übertragbarkeit von Prüfungsergebnissen auf andere, gleichgelagerte Fälle nicht eine Frage der Schwierigkeit, sondern des Umfangs der anwaltlichen Tätigkeit ist. Diesbezüglich hat auch das Bundessozialgericht bereits im Beschluss vom 22. Februar 1993 darauf hingewiesen, dass das Anfertigen teils gleichlautender Schriftsätze nichts an der Schwierigkeit des Rechtsstreits, wohl aber am objektiven Umfang der anwaltlichen Tätigkeit, ändert (vgl. BSG, Beschluss vom 22. Februar 1993 –14b/4 REg 12/91SozR 3-1930 § 116 Nr. 4 S. 16 = JURIS-Dokument Rdnr. 7; vgl. auch: Thür. LSG, Beschluss vom 9. Mai 2012, a. a. O.).

Andererseits sind Besonderheiten, die vorliegend die Tätigkeit des Klägerbevollmächtigten als überdurchschnittlich erscheinen lassen könnten (vgl. hierzu die Beispiele in BSG, Urteil vom 1. Juli 2009, a. a. O., Rdnr. 33 und 34, m. w. N.), nicht gegeben.

Kein geeigneter Gradmesser für die Beurteilung der Schwierigkeit einer anwaltlichen Tätigkeit ist der Umfang der verfassten Schriftsätze in einem Widerspruchs- oder Klageverfahren. Denn ein solcher Schriftsatz ist das Ergebnis einer vorangegangenen Prüfung, dokumentiert aber weder Verlauf noch Inhalt der Prüfungstätigkeit. Zudem ist ein Anwalt nicht verpflichtet, alle kritikwürdigen Punkte anzusprechen. Er kann sich auch darauf beschränken, zunächst nur die seines Erachtens wesentlichen Ansatzpunkte der Rechtsver-folgung oder -verteidigung aufzugreifen. Ferner hängt der Umfang eines Schriftsatzes auch vom Darstellungsstil des jeweiligen Verfassers ab. Und wenn schließlich im Einzelfall ein Schriftsatz auf Grund seines Umfanges und seines Inhaltes darauf schließen lässt, dass die kompetente Interessenwahrnehmung des Mandats von dem Rechtsanwalt des Klägers an sich mehr abverlangt hätte, betrifft dies ebenfalls nicht das Kriterium der Schwierigkeit, sondern allenfalls das des Umfangs der anwaltlichen Tätigkeit (vgl. BSG, Urteil vom 1. Juli 2009, a. a. O., Rdnr. 36).

c) Die Bedeutung der Angelegenheit für den Kläger ist unterdurchschnittlich. In Bezug hierauf kommt es auf eine unmittelbare tatsächliche, ideelle, gesellschaftliche, wirtschaft-liche oder rechtliche Bedeutung für den Auftraggeber, nicht aber für die Allgemeinheit, an (vgl. BSG, Urteil vom 1. Juli 2009, a. a. O., Rdnr. 37, m. w. N.). Denn der Kläger wandte sich mit dem für den vorliegenden Gebührenstreit maßgebenden Widerspruch gegen einen Aufhebungs- und Erstattungsbescheid, der eine Rückforderung für einen Monat (Mai 2008) in Höhe von 20,28 EUR zum Gegenstand hatte.

d) Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Klägers sind unterdurchschnittlich. Unerheblich ist dabei, ob der heranzuziehende Vergleichsparameter das Durchschnittseinkommen und -vermögen der Gesamtbevölkerung ist, oder ob hiervon deshalb noch ein Abschlag vorzunehmen ist, weil das Durchschnittseinkommen die Personenkreise vernachlässigt, die kein eigenes Einkommen haben (vgl. BSG, Urteil vom 1. Juli 2009, a. a. O., Rdnr. 38, m. w. N.; BSG, Urteil vom 21. Dezember 2009, a. a. O., Rdnr. 19, m. w. N.). Denn der Kläger erzielte in den beiden Monaten, die noch nicht von den Aufhebungs- und Erstattungsbescheiden betroffen waren, das heißt im März und April 2008, ausweislich der Einkommensbescheinigungen ein Bruttoarbeitsentgelt in Höhe von 1.154,00 EUR be-ziehungsweise 836,00 EUR. Im Mai 2008 erzielte er ein Bruttoarbeitsentgelt in Höhe von 714,00 EUR. Zudem bezog er ab 28. Mai 2008 Krankengeld in Höhe von täglich 11,40 EUR. Dies war für den Zeitraum vom 28. Mai 2008 bis zum 30. Juni 2008 ein Gesamtbetrag in Höhe von 387,60 EUR. Ab 1. Juli betrug das Krankengeld täglich 11,38 EUR, was für die Zeit bis 16. Juli 2008 einen Gesamtbetrag in Höhe von 182,06 EUR ergab.

e) Ein besonderes Haftungsrisiko, das die Gebühr erhöhen könnte, ist ebenso wenig gegeben wie sonstige in der nicht abschließenden Auflistung in § 14 Abs. 1 Satz 1 RVG (vgl. BSG, Urteil vom 1. Juli 2009, a. a. O., Rdnr. 21, m. w. N.) nicht ausdrücklich benannte Kriterien, die geeignet wären, zu einer Herauf- oder Herabbemessung zu führen. Entsprechendes machte der Klägerbevollmächtigte auch nicht geltend.

f) Die vom Klägerbevollmächtigten im zuletzt gestellten Klageantrag getroffene Bestimmung der Gebühren ist auch nicht unbillig im Sinne von § 14 Abs. 1 Satz 4 RVG. Soweit das Sozialgericht Berlin die Auffassung vertritt, eine Gebührenbestimmung sei wegen einer nicht zweckentsprechenden Rechtsverfolgung unbillig im Sinne von § 14 Abs. 1 Satz 4 RVG, wenn ein Rechtsanwalt mehrere Bescheide mit mehreren Widersprüchen statt gehäuft mit einem Widerspruch angreife (vgl. SG Berlin, Urteil vom 26. März 2012 – S 91 AS 13629/11 – JURIS-Dokument Rdnr. 25, m. w. N.), kann dem nicht gefolgt werden. Denn es steht grundsätzlich im Ermessen einer Behörde, ob sie mehrere Verfügungen an einen Bescheidadressaten in einem Verwaltungsakt zusammenfasst oder ob sie für die Verfügungen mehrere Verwaltungsakte erlässt, sei es im Interesse einer inhaltlich hinreichenden Bestimmtheit (vgl. § 22 Abs. 1 SGB X), sei es aus Gründen der Verwaltungspraktikabilität oder sei es aus anderen Gründen. Wenn es aber die Behörde als sachdienlich erachtet, für mehrere Verfügungen mehrere Verwaltungsakte zu erlassen, kann einem Rechtsanwalt weder Standesrecht noch Verfahrens- oder Prozessrecht noch Gebührenrecht ent-gegen gehalten werden, wenn er die Verfahrensweise der Behörde aufgreift und seinerseits gegen jeden einzelnen Verwaltungsakt den zu Gebote stehenden Rechtsbehelf einlegt. Soweit Ziel der zitierten Rechtsprechung sein sollte, einem Ausufern von Ansprüchen auf Erstattung von Rechtsanwaltsvergütungen entgegen zu wirken, hat es zum einen die Verwaltung mit ihrer Bescheidpraxis in der Hand, solchen Entwicklungen die Grundlage zu entziehen. Zum anderen können Aspekte der Arbeitserleichterung, wie dargestellt, gebührenrechtlich in hinreichendem Maße berücksichtigt werden.

g) Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die vom Sozialgericht ausgeurteilte Geschäftsgebühr in Höhe von 93,00 EUR zumindest aus Sicht des erstattungspflichtigen Beklagten nicht zu hoch angesetzt ist.

Gegen die Auffassung des Beklagten, dass vorliegend die Mindestgebühr angemessen ist, spricht neben den Ausführungen zu den einzelnen Kriterien der Gebührenbestimmung zuletzt, dass bei diesem Ansatz kaum noch Raum für eine diffenzierte gebührenrechtliche Behandlung von Verwaltungs- oder Gerichtsverfahren und der damit verbundenen anwaltlichen Tätigkeit verbleibt. Das sowohl nach Umfang als auch Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit am einfachsten gelagerte Verfahren ist das der Untätigkeitsklage nach § 88 SGG. Dort muss ein Rechtsanwalt nur den Zeitpunkt, zu dem ein Antrag gestellt oder ein Widerspruch eingelegt wurde, sowie den Ablauf der Sperrfrist darlegen. Darzulegen, weshalb eine Bescheidung wegen eines zureichenden Grundes in angemessener Frist nicht möglich war, obliegt der Behörde. Wenn aber mit einer solchen Untätigkeitsklage die anwaltliche Tätigkeit in einem Widerspruchsverfahren, das eine Rückforderung von bewilligten Leistungen zum Gegenstand hat und in Bezug auf die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit nicht einfach gelagert ist, gebührenrechtlich gleichgesetzt wird, ist nicht zu erkennen, wie eine Abstufung erfolgen soll.

4. Zur Betragsrahmengebühr kommen die zwischen den Beteiligten nicht streitigen Auslagenpauschale für Entgelte für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen nach Nr. 7002 VV RVG in Höhe von vorliegend 18,60 EUR und die Umsatzsteuer nach Nr. 7008 VV RVG i. V. m. § 12 Abs. 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) in Höhe von vorliegend 21,20 EUR. Hieraus errechnet sich der vom Kläger begehrte Erstattungsbetrag in Höhe von insgesamt 132,80 EUR.

V. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 183, 193 SGG. Hierbei war die Kostenentscheidung des Sozialgerichtes abzuändern. Denn dadurch, dass der Kläger den ursprünglich geltend gemachten Erstattungsbetrag mit dem in der mündlichen Verhandlung am 28. Oktober 2011 gestellten Antrag der Höhe nach herabsetzten, nahmen sie auf Grund eigener Entscheidung konkludent die Klage teilweise zurück und begaben sich dadurch in die Rolle des Unterlegenen. Zu den erstattungsfähigen Kosten im Sinne von § 193 Abs. 2 und 3 SGG zählen auch die des Vorverfahrens, das der Klage mit dem Az. S 23 AS 3707/09 voranging (vgl. Leitherer, in: Meeyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Sozialgerichtsgesetz [10. Aufl., 2012], § 193 Rdnr. 5a).

VI. Die Revision wird wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (vgl. § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG) zugelassen. Von grundsätzlicher Bedeutung ist unter anderem die Frage, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen es sich bei einer anwaltlichen Tätigkeit für mehrere Auftraggeber in mehreren Widerspruchsverfahren gegen mehrere zeitgleich ergangene Aufhebungs- und Erstattungsbescheide, die Rückforderungen von SGB II-Leistungen auf Grund desselben Lebenssachverhaltes betreffen, um "dieselbe Angelegenheit" im Sinne von § 15 Abs. 2 Satz 1 RVG handelt.

Dr. Scheer Höhl Richterin am Landessozialgericht Atanassov ist wegen Urlaubs an der Unterschrift gehindert
Rechtskraft
Aus
Saved