L 9 AS 540/13 B

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
9
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 29 AS 51/12
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 9 AS 540/13 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Ein Anspruch auf Mehrbedarf gemäß § 21 Abs. 7 SGB II besteht nur, wenn und soweit im jeweiligen Bewillungsmonat Aufwendungen fällig werden.
Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Düsseldorf vom 14.02.2013 wird zurückgewiesen. Kosten sind im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

Die zulässige Beschwerde des Klägers ist nicht begründet. Das Sozialgericht hat den Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines Rechtsanwalts für die gegen den Bescheid vom 11.10.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 07.12.2011 gerichtete Klage, mit der der Kläger sinngemäß ein monatlich um 9,69 Euro höheres Arbeitslosengeld II (17,69 Euro angebliche tatsächliche monatliche Kosten für die dezentrale Warmwassererzeugung abzüglich der monatlich bewilligten 8,- Euro) im Zeitraum vom 01.01.2011 bis zum 30.06.2011 begehrt (zur fehlenden Abtrennbarkeit von Mehrbedarfen im Sinne von § 21 Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) als selbstständigen Streitgegenstand vgl. zuletzt BSG, Urt. v. 23.08.2012 - B 4 AS 167/11 R -, juris Rn. 11 m.w.N.), im Ergebnis zu Recht abgelehnt. Die zulässige Klage bietet keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (§ 73a Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) i.V.m. § 114 Satz 1 Zivilprozessordnung (ZPO)), weil sie unbegründet ist. Dem Kläger steht im streitgegenständlichen Zeitraum vom 01.01.2011 bis zum 30.06.2011 kein höheres Arbeitslosengeld II zu.

1. Der Kläger hat im streitgegenständlichen Zeitraum keinen Anspruch auf Anerkennung eines höheren Mehrbedarfs für die dezentrale Warmwassererzeugung gemäß § 21 Abs. 7 i.V.m. § 77 Abs. 6 SGB II, weil ihm im Zeitraum vom 01.01.2011 bis zum 30.06.2011 für die Warmwassererzeugung tatsächlich keine Kosten entstanden sind.

a) Ein Mehrbedarf im Sinne von § 21 Abs. 7 SGB II besteht nur, wenn und soweit die leistungsberechtigte Person im streitgegenständlichen Zeitraum tatsächlich finanzielle Aufwendungen für die dezentrale Warmwassererzeugung hatte.

Dies entspricht der ständigen höchstrichterlichen Rechtssprechung zu Heizkosten im Sinne von § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II. Diese werden nur insoweit als tatsächlicher Bedarf anerkannt, als sie im jeweiligen Leistungsmonat fällig werden, sei es als laufende Abschlagszahlung an den Vermieter oder das Versorgungsunternehmen (vgl. hierzu z.B. BSG, Urt. v. 19.10.2010 - B 14 AS 50/10 R -, juris Rn. 35), sei es als Nachforderung nach erfolgter Jahresabrechnung (vgl. z.B. BSG, Urt. v. 22.03.2010 - B 4 AS 62/09 R -, juris Rn. 13) oder als einmaliger Bedarf, z.B. bei der Anschaffung von Heizöl (vgl. hierzu BSG, Beschl. v. 16.05.2007 - B 7b AS 40/06 R -, juris Rn. 12). Eine (fiktive) Aufteilung von Heizkosten, die in einer Summe als einmaliger Bedarf anfallen, auf längere Zeiträume kommt nicht in Betracht (deutlich BSG, Urt. v. 22.03.2010 - B 4 AS 62/09 R -, juris Rn. 13; zu unregelmäßig anfallenden Betriebskostenkosten (Grundsteuer, Versicherung etc.) bei einem selbstgenutzten Eigenheim ebenso BSG, Urt. v. 29.11.2012 - B 14 AS 36/12 R -, juris Rn. 14).

Für den Mehrbedarf nach § 21 Abs. 7 SGB II kann nichts anderes gelten. Zwar wird nach § 21 Abs. 7 Satz 1 SGB II ein Mehrbedarf für die dezentrale Warmwassererzeugung allein davon abhängig gemacht, dass Warmwasser durch in der Unterkunft installierte Vorrichtungen erzeugt wird und deshalb keine Bedarfe für zentral bereitgestelltes Warmwasser nach § 22 anerkannt werden, und nach § 21 Abs. 7 Satz 2 1. Halbsatz SGB II zudem pauschaliert gewährt. Dies bedeutet jedoch nicht, dass die Gewährung des Mehrbedarfs unabhängig von den tatsächlichen (Mehr-)Aufwendungen zu erfolgen hat. Dass es auch im Rahmen von § 21 Abs. 7 SGB II auf das Bestehen eines tatsächlichen Bedarfs ankommt, zeigt sich zum einen an der Regelung des § 21 Abs. 7 Satz 2 2. Halbsatz 1. Alt. SGB II ("soweit nicht im Einzelfall ein abweichender Bedarf besteht"), die auch eine Abweichung von den in § 21 Abs. 7 Satz 2 1. Halbsatz SGB II geregelten Pauschalen zu Lasten der leistungsberechtigten Person ermöglicht, wenn und soweit deren Bedarf niedriger oder anderweitig gedeckt ist (vgl. zu den entsprechenden Formulierungen in § 30 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) Simon, in: jurisPK-SGB XII, § 30 Rn. 55 ff., 78, 112.2). Zum anderen würden bei einer vom tatsächlichen Bedarf unabhängigen pauschalen Gewährung eines Mehrbedarfs nach § 21 Abs. 7 SGB II diejenigen Leistungsberechtigten besser gestellt, bei denen die Warmwassererzeugung nicht zentral über die Heizung, sondern dezentral erfolgt. Denn bei zentraler Warmwassererzeugung stellen die Warmwasserbereitungskosten Heizkosten im Sinne von § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II dar, die nach der genannten höchstrichterlichen Rechtsprechung nur insoweit als tatsächlicher Bedarf berücksichtigt werden können, als sie im jeweiligen Leistungsmonat fällig geworden sind. Diese Besserstellung wäre im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) verfassungsrechtlich nicht zu rechtfertigen. In jedem Fall kann ein höherer abweichender Bedarf nach § 21 Abs. 7 Satz 2 2. Halbsatz SGB II nur geltend gemacht werden, soweit auch tatsächlich höhere Aufwendungen im streitgegenständlichen Zeitraum fällig geworden sind.

b) Nach diesen Grundsätzen, die sich ohne weiteres aus dem Gesetzeswortlaut und der bisherigen höchstrichterlichen Rechtsprechung ableiten lassen, hat der Kläger im Hinblick auf die Kosten der in der von ihm bewohnten Wohnung dezentral erfolgten Warmwasserbereitung keinen Anspruch auf höhere Leistungen im streitgegenständlichen Zeitraum vom 01.01.2011 bis zum 30.06.2011. Vielmehr hätte ihm die Beklagte in diesem Zeitraum gar keine Leistungen nach § 21 Abs. 7 SGB II gewähren dürfen.

Die Warmwassererzeugung erfolgt vorliegend über eine in der Wohnung des Klägers installierte Gastherme. Insoweit hat der Kläger einen gesonderten Versorgungsvertrag mit der X AG geschlossen. Aufgrund dieses Versorgungsvertrags sind im Zeitraum vom 01.01.2011 bis zum 30.06.2011 keine Forderungen fällig geworden. Vielmehr hat die X AG in diesem Zeitraum keine monatlichen Abschläge von dem Kläger verlangt, sondern erst mit Schreiben vom 27.07.2011 die Abrechnung für den Zeitraum vom 21.07.2010 bis zum 19.07.2011 vorgenommen und vom Kläger für den vergangenen Zeitraum mit Fälligkeit zum 11.08.2011 einmalig 211,65 Euro gefordert. Diese Kosten sind als tatsächlicher Bedarf im August 2011 zu berücksichtigen. Sie können jedoch nicht, wie der Kläger meint, fiktiv auf die vergangenen Monate aufgeteilt werden.

Der vorliegende Sachverhalt unterscheidet sich damit erheblich von den üblichen Fällen, in denen die dezentrale Warmwassererzeugung über einen strombetriebenen Durchlauferhitzer erfolgt und die tatsächlichen Kosten für die dezentrale Warmwassererzeugung in den laufenden, an den Stromversorger zu zahlenden monatlichen Abschlägen enthalten sind. Ob die Beklagte berechtigt ist, nach §§ 45, 50 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) von dem Kläger den unberechtigt gezahlten Mehrbedarf zurückzufordern, ist im vorliegenden Verfahren nicht zu prüfen.

2. Es ist weder ersichtlich noch vorgetragen, dass dem Kläger aus einem anderen Rechtsgrund höhere Leistungen im Zeitraum vom 01.01.2011 bis zum 30.06.2011 zustehen können.

3. Kosten werden im Beschwerdeverfahren nicht erstattet (§ 73 a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 127 Abs. 4 ZPO).

4. Dieser Beschluss ist mit der Beschwerde nicht angreifbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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