S 1 SO 1369/12

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
SG Karlsruhe (BWB)
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
1
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 1 SO 1369/12
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Das aus Einkünften aus eigener Erwerbstätigkeit angesparte Bankvermögen eines Empfängers von Hilfe zur Pflege ist grundsätzlich als Vermögen bedarfsmindernd zu berücksichtigen. Dies stellt für den Hilfeempfänger weder eine Härte dar noch führt die Vermögensanrechnung zu einer behinderungsspezifischen Diskriminierung i.S.d. der UN-Behindertenrechtskonvention.
Die Klage wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Höhe von Hilfe zur Pflege nach dem Siebten Kapitel des Sozialgesetzbuches - Sozialhilfe - (SGB XI) für den Monat Dezember 2011; umstritten ist dabei allein, ob die Beklagte zu Recht Vermögen des Klägers bedarfsdeckend berücksichtigt hat.

Der 1967 geborene Kläger leidet nach einer HWK-5-Kompressionsfraktur an einer kompletten Tetraplegie (Querschnittslähmung). Er ist als schwerst pflegebedürftig in die Pflegestufe III eingestuft und als Härtefall anerkannt. Wegen seiner schweren Behinderung benötigt er Pflege im Rahmen einer 24-Stunden-Betreuung (vgl. Pflegegutachten vom 08.08.2003 und vom 12.08.2011). Von der Beklagen erhält er seit vielen Jahren Hilfe zur Pflege, zunächst nach den Bestimmungen des Bundessozialhilfegesetzes, seit Januar 2005 nach denen des SGB XII. Die Hilfeleistung umfasst - zwischen den Beteiligten nicht umstritten - Pflege- und Arbeitsassistenz inklusive Nachtpauschale und Investitionskostenpauschale, eine Monatsfahrkarte für das Pflegepersonal sowie Pflegegeld und Mietkosten für die Wohnung der Assistenzkraft. Eine Anrechnung von Einkommen des Klägers aus seiner Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter und Informatiker auf die Leistung erfolgt nicht (Bescheid vom 10.06.2010).

Im September 2011 gab der Kläger gegenüber der Beklagten an, er verfüge bei der B-Bank K. über folgende Bankguthaben:

Konto-Nr. xxxxxx 675,27 EUR Konto-Nr. yyyyyy 5.403,84 EUR Konto-Nr. zzzzzzz 19,18 EUR

Außerdem verfüge er bei der I.-D. AG, F., über ein weiteres Bankvermögen in Höhe von 15.768,36 EUR als Rücklage für den Ankauf eines behinderungsbedingten Kfz.

Durch Bescheid vom 14.12.2011 bewilligte die Beklagte dem Kläger ab dem 01.12.2011 monatliche Pflegesachleistungen abzgl. der Leistungen der Pflegekasse gem. Pflegestufe III in jeweils bewilligter Höhe. Ein Anspruch auf Hilfegewährung bestehe jedoch nicht, soweit das zu berücksichtigende Spar- und sonstige Vermögen des Klägers die Vermögensfreigrenze von 2.600,00 EUR übersteige. Das Sparvermögen des Klägers übersteige diesen Freibetrag um insgesamt 3.498,29 EUR. In dieser Höhe sei ihm ein Vermögenseinsatz zuzumuten. Die Beklagte werde deshalb die Pflegeleistungen nach Erhalt der Abrechnung des Pflegedienstes um diesen Betrag kürzen. Im Wege des Härtefalls habe sie das weitere Vermögen des Klägers zur Anschaffung eines behindertengerechten PKW anrechnungsfrei gelassen. In der Begründung des Bescheides ist weiter ausgeführt, der Kläger sei verpflichtet, im Fall einer erneuten Überschreitung des Vermögensfreibetrags den den Freibetrag übersteigenden Anteil zur Bedarfsdeckung einzusetzen und die Beklagte unverzüglich über Art und Umfang des Vermögens zu unterrichten.

Durch weiteren Bescheid vom 14.12.2011 bewilligte die Beklagte dem Kläger für Dezember 2011 ein um zwei Drittel gekürztes Pflegegeld aus der Pflegestufe III in Höhe von 228,33 EUR und für den Monat Januar 2012 in Höhe von 233,33 EUR. Soweit das Vermögen des Klägers den Freibetrag von 2.600,00 EUR übersteige, habe er dieses zur Deckung der Pflegekosten einzusetzen und die Beklagte über Art und Umfang des Vermögens zu unterrichten. Auch dieser Bescheid enthält den Hinweis zum künftigen Einsatz von Vermögen, das den Freibetrag überschreitet, sowie zur Mitteilungspflicht des Klägers über Art und Umfang des Vermögens.

Zur Begründung seiner dagegen erhobenen Widersprüche trug der Kläger im Wesentlichen vor, die Anrechnung von Vermögen wie auch die ihm auferlegte Verpflichtung, Auskunft über Art und Umfang seines Vermögens zu erteilen, verstoße gegen die UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK). Denn er habe das gleiche Recht wie ein nicht behinderter Mensch, Vermögen zu besitzen und seine finanziellen Angelegenheiten selbst zu regeln. Die Beklagte wies die Widersprüche zurück (Widerspruchsbescheid vom 05.03.2012, dem Kläger gegen Postzustellungsurkunde am 08.03.2012 zugestellt).

Deswegen hat der Kläger am 10.04.2012 (Dienstag nach Ostern) Klage zum Sozialgericht Karlsruhe erhoben, mit der er sein Begehren weiter verfolgt. Zur Begründung wiederholt und vertieft er sein Widerspruchsvorbringen. Ergänzend trägt er vor, sein Sparvermögen erreiche nicht einmal den Betrag von 3 Nettolöhnen aus seiner Erwerbstätigkeit zur Überbrückung un- vorhergesehener Ereignisse oder zur Anschaffung von Gegenständen zur angemessenen Lebensführung eines berufstätigen und hochqualifizierten Akademikers. Durch die Vermögensanrechnung sei ihm eine seiner beruflichen Ausbildung und Stellung entsprechende Lebensführung verwehrt. Vergleichbare nicht behinderte berufstätige Hochschulabsolventen verfügten regelmäßig über ein Vermögen, das seinem eigenen zumindest entspreche. Weiter lasse sich dem Bescheid nicht entnehmen, wie der Beklagte den vermögensübersteigenden Betrag von 3.498,29 EUR errechnet habe. Außerdem sei der Vermögensstand zum Zeitpunkt des Erlasses des Bescheids vom 14. Dezember 2011 nicht identisch gewesen mit demjenigen in der Kontenübersicht der B-Bank vom 07.09.2011, was die Beklagte nicht beachtet habe. Nicht hinnehmbar sei schließlich die Anwendung der Zuflusstheorie, wenn - wie vorliegend - das Vermögen aus laufendem Einkommen stamme, das seinerseits aus Härtegründen anrechnungsfrei bleibe und als Überbrückungsmaßnahme zur Finanzierung von Jahres- oder Halbjahresbeiträgen oder als Rücklagen für auch behinderungsbedingte Ausgaben diene.

Der Kläger beantragt - teilweise sinngemäß -,

1. die Bescheide vom 14. Dezember 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05. März 2012 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, ihm für den Monat Dezember 2011 Hilfe zur Pflege ohne Anrechnung von Vermögen zu leisten,

2. außerdem die genannten Bescheide abzuändern, soweit die Beklagte ihn zur unverzüglichen Unterrichtung über Art und Umfang des den Freibetrag übersteigenden Vermögens verpflichtet habe.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie erachtet die angefochtenen Bescheide für zutreffend.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der vorliegenden Verwaltungsakte der Beklagten sowie den der Prozessakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage, über die die Kammer mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden konnte (§ 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG)), ist bzgl. des Klageantrags Ziffer 1 als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 4, § 56 SGG) zulässig; bzgl. des Klageantrags Ziffer 2 ist sie bereits unzulässig.

1.) Die Klage ist bzgl. des Klageantrags Ziffer 2 mangels Rechtsschutzbedürfnisses des Klägers bereits unzulässig. Denn soweit die Beklagte in der Begründung des Bescheides vom 14.12.2011 allgemein auf die dem Kläger gemäß §§ 60 ff des Sozialgesetzbuchs - Allgemeiner Teil - im Rahmen der Leistungsgewährung obliegenden gesetzlichen Mitwirkungspflichten u.a. bei einer Veränderung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse hingewiesen hat, hat sie hierdurch keine Regelung i.S.d. § 31 Satz 1 des Sozialgesetzbuchs - Verwaltungsverfahren - getroffen. Denn der bloße Hinweis auf gesetzliche Mitwirkungspflichten enthält keine Begründung, Änderung, Aufhebung oder Feststellung einer verbindlichen Rechtsfolge, die der Kläger zur Überprüfung durch das Gericht stellen könnte.

2.) Die im Übrigen zulässige Klage ist sie unbegründet. Denn die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 54 Abs. 2 Satz 1 SGG). Zu Recht hat die Beklagte auf die Höhe der Hilfe zur Pflege im Monat Dezember 2011 Vermögen des Klägers in Höhe von 3.498,29 EUR bedarfsdeckend angerechnet. Denn um diesen Betrag überstieg das anrechenbare Vermögen des Klägers den maßgebenden Freibetrag von 2.600,00 EUR.

Der Kläger gehört - dies ist zwischen den Beteiligten zu Recht nicht umstritten - zu dem anspruchsberechtigten Personenkreis der Hilfe zur Pflege im Sinne des Siebten Kapitels SGB XII. Auch die Höhe der Hilfe zur Pflege im Monat Dezember 2011 ist zwischen den Beteiligten in diesem Rechtsstreit nicht streitig. Die Hilfe zur Pflege steht jedoch - wie sämtliche Sozialhilfeleistungen (§ 2 Abs. 1 SGB XII) - unter dem Vorbehalt, dass sich der Hilfesuchende/Hilfeempfänger vor allem durch den Einsatz seiner Arbeitskraft, seines Einkommens und seines Vermögens nicht selbst helfen kann. Dementsprechend wird nach § 19 Abs. 3 SGB XII u.a. Hilfe zur Pflege nach dem Siebten Kapitel SGB XII (nur) geleistet, soweit u.a. den Leistungsberechtigten die Aufbringung der Mittel aus dem Einkommen und Vermögen nach den Vorschriften des Elften Kapitels SGB XII nicht zuzumuten ist. Nach § 90 Abs. 1 SBG XII ist das gesamte verwertbare Vermögen einzusetzen. Vermögen sind alle beweglichen und unbeweglichen Güter und Rechte in Geld oder Geldeswert; umfasst werden auch Forderungen bzw. Ansprüche gegen Dritte (vgl. BSG SozR 4-3500 § 90 Nr. 3 und vom 25.08.2011 - B 8 SO 19/11 R - (Juris)), soweit sie nicht normativ dem Einkommen zuzurechnen sind. Vermögen des Klägers sind damit die aufgrund der Kontenübersicht der B-Bank vom 07.09.2011 nachgewiesenen Bankguthaben, ebenso wie dasjenige bei der I-D. AG. Dass diese Bankguthaben einem tatsächlichen oder rechtlichen Verwertungshindernis im Monat Dezember 2011 unterlagen, ist weder vorgetragen noch aufgrund des Gesamtergebnisses des Verfahrens ersichtlich.

3.) Die Sozialhilfe darf jedoch nach § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII nicht abhängig gemacht werden vom Einsatz oder der Verwertung kleinerer Barbeträge oder sonstiger Geldwerte; dabei ist eine besondere Notlage der nachfragenden Person zu berücksichtigen. Hierzu bestimmt § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchstabe b) der Verordnung zur Durchführung des § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII, dass kleinere Barbeträge oder sonstige Geldwerte bei den Leistungen u.a. nach dem Siebten Kapitel SGB XII 2.600,00 EUR sind.

4.) Gemessen an diesen rechtlichen Bestimmungen hat die Beklagte auf die Hilfe zur Pflege im Monat Dezember 2011 zu Recht Vermögen des Klägers aus Bankguthaben bei der B-Bank K. in Höhe von 3.498,29 EUR bedarfsdeckend angerechnet.

a) Die Anrechnung ist zunächst in formeller Hinsicht nicht zu beanstanden. Insbesondere genügen die Ausführungen der Beklagten zur Vermögensanrechnung im Bescheid vom 14.12.2011 dem Begründungserfordernis des § 35 Abs. 1 Satz 1 des Sozialgesetzbuchs - Verwaltungsverfahren - (SGB X). Denn aus dem streitgegenständlichen Bescheid ergibt sich hinreichend deutlich, dass es sich bei dem angerechneten Betrag um Sparvermögen des Klägers handelt, zumal die Beklagte ausdrücklich auch darauf hingewiesen hatte, dass sie die Rücklage zur Anschaffung eines behindertengerechten PKW im Rahmen der Härteregelung des § 90 Abs. 3 SGB XII anrechnungsfrei belässt. Ob der Umstand, dass die Beklagte die Berechnung des Betrages von 3.498,29 EUR nicht weiter aufgeschlüsselt hat, einen Begründungsmangel darstellt, kann offen bleiben. Denn eine Verletzung der Begründungspflicht nach § 35 Abs. 1 Satz 1 SGB X führte für sich nicht zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides, da dieser Fehler die Entscheidung der Beklagten in der Sache offensichtlich nicht beeinflusst hat (§ 42 Satz 1 SGB X).

b) Die Vermögensanrechnung ist vorliegend auch materiell-rechtlich nicht zu beanstanden. Denn das Sparvermögen des Klägers bei der B-Bank K. im Zeitpunkt des Erlasses des Bescheides vom 14.12.2011 überstieg mit 6.098,29 EUR (6.113,29 EUR abzgl. 15,00 EUR Geschäftsanteil) den hier maßgebenden Freibetrag von 2.600,00 EUR um 3.498,29 EUR. Dies steht zur Überzeugung der Kammer fest aufgrund der Kontenübersicht der B-Bank vom 07.09.2011. Konkrete, objektivierbare Anhaltspunkte für eine Verringerung des Sparvermögens des Klägers bis zum Zeitpunkt des Erlasses des Bescheides vom 14.12.2011, insbesondere auf einen (Vermögens-)Betrag von weniger als 2.600,00 EUR, sind weder vorgetragen noch aufgrund des Gesamtergebnisses des Verfahrens ersichtlich. Mangels Substantiierung ergibt sich dies auch nicht aus dem Vorbringen des Klägers zuletzt im Schriftsatz vom 13.05.2013, demzufolge der Vermögensstand vom 07.09.2013 nicht identisch mit demjenigen vom 14.12.2012 gewesen sei. Im Übrigen erachtet das Gericht dieses Vorbringen - da nicht belegt - als bloße Schutzbehauptung.

aa) Den Vermögensfreibetrag hat die Beklagte zutreffend mit 2.600,00 EUR berücksichtigt. Gründe, diesen Betrag "wegen einer besonderen Notlage" des Klägers angemessen zu erhöhen (§ 2 Abs. 1 Satz 1 der Durchführungsverordnung zu § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII), liegen nicht vor. Bei der Prüfung und Entscheidung über den Umfang der Erhöhung sind nach Satz 2 der genannten Bestimmung vor allem Art und Dauer des Bedarfs sowie besondere Belastungen zu berücksichtigen. Die damit aufgestellten Kriterien entsprechen denen des § 87 Abs. 1 Satz 2 SGB XII. Einen insoweit zu berücksichtigenden zusätzlichen Bedarf, der über denjenigen der Anschaffung eines behindertengerechten PKW hinausgeht, hat der Kläger nicht geltend gemacht. Insbesondere müsste es sich, um überhaupt zu einer Erhöhung des Freibetrages zu führen, um einen Bedarf handeln, der inhaltlich und thematisch nicht bereits von der jeweiligen Hilfeleistung, die befriedigt werden soll, erfasst wird oder bei der Bemessung schon der Einkommensgrenze berücksichtigt worden ist (vgl. Wahrendorf in Grube/Wahrendorf, SGB XII, 4. Auflage 2012, § 87, Rand-Nr. 12). Vorliegend hat die Beklagte indes bereits einer besonderen Bedarfslage des Klägers dadurch hinreichend Rechnung getragen, dass sie sein Einkommen aus seiner Erwerbstätigkeit nicht im Rahmen des Einkommenseinsatzes bedarfsmindernd berücksichtigt, vielmehr in voller Höhe (= 100%) anrechnungsfrei belässt. Auch das weitere Sparvermögen des Klägers bei der I-D. AG hat sie im Rahmen der Härtefallregelung des § 90 Abs. 3 SGB XII nicht zur Bedarfsdeckung herangezogen, sondern zum Erwerb eines behindertengerechten PKW unberücksichtigt gelassen. Damit hat die Beklagte bereits alle besonderen Belastungen des Klägers auf der Einkommens- und Vermögensseite berücksichtigt. Zutreffend weist die Beklagte außerdem darauf hin, dass Art und Schwere der Behinderung des Klägers und das Ausmaß seiner Pflegebedürftigkeit durch die "Leistungsseite", d.h. die Hilfe zur Pflege selbst, auszugleichen sind. Sonstige besondere Belastungen des Klägers, die ausnahmsweise eine Erhöhung der Vermögensfreigrenze begründen könnten, sind nicht ersichtlich. Das Vorhandensein von Pflegebedürftigkeit für sich reicht insoweit nicht aus. Auch ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass durch die Verwertung von Vermögen oberhalb der Freigrenze der Erfolg der Hilfe zur Pflege gefährdet wird (vgl. für den vergleichbaren Fall der Eingliederungshilfe: OVG Lüneburg vom 11.06.2003 - 4 LB 522/02 - (Juris)) oder sich die Behinderung des Klägers dadurch verschlimmert (vgl. insoweit Bay. oberstes Landesgericht vom 20.08.2003 - 3Z BR 143/03 - (Juris)). Auch für die Würdigung "der Besonderheit des Einzelfalls" ist das Ausmaß der Pflegebedürftigkeit des Klägers nicht entscheidungsrelevant. Denn auch insoweit ist die sozialhilferechtliche Notlage durch entsprechende Leistungen der Hilfe zur Pflege nach dem Siebten Kapitel SGB XII zu begegnen. Im Übrigen stellt der Kläger seinen notwendigen Lebensunterhalt selbst durch Einkünfte aus Erwerbstätigkeit sicher. Auch weitere besondere Belastungen des Klägers, die die Anerkennung eines Vermögensfreibetrages über 2.600,00 EUR hinaus begründen könnten, sind weder vorgetragen noch aufgrund des Gesamtergebnisses des Verfahrens ersichtlich.

Angesichts dessen ist die Beklagte zu Recht von einem Vermögensfreibetrag von 2.600,00 EUR ausgegangen.

bb) Der Einsatz seines Sparvermögens oberhalb des Vermögensfreibetrages von 2.600,00 EUR und des weiteren, unberücksichtigten Rückstellungsvermögens für die Anschaffung eines behinderungsgerechten Fahrzeugs stellt für den Kläger auch keine Härte im Sinne des § 90 Abs. 3 SGB XII dar. Eine Härte ist bei der Hilfe zur Pflege vor allem gegeben, soweit eine angemessene Lebensführung oder die Aufrechterhaltung einer angemessenen Alterssicherung wesentlich erschwert wäre (§ 90 Abs. 3 Satz 2 SGB XII). Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber eine Härtevorschrift regelmäßig deshalb einführt, weil er mit den Regelvorschriften - hier: der Vorschrift über das nicht anzurechnende Vermögen nach § 90 Abs. 2 SGB XII - zwar dem diesen zugrunde liegenden typischen Lebenssachverhalt gerecht werden kann, nicht aber einem atypischen (vgl. BSG, FEVS 59, 441 ff. und 61, 193 ff. sowie Wahrendorf, a.a.O., § 90, Rand-Nr. 72). Die Vermögensverwertung stellt nur dann eine Härte im Sinne dieser Bestimmung dar, wenn ihre Auswirkungen deutlich über den bloßen Vermögensverlust infolge der Verpflichtung zur Deckung eines sozialhilferechtlichen Bedarfs hinausgehen. Unerheblich ist für die Anwendung des § 90 Abs. 3 SGB XII grundsätzlich die Herkunft des Vermögens (vgl. BVerwGE 47, 103, 112, 105, 199, 201 und 106, 105 ff., ferner Geiger in LPK-SGB XII, 9. Auflage 2012, § 90, Rand-Nr. 60 und Hohm in Schellhorn/Schellhorn/Hohm, SGB XII, 18. Aufl. 2010, § 90, Rand-Nr. 27). Deshalb zählen zum Vermögen grds. auch Nachzahlungen z.B. aus Grundrenten nach dem Bundesversorgungsgesetz, die als Einkommen anrechnungsfrei bleiben (§ 82 Abs. 1 Satz 1 SGB XII), sofern nicht die Befriedigung eines schädigungsbedingten Nachholbedarfs durch den Vermögenseinsatz wesentlich erschwert würde (vgl. BVerwGE 45, 135 ff), oder auch Sparguthaben aus Mitteln der Sozialhilfe (vgl. OVG Bautzen, FEVs 48, 199 ff).

Orientiert daran stellt die Verwertung des Sparguthabens, soweit es den Vermögensfreibetrag übersteigt, für den Kläger auch keine Härte im Sinne des § 90 Abs. 3 SGB XII dar. Denn schon die Herkunft des Vermögens allein aus anrechnungsfreien Einkünften prägt dieses nicht derart, dass seine Verwertung - über den Vermögensverlust hinaus - für den Kläger eine Härte darstellt. Dies ist etwa der Fall bei einer Vermögensbildung aus angesparten Schmerzensgeldnachzahlungen (vgl. BSG, FEVS 60, 1 ff), bei angesparter Blindenhilfe (vgl. BSG, FEVS 59, 441 ff) oder angespartem Erziehungsgeld während des Förderzeitraums (vgl. BVerwGE 105, 199, 201 ff). Eine entsprechende Schutz- oder Ausgleichsfunktion besitzt das aus dem (unverbrauchtem) Erwerbseinkommen des Klägers gebildete Sparvermögen nicht. Denn durch den Vermögenseinsatz ist seine angemessene Lebensführung schon angesichts der aus der Erwerbstätigkeit zufließenden regelmäßigen monatlichen Einkünfte nicht beeinträchtigt oder gefährdet. Soweit der Kläger vorträgt, er sei durch den Vermögenseinsatz nicht in der Lage, "Jahres- oder Halbjahresbeiträge finanzieren zu können" oder "Rücklagen für - auch behinderungsbedingte - höhere Ausgaben" zu haben, ist dies nicht substantiiert genug, um ggf. deswegen eine atypische Bedarfslage im Sinne eines Härtefalls anzunehmen. Auch der Umstand, dass der Kläger behinderungsbedingt lebenslang auf Hilfe zur Pflege angewiesen sein wird, begründet keinen Härtefall im Sinne des § 90 Abs. 3 SGB XII. Denn seine besondere Notlage hat bereits im Rahmen des § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII durch ein auf 2.600,00 EUR erhöhtes Schonvermögen (§ 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchstabe b) der Durchführungsverordnung zu § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII) Berücksichtigung gefunden und kann deshalb nicht nochmals im Rahmen der Härtefallregelung des § 90 Abs. 3 SGB XII berücksichtigt werden. Überdies ist die angemessene Lebensführung des Klägers auch dadurch gewährleistet, dass die Beklagte von ihm keinen Einkommenseinsatz fordert. Dass durch die Heranziehung des Sparguthabens eine angemessene Alterssicherung des Klägers nicht mehr sichergestellt wäre, erschließt sich der Kammer schon angesichts des eher geringen Betrages von rund 3.500,00 EUR nicht. Denn diese Summe vermag keinen wesentlichen Beitrag zu einer angemessenen Alterssicherung zu leisten (vgl. hierzu LSG Nordrhein-Westfalen vom 19.03.2009 - L 9 SO 5/07 - (Juris)).

c) Schließlich stehen auch die Regelungen in Art. 5 Abs. 2, 12 Abs. 5 und 28 Abs. 1 UN-BRK dem Einsatz von Vermögen zur Bedarfsdeckung im Rahmen der Hilfe zur Pflege nach dem SGB XII nicht entgegen.

aa) Völkerrechtliche Verträge wie die UN-BRK, denen die Bundesrepublik Deutschland beigetreten ist, stehen im Rang eines Bundesgesetzes (vgl. BVerfGE 74, 358, 370; 82, 106, 114 und 111, 307, 317). Die UN-BRK ist als Auslegungshilfe für die Bestimmung von Inhalt und Reichweite der Grundsätze heranzuziehen, insbesondere auch des Art. 3 Abs. 3 Satz 2 des Grundgesetzes. Ebenso ist sie bei der Auslegung unbestimmter Rechtsbegriffe und bei der Ermessensausübung zu beachten (vgl. BSG SozR 4-1100 Art. 3 Nr. 69 und LSG Baden-Württemberg vom 26.09.2012 - L 2 SO 1378/11 - (Juris)). Mit dem in der UN-BRK verwandten Begriff der "Diskriminierung" ist eine behinderungsbezogene Ungleichbehandlung gemeint (vgl. Jarass in Jarass/Pieroth, GG, 11. Aufl. 2011, Art. 3, Rn. 144). Eine solche liegt vor, wenn Regelungen und Maßnahmen die Situation des behinderten Menschen wegen seiner Behinderung verschlechtern, indem ihm z.B. Leistungen, die grundsätzlich jedermann zustehen, verweigert werden (vgl. BVerfGE 96, 288, 303 und 99, 341, 357) oder bei einem Ausschluss von Entfaltungsmöglichkeiten oder Betätigungsmöglichkeiten, wenn dieser nicht durch eine auf die Behinderung bezogene Förderungsmaßnahme hinlänglich kompensiert wird (vgl. BVerfGE 96, 288, 303). Benachteiligung ist jede Regelung oder Maßnahme, die Menschen mit Behinderungen schlechter stellt als Menschen ohne Behinderung (vgl. BVerfGE 96, 288, 302). Dabei macht es keinen Unterschied, ob die Benachteiligung direkt oder indirekt erfolgt (vgl. BVerfGE 96, 288, 301 ff und 97, 35, 43 f.). Aus der UN-BRK können indes keine über §§ 61 ff. SGB XII hinausgehende individuelle Leistungsansprüche hergeleitet werden; ebenso wenig gibt die UN-BRK dem behinderten Menschen ein subjektiv-öffentliches Recht auf Sozialhilfeleistungen unabhängig von deren Ausgestaltung im sonstigen Bundesrecht (so auch SG Karlsruhe vom 21.03.2013 - S 4 SO 937/13 ER - (Juris) für den Bereich der Eingliederungshilfe nach dem Sechsten Kapitel SGB XII). Denn die unmittelbare Anwendbarkeit einer Völkervertragsbestimmung ist nur dann zu bejahen, wenn sie alle Eigenschaften besitzt, welche ein Gesetz nach innerstaatlichem Recht haben muss, um berechtigen oder verpflichten zu können (vgl. BVerfGE 29, 348, 360). Die Vertragsbestimmung muss nach Wortlaut, Zweck und Inhalt geeignet sein, wie eine innerstaatliche Vorschrift rechtliche Wirkungen auszulösen, ohne dass es einer weiteren normativen Ausfüllung bedarf (vgl. BVerfGE 29, 348, 360 und BVerfG, NJW 2007, 499, 501, ferner BVerwGE 87, 11, 13; 92, 116, 118; 120, 206, 208 f.; 125, 1 ff. und 134, 1 ff.). Insbesondere ist eine unmittelbare Vollzugsfähigkeit einer Vertragsbestimmung (sog. "self-executing") nur gegeben, wenn sie zur Entfaltung rechtlicher Wirkungen hinreichend bestimmt ist. Ist eine Regelung - objektiv-rechtlich - unmittelbar anwendbar, muss sie zusätzlich auch ein subjektives Recht des einzelnen vermitteln (vgl. Geiger, Grundgesetz und Völkerrecht, 5. Aufl. 2010, Seiten 141 und 159 und Grzeszick, AVR 43, 2005, Seiten 312, 318). Dagegen fehlt die unmittelbare Anwendbarkeit einer Vertragsbestimmung, wenn diese zu ihrer Ausführung noch einer normativen Ausfüllung bedarf (vgl. BVerwG vom 05.10.2006 - 6 B 33/06 - (Juris).

bb) Orientiert daran stellt die vorrangige bedarfsdeckende Berücksichtigung von Vermögenswerten oberhalb eines Vermögensfreibetrages im Rahmen der Hilfe zur Pflege nach den Bestimmungen des Siebten und Elften Kapitels SGB XII keine Diskriminierung des Klägers wegen seiner Behinderung (Art. 5 Abs. 2 UN-BRK) dar. Denn die Verpflichtung zur vorrangigen Bedarfsdeckung durch den Einsatz vorhandenen Vermögens im Sozialhilferecht (§ 2 Abs. 1 SGB XII) trifft alle Hilfesuchenden und Leistungsempfänger in gleicher Weise und unabhängig vom Vorhandensein einer Behinderung. Soweit die vom Kläger angegriffenen Regelungen in § 90 Abs. 1 und 2 Nr. 9 SGB XII sowie der hierzu erlassenen Durchführungsverordnung zugleich auch behinderte Menschen i.S.d. Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG oder des Art. 1 Abs. 2 UN-BRK trifft, ist sie wegen des Gestaltungsspielraums des nationalen Gesetzgebers bei der Ausgestaltung von Sozialhilfeleistungen und deren Anforderungen gerechtfertigt. Denn es ist nicht zu beanstanden, dass der Gesetzgeber im Rahmen des Sozialhilferechts die - steuerfinanzierten - Leistungen an die Hilfesuchenden - auch - davon abhängig macht, dass diese ihren Bedarf nicht aus ihrem eigenen Einkommen und Vermögen ganz oder teilweise decken können.

Weiter steht die Verpflichtung zur vorrangigen Bedarfsdeckung aus eigenem Einkommen und Vermögen als Ausfluss des sozialhilferechtlichen Nachranggrundsatzes dem Recht des Klägers, wie ein nicht behinderter Mensch Eigentum zu besitzen oder zu erben und seine finanziellen Angelegenheiten selbst zu regeln (Art. 12 Abs. 5 UN-BRK), nicht entgegen. Denn dem Kläger werden durch die §§ 19 Abs. 3 und 90 Abs. 1 SGB XII weder dem Grunde noch der Höhe nach im Rahmen des Sozialhilferechts andere oder weiterreichende Pflichten im Zusammenhang mit seiner Pflicht zur Selbsthilfe durch den vorrangigen Einsatz von - hier - Vermögen auferlegt als nicht behinderten Hilfeempfängern. Insbesondere gelten die Regelungen des Elften Kapitels XII über die Anrechnung von Vermögen und die in § 90 Abs. 2 Nr. 9 i.V.m. der Durchführungsverordnung zu dieser Bestimmung festgelegten Vermögensfreibeträge für alle Hilfeempfänger. Zudem hat der Verordnungsgeber mit dem auf 2600,00 EUR erhöhten Freibetrag für Leistungen nach dem Fünften bis Neunten Kapitel SGB XII den Belangen auch behinderter Menschen in Bezug auf ihren Vermögenseinsatz ausreichend Rechnung getragen.

Art. 28 Abs. 1 UN-BRK garantiert schließlich das Recht des behinderten Menschen auf einen angemessenen Lebensstandard für sich selbst und seine Familie ohne Diskriminierung aufgrund der Behinderung. Diese Bestimmung enthält schon nach ihrem Wortlaut keine Vorgaben, die unmittelbar für Ansprüche von behinderten Hilfesuchenden nach dem SGB XII relevant sind. Die Norm ist nicht hinreichend bestimmt, um von den Sozialhilfeträgern unmittelbar angewandt zu werden, dies zudem erst recht nicht in dem Sinne, bei behinderten Menschen von einer Vermögensanrechnung bei Hilfeleistungen nach dem Siebten Kapitel SGB XII ganz abzusehen. Vielmehr sichern gerade die vielschichtigen Hilfeleistungen zur Pflege nach dem Siebten Kapitel SGB XII dem behinderten Menschen zahlreiche Ansprüche zur Bestreitung seines Lebensunterhaltes, zur Sicherung des individuell erforderlichen Pflegebedarfs und zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft und am Arbeitsleben. Dabei kann der Kläger sein Erwerbseinkommen zum Aufbau und zur Sicherstellung eines seinen finanziellen Verhältnissen entsprechenden angemessenen Lebensstandards grundsätzlich uneingeschränkt verwenden. Die durch die §§ 2 Abs. 1, 19 Abs. 3 und 90 Abs. 1 SGB XII vorgenommene Begrenzung des Aufbaus von Vermögen der Höhe nach stellt in diesem Sinne deshalb keine Diskriminierung, d.h. gruppenspezifische Benachteiligung, Entwürdigung oder Herabwürdigung, behinderter Menschen dar.

5.) Aus eben diesen Gründen sind die angefochtenen Bescheide rechtmäßig. Das Begehren des Klägers musste daher erfolglos bleiben.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 Abs. 1 und 4 SGG.
Rechtskraft
Aus
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