S 205 AS 15021/11

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
SG Berlin (BRB)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
205
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 205 AS 15021/11
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Gegen eine endgültige Festsetzungsentscheidung des Grundsicherungsträgers nach § 40 Abs. 2 Nr. 1 SGB II in Verbindung mit § 328 Abs. 3 Satz 2 SGB III ist eine isolierte Anfechtungsklage unzulässig. Regelmäßig ist die kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage statthaft. Eine kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage kommt nur dann in Betracht, wenn der Kläger höhere als die ihm vorläufig bewilligten Leistungen begehrt.

2. Die Vorläufigkeit einer Bewilligung entfällt nicht durch den Erlass eines den gleichen Zeitraum betreffenden Änderungsbescheides, wenn dieser am Ende des Bescheidtextes einen Hinweis darauf enthält, dass es bei der Vorläufigkeit verbleibt, wenn Leistungen bisher lediglich vorläufig bewilligt worden sind.

3. Nur die durch einen Verwaltungsakt getroffene Regelung, mithin Aussprüche zu Art, Beginn, Dauer und Höhe der Leistung, nicht aber Begründungselemente können in Bindung erwachsen und Vertrauensschutz begründen. Im Kontext des § 328 SGB III fehlt die Grundlage für eine Dogmatik, nach der abweichend von allgemeinen Grundsätzen Tatbestandselemente, grundsätzliche Anspruchsvoraussetzungen, Teilelemente oder sogar Begründungselemente eines Verwaltungsaktes eine Bindungswirkung entfalten könnten. Sofern der Betroffene gegen den Vorläufigkeitsvorbehalt im vorläufigen Bescheid keine Anfechtungsklage erhebt und dieser dadurch in Bestandskraft erwächst, obschon der Beklagte den gesamten Bescheid nach § 328 SGB III als vorläufig bezeichnet, ist für eine teilweise Bindungswirkung bei Erlass eines endgültigen Bescheides dogmatisch kein Raum.
Der Beklagte wird unter Abänderung des endgültigen Festsetzungsbescheides des Beklagten vom 19. Januar 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des Beklagten vom 6. Mai 2011 (W 1059/11 und W 1888/11) verpflichtet, dem Kläger weitere Kosten für Unterkunft und Heizung für den Zeitraum 1. Mai 2009 bis 31. Oktober 2009 in Höhe von monatlich 10,00 EUR zu bewilligen. Der Erstattungsbescheid des Beklagten vom 19. Januar 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des Beklagten vom 6. Mai 2011 (W 1059/11 und W 1888/11) wird aufgehoben, soweit für den Zeitraum 1. Mai 2009 bis 30. Juni 2009 Kosten für Unterkunft und Heizung von mehr als 479,88 EUR monatlich und für den Zeitraum 1. Juli bis 31. Oktober 2009 Kosten für Unterkunft und Heizung von mehr als 471,88 EUR monatlich zur Erstattung festgesetzt werden. Der Beklagte wird unter Abänderung des endgültigen Festsetzungsbescheides des Beklagten vom 15. März 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des Beklagten vom 19. Mai 2011 (W 2288/11 und W 2279/11) verpflichtet, dem Kläger weitere Kosten für Unterkunft und Heizung für den Zeitraum 1. April bis 30. April 2009 in Höhe von 117,47 EUR zu bewilligen. Der Erstattungsbescheid des Beklagten vom 15. März 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des Beklagten vom 19. Mai 2011 (W 2288/11 und W 2279/11) wird aufgehoben, soweit für den Zeitraum 1. April bis 30. April 2009 Kosten für Unterkunft und Heizung von mehr als 326,89 EUR zur Erstattung festgesetzt werden. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten. Die Berufung wird für den Beklagten nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt Aufhebung zweier endgültiger Festsetzungs- und Erstattungsbescheide über insgesamt 5.202,60 EUR für den Zeitraum 1. April 2009 bis 31. Oktober 2009.

Der 1975 geborene, als Rechtsanwalt zunächst als Angestellter und ab 1. Juli 2008 als Selbständiger tätige Kläger beantragte am 8. Juli 2008 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Seitdem bewilligte der Beklagte dem Kläger Arbeitslosengeld II.

Auf den Weiterbewilligungsantrag vom 30. Oktober 2008 bewilligte der Beklagte dem Kläger mit Bewilligungsbescheid vom 25. November 2008 vorläufig Arbeitslosengeld II u. a. für April 2009 in Höhe von 1.020,17 EUR. Zu den noch ungeklärten Punkten des Leistungsantrages teilte der Beklagte dem Kläger mit, dass die Einnahmen aus selbständiger Tätigkeit im Bewilligungszeitraum auf Grund seiner Angaben zum voraussichtlichen Einkommen zunächst vorläufig festgesetzt worden seien.

Am 7. April 2009 erhielt der Kläger eine Steuerstattung des Finanzamtes Friedrichshain-Kreuzberg in Höhe von 5.777,51 EUR.

Mit Bewilligungsbescheid vom 4. Mai 2009 bewilligte der Beklagte dem Kläger vorläufig Arbeitslosengeld II in Höhe von 913,83 EUR monatlich für den Zeitraum 1. Mai 2009 bis 31. Oktober 2009. Die Begründung der Vorläufigkeit entspricht dem Bewilligungsbescheid vom 25. November 2008.

Mit Änderungsbescheid vom 7. Juni 2009 änderte der Beklagte die Bewilligung für den Zeitraum 1. Juli 2009 bis 31. Oktober 2009 wegen der Anpassung der Höhe der Regelleistung. von 351,00 EUR auf 359,00 EUR. Der Bescheid enthält am Ende des Textes unter Nr. 2 einen Hinweis, dass es bei der Vorläufigkeit verbleibe, wenn Leistungen bisher vorläufig bewilligt wurden.

Mit endgültigem Festsetzungs- und Erstattungsbescheid vom 19. Januar 2011 bewilligte der Beklagte dem Kläger für Mai bis Juni 2009 nur noch Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von 148,49 EUR monatlich und für Juli bis Oktober 2009 in Höhe von 156,49 EUR monatlich. Er setzte eine Forderung in Höhe von 4.347,24 EUR zur Erstattung fest. Bei der Bedarfsberechnung berücksichtige der Beklagte neben einem Gewinn aus selbständiger Tätigkeit eine im April 2009 erhaltene Steuererstattung von 5.497,51 EUR, die er auf sieben Monate verteilte und mit monatlich 785,35 EUR als "sonstiges Einkommen" anrechnete.

Mit endgültigem Festsetzungs- und Erstattungsbescheid vom 15. März 2011 bewilligte der Beklagte dem Kläger für April 2009 nur noch Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von 301,48 EUR. Er setzte eine Forderung in Höhe von 677,89 EUR zur Erstattung fest. Bei der Bedarfsberechnung rechnete der Beklagte dem Kläger keine Einnahmen aus selbständiger Tätigkeit an, da der Kläger (noch) keinen Gewinn erzielt habe. Er berücksichtigte indes 785,35 EUR aus der im April 2009 erhaltenen Steuererstattung.

Mit Schreiben vom 29. März 2011 hörte der Beklagte den Kläger zu einer Erstattung von 4.407,24 EUR (statt: 4.347,24 EUR) für den Zeitraum Mai bis Oktober 2009 an.

Mit Schriftsatz vom 1. April 2011 erhob der Kläger Widerspruch gegen die endgültigen Festsetzungs- und Erstattungsbescheide. Der Kläger berufe sich auf Vertrauensschutz.

Zur Anhörung zur beabsichtigten Erhöhung der Erstattungsforderung nahm der Kläger dahingehend Stellung, dass der Beklagte nicht innerhalb der Jahresfrist gehandelt habe. Der Beklagte wüsste seit 2009 von der Einkommenssteuerrückzahlung. Der Kläger habe von der Einstufung dieser als Einkommen erst seit 2010 Kenntnis.

Mit Widerspruchsbescheid vom 6. Mai 2011 (W 1059/11 und W 1888/11) bewilligte der Beklagte dem Kläger nur noch Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von 138,49 EUR monatlich für Mai bis Juni 2009 und für den übrigen Bewilligungszeitraum in Höhe von 146,49 EUR. Wie angekündigt forderte er nunmehr Erstattung von 4.407,24 EUR. Im Übrigen wies er den Widerspruch als unbegründet zurück. Insbesondere bestehe kein Vertrauensschutz und die Jahresfrist gelte nicht, da der Beklagte eine vorläufige Bewilligung korrigiere.

Am gleichen Tage hörte der Beklagte den Kläger zur beabsichtigen Erhöhung der Erstattungsforderung für April 2009 von bisher 677,89 EUR auf 795,36 EUR an.

Mit Widerspruchsbescheid vom 19. Mai 2011 (W 2288/11 und W 2279/11) bewilligte der Beklagte dem Kläger für April 2009 nur noch 184,01 EUR für Kosten für Unterkunft und Heizung und setzte nunmehr einen Betrag in Höhe von 795,36 EUR zur Erstattung fest. Die Begründung entspricht dem Widerspruchsbescheid vom 6. Mai 2011.

Mit seinen am 8. Juni und am 22. Juni 2011 (letztere wurde unter dem Aktenzeichen S 191 AS 16371/11 geführt) erhobenen Klagen verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.

Mit Beschluss vom 6. September 2011 hat das Gericht das Verfahren S 191 AS 16371/11 zum hiesigen Verfahren verbunden.

Der Kläger behauptet, er habe dem Beklagten bereits im Frühjahr/Frühsommer 2009 telefonisch mitgeteilt, dass er im April 2009 eine Einkommenssteuerrückzahlung erhalten habe.

Der Kläger meint, die erhaltene Steuerstattung sei als Vermögen und nicht als Einkommen anzusehen. Die Vorläufigkeit der Bewilligungsbescheide beziehe sich nur auf das Einkommen aus selbständiger Tätigkeit. Auf eine Steuererstattung habe sich die Vorläufigkeit nicht bezogen. Deswegen sei Rechtsgrundlage nicht § 328 SGB III, sondern § 45 SGB X, sodass Vertrauensschutz zu beachten sei. Zudem sei die einschlägige Jahresfrist ab Kenntnis vom Beklagten nicht gewahrt worden.

Der Kläger beantragt,

1. Der Beklagte wird unter Abänderung des endgültigen Festsetzungsbescheides des Beklagten vom 19. Januar 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des Beklagten vom 6. Mai 2011 (W 1059/11 und W 1888/11) verurteilt, dem Kläger weiteres Arbeitslosengeld II für den Zeitraum 1. Mai 2009 bis 31. Oktober 2009 in Höhe von 825,26 EUR monatlich zu bewilligen und dem Kläger für diesen Zeitraum weitere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes in Höhe von monatlich 106,34 EUR zu zahlen. Der Erstattungsbescheid des Beklagten vom 19. Januar 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des Beklagten vom 6. Mai 2011 (W 1059/11 und W 1888/11) wird aufgehoben.

2. Der Beklagte wird unter Abänderung des endgültigen Festsetzungsbescheides des Beklagten vom 15. März 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des Beklagten vom 19. Mai 2011 (W 2288/11 und W 2279/11) verpflichtet, dem Kläger für den Zeitraum 1. April bis 30. April 2009 weiteres Arbeitslosengeld II in Höhe von 795,36 EUR zu bewilligen. Der Erstattungsbescheid des Beklagten vom 15. März 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des Beklagten vom 19. Mai 2011 (W 2288/11 und W 2279/11) wird aufgehoben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung verweist der Beklagte auf den Inhalt der Verwaltungsvorgänge sowie die Ausführungen im Widerspruchsbescheid. Er meint, bei der Steuerstattung handele es sich um Einkommen und nicht Vermögen. Die Steuerstattung sei als einmalige Einnahme zu berücksichtigen. Da die ursprüngliche Bewilligung vorläufig gewesen sei, sei die Spezialvorschrift des § 328 SGB III anzuwenden und nicht §§ 45ff. SGB X.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, sowie die Verwaltungsvorgänge des Beklagten, die der Kammer bei der Entscheidung vorlagen, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

1.) Die Klage ist zulässig.

a) Zu Recht verfolgt der Kläger sein Begehren nunmehr mit der kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungs- bzw. Leistungsklage in Bezug auf die endgültige Festsetzung der Leistungen und als Anfechtungsklage im Hinblick auf die Festsetzung der Erstattungsforderung.

Eine Klage gegen einen endgültigen Bescheid nach § 328 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) kann nicht mit dem Ziel der vorläufigen Regelung als isolierte Anfechtungsklage geführt werden; dies würde allein die Verfahrensherrschaft des Beklagten in Frage stellen (Düe, in: Brand, SGB III, 6. Aufl., § 328 Rn. 34. Dem Beklagten steht eine Einschätzungsprärogative zu, wann die Voraussetzungen für eine endgültige Entscheidung vorliegen (Eicher, in: ders./Schlegel, SGB III, 106. EL IX/11, § 328 Rn. 93). Hat er von dieser Einschätzungsprärogative Gebrauch gemacht, kann die endgültige Entscheidung daher nicht mit dem alleinigen Ziel der isolierten Aufhebung angegriffen werden.

Darüber hinaus würde der isolierten Anfechtungsklage gegen einen endgültigen Festsetzungsbescheid das Rechtsschutzbedürfnis fehlen. Das Rechtsschutzbedürfnis fehlt, wenn eine gerichtliche Entscheidung über die Klage offensichtlich nicht geeignet ist, den Rechtsstreit zwischen den Parteien endgültig zu beenden (Hüttenbrink, in: Kuhla/Hüttenbrink, Der Verwaltungsprozess, 3. Aufl., Kap. D Rn. 22). Das ist insbesondere der Fall, wenn die Klage "nicht weit genug reicht", weil der Kläger sein eigentliches Klageziel mit der begehrten gerichtlichen Entscheidung nicht erreicht (Hüttenbrink, aaO). So läge der Fall bei einer isolierten Anfechtung einer endgültigen Bewilligung, da im Falle des Klageerfolges die vorläufige Bewilligung wieder aufleben würde und es damit dem Beklagten offen stünde, erneut einen endgültigen Festsetzungsbescheid zu erlassen, der abermals anfechtbar wäre.

Nach herrschender Meinung soll dementsprechend eine kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage statthaft sein (Hengelhaupt, in: Hauck/Noftz, SGB III, V/12, § 328 Rn. 332; Wehrhahn, in: Estelmann, SGB II, XII/11, § 40 Rn. 109). Dem folgt die Kammer nur insoweit, als der Kläger endgültige Leistungen begehrt, die höher sind als die ihm vorläufig bewilligten Leistungen. Nur in diesem Fall kann der Kläger die begehrte Leistung im Sinne von § 54 Abs. 4 SGG "verlangen". Anders ist der Fall zu beurteilen, wenn der Kläger lediglich die vorläufig bewilligten Leistungen in gleicher oder geringerer Höhe behalten will. In dieser Konstellation hat der Kläger die begehrten Leistungen – wenn auch nur vorläufig – faktisch bereits erhalten und hat keinen Anspruch mehr auf Auszahlung weiterer Leistungen. Insoweit ist gegen einen endgültigen Festsetzungsbescheid grundsätzlich eine kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage gerichtet auf endgültige Bewilligung der (bereits gewährten) Leistungen statthaft, denn es wird lediglich eine Änderung des Verfügungssatzes begehrt (vgl. Greiser, in: Eicher, SGB II, 3. Aufl., § 42a Rn. 46; vgl. BSG SozR 4-4200 § 23 Nr. 1).

Soweit der Zeitraum Mai bis Oktober 2010 betroffen ist, hat der Kläger zutreffend teilweise Leistungsklage erhoben, da er insoweit (106,34 EUR) monatlich Leistungen begehrt, die ihm noch nicht vorläufig bewilligt worden sind, sodass er deren Auszahlung im Sinne von § 54 Abs. 4 SGG "verlangen" kann.

b) Die Änderung der Klage von der Anfechtungsklage gegen den endgültigen Festsetzungsbescheid in eine kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungs- bzw. Leistungsklage ist nach § 99 Abs. 1 SGG statthaft. Der Beklagte hat sich rügelos in der mündlichen Verhandlung auf den geänderten Klageantrag eingelassen, sodass seine für § 99 Abs. 1 SGG erforderliche Einwilligung zur Klageänderung fingiert wird (§ 99 Abs. 2 SGG).

2.) Die Klage ist im tenorierten Umfang begründet.

a) Der endgültige Festsetzungsbescheid des Beklagten vom 19. Januar 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des Beklagten vom 6. Mai 2011 (W 1059/11 und W 1888/11) ist rechtswidrig und beschwert den Kläger (vgl. § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG), soweit der Beklagte im Vorverfahren die Bewilligung der Kosten für Unterkunft und Heizung für den Zeitraum 1. Mai 2009 bis 31. Oktober 2009 in Höhe von monatlich 10,00 EUR reduziert und die Erstattungsforderung um diese Beträge erhöht hat. Gleiches gilt für den endgültigen Festsetzungsbescheid des Beklagten vom 15. März 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des Beklagten vom 19. Mai 2011 (W 2288/11 und W 2279/11), soweit der Beklagte im Vorverfahren die Bewilligung der Kosten für Unterkunft und Heizung für den Zeitraum 1. April bis 30. April 2009 um 117,47 EUR reduziert und den Erstattungsbetrag um diesen Betrag erhöht hat.

Bei der vom Beklagten vorgenommenen Änderung des endgültigen Festsetzungs- und Erstattungsbescheides zu Lasten des Klägers erst im Vorverfahren handelt es sich um eine sogenannte Verböserung ("reformatio in peius") im Widerspruchsverfahren. Eine solche Schlechterstellung im Widerspruchsverfahren ist nur dann zulässig, wenn die Voraussetzungen vorliegen, unter denen ein begünstigender Verwaltungsakt aufgehoben werden kann, insbesondere nach § 45 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) oder § 48 SGB X, und die Widerspruchsbehörde unter kompetenzrechtlichen Gesichtspunkten zur Rücknahme des Ursprungsbescheides berechtigt ist (BSG, SozR 3-1500 § 85 Nr. 1; Udsching, in: Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 6. Aufl., Kap. IV Rn. 44).

Die Voraussetzungen für eine Aufhebung nach § 45 SGB X oder § 48 SGB X lagen hier nicht vor.

Eine wesentliche Änderung hat sich nach Erlass des endgültigen Festsetzungsbescheides vom 19. Januar 2011 bzw. vom 15. März 2011 auch nach Auffassung des Beklagten nicht ergeben, sodass eine Aufhebung nach § 48 SGB X ausscheidet und nur eine Aufhebung nach § 45 SGB X in Betracht kommt.

Voraussetzung hierfür wäre, dass sich der Kläger nicht auf Vertrauensschutz berufen kann. Nach § 45 Abs. 2 Satz 1 SGB X darf ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte erbrachte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann (§ 45 Abs. 2 Satz 2 SGB X). Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte nicht berufen, soweit er den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat (1.) der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat (2.), oder er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte; grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat (3.), (§ 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X).

Ernstlich in Betracht kommt eine Unlauterkeit des Klägers nur nach § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X. Der Kläger konnte die Rechtswidrigkeit der endgültigen Festsetzungsbescheide jedoch nicht erkennen.

Allerdings ist der Adressat eines Verwaltungsaktes rechtlich gehalten, einen ihm günstigen Bewilligungsbescheid auch zu lesen und zur Kenntnis zu nehmen (BSG SozR 3–1300 § 45 Nr 45 = FEVS 52, 494). Danach ist die Unkenntnis grob fahrlässig im Sinne von § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X, wenn der Adressat, hätte er den Bewilligungsbescheid gelesen und zur Kenntnis genommen, auf Grund einfachster und nahe liegender Überlegungen sicher hätte erkennen können, dass der zuerkannte Anspruch nicht oder jedenfalls so nicht besteht (Schütze, in: v. Wulffen, SGB X, 7. Aufl., § 45 Rn. 56; vgl. BSGE 62, 103 = SozR 1300 § 48 Nr 39 = HV-INFO 1987, 2064 zum Merkmal der groben Fahrlässigkeit bei nachträglichem Wegfall des Anspruchs nach § 48 Abs 1 S 2 Nr. 4). Davon ist bei Fehlern auszugehen, die sich erstens aus dem begünstigenden Verwaltungsakt selbst oder anderen Umständen ergeben und zweitens für das Einsichtsvermögen des Betroffenen ohne weiteres erkennbar sind (BSG SozR 3–1300 § 45 Nr 45 = FEVS 52, 494). Das ist anzunehmen bei solchen Fehlern, die unter Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere der Persönlichkeit des Betroffenen und seines Verhaltens (BSGE 5, 267 = NJW 1957, 1815) augenfällig sind (Schütze, aaO).

Unter diesen Prämissen ist es dem Kläger nicht vorzuwerfen, dass, wie der Beklagte meint, die Versicherungspauschale nicht auf die Steuererstattung anzurechnen sei, weil diese bereits beim Erwerbseinkommen berücksichtigt worden sei. Dieser Umstand war dem endgültigen Festsetzungsbescheid vom 19. Januar 2011 auch unter Berücksichtigung des Berechnungsbogens nicht zu entnehmen. Die doppelte Anrechnung einer Versicherungspauschale lässt sich nicht erkennen, da einzelne Absetzbeträge überhaupt nicht ausgewiesen werden. Vielmehr heißt es dort lediglich, dass ein Betrag in Höhe von 107,46 EUR als "Einkommensbereinigung" in Ansatz gebracht wird. Welche einzelnen Positionen sich dahinter verbergen, kann auch bei sorgfältigster Lektüre des Bescheides nicht ersehen werden. Es war damit auch für den als Rechtsanwalt rechtskundigen Kläger aus dem Bescheid nicht erkennbar, dass die Versicherungspauschale in Höhe von 30,00 EUR zweimal in Abzug gebracht worden ist.

Auch im Hinblick auf den endgültigen Festsetzungsbescheid vom 15. März 2011 liegt keine grob fahrlässige Unkenntnis des Klägers vor. Zwar dürften sich die für die Beurteilung der Rechtswidrigkeit notwendigen Tatsachen ohne Weiteres aus dem Bescheid entnehmen lassen. Denn im Hinblick auf den Zeitraum 1. April 2009 bis 30. April 2009 beruht die Rechtswidrigkeit des Bescheides darauf, dass überhaupt eine Einkommensbereinigung in Höhe von 107,46 EUR stattgefunden hat, obschon dem Kläger keinerlei Erwerbseinkommen angerechnet worden ist. Auch letzteres war dem Bescheid ohne Weiteres zu entnehmen, da das monatliche "Netto-Erwerbseinkommen" mit 0,00 EUR ausgewiesen worden ist. Aufgrund des glaubhaften und unwiderlegbaren Vortrags wusste der Kläger nicht, dass eine Steuererstattung nicht zu bereinigen sei, sondern lediglich die Versicherungspauschale in Abzug zu bringen sei. Die Rechtsansicht des Klägers, die Steuererstattung sei kein müheloses Einkommen, sodass es gerechtfertig sei, dieses zu bereinigen, ist zwar unzutreffend, aber nicht in einem Maße, dass die Kammer diese als grob fahrlässige Unkenntnis der zutreffenden Rechtslage ansehen konnte.

b) Im Übrigen ist die Klage unbegründet, denn die angefochtenen endgültigen Festsetzungs- und Erstattungsbescheide sind im Übrigen rechtmäßig und beschweren den Kläger daher nicht.

aa) Rechtsgrundlage für die endgültige Festsetzung und Erstattung ist § 40 Abs. 2 Nr. 1 SGB II in Verbindung mit § 328 Abs. 3 Satz 2 SGB III. Hiernach sind aufgrund einer vorläufigen Entscheidung erbrachte Leistungen zu erstatten, wenn mit einer abschließenden Entscheidung ein Leistungsanspruch nicht oder nur in geringerer Höhe zuerkannt wird.

Entgegen der Ansicht des Klägers ist Rechtsgrundlage für endgültige Festsetzung nicht § 45 SGB X, weil der Beklagte lediglich seine Einnahmen aus selbständiger Tätigkeit als vorläufig festgesetzt habe und die aus einer abhängigen Beschäftigung "erzielte" Einkommenssteuerrückerstattung danach keine Einnahmen aus selbständiger Tätigkeit beträfen.

Bei den Bewilligungsbescheiden des Beklagten vom 25. November 2008 und vom 4. Mai 2009 handelt es sich um vorläufige Bescheide im Sinne von § 328 Abs. 1 SGB III. Die Regelung der Vorläufigkeit für sich hat Verfügungscharakter (BSG, Urt. v. 06.04.2011 - B 4 AS 119/10 R, Rn. 18, mwN). Es ist deshalb erforderlich, dass sich aus dem Verwaltungsakt eindeutig ergibt, ob und inwieweit die Verwaltung eine vorläufige Bewilligung verfügt hat (BSG, aaO, mwN). Die "Typus prägenden Merkmale" der vorläufigen Entscheidung müssen unzweifelhaft erkennbar sein (BSG, aaO).

Dies ist hier der Fall. Die Bescheide beginnen mit einem Hinweis, dass über den Anspruch des Klägers noch nicht abschließend entschieden werden könne. Für die jeweilige Zeit würden Leistungen "gemäß § 40 Abs. 1, Nr. 1a SGB II i. V. m. § 328 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB III jedoch bereits vorläufig bewilligt". Schließlich befindet sich neben dem gedruckten Text "Bescheid" ein augenfälliger Stempel mit dem Wort "VORLÄUFIGER".

An der Vorläufigkeit der Bewilligung ändert sich für den Zeitraum Juli bis Oktober 2009 auch nicht aus dem Umstand, dass im Änderungsbescheid vom 7. Juni 2009 erst auf der letzten Seite ausgeführt wird, dass es bei der Vorläufigkeit der Bewilligung verbleibt, wenn diese bisher vorläufig gewesen ist (a. A. wohl Bayerisches Landessozialgericht, Beschluss vom 31. Januar 2013 – L 7 AS 883/12 B PKH, juris). Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes genügt es, wenn der Verfügungssatz insoweit nicht dem Bescheidtext voran-, sondern an das Ende des Verwaltungsaktes gestellt wird (BSG, Urt. v. 06.04.2011 - B 4 AS 119/10 R, Rn. 19). Es ist damit gerade nicht der in der Literatur vertretenen Rechtsauffassung gefolgt, dass die vorläufige Bewilligung im Verfügungssatz am Anfang des Bescheides stehen müsse und ein Hinweis im "Kleingedruckten" nicht ausreiche (so Leopold, info also 2008, 104, 106). Auszugehen ist vom Empfängerhorizont eines verständigen Beteiligten, der die Zusammenhänge berücksichtigt, welche die Behörde erkennbar in ihre Entscheidung einbezogen hat (BSG, Urt. v. 06.04.2011 - B 4 AS 119/10 R,Rn. 18). Der Empfänger kann sich nicht darauf berufen, er habe die Erklärung in einem bestimmten Sinne verstanden, wenn sie objektiv - unter Berücksichtigung aller Umstände - nicht so verstanden werden konnte (BSG, Urt. v. 06.04.2011 - B 4 AS 119/10 R, Rn. 18). Zu diesen zu berücksichtigenden Umstände gehören der Bescheid und seine Anlagen, sodass es sogar ausreicht, wenn sich die Vorläufigkeit aus einer in Bezug genommenen Anlage eines Bescheides ergibt (BSG, Urt. v. 31.05.1989 – 4 RA 19/88, Rn. 18, juris). Dann muss es erst Recht ausreichen, wenn der Bescheid selbst den Hinweis auf die Vorläufigkeit enthält, auch wenn dies erst am Ende des Bescheides erfolgt. Wie bereits ausgeführt, hat der Adressat eines Verwaltungsaktes die Obliegenheit, ihn zur Kenntnis zu nehmen und zu lesen (BSG SozR 3–1300 § 45 Nr 45 = FEVS 52, 494). Es darf daher verlangt werden, dass der Empfänger eines Bescheides diesen in Gänze liest und nicht nach den ihn begünstigenden Leistungsaussprüchen aufhört.

§ 45 SGB X kann auch nicht mit dem Argument herangezogen werden, die vorläufigen Bewilligungen seien zu unbestimmt im Hinblick auf die Bestimmung des Umfangs der Vorläufigkeit mit der Folge, dass die Bescheide insgesamt oder teilweise als endgültig anzusehen seien (vgl. hierzu Leopold, info also 2008, 104, 107; Hengelhaupt, in: Hauck/Noftz, IX/2008, § 328 SGB III Rn. 302).

Nach § 328 Abs. 1 Satz 2 SGB III sind Umfang und Grund der Vorläufigkeit anzugeben. Dies hat der Beklagte zweifelsfrei getan.

Die Angabe des Umfangs lässt überdies keinen Zweifel daran, dass sämtliche vom Beklagten bewilligen Leistungen lediglich vorläufig bewilligt worden sind. So heißt es zunächst, dass über den Anspruch des Klägers noch nicht abschließend entschieden werden könne. Es deutet also nichts darauf hin, dass über einen Teil des Anspruchs bereits endgültig entschieden werden könnte. Im Anschluss heißt es, dass für eine bestimmte Zeit Leistungen vorläufig wie folgt bewilligt würden. Diese werden alsdann aufgeführt und untergliedert als Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts, Kosten für Unterkunft und Heizung und "Zuschuss nach § 26 SGB II zur Rentenversicherung" bezeichnet. Bei keiner dieser Leistungen findet sich ein Hinweis, dass die vorangestellte Aussage, die nachfolgenden Leistungen würden lediglich vorläufig bewilligt, einschränkend oder anders verstanden werden könnte. Alle vom Beklagten bewilligten Leistungen werden zweifelsfrei als vorläufig bewilligt bezeichnet.

Entgegen der Ansicht des Klägers kann aus dem Umstand, dass der Beklagte als Grund für die Vorläufigkeit der Bewilligung die Einnahmen aus selbständiger Tätigkeit angeführt hat, nicht geschlossen werden, dass der Bewilligungsbescheid teilweise oder in Gänze als endgültig interpretiert werden könnte. Soweit der Beklagte in der Begründung ausführt, er habe die Angaben zum voraussichtlichen Einkommen vorläufig festgesetzt, ist zunächst zu konstatieren, dass auch die Begründung erkennen lässt, dass eine vorläufige Bewilligung beschieden werden soll. Freilich ist ausgehend vom Empfängerhorizont eines verständigen Beteiligten, der die Zusammenhänge berücksichtigt, welche die Behörde erkennbar in ihre Entscheidung einbezogen hat (BSG, Urt. v. 06.04.2011 - B 4 AS 119/10 R, Rn. 18), dass der Beklagte nicht selbst das Einkommen des Klägers aus selbständiger Tätigkeit festsetzt, sondern dies lediglich vorläufig in bestimmter Höhe auf den Bedarf des Klägers angerechnet wird. Danach ist die Begründung so zu verstehen, dass die Bewilligung vorläufig erfolgte, weil die Höhe des Einkommens des Klägers aus selbständiger Tätigkeit nicht feststeht, sodass dieses nur vorläufig angesetzt werden kann.

Aus der Angabe dieses Grundes kann nicht der Schluss gezogen werden, dass die im Verfügungssatz klar getroffene Regelung, dass sämtliche Leistungen vorläufig bewilligt werden, in Frage gestellt wird. Einkommen aus selbständiger Tätigkeit, welches nach §§ 9 Abs. 1, 11 Abs. 1 SGB II auf den Hilfebedarf angerechnet wird, kann sich sowohl auf das Ob und die Höhe der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes als auch auf das Ob und die Höhe die Kosten der Unterkunft und Heizung auswirken. Ist das anzurechnende Einkommen mithin größer als der Regelbedarf (§ 20 SGB II) und die Mehrbedarfe (§ 21 SGB II), ist es auf die Bedarfe für Unterkunft und Heizung anzurechnen (vgl. § 19 Abs. 3 Satz 2 SGB II). Da sich die selbständige Tätigkeit auf den gesamten Bewilligungszeitraum bezieht, lässt sich aus dem von dem Beklagten angegeben Grund für die Vorläufigkeit der Bewilligung kein Anhaltspunkt ersehen, den Bescheid entgegen seinem eindeutigen Verfügungssatz dahingehend auszulegen, er sei ganz oder teilweise endgültig.

bb) Auf Vertrauensschutz kann sich der Kläger nicht berufen. Nach ständiger Rechtssprechung des Bundessozialgerichtes, von der abzuweichen die Kammer keinen Anlass sieht, sind Vorschussvorschriften wie § 42 Abs. 2 S. 2 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) und die entsprechenden Vorschriften etwa in § 328 Abs. 3 SGB III eine gegenüber § 50 iVm §§ 45, 48 SGB X selbstständige Grundlage für die Rückforderung von Vorschusszahlungen, die unabhängig davon zur Anwendung kommt, aus welchen Gründen die endgültige Entscheidung hinter dem Vorschuss zurückbleibt (vgl. für viele BSG Urt. v. 1. 7. 2010 – B 11 AL 19/09 R, BSGE 106, 244 = NZS 2011; BSG Urt. v. 26. 6. 2007 – B 2 U 5/06 R, SozR 4–1200 § 42 Nr. 1; BSG, Urt. v. 31. 8. 1983 – 2 RU 80/82, SozR 1200 § 42 Nr. 2; BSG, Urt. v. 29. 4. 1997 – 4 RA 46/96, SozR 3–1300 § 42 Nr. 5; BSG; Urt. v. 16. 6. 1999 – B 9 V 13/98 R, SozR 3–1200 § 42 Nr. 8; Kallert, in: Gagel, SGB II/III, 50. EL 2013, vor § 328 Rn. 24). Ein Vorschuss ist seiner Natur nach insgesamt etwas anderes als eine endgültige Leistung und die Vorabentscheidung ist von vornherein auf die Ersetzung durch eine endgültige angelegt (vgl. Kallert, aaO; Brönstrup in: GK-SGB II, III/2013, § 40 Rn. 89). Teilentscheidungen über einzelne Voraussetzungen eines Anspruchs oder isolierte Feststellungen von tatsächlichen Voraussetzungen durch Verwaltungsakt sind grundsätzlich rechtlich nicht zulässig (Kallert, aaO).

Für die von einem großen Teil in der Literatur vertretene These des Vertrauensschutzes in Teilelemente (vgl. die Nachweise bei Kallert, aaO, vor § 328 Rn. 23) gibt es keine gesetzliche Grundlage. Nur die durch einen Verwaltungsakt getroffene Regelung, die Verfügungssätze eines Bescheides (Aussprüche zu Art, Beginn, Dauer und Höhe der Leistung), nicht aber Begründungselemente können in Bindung erwachsen (Düe, in: Brand, SGB III, 6. Aufl., § 328 Rn. 9). Davon ausgehend kann eine vorläufige Bewilligung nur binden, soweit ihre Verfügungssätze nicht an ihrer Vorläufigkeit teilhaben (Düe, aaO). Im Kontext des § 328 SGB III fehlt die Grundlage für eine Dogmatik, nach der abweichend von allgemeinen Grundsätzen Tatbestandselemente, grundsätzliche Anspruchsvoraussetzungen, Teilelemente oder sogar Begründungselemente eines Verwaltungsaktes eine Bindungswirkung entfalten könnten (Düe, aaO).

Soweit in der Literatur vertreten wird, die Verwaltung sei verpflichtet, im Bescheid all die "Elemente" ausdrücklich zu bezeichnen, die nur den vorläufigen Charakter besitzen (Eicher/Greiser, in. Eicher, SGB II, 3. Aufl., § 40 Rn. 52), kann die Kammer diesem Ansatz im Hinblick auf "Elemente" aus den dargstellten dogmatischen Erwägungen nicht folgen und im Übrigen ist diese Aussage für die Praxis des angerufenen Gerichts von nur sehr begrenztem Wert, da die Bescheide der Berliner Jobcenter soweit ersichtlich stets vor sämtliche bewilligten Leistungen klar stellen, dass es sich um eine vorläufige Entscheidung nach § 328 SGB III handelt. Sofern der Betroffene gegen den Vorläufigkeitsvorbehalt im vorläufigen Bescheid keine Anfechtungsklage erhebt und dieser dadurch in Bestandskraft erwächst, obschon der Beklagte den gesamten Bescheid nach § 328 SGB III als vorläufig bezeichnet, ist für eine teilweise Bindungswirkung bei Erlass eines endgültigen Bescheides dogmatisch kein Raum (so wohl auch Eicher, in: ders./Schlegel, SGB III, VI/2009, § 328 Rn. 48).

Demzufolge kann aus dem Umstand, dass der Beklagte als Grund der Vorläufigkeit die Einnahmen aus selbständiger Tätigkeit angegeben hat, die Steuerstattung indes nicht auf die selbständige Tätigkeit zurückzuführen ist, kein Vertrauensschutz abgeleitet werden, denn diese Begründung des Verwaltungsaktes ist einer wie auch immer gearteten Teilbestandskraft als reine Begründung ohne Regelungscharakter nicht zugänglich.

cc) Da Rechtsgrundlage infolge der vorläufigen Bewilligung § 328 Abs. 3 Satz 2 SGB III (iVm § 40 Abs. 2 Nr. 1 SGB II) ist und es sich hierbei um eine Spezialvorschrift handelt, nach der der vorläufige Bescheid durch den endgültigen ohne weiteres gegenstandslos wird, ohne dass es einer Aufhebung bedarf (Kallert, aaO, § 328 Rn. 82, mwN), kann sich der Kläger entgegen seiner Ansicht nicht auf den vermeintlichen Ablauf der Jahresfrist der verdrängten Vorschrift des § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X berufen, denn diese Vorschrift ist mangels Rücknahme eines Verwaltungsaktes – schon begrifflich und tatbestandlich – nicht anwendbar (vgl. Wehrhahn, in: Estelmann, 29 EL XI/2011, § 40 Rn. 99; Weber, in: Schönefelder/Kranz/Wanka, XII/2002,§ 328 Rn. 16; Hess, in: GK-SGB III, X/2009, § 328 Rn. 21).

dd) Zu Recht hat der Beklagte bei der Bedarfsberechnung die im April 2009 zugeflossene Steuerrückerstattung als Einkommen im Sinne von § 11 SGB II und nicht etwa als Vermögen (§ 12 SGB II) angesehen. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes ist Einkommen grundsätzlich das, was jemand nach Antragstellung wertmäßig dazu erhält (BSG, SozR 4-2000 § 11 Nr. 17; BSGE 101, 291ff.). Dies gilt auch für eine Steuerrückerstattung (BSG, Urt. 30.09.2008 – B 4 AS 29/07 R, BSGE 101, 291-301; BSG, Urt. v. 28.10. 2009 – B 14 AS 64/08 R; SG Berlin, Urt. v. 15.04.2011 – S 82 AS 37663/10, juris; vgl. bereits zu § 76 Abs. 1 Bundessozialhilfegesetz (BSHG): BVerwG, Urt. v. 18.02.1999 – 5 C 35/97, BVerwGE 108, 296). Da die Einkommenssteuerrückerstattung dem Kläger am 9. April 2009 zugeflossen ist und er seinen Erstbewilligungsantrag am 8. Juli 2008 gestellt hat, ist die Steuerrückerstattung wertmäßig nach Antragstellung zugeflossen und somit als Einkommen anzurechnen.

ee) Nicht zu beanstanden ist, dass der Beklagte die Steuererstattung auf sieben Monate verteilt hat. Da das Einkommen im April 2009 zugeflossen ist, ist § 2 Abs. 3 Satz 3 der Verordnung zur Berechnung von Einkommen sowie zur Nichtberücksichtigung von Einkommen und Vermögen beim Arbeitslosengeld II/Sozialgeld (Alg II–V) anzuwenden und nicht § 11 Abs. 3 Satz 3 SGB II in der seit 1. April 2011 gültigen Fassung, der die Verteilung auf sechs Monate begrenzt.

Nach § 2 Abs. 3 Satz 3 AlgIIV sind einmalige Einnahmen, soweit nicht im Einzelfall eine andere Regelung angezeigt ist, auf einen angemessenen Zeitraum aufzuteilen und monatlich mit einem entsprechenden Teilbetrag anzusetzen. Dies gilt auch für sonstiges Einkommen (§ 2b AlgII-V aF). Ziel dieser Regelung ist es, Versicherungsschutz durch die gesetzliche Kranken- und soziale Pflegeversicherung auch dann zu gewährleisten, wenn zu berücksichtigende einmalige Einnahmen zu einem Wegfall des Leistungsanspruchs führen (BSG, Urt. v. 28.10.2009 - B 14 AS 64/08 R). Der angemessen Zeitraum sollte also so gewählt werden, dass ein Leistungsanspruch nicht entfällt. Diese Vorgabe wird eingehalten, denn dem Kläger werden durch die endgültigen Festsetzungsbescheide für sämtliche hier interessierenden Monate Kosten für Unterkunft und Heizung bewilligt.

Ob es rechtswidrig gewesen ist, die Versicherungspauschale von 30,00 EUR nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 AlgII-V auf Zeiträume vor Inkrafttreten des § 11b Abs. 2 Satz 2 SGB II nF für jeden Monat des Verteilzeitraums in Abzug zu bringen (vgl. BSG, Urt. v. 30.09.2008 - B 4 AS 57/07 R), kann dahingestellt bleiben, denn dadurch ist der Kläger nicht beschwert, sondern vielmehr begünstigt.

ff) Die Einkommensanrechnung im Übrigen, d. h. die Anrechnung des Einkommens aus selbständiger Tätigkeit im Zeitraum Mai bis Oktober 2009 begegnet keinen Bedenken. Der Beklagte hat die Berechnung auf der Grundlage der Angaben des Klägers vorgenommen.

Nach alledem sind die endgültigen Festsetzungs- und Erstattungsbescheide in der Fassung vor der Verböserung im Vorverfahren rechtmäßig.

3.) Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183 Satz 1, 193 Abs. 1 Satz 1 SGG und berücksichtigt den Ausgang des Rechtsstreits. Das teilweise Obsiegen des Klägers wird bei der Kostenentscheidung nicht berücksichtigt. Nach § 92 Abs. 2 Nr. 1 Zivilprozessordnung (ZPO), der über § 202 SGG analog angewendet werden kann, kann das Gericht der einen Partei die gesamten Prozesskosten auferlegen, wenn die Zuvielforderung der anderen Partei verhältnismäßig geringfügig war und keine oder nur geringfügig höhere Kosten veranlasst hat. Wird der Beklagte nur verhältnismäßig geringfügig verurteilt und im Übrigen die Klage abgewiesen, können dem Kläger die gesamten Prozesskosten auferlegt werden, wenn der Betrag der Verurteilung allenfalls geringfügige Kosten verursacht hat (Lackmann, in: Musielak, ZPO, 10. Aufl., § 92 Rn. 6a). Dies ist hier der Fall. Verhältnismäßig geringfügig ist eine Forderung, wenn sie weniger als 1/10 des Streitwerts ausmacht (Lackmann, aaO). Das Obsiegen des Klägers entspricht lediglich einem Verhältnis von ca. 3 Prozent des von ihm erhobenen Anspruchs.

4.) Die Berufung bedufte für den Beklagten nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG einer gesonderten Zulassung, da der Wert der Beschwer des Beklagten die Wertgrenze von 750,00 EUR nicht übersteigt. Ein Grund, die Berufung nach § 144 Abs. 2 SGG zuzulassen, besteht nicht. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung (§ 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG). Die grundsätzliche Frage, dass eine Verböserung im Widerspruchsverfahren unter den Voraussetzungen des § 45 SGB X zulässig ist, ist hinreichend geklärt (vgl. BSG, SozR 3-1500 § 85 Nr. 1). Die Anwendung dieser Maßstäbe ist eine Entscheidung im konkreten Einzelfall, der keine grundsätzliche Bedeutung beikommt. Die Entscheidung beruht überdies nicht auf einer Divergenz zu einer Entscheidung der in § 144 Abs. 2 Nr. 2 SGG genannten Gerichte.
Rechtskraft
Aus
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