L 12 AS 582/12

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
12
1. Instanz
SG Detmold (NRW)
Aktenzeichen
S 23 (7) AS 167/09
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 12 AS 582/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 14 AS 80/13 BH
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Kläger 1), 2) und 4) gegen das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 26.01.2012 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Frage, ob die Kläger im Zeitraum Februar bis einschließlich Juli 2008 Leistungen in Höhe von 3.131,25 EUR zu viel erhalten und deshalb zu erstatten haben.

Die Kläger zu 1) und 2) sind die Eltern des im Mai 1991 geborenen Klägers zu 3) und der im August 1998 geborenen Klägerin zu 4). Sie bilden eine Bedarfsgemeinschaft (BG) und beziehen Leistungen nach dem SGB II. Der Kläger zu 1) betreibt einen Gebrauchtwagenhandel.

Im Januar 2008 stellten sie für die Zeit ab 01.02.2008 einen Fortzahlungsantrag. In der EKS machten sie für die einzelnen Monate des Bewilligungszeitraums Angaben zu ihrem geschätzten monatlichen Einkommen. Aufgrund dieser Angaben ging der Beklagte von durchschnittlich monatlich 800 EUR aus. Auf dieser Basis bewilligte er mit Bescheid vom 30.01.2008 vorläufig Leistungen für den Zeitraum 01.02.2008 bis 31.07.2008 in Höhe von monatlich 656,07 EUR (Regelleistung(RL) und Kosten der Unterkunft( KdU)). Weiter hieß es, eine endgültige Bewilligung erfolge nach Ablauf des Bewilligungsabschnitts, wenn der tatsächliche Gewinn durch Belege und Nachweise ermittelt werden könne.

Nachdem die Kläger für den Januar 2008 als letzten Monat des vorherigen Bewilligungsabschnitts ihr Einkommen durch Belege nachgewiesen hatten, setzte der Beklagte für diesen Monat mit Änderungsbescheid vom 22.04.2008 die den Klägern zustehenden Leistungen endgültig auf 1.222,00 EUR fest. Es ergab sich ein nachzuzahlender Betrag von 556,22 EUR.

Ebenfalls unter dem 22.04.2008 erließ der Beklagte im Zusammenhang mit den KdU einen weiteren Änderungsbescheid, mit dem für die Monate Februar bis einschließlich April 2008 sowie Juni und Juli 2008 Leistungen für RL und KdU monatlich in Höhe von 767,07 EUR und für Mai 2008 in Höhe von 530,60 EUR bewilligt wurden. Die niedrigere Bewilligung für Mai 2008 ergab sich aus einem im April 2008 erstatteten Guthaben aus den Heizkosten in Höhe von 236,47 EUR. Die Leistungsbewilligung stand nicht unter Vorbehalt. Unter Berücksichtigung der ab 01.07.2008 angepassten Regelsätze erfolgte mit Änderungsbescheid vom 18.05.2008 ab 01.07.2008 eine Anpassung der bewilligten Leistungen auf insgesamt 781,07 EUR monatlich.

Nach Ablauf des streitigen Bewilligungsabschnitt wiesen die Kläger ihre tatsächlichen Einnahmen durch Belege nach (im wesentlichen die Verträge über die veräußerten Kfz) und errechneten für sich einen Reingewinn von 3.512,74 EUR. Der Beklagte hingegen errechnete im streitigen Zeitraum aufgrund der eingereichten Unterlagen Einnahmen in Höhe von 58.750 EUR, denen Ausgaben in Höhe von 40.050 EUR gegenüberstanden, die allerdings noch um weitere Ausgabeposten zu bereinigen seien. Mit Schreiben vom 25.11.2008 hörte er den Kläger zu 1) zur Überzahlung und geplanten Rückforderung der Leistungen an. Für den Kläger zu 1) sei es im streitigen Zeitraum zu einer Überzahlung von 1141,60 EUR gekommen, für die Klägerin zu 4) in Höhe von 333,42 EUR und den Kläger zu 3) in Höhe von 508,32 EUR, insgesamt also in Höhe von 1.983,34 EUR. Die überzahlten Leistungen wurden monatsweise getrennt nach Klägern aufgelistet. Ein Schreiben gleichen Datums erging an die Klägerin zu 2), bei der es ebenfalls zu einer Überzahlung von 1141,60 EUR gekommen sei.

Mit Schreiben ohne Datum legten die Kläger gegen die Anhörungen Widerspruch ein. Ihr Reingewinn im streitigen Zeitraum liege bei 3.512,74 EUR, im übrigen seien notwendige Betriebsausgaben wie Steuern, Versicherungen, Kosten für rote Kennzeichen sowie die Anschaffung einer BahnCard zu berücksichtigen. Diese Widersprüche verwarf der Beklagte mit Widerspruchsbescheiden vom 16.12.2008 als unzulässig, da die Anhörung keinen Verwaltungsakt darstelle.

Mit Bescheid vom 10.12.2008 hob der Beklagte gegenüber dem Kläger zu 1) und in dessen Eigenschaft als gesetzlicher Vertreter der Kläger zu 3) und 4) die Leistungsbewilligung im streitigen Zeitraum - getrennt aufgelistet nach Monaten - in Höhe von insgesamt 1.983,34 EUR (Kläger zu 1): 1.141,60 EUR; Kläger zu 3): 508,32 EUR; Klägerin zu 4): 333,42 EUR) auf und forderte diesen Betrag zurück. Ein Bescheid gleichen Datums erging gegenüber der Klägerin zu 2). Die von ihr zurückgeforderte Summe belief sich auf 1.141,60 EUR. Als Rechtsgrundlage nannte der Beklagte für die Aufhebung der Leistungsbewilligung § 48 Abs. 1 S 2 Nr 3 SGB X. Aufgrund der nachgewiesenen Einkommensverhältnisse ergebe sich, dass Einkommen erzielt worden sei, welches in der genannten Höhe zum Wegfall des Leistungsanspruchs führe. Die Überprüfung der eingereichten Unterlagen habe unter Berücksichtigung der anzuerkennenden Ausgaben einen Betriebsgewinn in Höhe von 11.818,30 EUR ergeben, monatlich also 1.969,72 EUR. Die überzahlten Leistungen seien zu erstatten.

Gegen diese Bescheide erhoben die Kläger am 30.12.2008 Widerspruch. Zu ihrem bisherigen Vortrag trugen sie ergänzend vor, aufgrund einer falsch platzierten Unterschrift des Verkäufers sei ein am 12.02.2008 erworbenes Fahrzeug (1.050 EUR) versehentlich als Verkauf berechnet worden, obwohl es tatsächlich ein Kauf gewesen sei, eine Bestätigung des Verkäufers sei beigefügt. Im übrigen sei im Januar 2008 für 4.700,00 EUR ein Fahrzeug erworben und im Februar 2008 für 5.000 EUR weiterverkauft worden, der Gewinn aus diesem Geschäft habe sich also nur auf 300 EUR belaufen. Der Beklagte habe hingegen die 5000 EUR als Einnahme angerechnet. Im streitigen Zeitraum seien insgesamt Betriebsausgaben von 48.950 EUR anzuerkennen, hinzu kämen die Benzin-und Bahnkosten (1.399,54 EUR), die als betriebliche Aufwendungen anzuerkennen seien.

Mit drei Widerspruchsbescheiden vom 27.05.2009 (gerichtet an den Kläger zu 1) und an diesen auch in seiner Eigenschaft als gesetzlicher Vertreter der Klägerin zu 4), an die Klägerin zu 2) und an den Anfang Mai 2008 volljährig gewordenen Kläger zu 3)) beschied der Beklagte die Widersprüche. Gegenüber dem Kläger zu 1) gab er dem Widerspruch insoweit statt, als der zu erstattende Betrag auf 1.053,88 EUR herabgesetzt werde. Die Änderung ergebe sich aufgrund zusätzlich zu berücksichtigender Betriebsausgaben. Gegenüber der Klägerin zu 4) wurde die Erstattungsforderung auf 426,71 EUR heraufgesetzt. Gegenüber der Klägerin zu 2) setzte der Beklagte den Erstattungsbetrag auf 1.053,87 EUR fest und wies den Widerspruch im übrigen zurück. Gegenüber dem Kläger zu 3) wurde der Widerspruch als unbegründet zurückgewiesen. Zur Begründung wurde im wesentlichen jeweils ausgeführt, die Anschaffung des PKW`s im Januar 2008 in Höhe von 4.700 EUR könne keine Berücksichtigung finden, da nur auf den Bewilligungszeitraum, der erst am 01.02.2008 beginne, abzustellen sei. Für den Ankauf von PKWs könnten daher nur 44.250 EUR als Betriebsausgaben anerkannt werden. Ferner würden als Betriebsausgaben Telefonkosten in Höhe von 290,10 EUR, Kosten für rote Kennzeichen in Höhe von 291,60 EUR und Kosten für Bahntickets und Benzin in Höhe von 1.199,54 EUR anerkannt, nicht hingegen die Kosten für die BahnCard, da diese bereits im November 2007 erworben worden sei. Unter Zugrundelegung der Betriebseinnahmen in Höhe von 54.550 EUR errechne sich somit ein durchschnittliches monatliches Einkommen des Klägers zu 1) in Höhe von 1386,46 EUR.

Entsprechend den geänderten Berechnungen erließ der Beklagte sodann geänderte Aufhebungs-und Erstattungsbescheide vom 09.06.2009, einerseits gerichtet an den Kläger zu 1) in seiner Eigenschaft als gesetzlicher Vertreterin der Klägerin zu 4), andererseits an den Kläger zu 3) wegen der diesen Klägern gegenüber erhöhten Rückforderungen. Die hiergegen gerichteten Widersprüche wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheiden vom 20.01.2010 und 24.01.2010 zurück. Die Widerspruchsbescheide hob er jedoch in der mündlichen Verhandlung am 26.01.2012 auf, da die Änderungsbescheide vom 09.06.2009 Gegenstand der bereits anhängigen Klage geworden seien.

Diese hatten die Kläger am 26.06.2009 beim Sozialgericht Detmold erhoben, gerichtet gegen die Bescheide vom 10.12.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.05.2009 und die Änderungsbescheide vom 09.06.2009. Zur Begründung trugen die Kläger im wesentlichen vor, die hohen Verluste im Januar 2008 müssten in der Berechnung des Einkommens im Bewilligungszeitraum vom 01.02.2008 bis 31.07.2008 berücksichtigt werden, andernfalls führe das zu willkürlichen Ergebnissen. Es sei eine Kongruenz zwischen Steuer- und Sozialrecht herzustellen. Ausweislich des Steuerbescheides vom 12.10.2009 habe der Kläger zu 1) mit seinem Gewerbebetrieb im Jahr 2008 insgesamt nur Einnahmen in Höhe von 8.984 EUR erwirtschaftet. Im übrigen würden die Kläger Vertrauensschutz geniessen.

Die Kläger haben beantragt,

die Bescheide des Beklagten vom 10.12.2008 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 27.05.2009 und der Änderungsbescheide vom 09.06.2009 aufzuheben.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung seines Klageabweisungsantrags bezog der Beklagte sich im wesentlichen auf die Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden.

Das Sozialgericht Detmold hat die Klage mit Urteil vom 26.01.2012 abgewiesen. Gegenstand des Verfahrens seien auch die Bescheide vom 09.06.2009 geworden, da sie sich inhaltlich mit den Bescheiden vom 10.12.2008 überschnitten und nur die Erstattungsforderungen anders festsetzten. Die Festsetzung der Erstattungsforderung gegenüber den Klägern verstoße nicht gegen den Grundsatz der reformatio in peius, auch wenn die Erstattungsforderung gegenüber den Klägern zu 3) und 4) erhöht worden sei. Wenn bei einem Höhenstreit im Rahmen eines einheitlichen Streitgegenstandes hinsichtlich eines einzelnen Berechnungselementes eine Verschlechterung erfolge, im Ergebnis aber eine Nachzahlung festgesetzt werde, sei das unschädlich. So liege der Fall hier. Rechtsgrundlage für die Aufhebung der Bescheide sei § 330 Abs. 2 SGB III, § 40 SGB II i. V. m. § 45 SGB X. Entgegen der Auffassung des Beklagten sei § 48 SGB X nicht anwendbar. Der Bescheid vom 22.04.2008 sei bereits bei seinem Erlass rechtswidrig gewesen, da nur eine vorläufige Bewilligung wegen der nicht abschließend geklärten Einkommensverhältnisse möglich gewesen sei, tatsächlich aber eine endgültige Festsetzung erfolgt sei. Inhalt und Vorläufigkeit des Bescheides müssten deutlich gemacht werden, das sei aber nicht erfolgt. Eine Aufhebung der Leistungsbewilligung könne nur nach § 45 SGB X erfolgen. Die dennoch auf § 48 SGB X gestützte Aufhebung könne in eine solche nach § 45 SGB X umgedeutet werden. Die Voraussetzungen des § 43 SGB X, nach denen sich die Umdeutung richte, lägen vor, insbesondere handelte es sich vorliegend wegen § 40 SGB II, 330 SGB III um eine gebundene Entscheidung. Die Voraussetzungen des § 45 SGB X seien gegeben. Die Leistungsbewilligung an die Kläger richte sich nach § 7 Abs. 1 S. 1 SGB II. Nach dem nicht angegriffenen Bescheid vom 22.04.2008 in der Gestalt des Änderungsbescheides vom 18.05.2008 sei im streitigen Zeitraum von den dort festgesetzten monatlichen Bedarfen der Kläger auszugehen. Bei der weiteren Prüfung sei nach § 11 Abs. 1 SGB II Einkommen zu berücksichtigen. Im Zusammenhang damit sei die Alg II VO in der ab 01.01.2008 gültigen Fassung anzuwenden. Auszugehen sei danach von den Einnahmen im Bewilligungszeitraum abzüglich der tatsächlich geleisteten Ausgaben. Danach sei der Ankauf des PKWs im Januar 2008 ebensowenig wie der Kauf der BahnCard im November 2007 zu berücksichtigen, da die Ausgaben nicht im Bewilligungszeitraum erfolgt seien. Eine isolierte Betrachtung des Pkw Verkaufs sei nicht möglich. Nach § 3 der Alg II VO sei nur auf den Bewilligungszeitraum abzustellen. Die Berücksichtigung des Monats Januar 2008 aufgrund der zum 01.01.2008 geänderten Verordnung komme nach der Übergangsregelung des § 9 Alg II VO nicht in Betracht. Nur die Berechnungsmethode nach § 3 der genannten Verordnung führe zu gerechten Ergebnissen. Die Voraussetzungen des § 3 Abs. 5 Alg II VO, nach dem auf den Jahreszeitraum abzustellen sei, lägen nicht vor, da die Vorschrift nur eingreife, wenn es um Saisonbetriebe mit stark schwankenden Einkommen gehe. Auf Vertrauensschutz könnten die Kläger sich nicht berufen. Die Kläger hätten nicht gewusst, dass eine endgültige Entscheidung getroffen worden sei, denn andernfalls sei nicht verständlich, aus welchem Grunde sie dann noch nach Ablauf des Bewilligungszeitraums im September 2008 die für die endgültige Festsetzung erforderlichen Unterlagen eingereicht hätten. Auch im Termin hätten die Kläger das so angegeben, gewusst zu haben, dass sich die Änderung in dem Bescheid nur auf die KdU bezögen. Den damals noch minderjährigen Kindern sei die Kenntnis der Eltern zuzurechnen. Im streitigen Zeitraum hätten die Kläger ausweislich der Unterlagen einen Gewinn von 8.318,76 EUR abzüglich der Freibeträge gemacht, daraus errechne sich ein monatliches Einkommen des Klägers zu 1) in Höhe von 1.087,81 EUR zuzüglich des Kindergeldes für zwei Kinder in Höhe von jeweils 154 EUR, insgesamt also 308 EUR. Ebenso sei die Rücknahmefrist des § 45 SGB X gewahrt.

Das Urteil wurde dem Bevollmächtigten der Kläger am 06.03.2012 zugestellt.

Hiergegen richtet sich ihre Berufung vom 29.03.2012. Es sei bereits streitig, ob der Verordnungsgeber bei Erlass der Alg II VO rechtmäßig gehandelt habe, dies insbesondere vor dem Hintergrund der Frage, ob eine Betrachtung auf den Jahreszeitraum nur bei atypischen Betrieben in Betracht komme. Den vom Gericht angenommenen Gewinn habe der Kläger nie erzielt. Im übrigen sei es unzutreffend, wenn das Sozialgericht im Zusammenhang mit der erhöhten Rückforderungssumme und dem Verneinen des Verstoßes gegen das Verbot der reformatio in peius auf die Nachzahlung für Januar in Höhe von 556,22 EUR abstelle, darüber hinaus aber der Meinung sei, die Berücksichtigung des Verlustes aus Januar sei nicht geboten. Hauptstreitpunkt des Verfahrens sei aber die Frage, ob bei der Berechnung des Einkommens allein auf die Bewilligungszeitraum abzustellen sei. Wäre die Verordnung so zu lesen, wie das Sozialgericht es getan habe, hielte sie sich schon nicht im Rahmen der Ermächtigungsgrundlage und wäre verfassungswidrig, weil sie gegen Art. 3, Art. 12 und Art. 14 GG verstoße. Nach Ansicht der Kläger sei vorliegend § 3 Abs. 5 Alg II VO anwendbar, denn eine jährliche Betrachtungsweise sei Grunde zu legen, wenn dies aufgrund der Art der Erwerbstätigkeit angezeigt sei. Das sei nach einer in der Literatur vertretenen Meinung (Streibinger in Gagel, SGB II/SGB III, 44. Ergänzungslieferung 2012, § 11 SGB II Rdz 56) der Fall bei regelmäßigen Tätigkeiten mit regelmäßig wiederkehrenden Einnahmen. Bei der Sichtweise des Sozialgerichts werde in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb des Klägers eingegriffen, denn diese Berechnung könne er nur umgehen, wenn er mit dem Ankauf von Fahrzeugen bis zum Beginn des nächsten Bewilligungsabschnitts warte. Würden fiktive Einnahmen berücksichtigt, läge auch ein Verstoß gegen Artikel 3 GG vor. Aus verfassungsrechtlichen Gründen sei die Verordnung daher einschränkend zu interpretieren. Im übrigen lägen auch die Voraussetzungen für eine Umdeutung nicht vor, denn es handele sich keinesfalls um eine gebundene Entscheidung. In jedem Fall müsse bei einer Rücknahme nach § 45 SGB X eine Abwägung vorgenommen werden, diese führe dazu, dass keine Umdeutung in Betracht komme. Im übrigen könnten die Kläger sich auf Vertrauensschutz berufen, sie hätten das Geld, das ihnen bewilligt worden sei, verbraucht. Es liege eine derart atypische Fallkonstellation vor, dass man sie vorher auf die Rechtsfolgen hätte hinweisen müssen. Insgesamt sei auch noch zu berücksichtigen, dass im SGB II keine zum Steuerrecht diametral stehende Bewertung vorgenommen werden könne.

Die Kläger beantragen,

das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 26.01.2012 abzuändern und die an die Kläger zu 1), 2) und 4) gerichteten Bescheide vom 10.12.2008 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 27.05.2009 und die Änderungsbescheide vom 09.06.2009 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Beklagte hält die Entscheidung des Sozialgerichts für zutreffend und weist insbesondere darauf hin,dass die kalenderjährliche Betrachtung die Ausnahme sei. Das Sozialgericht habe zutreffend ausgeführt, dass Ausnahmetatbestände nicht gegeben seien. Es bestünden auch keine Anhaltspunkte dafür, dass der Verordnungsgeber sich nicht im Rahmen der Verordnung gehalten habe. Sachliche Gründe für eine Parallelwertung zum Steuerrecht lägen nicht vor. Auch seien keine Eingriffe in Grundrechte erkennbar. Dem Kläger würde nichts weggenommen, eine Verletzung von Art. 3 GG komme schon deshalb nicht Betracht, weil eine Gleichbehandlung steuerrechtlicher und sozialrechtlicher Einkommensermittlung gerade nicht geboten sei. Entgegen der Auffassung des Klägers stünde eine Aufhebung nach § 45 SGB X aufgrund der gesetzlichen Regelung gerade nicht im Ermessen der Behörde, es sei vielmehr eine gebundene Entscheidung. Vertrauensschutzgesichtspunkte für die Kläger seien aus den vom Sozialgericht genannten Gründen nicht erkennbar.

Der Beklagte hat im Termin zur mündlichen Verhandlung nach Hinweis des Senats auf die Rechtsprechung des BSG im Urteil vom 07.07.2011 - B 14 AS 153/10 - die den Kläger zu 3) betreffenden Bescheide aufgehoben, da der Kläger zu 3), der bis in das Jahr 2010 hinein weiter im Bezug von Leistungen nach dem SGB II stand, zwischen Erlass des Ausgangsbescheides und des Widerspruchsbescheides volljährig geworden war und aus diesem Grunde nicht über die Vertretungsregelung für Bedarfsgemeinschaften im SGB II für Verbindlichkeiten in Anspruch genommen werden kann. Ferner hat der Beklagte die Kosten des Verfahrens hierfür in Höhe von 1/5 übernommen. Der Bevollmächtigte hat dieses Teilanerkenntnis angenommen.

Wegen der weiteren Darstellung des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichts- und Verwaltungsakten des Beklagten, die der Senat beigezogen hat und deren Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, sowie auf den Vortrag der Beteiligten im übrigen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Kläger zu1), 2) und 4) ist zulässig, insbesondere fristgerecht erhoben, sie ist aber nicht begründet.

Streitgegenständlich im Berufungsverfahren ist nach Abgabe des Teilanerkenntnisses des Beklagten im Termin vor dem erkennenden Senat nur noch die Aufhebung und Rückforderung der für die Monate Februar 2008 bis einschließlich Juli 2008 bewilligten Leistungen gegenüber den Klägern zu 1), 2) und 4).

Im Ergebnis zu Recht hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen, denn die Kläger zu 1), 2) und 4) sind durch die angefochtenen Bescheide nicht beschwert im Sinne des § 54 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Der Beklagte hat zu Recht die bewilligten Leistungen aufgehoben und im streitigen Umfang zurückgefordert. Zur Vermeidung von Wiederholungen verweist der Senat hierzu auf die Gründe der erstinstanzlichen Entscheidung, die er sich nach Prüfung der Sach- und Rechtslage zu eigen macht (§ 153 Abs. 2 SGG).

Klarstellend weist der Senat jedoch auf Folgendes hin. Mit den Klägern ist zutreffend davon auszugehen, dass das Sozialgericht zu Unrecht einen Verstoß gegen das Verbot der reformatio in peius mit der Begründung verneint hat, dass eine Verböserung nicht vorliege, wenn bei einem Höhenstreit im Rahmen eines einheitlichen Streitgegenstandes hinsichtlich eines einzelnen Berechnungselements eine Verschlechterung erfolge, im Ergebnis aber eine Nachzahlung festgesetzt werde. Eine solche Nachzahlung wurde zwar für den Monat Januar 2008 festgesetzt, dieser ist jedoch nicht streitgegenständlich, so dass sich die erhobenen Widersprüche der Kläger auch nicht auf diesen Monat beziehen. Das wiederum hat zur Folge, dass die im Januar 2008 festgesetzte Nachzahlung nicht zur Begründung dafür herangezogen werden kann, dass eine Verböserung im nachfolgenden Bewilligungsabschnitt zulässig sei. Dennoch steht entgegen der Ansicht der Kläger das Verbot der reformatio in peius vorliegend der höheren Festsetzung der Rückforderung nicht entgegen. Die Zulässigkeit der gesetzlich nicht geregelten reformatio in peius ist umstritten. Grundsätzlich wird sie nicht für unzulässig gehalten, im Zusammenhang damit werden jedoch verfahrensrechtliche und materiellrechtliche Fragen diskutiert. Die verfahrensrechtlichen Fragen beziehen sich auf die Kompetenz der Widerspruchsbehörde, insbesondere darauf, ob sie nur eine Rechtmäßigkeitskontrolle der Ausgangsentscheidung ohne eigene Sachentscheidung vornehmen darf und ansonsten inhaltlich an die Entscheidung der Ausgangsbehörde gebunden ist. Das ist vorliegend jedoch nicht der Fall, denn die Widerspruchsbehörde kann den Ausgangsbescheid auch inhaltlich abändern. Im Zusammenhang mit den materiellrechtlichen Fragen wird die Zulässigkeit der reformatio in peius davon abhängig gemacht, ob ein ausreichender Vertrauensschutz gewährleistet ist. Sie wird auf diese Fälle begrenzt. Der Vertrauensschutz wird aus den entsprechenden verfahrensrechtlichen Regelungen abgeleitet (§§ 48ff. VwVfG bzw. §§ 45, 48 SGB X (vgl. hierzu Hauck, Nofz Kommentar zum SGB X, Stand Juli 2013 § 39 Rdz. 8; Kopp/Ramsauer, Kommentar zum VwVfG, 13. Auflage 2012 § 79 Rdz. 52ff.; und Busch in Knack VwVfG 8. Auflage 2000, § 79 Rdz. 188ff.)). Der Vertrauensschutz des Widerspruchsführers wird jedoch nur nach den Rechtsgrundsätzen der genannten Vorschrift geprüft, nicht anhand deren Anwendung (Busch in Knack, a. a. o. Rdz. 189).

Diese Vertrauensschutzgesichtspunkte greifen vorliegend nicht für die Kläger ein mit der Folge, dass ein Verstoß gegen die reformatio in peius nicht gegeben ist. Der Beklagte hat zwar mit dem Änderungsbescheid vom 22.04.2008 die Leistungen für den streitigen Zeitraum endgültig festgesetzt, jedoch sind die Kläger, was auch das Sozialgericht zutreffend festgestellt hat, nur von einer vorläufigen Bewilligung ausgegangen. Hierfür spricht unstreitig die Tatsache, dass sie im September 2008 noch Unterlagen für den streitigen Zeitraum eingereicht haben, die für die endgültige Berechnung der Leistungen maßgeblich waren. Gehen die Kläger hingegen von einer vorläufigen Bewilligung aus - auch wenn der Bescheid fälschlicher Weise eine endgültige Bewilligung festsetzt - können sie kann Vertrauensschutz im Widerspruchsverfahren dahingehend geltend machen, dass die Rückforderungssumme nicht mehr zu verändern sei, die vorliegend nur um 6 EUR zum Nachteil der Kläger heraufgesetzt worden ist. Mit einem solchen Vortrag würden sie sich zu ihrem eigenen Verhalten in Widerspruch setzen.

Auch mit ihrem weiteren Vorbringen zur Begründung ihres Rechtsmittels vermögen die Kläger nicht durchzudringen. Anhaltspunkte dafür, dass der Verordnungsgeber bei Erlass der Alg-VO unzulässig gehandelt haben könnte, sieht der Senat nicht. Der Gesetzgeber hat in § 13 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 HS 2 SGB II den Rahmen dafür vorgegeben, in der Verordnung darzulegen, wie das Einkommen im Einzelnen zu berechnen ist. Dementsprechend spiegelt sich in ihr die Rechtsprechung des BSG zum Zuflussprinzip wieder (§ 3 Abs. 1 S. 2 Alg-VO). Auch hat der Verordnungsgeber in der Vorschrift Bezug genommen auf die in § 41 SGB II geregelten Bewilligungszeiträume. Da die Leistungen nach dem SGB II für den Zeitraum von sechs Monaten gewährt und berechnet werden, soll auch dieser Zeitraum für die Berechnung des Einkommens maßgeblich sein. Damit soll die Möglichkeit geschaffen werden, Einnahmen und Ausgaben für die Tätigkeit innerhalb dieses Bewilligungszeitraumes miteinander auszugleichen (Hengelhaupt in Hauck/Nofz, SGB II, Stand November 2012, § 13 Rdz. 195). Es sind damit keine Anhaltspunkte erkennbar, die darauf schließen lassen, dass der Verordnungsgeber bei Erlass der Alg-II-Verordnung den Rahmen der Ermächtigungsgrundlage, den der Gesetzgeber in § 13 SGB II abgesteckt hat, überschritten hat.

Entgegen der Ansicht der Kläger verstößt die Alg-VO auch nicht gegen höherrangiges Recht. Der Schutzbereich, der als verletzt genannten Grundrechte der Art. 3, 12 und 14 GG ist nicht betroffen.

Art. 3 GG verbietet wesentlich Gleiches, ohne sachlichen Grund verschieden zu behandeln. Der sachliche Grund für eine unterschiedliche Behandlung von Einkommen unter steuerrechtlichen Gesichtspunkten und grundsicherungsrechtlich relevanten Aspekten liegt im Sinn und Zweck des SGB II. Dieses dient allein dem Zweck, im Bewilligungszeitraum gegenwärtig und damit aktuell tatsächlich auftretende Bedarfe durch bedarfsbereite Mittel zu decken. Das ergibt sich bereits aus dem Wortlaut des § 11 SGB II, in dem definiert wird, dass als Einkommen zu berücksichtigen sind Einnahmen in Geld oder Geldeswert abzüglich der nach § 11b abzusetzenden Beträge mit Ausnahme der in § 11a genannten Einnahmen, während demgegenüber das Steuerrecht nicht bedarfsorientiert geprägt ist. Aus diesem Grunde ist auch entgegen der Auffassung der Kläger keine Kongruenz zwischen dem SGB II und dem Steuerrecht herzustellen. Dies ergibt sich insbesondere aus einer jüngsten Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 22.08.2013 - B 14 AS 1/13 R -, nach der eine von einer Kommanditgesellschaft vereinnahmte Umsatzsteuer wie die übrigen Einnahmen bei der Berechnung des Einkommens zu berücksichtigen ist und dies nur dann nicht der Fall ist, wenn sie im Laufe des Bewilligungsabschnitts als notwendige Betriebsausgabe gezahlt wurde (vgl. hierzu Terminsbericht Nr. 41/13 vom 23.08.2013 lfd. Ziff. 4). Diese Rechtsprechung macht deutlich, dass zur Verfügung stehende bedarfsbereite Mittel unabhängig von der steuerrechtlichen Bewertung zur Bedarfsdeckung einzusetzen sind.

Ebenso wenig liegt eine Verletzung von Art. 12 GG vor. Es bedarf keiner weiteren Vertiefung, dass der Kläger durch die Berechnung seines Einkommens bei Bezug von Leistungen nach dem SGB II nicht an der Ausübung seines Berufes gehindert ist.

Gleiches gilt für eine Verletzung von Art. 14 GG, der das Eigentum schützt und den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb als eigentumsgleiches Recht miterfasst. Eine Verletzung dieses Rechts setzt jedoch - einen zielgerichteten - Eingriff voraus, von dem vorliegend im Rahmen der Leistungsverwaltung nicht die Rede sein kann. Das ändert sich auch nicht dadurch, dass der Kläger ihm bewilligte Leistungen zu erstatten hat, denn dies stellt keinen Eingriff in grundrechtlich geschützte Positionen dar.

Gegen die Richtigkeit der vom Kläger vertretenen Auffassung, der Ankauf des PKWs im Januar 2008 und der Verkauf im Februar 2008 stelle eine Einheit dar, spricht auch die Überlegung, dass ausgehend von dieser Annahme die Einnahme von 5.000 EUR durch Verkauf des PKWs im Februar 2008 die Betriebsausgabe von 4.700 EUR im Januar 2008 mindern müsste, wenn der Kläger zum 31.01.2008 aus dem Leistungsbezug ausgeschieden wäre. Diese Handhabung wäre genauso fernliegend, wie die im vorliegenden Verfahren begehrte Berechnung der von ihm beantragten Leistungen. Der Kläger ist durch die Beschränkung der Berechnung seiner Leistungen auf die jeweiligen Bewillungszeiträume ausreichend geschützt, da diese die Ein- und Ausnahmen im Bedarfszeitraum berücksichtigen.

Auch die Ansicht des Klägers, vorliegend müsse auf Grund der Vorschrift des § 3 Abs. 5 Alg-VO in der ab 01.01.2008 gültigen Fassung eine jährliche Betrachtung vorgenommen werden, greift nicht. Dagegen spricht bereits der Wortlaut der Vorschrift, die nur für den Fall, dass auf Grund der Art der Erwerbstätigkeit eine jährliche Berechnung angezeigt ist, auch eine Erweiterung des Berechnungszeitraums in Betracht zu ziehen ist. Die Formulierung macht deutlich, dass hier Besonderheiten zum Ausdruck kommen müssten, die vorliegend jedoch nicht erkennbar sind. Ein Gebrauchtwagenhandel weist keine Atypik auf, wie etwas das Betreiben einer Eisdiele oder eines Erdbeerfeldes, welche naturgemäß nur saisonbedingte Einnahmen verschaffen. Dem gegenüber sind monatliche Schwankungen der Einnahmen bei Selbstständigen üblich und begründen keine Atypik in der Anwendung. Diese lässt sich auch nicht aus der von den Klägern zitierten Fundstelle von Striebinger in Gargel (Kommentar zum SGB II/SGB III, 44. Lieferung 2012, § 11 SGB II, Rdz. 56) ableiten, denn auch dort heißt es nur, dass eine jährliche Berechnung des Einkommens ermöglicht werden soll, wenn dies auf Grund der Art der Erwerbstätigkeit angezeigt ist. Auch damit wird zum Ausdruck gebracht, dass eine von den Normalfällen abweichende Besonderheit vorliegen muss.

Schlussendlich können sich die Kläger mit ihrem Vortrag, sie hätten das Geld, das ihnen bewilligt worden sei, verbraucht, nicht auf Vertrauensschutz berufen, denn dieser Vortrag zielt allenfalls bei einem Bereicherungsanspruch auf den Wegfall der Bereicherung ab, bei einem öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch ist hingegen der Wegfall der Bereicherung ausgeschlossen. In gleicher Weise liegt der Vortrag, die Aufhebungsentscheidung liege im Ermessen des Beklagten, neben der Sache, wie sich aus den eindeutigen Worten aus den §§ 40 Abs. 2 Nr. 3 SGB II, 330 Abs. 2 und 3 SGB III ergibt.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG nicht vorliegen, sieht der Senat nicht. Die hier streitigen Fragen, insbesondere der Bedarfsdeckung und des Zuflussprinzips, sind höchstrichterlich geklärt. Die Frage, ob ein Gebrauchtwagenhandel vergleichbar ist mit einem Saisonbetrieb, wie einer Eisdiele, ist keine grundsätzlich klärungsbedürftige Frage.
Rechtskraft
Aus
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