L 3 AS 770/13

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
3
1. Instanz
SG Leipzig (FSS)
Aktenzeichen
S 23 AS 3972/12
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 3 AS 770/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Bei der Regelung im Sinne von § 42 Satz 2 SGB II handelt es sich weder um eine Aufrechnung noch um eine Sonderform der Aufrechnung, eine Sonderform der Verrechnung oder eine Sonderform der Anrechnung, sondern um ein eigenständiges Rechtsinstitut.

2. Bei einer Entscheidung über einen Kostenabzug nach § 42 Satz 2 SGB II handelt sich um einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung.

3. Vor dem Erlass einer Entscheidung über einen Kostenabzug nach § 42 Satz 2 SGB II kann gemäß § 40 Abs. 1 Satz 1 SGB II i. V. m. § 24 Abs. 2 Nr. 2 SGB X von einer Anhörung abgesehen werden.

4.Die Rechtmäßigkeit eines Kostenabzuges nach § 42 Satz 2 SGB II setzt voraus, dass 1. der Leistungsberechtigte die Übermittlung verlangt oder eine Leistungserbringung durch Überweisung nicht möglich ist, weil er über kein Bankkonto verfügt, 2. ein Ausnahmefall nach § 42 Satz 3 SGB II nicht nachgewiesen, 3. durch die Übermittlung tatsächlich Kosten verursacht worden sind.

5. Maßgebend ist bei einer Entscheidung über die Rechtmäßigkeit eines Kostenabzuges nach § 42 Satz 2 SGB II die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung.

6. Für die ihn nach § 42 Satz 3 SGB II begünstigenden Tatbestandsvoraussetzungen trägt nach den allgemeinen Regeln der Leistungsberechtigte die materielle Beweislast.

7. Wenn es ein Leistungsberechtigter unterlässt, überhaupt die Einrichtung eines Kontos zu beantragen, liegt keine Unmöglichkeit einer Kontoeröffnung vor.

8. Die Kostenfreiheit der Übermittlung von Geldleistungen bedeutet nur, dass lediglich die bei dem Leistungsträger entstehenden Überweisungs- und Verwaltungskosten nicht auf den Leistungsempfänger abgewälzt werden können. Hingegen hat der Leistungsempfänger eine etwaige Kontoführungsgebühr oder durch die Abhebung der Leistung anfallende Buchungsgebühr selbst zu tragen.

9. Für die Frage, welche Kosten im Sinne von § 42 Satz 2 SGB II verursacht sind, ist auf die Kausalitäts- oder Zurechnungslehre der wesentliche Bedingung zurückzugreifen
I. Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Leipzig vom 8. März 2013 wird zurückgewiesen.

II. Die außergerichtlichen Kosten des Klägers sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich dagegen, dass ihm die durch die Auszahlung von Arbeitslosengeld II per Scheck entstehenden Kosten abgezogen werden.

Der 1957 geborene, erwerbsfähige Kläger bezieht seit 1. Januar 2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II). Im Erstantrag gab er keine Kontonummer an. Er legte im Zusammenhang mit dem Erstantrag Bescheinigungen der Volksbank Leipzig sowie der Bayerischen Hypo- und Vereinsbank AG vom 25. November 2005 vor, wonach er kein Konto erhalte.

Nachdem der Kläger am 15. November 2011 einen Fortzahlungsantrag gestellt und der Beklagte ihn daraufhin zur Vorlage von Vermögensnachweisen aufgefordert hatte, reichte der Kläger am 5. Dezember 2011 das Formular Anlage VM ein, in dem erneut keine Kontonummer angegeben war.

Mit Bescheid vom 12. Dezember 2011 bewilligte der Beklagte dem Kläger Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II für die Monate Januar 2012 bis Juni 2012.

Mit Schreiben vom 12. Dezember 2011 forderte der Beklagte den Kläger auf, einen Nachweis über die Gewährung eines P-Kontos (Pfändungsschutzkonto) vorzulegen. Auf das Erinnerungsschreiben vom 5. Januar 2012 erklärte der Kläger am 12. Januar 2012, dass er nicht bereit sei, sich um ein P-Konto zu kümmern. Daraufhin teilte der Beklagte dem Kläger mit Schreiben vom selben Tag mit, dass die Leistungen ab dem 1. Februar 2012 "per Scheck mit Gebühren" angewiesen würden. Nach den Angaben des Beklagten im Berufungsverfahren handelt es sich um einen Postscheck (Zahlungsanweisung zur Verrechnung), der nur bei der Postbank eingelöst werden kann. Die Kosten betragen 2,10 EUR als Grundentgelt sowie abhängig von der Höhe des Auszahlungsbetrages eine zusätzliche Gebühr. Das Grundentgelt wird sofort von der Geldleistung abgezogen. Die zusätzliche Gebühr wird bei der Einlösung einbehalten.

Der Kläger stellte am 14. Mai 2012 einen Fortzahlungsantrag, auf den hin ihm mit Bescheid vom 18. Mai 2012 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II für die Monate Juli 2012 bis Dezember 2012 bewilligt wurden.

Der Kläger legte mit Schreiben vom 1. November 2012 Widerspruch "gegen den monatlichen Abzug von 5 EUR" ein. Der Beklagte verwarf diesen mit Widerspruchsbescheid vom 12. November 2012 als unzulässig, weil es sich bei dem Schreiben vom 12. Januar 2012 nicht um einen Verwaltungsakt handle.

Der Kläger hat am 3. Dezember 2012 Klage erhoben. Der Entzug von Leistungen, ob direkt oder indirekt, sei zu unterlassen. In seiner Erklärung vom 3. Januar 2013 hat er angegeben, seit 1. Januar 2005 ausschließlich am Barscheckverkehr teilzunehmen, weil er kein Konto besitze. Seit 1. Januar 2012 würden ihm 5,00 EUR abgezogen. Er beantrage zugleich die Erhöhung seiner Leistung rückwirkend ab 1. Januar 2012 um jeweils 5,00 EUR. Er wäre damit einverstanden, sein Bargeld über den Auszahlungsmonitor des Beklagten selbst abzuholen, wenn seine Fahrkosten bezahlt würden. Er habe nicht vor, ein Konto bei irgendeiner Bank zu unterhalten.

Das Sozialgericht hat den Kläger mit Schreiben vom 5. Februar 2012 auf die Regelungen in § 42 SGB II sowie auf Regelungen und Selbstverpflichtungserklärungen zur Errichtung eines Kontos einschließlich eines Pfändungsschutzkontos hingewiesen. Sofern an der Klage festgehalten werde, werde gebeten, Bescheinigungen von mindestens drei Geldinstituten, darunter mindestens einer Sparkasse, vorzulegen, bei denen die Einrichtung eines Kontos erfolglos versucht worden sei. Daraufhin hat der Kläger am 14. Februar 2013 erklärt, dass die Selbstverpflichtung der deutschen Kreditwirtschaft ihn als Leistungsempfänger nicht verpflichte.

Das Sozialgericht hat die Klage nach Anhörung der Beteiligten mit Gerichtsbescheid vom 8. März 2013 abgewiesen. Zwar hätte der Widerspruch nicht als unzulässig verworfen werden dürfen, weil es sich bei der Entscheidung nach § 42 Satz 2 SGB II um einen Verwaltungsakt handle. Wenn jedoch der Widerspruchsbescheid gegenüber dem Ausgangsbescheid eine zusätzliche Beschwer in Gestalt der unzutreffenden Verwerfung des Widerspruches als unzulässig enthalte, das verfolgte Verpflichtungs-, Leistungs- oder Feststellungsbegehren aber nicht bestehe, sei die Klage insgesamt abzuweisen. Der Kläger habe die Kosten der Scheckauszahlung zu tragen, weil er nicht nachgewiesen habe, dass ihm die Einrichtung eines Kontos bei einem Geldinstitut ohne eigenes Verschulden nicht möglich sei. In Bezug auf die Möglichkeiten, ein Konto einrichten zu können, hat das Sozialgericht unter anderem auf die Regelung über die Verpflichtung zur Führung von Girokonten in § 5 der Verordnung des Sächsischen Staatsministeriums der Finanzen über die Geschäfte und die Verwaltung der Sparkassen (Sächsische Sparkassenverordnung – SächsSpkVO) vom 11. Januar 2002 (SächsGVBl. S. 52, zuletzt geändert durch Verordnung vom 1. September 2003 [SächsGVBl. S. 388]) und die Empfehlung der Deutschen Kreditwirtschaft zum "Girokonto für jedermann" hingewiesen. Das Sozialgericht ist von der Zulässigkeit der Berufung ausgegangen, weil die angefochtene Entscheidung des Beklagten ohne zeitliche Beschränkung für die Zeit ab Februar 2012 ergangen sei.

Der Kläger hat gegen den ihm am 12. März 2013 zugestellten Gerichtsbescheid am 9. April 2013 "ohne Bezeichnung eines Rechtbehelfs ein Rechtsmittel" eingelegt, was "ohne Beschränkung" erfolge. Er hat keinen Antrag gestellt. Der Kläger vertritt die Auffassung, dass die notwendigen Nachweise für einen Mehrbedarf an Leistungen erbracht seien. Der Beklagte habe im Übrigen bei der Abgabe des Barschecks für den Monat Dezember 2012 die Kosten übernommen. Ein Leistungsempfänger sei nicht verpflichtet, ständig die Banken zu bitten oder betteln, ein Konto zu erhalten. Es verstoße gegen die Handlungsfreiheit, mit einem Dritten Verträge abzuschließen.

Der Kläger beantragt (unter Berücksichtigung seines Klagevorbringens) sinngemäß,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichtes Leipzig vom 8. März 2013 aufzuheben und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheid des Beklagten vom 12. Januar 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. November 2012 aufzuheben sowie den Beklagten zu verpflichten, seine Leistungen rückwirkend ab dem 1. Januar 2012 um jeweils 5,00 EUR zu erhöhen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Berufung sei bereits unzulässig, weil es nicht sachgerecht erscheine, das Klagebegehren über den damaligen Bewilligungszeitraum hinaus als vom 1. Januar 2012 an unbegrenzt in die Zukunft gerichtet zu bewerten. Jedenfalls aber sei die Berufung unbegründet.

Die an den Kläger mit Schreiben vom 25. Juni 2013 gerichtete Bitte mitzuteilen, bei welchen Banken er wann wegen einer Kontoeröffnung nachgefragt habe, ist ohne Reaktion geblieben.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten aus beiden Verfahrenszügen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I. Das Gericht konnte trotz Ausbleibens des Klägers verhandeln und entscheiden, weil er hierauf in der Ladung hingewiesen worden ist (vgl. § 153 Abs. 1 i. V. m. § 110 Abs. 1 Satz 2 des Sozialgerichtsgesetzes [SGG]).

II. Das Rechtsschutzbegehren des Klägers, der keinen Berufungsantrag gestellt hat, ist auszulegen. (vgl. § 123 SGG)

Der Kläger wendet sich dagegen, dass er nicht die bewilligten Leistungen in voller Höhe ausgezahlt erhält, sondern dass ihm monatlich 5,00 EUR abgezogen werden. Dies beruht darauf, dass der Beklagte ihm die Geldleistungen nicht auf ein Bankkonto überweist, sondern per Scheck auszahlt. Die Rechtsgrundlage für den Abzug der durch die Auszahlung per Scheck entstehenden Kosten findet sich in § 42 Satz 2 SGB II, die Rechtsgrundlage für die Entscheidung, ausnahmsweise von einem solchen Abzug abzusehen, in § 42 Satz 3 SGB II. Das primäre Rechtsschutzziel des Klägers besteht darin, den Kostenabzug nach Maßgabe dieser Regelungen zu verhindern. Sofern ihm dies nicht gelingen sollte, besteht sein sekundäres Rechtsschutzziel darin, die auf Grund von § 42 SGB II erlittenen Einbußen dadurch auszugleichen, dass der Beklagte ihm den Differenzbetrag zwischen den bewilligten und den ausgezahlten Leistungen zusätzlich erbringt. In diesem zweiten Sinne ist der Antrag des Klägers im Schreiben vom 3. Januar 2013, seine Leistung rückwirkend ab 1. Januar 2012 um jeweils 5,00 EUR zu erhöhen, zu verstehen.

III. Die dergestalt ausgelegte Berufung ist zulässig, insbesondere statthaft.

Die Berufung an das Landessozialgericht findet gemäß § 143 SGG gegen die Urteile der Sozialgerichte statt, soweit sich aus den Vorschriften des Ersten Unterabschnitts zum Zweiten Abschnitt des Zweiten Teils des Sozialgerichtsgesetzes (§§ 143 bis 159 SGG) nichts anderes ergibt. Gemäß § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG bedarf die Berufung der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluss des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750 EUR nicht übersteigt. Das gilt gemäß § 144 Abs. 1 Satz 2 SGG nicht, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft.

Die Klage des Klägers betrifft einen auf eine Geldleistung gerichteten Verwaltungsakt im Sinne von § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG. Denn bei der Mitteilung des Beklagten vom 12. Januar 2012 handelt es sich nicht bloß um ein formloses Hinweisschreiben zu Modalitäten der Leistungszahlung, sondern um einen Verwaltungsakt im Sinne von § 31 Satz 1 des Sozialgesetzbuches Zehntes Buch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – (SGB X), wie das Sozialgericht zutreffend ausführte. Der Beklagte traf am 12. Januar 2012 eine Entscheidung, nämlich die nach § 42 Satz 2 SGB II, zur Regelung eines Einzelfalles auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts, die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen, nämlich gegenüber dem Kläger, gerichtet war.

Die Rechtsgrundlagen zur Auszahlung von Geldleistungen im Recht der Grundsicherung für Arbeitsuchende finden sich vom 1. Januar 2005 an in § 42 SGB II und wurden mit Wirkung zum 1. April 2011 lediglich redaktionell geändert (vgl. Artikel 2 Nr. 32 des Gesetzes vom 24. März 2011 [BGBl. I S. 453]). Nach § 42 Satz 1 SGB II in der vom 1. April 2011 bis zum 8. April 2013 geltenden Fassung wurden Geldleistungen nach dem SGB II auf das im Antrag angegebene inländische Konto bei einem Geldinstitut überwiesen. Seit 9. April 2013 werden sie auf das im Antrag angegebene Konto bei einem Geldinstitut, für das die Verordnung (EU) Nr. 260/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. März 2012 zur Festlegung der technischen Vorschriften und der Geschäftsanforderungen für Überweisungen und Lastschriften in Euro und zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 924/2009 (ABl. L 94 vom 30. März 2012, S. 22) gilt, überwiesen (vgl. Artikel 9 Abs. 1 des Gesetzes vom 3. April 2013 [BGBl. I S. 453]). Wenn sie an den Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt der Leistungsberechtigten übermittelt werden, sind gemäß § 42 Satz 2 SGB II die dadurch veranlassten Kosten abzuziehen. Dies gilt gemäß § 42 Satz 3 SGB II nicht, wenn Leistungsberechtigte nachweisen, dass ihnen die Einrichtung eines Kontos bei einem Geldinstitut ohne eigenes Verschulden nicht möglich ist.

Rechtsgrundlage für die Behördenentscheidung, bewilligte Leistungen nur unter Abzug der durch deren Übermittlung an den Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt der Leistungsberechtigten veranlassten Kosten auszuzahlen, ist § 42 Satz 2 SGB II. In der Entscheidung wird für den konkreten Einzelfall geregelt, dass eine Auszahlung der bewilligten Leistungen nur in dem nach Maßgabe der Ausnahmeregelung in § 42 Satz 2 SGB II verringerten Umfang erfolgt. Dieser Regelung liegen zwei Prüfungskomponenten zugrunde, nämlich zum einen das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen der Ausnahmeregelung in § 42 Satz 2 SGB II und zum anderen das Nichtvorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen der Rückausnahmeregelung in § 42 Satz 3 SGB II. Diese zweite Prüfungskomponente ist aus zwei Gründen mitenthalten. Erstens darf ein Leistungsträger keinen Abzug entsprechend § 42 Satz 2 SGB II vornehmen, ohne dass der Leistungsempfänger zuvor gemäß § 14 des Sozialgesetzbuches Erstes Buch – Allgemeiner Teil – (SGB I) einen Hinweis oder eine Beratung erhalten hat (vgl. hierzu unten IV.2.c[2]). Diese Hinweis- oder Beratungspflicht besteht nicht nur, wenn der Leistungsempfänger entsprechend § 42 Satz 2 SGB II die Übermittlung der Leistung an seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt wünscht (so aber M. Mayer, in: Oestreicher, SGB XII/SGB II [Stand: 68. Erg.-Lfg., März 2013], § 42 SGB II Rdnr. 29), sondern im Regelfall (vgl. Kallert, in: Gagel, SGB II/SGB III [Stand: Erg.-Lfg. IV/2013, Mai 2013], § 42 Rdnr. 69). Zweitens hat eine Behörde den Sachverhalt von Amts wegen zu ermitteln (vgl. § 20 Abs. 1 Satz 1 SGB X) und alle für den Einzelfall bedeutsamen, auch die für die Beteiligten günstigen Umstände zu berücksichtigen (vgl. § 20 Abs. 2 SGB X). Solche für den Leistungsempfänger günstigen Umstände sind im vorliegenden Zusammenhang die Unmöglichkeit einer Kontoeinrichtung und ein fehlendes Verschulden im Sinne von § 42 Satz 3 SGB X.

Wenn zur Entscheidung nach § 42 Satz 2 SGB II unstreitig ist, dass es sich um einen Verwaltungsakt im Sinne von § 31 Satz 1 SGB X handelt, besteht in der Kommentarliteratur jedoch keine Einigkeit darüber, welche Rechtsnatur diesem Verwaltungsakt zuzumessen ist.

Verbreitet wird die Auffassung vertreten, es handle sich um eine Aufrechnung (vgl. Conradis, in: Münder [Hrsg.], SGB II [5. Aufl., 2013], § 42 Rdnr. 8; Coseriu/Holzhey, in: Linhart/Adolph, Sozialgesetzbuch II, Sozialgesetzbuch XII, Asylbewerberleistungsgesetz [Stand: 82. Erg.-Lfg, Mai 2013], § 42 SGB II Rdnr. 14; Frank, in: Hohm [Hrsg.], Gemeinschaftskommentar zum SGB II [Stand: 32. Erg.-Lfg,, Mai 2013], § 42 Rdnr. 11) oder doch um eine Sonderform der Aufrechnung (vgl. Burkiczak, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II [3. Aufl., 2012], § 42 Rdnr. 19; Hengelhaupt, in: Hauck/Noftz, SGB II [Stand: Erg.-Lfg. IV/2013, Mai 2013], § 42 Rdnr. 69; M. Mayer, a. a. O., § 42 SGB II Rdnr. 30; Kapp, in: Rolfs/Giesen/Kreikebohm/Udsching [Hrsg.], Beck scher Online-Kommentar Sozialrecht [Stand: 1. März 2013], § 42 SGB II Rdnr. 10).

Dem steht jedoch entgegen, dass der Gegenanspruch, mit dem aufgerechnet werden soll, entstanden und fällig sein muss (vgl. BSG, Urteil vom 24. Juli 2003 – B 4 RA 60/02 RSozR 4-1200 § 52 Nr. 1 = JURIS-Dokument Rdnr. 24; zur Fälligkeit: Pflüger, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB I [2. Auflage 2011], § 51 Rdnr. 37 ff.; Burkiczak, a. a. O., § 42 Rdnr. 20). An beiden Voraussetzungen fehlt es bei der angefochtenen Erklärung des Beklagten, einen Kostenabzug nach Maßgabe von § 42 Satz 2 SGB II vorzunehmen. Denn die Regelung ist zeitlich unbegrenzt erlassen worden. Sie gilt solange, wie sich der Kläger im Leistungsbezug beim Beklagten befindet und die Voraussetzungen von § 42 Satz 2 SGB II gegeben sind. Es handelt sich mithin um einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung. Dies bedeutet, dass die angefochtene Regelung des Beklagten auch Leistungsbewilligungen für künftige Zeiträume betrifft. Die in der Zukunft gelegenen Ansprüche sind aber weder entstanden noch fällig.

Dieser zeitlichen Komponente hat der Gesetzgeber in der Sonderregelungen in § 42a Abs. 2 Satz 1 SGB II Rechnung getragen. Danach werden Rückzahlungsansprüche aus Darlehen ab dem Monat, der auf die Auszahlung folgt, durch monatliche Aufrechnung in Höhe von 10 Prozent des maßgebenden Regelbedarfs getilgt, "solange Darlehensnehmer Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts beziehen." Auch die Aufrechnungsvorschrift des § 43 SGB II enthält den in die Zukunft gerichteten Aspekt, wenn nach § 43 Abs. 4 Satz 1 SGB II die Aufrechnung "spätestens drei Jahre nach dem Monat, der auf die Bestandskraft der in Absatz 1 genannten Entscheidungen folgt", endet.

Zudem spricht die Wortlautauslegung dagegen, die Erklärung nach § 42 Satz 2 SGB II als Aufrechnung oder Sonderform der Aufrechnung zu begreifen. Denn wenn der Gesetzgeber in § 42a Abs. 2 Satz 1 und 2 SGB II sowie an verschiedenen Stellen in § 43 SGB II den Begriff des Rechtsinstituts der Aufrechnung, das im Allgemeinen Teil des Sozialgesetzbuches in § 51 SGB I normiert ist, verwendet, demgegenüber aber in § 42 Satz 2 SGB II vom "Abzug" von Kosten spricht, ist dies ein gewichtiges Indiz dafür, dass verschiedene Regelungsansätze gewollt sind. Auch in der Gesetzesbegründung zur Regelung in § 337 Abs. 1 Satz 2 des Sozialgesetzbuches Drittes Buch – Arbeitsförderung – (SGB III), die der in § 42 Satz 2 SGB II entspricht, wird nur davon gesprochen, dass die bei der Bundesanstalt für Arbeit anfallenden Kosten bei Auszahlung der Geldleistungen "abzuziehen" sind (vgl. BT-Drs. 13/4941 S. 214).

Die Entscheidung nach § 42 Satz 2 SGB II ist auch kein Sonderfall der in § 52 SGB I geregelten Verrechnung. Danach kann der für eine Geldleistung zuständige Leistungsträger mit Ermächtigung eines anderen Leistungsträgers dessen Ansprüche gegen den Berechtigten mit der ihm obliegenden Geldleistung verrechnen, soweit nach § 51 SGB I die Aufrechnung zulässig ist. Die Verrechnung ist faktisch eine Aufrechnung, bei der das Erfordernis der Gegenseitigkeit entfällt (vgl. Seewald, in: Kasseler Kommentar – Sozialversicherungsrecht – [Stand: 77. Erg.-Lfg., März 2013], § 52 Rdnr. 2; Pflüger, a. a. O., § 52 Rdnr. 8). Aber auch hier muss die Forderung, mit der verrechnet werden soll, entstanden und fällig sein.

Der Anlehnung der Rechtsnatur der Entscheidung nach § 42 Satz 2 SGB II an Anrechnungsregelungen (vgl. Greiser, in: Eicher, SGB II [3. Aufl., 2013], § 42 Rdnr. 17) steht entgegen, dass der Gesetzgeber das Institut der Anrechnung für Fälle vorgesehen hat, in denen Vorschüsse gezahlt (vgl. z. B. § 42 Abs. 2 Satz 1 SGB I; § 186 Satz 3 des Sozialgesetzbuches Drittes Buch – Arbeitsförderung – [SGB III], in Kraft bis zum 31. März 2012) oder über die Erbringung von Geldleistungen vorläufig entschieden worden ist (vgl. z. B. § 328 Abs. 3 Satz 1 SGB III). Beiden Fällen ist gemein, dass die Leistungen unter dem Vorbehalt einer noch zu treffenden abschließenden Entscheidung und der Berücksichtigung des Vorschusses oder der vorläufigen Leistung bei der am Ende zustehenden Leistung steht (vgl. hierzu Lilge, SGB I [3. Aufl., 2012] § 42 Rdnr. 73; Rolfs, in: Hauck/Noftz, SGB I [Stand: 36. Erg.-Lfg, Dezember 2012], § 42 Rdnr. 41; Seewald, in: Kasseler Kommentar – Sozialversicherungsrecht – [Stand: 77. Erg.-Lfg., März 2013], § 42 SGB I Rdnr. 24; Eicher, in: Eicher/Schlegel, SGB III [Stand: 115. Erg.-Lfg., Dezember 2012], § 328 Rdnr. 62 f.). Demgegenüber lässt die Abzugsregelung in § 42 Satz 2 SGB II den eigentlichen Leistungsanspruch unberührt.

Aus diesen Gründen handelt es sich bei der Regelung im Sinne von § 42 Satz 2 SGB II um ein eigenständiges Rechtsinstitut (vgl. Greiser, a. a. O., § 42 Rdnr. 17; Gerenkamp, in: Mergler/Zink, Handbuch der Grundsicherung und Sozialhilfe – Teil I – Sozialgesetzbuch II [Stand: 22. Erg.-Lfg., Januar 2013], § 42 Rdnr. 12; vgl. auch: Eicher, a. a. O., § 337 Rdnr. 28).

Da die vom Beklagten erlassene Regelung nach § 42 Satz 2 SGB II weder in ihrer Geltungsdauer beschränkt worden ist noch aus anderen Gründen nachträglich eine zeitliche Beschränkung erfahren hat, ist die Berufung gemäß § 144 Abs. 1 Satz 2 SGG zulässig, ohne dass es auf den Wert des Beschwerdegegenstandes ankommt.

IV. Die Berufung ist jedoch weder mit dem Haupt- noch dem Hilfsbegehren begründet.

1. Richtige Klageart gegen die Regelung des Beklagten nach § 42 Satz 2 SGB II ist die reine Anfechtungsklage gemäß § 54 Abs. 1 SGG. Eine zusätzlichen Leistungsklage gemäß § 54 Abs. 4 SGG bedarf es nicht. Denn wegen der Bindung des Beklagten an Gesetz und Recht (vgl. Artikel 20 Abs. 3 des Grundgesetzes [GG]) ist er im Falle einer gerichtlichen Aufhebung seiner Entscheidung verpflichtet, den bislang monatlich abgezogenen Betrag von 5,00 EUR dem Kläger nachzuzahlen und für die Zukunft einen solchen Abzug zu unterlassen.

2. Der Bescheid des Beklagten vom 12. Januar 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. November 2012 ist rechtmäßig und verletzt der Kläger nicht in seinen Rechten (vgl. § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG).

a) Der Widerspruch des Klägers im Schreiben vom 1. November 2012 war entgegen der Widerspruchsentscheidung nicht unzulässig.

Gemäß § 78 Abs. 1 Satz 1 SGG sind vor Erhebung der Anfechtungsklage Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit des Verwaltungsakts in einem Vorverfahren nachzuprüfen. Dass es sich bei der Entscheidung des Beklagten nach § 42 Satz 2 SGB II um einen Verwaltungsakt handelt, wurde oben dargestellt.

Der Widerspruch im Schreiben vom 1. November 2012 gegen den Bescheid vom 12. Januar 2012 war auch nicht verfristet. Gemäß § 84 Abs. 1 Satz 1 SGG ist der Widerspruch binnen eines Monats, nachdem der Verwaltungsakt dem Beschwerten bekanntgegeben worden ist, einzureichen. Eine Rechtsbehelfsfrist beginnt gemäß § 66 Abs. 1 SGG aber nur zu laufen, wenn der Beteiligte über die Rechtsbehelfsmöglichkeit belehrt worden ist. Dies war hier nicht der Fall. Dem als Behördenschreiben abgefassten Bescheid vom 12. Januar 2012 war keine Rechtsbehelfsbelehrung beigefügt. Bei einer unterbliebenen Belehrung ist gemäß § 66 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 SGG die Einlegung des Rechtsbehelfs nur innerhalb eines Jahres seit Zustellung, Eröffnung oder Verkündung zulässig. Diese Jahresfrist hat der Kläger gewahrt.

b) Die Entscheidung des Beklagten, die mit der Leistungszahlung per Scheck entstehenden Gebühren vom Auszahlbetrag abzuziehen, ist verfahrensrechtlich nicht zu beanstanden.

Dem Kläger wurde zwar vor dem Erlass des Bescheides nicht Gelegenheit gegeben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern (vgl. § 40 Abs. 1 Satz 1 SGB II i. V. m. § 24 Abs. 1 SGB X). Jedoch konnte der Beklagte von einer Anhörung absehen. Ob dies allerdings in einer entsprechenden Anwendung von § 40 Abs. 1 Satz 1 SGB II i. V. m. § 24 Abs. 2 Nr. 7 SGB X möglich war (vgl. hierzu: Greiser, a. a. O., § 42 Rdnr. 18; Kallert, in: Gagel, SGB II/SGB III [50. Erg.-Lfg., 2013], § 22 SGB II Rdnr. 12; M. Mayer, a. a. O., § 42 SGB II Rdnr. 31), erscheint fraglich. Nach dieser Regelung kann von einer Anhörung abgesehen werden, wenn gegen Ansprüche oder mit Ansprüchen von weniger als 70,00 EUR aufgerechnet oder verrechnet werden soll. Eine Aufrechnung oder eine Verrechnung kann in Fällen des § 42 Satz 2 SGB II aber aus den unter Ziffer III dargelegten Gründen nicht erfolgen.

Hingegen kommt die Ausnahmeregelung in § 40 Abs. 1 Satz 1 SGB II i. V. m. § 24 Abs. 2 Nr. 2 SGB X in Betracht (vgl. hierzu: Greiser, a. a. O.; Eicher, a. a. O., § 337 Rdnr. 29), wonach von einer Anhörung abgesehen werden kann, wenn durch die Anhörung die Einhaltung einer für die Entscheidung maßgeblichen Frist in Frage gestellt würde. Gemäß § 41 Abs. 1 Satz 4 Halbsatz 2 SGB II sollen die Leistungen monatlich im Voraus erbracht werden. Diese zeitliche Vorgabe kann in Frage gestellt sein, wenn vor dem Erlass einer Entscheidung nach § 42 Satz 2 SGB II eine Anhörung durchzuführen wäre, die ihrerseits nur ordnungsgemäß wäre, wenn eine ausreichende Äußerungsfrist eingeräumt wurde (vgl. hierzu: von Wulffen, von Wulffen, SGB X [7. Aufl., 2010], § 24 Rdnr. 10, m. w. N.).

Selbst wenn aber eine Anhörung durchzuführen gewesen wäre, wäre dieser Verfahrensmangel gemäß § 40 Abs. 1 Satz 1 SGB II i. V. m. § 41 Abs. 1 Nr. 3 SGB X geheilt. Denn der Kläger hatte Gelegenheit, im Rahmen seines Widerspruches seine Einwände gegen die Entscheidung nach § 42 Satz 2 SGB II vorzutragen. Im Schreiben des Beklagten vom 12. Januar 2012 waren die erforderlichen Informationen enthalten, die ihn in den Stand setzten, eine qualifizierte Stellungnahme abzugeben.

c) Die materiell-rechtlichen Voraussetzungen für die Entscheidung des Beklagten, die mit der Leistungszahlung per Scheck entstehenden Gebühren vom Auszahlbetrag abzuziehen, sind gegeben.

Die Rechtmäßigkeit eines Kostenabzuges nach § 42 Satz 2 SGB II setzt voraus (vgl. Kallert, a. a. O., § 22 SGB II Rdnr. 11), dass 1. der Leistungsberechtigte die Übermittlung verlangt oder eine Leistungserbringung durch Überweisung nicht möglich ist, weil er über kein Bankkonto verfügt, 2. ein Ausnahmefall nach § 42 Satz 3 SGB II nicht nachgewiesen, 3. durch die Übermittlung tatsächlich Kosten verursacht worden sind.

Maßgebend ist bei einer Entscheidung über die Rechtmäßigkeit eines Kostenabzuges nach § 42 Satz 2 SGB II die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung. Zwar ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes bei einer reinen Anfechtungsklage regelmäßig auf die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des Erlasses der letzten Behördenentscheidung abzustellen (vgl. BSG, Urteil vom 7. Juli 2011 – B 14 AS 153/10 RBSGE 108, 289 ff. = SozR 4-4200 § 38 Nr. 2 = JURIS-Dokument, jeweils Rdnr. 48; Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Sozialgerichtsgesetz [10. Aufl., 2012], § 54 Rdnr. 33, m. w. N.). Etwas anderes gilt jedoch bei Verwaltungsakten mit Dauerwirkung. Bei einem solchen Verwaltungsakt wirkt die getroffene Regelung über den Zeitpunkt des Erlasses des Verwaltungsaktes hinaus fort, und die Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit eines solchen Verwaltungsaktes kann von nachträglichen Änderungen der Rechts- und Sachlage abhängen (vgl. BSG, Urteil vom 11. März 1987 – 10 RAr 5/85BSGE 61, 203 [204] = JURIS-Dokument Rdnr. 12, m. w. N.; Keller, a. a. O., § 54 Rdnr. 33a, m. w. N.).

Hiervon ausgehend ist die angefochtene Entscheidung des Beklagten nicht zu beanstanden.

(1) Der Kläger verfügte bis zur Entscheidung über seine Berufung nicht über ein Konto im Sinne von § 42 Satz 1 SGB II. Dem Kläger hätte für die Einrichtung eines Kontos eine große Bandbreite von Optionen zur Verfügung gestanden. So kann ein solches Konto bei einer Bank, einer Sparkasse oder der Postbank geführt werden. Ob auch ein Konto bei einer Bausparkasse im Rahmen von § 42 Satz 1 SGB II zugelassen ist, ist umstritten (verneinend: Greiser, a. a. O., § 42 Rdnr. 10, m. w. N.; bejahend z. B. Burkiczak, a. a. O., § 42 Rdnr. 10; Hengelhaupt, in: Hauck/Noftz, SGB III [Stand: Erg.-Lfg. 3/2013, April 2013], § 337 Rdnr. 57; ebenfalls bejahend für § 47 SGB I bei der Überweisung von Kindergeld: BSG, Urteil vom 12. September 1984 – 10 RKg 15/83SozR 1200 § 47 Nr. 1 = JURIS-Dokument, jeweils Leitsatz). Nach der ursprünglichen Gesetzesfassung war ein inländisches Konto gefordert. Diese territoriale Beschränkung ist in Folge der zum 9. April 2013 in Kraft getretenen Rechtsänderung dem Grunde nach entfallen.

Wegen des fehlenden Kontos entschied sich der Beklagte, die bewilligten Leistungen dem Kläger entsprechend § 42 Satz 2 SGB II zu übermitteln.

(2) Der Kläger hat nicht nachgewiesen, dass ihm die Einrichtung eines Kontos bei einem Geldinstitut ohne eigenes Verschulden nicht möglich war. Für die ihn nach § 42 Satz 3 SGB II begünstigenden Tatbestandsvoraussetzungen trägt nach den allgemeinen Regeln der Leistungsberechtigte die materielle Beweislast (vgl. Burkiczak, a. a. O., § 42 Rdnr. 24; Hengelhaupt, in: Hauck/Noftz, SGB II [Stand: Erg.-Lfg. IV/2013, Mai 2013], § 42 Rdnr. 89; Hölzer, in: Estelmann [Hrsg.], SGB II [Stand: 32. Erg.-Lfg., April 2013], § 42 Rdnr. 21; Eicher, a. a. O., § 337 Rdnr. 33).

Der Kläger hat bereits nicht die Unmöglichkeit einer Kontoeröffnung nachgewiesen. Vielmehr erklärte er auf das Erinnerungsschreiben vom 5. Januar 2012 am 12. Januar 2012, dass er nicht bereit sei, sich um ein P-Konto zu kümmern. Im Berufungsverfahren brachte er darüber hinaus zum Ausdruck, ein Konto nicht eröffnen zu wollen. Wenn es aber ein Leistungsberechtigter unterlässt, überhaupt die Einrichtung eines Kontos zu beantragen, liegt keine Unmöglichkeit von (vgl. Burkiczak, a. a. O., § 42 Rdnr. 22; Hölzer, a. a. O, § 42 Rdnr. 21).

Die im Zusammenhang mit dem Erstantrag vorgelegten Bescheinigungen von Banken, wonach der Kläger kein Konto erhalte, sind nicht geeignet, den in § 42 Satz 3 SGB II geforderten Nachweis zu führen. Denn diese waren im Dezember 2011, als der Streit über den Kostenabzug gemäß § 42 Satz 2 SGB II seinen Anfang nahm, bereits mindestens fünf Jahre alt. Es ist aber einem Leistungsempfänger grundsätzlich zumutbar, dass er sich nach einem erfolglosen Versuch in gewissen Abständen bemüht, ein Konto bei einem Geldinstitut einrichten zu können, um die Kostenfolgen aus § 42 Satz 2 SGB II zu vermeiden.

Da der Kläger nicht gewillt war, ein Konto zu eröffnen, kann dahingestellt bleiben, in welchem Umfang er für seine Bemühungen hätte Nachweis führen müssen. In der Kommentarliteratur wird der Nachweis der versuchten Kontoeröffnung bei einer Bank (vgl. Frank, a. a. O., § 42 Rdnr. 15; Düe, in: Brand, SGB III [6. Aufl., 2012], § 337 Rdnr.5), bei allen in zumutbarer Weise erreichbaren Geldinstituten (vgl. Burkiczak, a. a. O., § 42 Rdnr. 22; M. Mayer, a. a. O., § 42 SGB II Rdnr. 34) oder bei mehreren ortsansässigen Instituten (vgl. Coseriu/Holzhey, a. a. O., § 42 SGB II Rdnr. 16) gefordert. Teilweise wird auch auf das im Einzelfall und nach den örtlichen Verhältnissen zumutbar Erscheinende abgestellt (vgl. Gerenkamp, a. a. O., § 42 Rdnr. 13; vgl. auch Eicher, a. a. O., § 337 Rdnr. 30).

Wegen der Weigerung des Klägers, den Versuch zu unternehmen, ein Konto einzurichten, stellte sich ferner vorliegend nicht die Frage, ob die Unmöglichkeit einer Kontoeinrichtung ohne Verschulden des Klägers war (vgl. hierzu z. B. Burkiczak, a. a. O., § 42 Rdnr. 23). Das Tatbestandsmerkmal der Verschuldenslosigkeit ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, der der vollen gerichtlichen Kontrolle unterliegt (vgl. Coseriu/Holzhey, a. a. O., § 42 SGB II Rdnr. 16).

Auch kommt es im vorliegenden Fall nicht darauf an, in welchem Umfang dem Leistungsträger eine Hinweis- oder Beratungspflicht nach § 14 SGB I trifft. Diese Pflicht kann neben dem Hinweis auf die Kostenfolge nach § 42 Satz 2 SGB II (vgl. Weber, in: Schönefelder/Kranz/Wanka, Sozialgesetzbuch III – Arbeitsförderung [Stand: 17. Erg.-Lfg., März 2013], § 337 Rdnr. 6) und die in § 42 Satz 3 SGB II geregelten Voraussetzungen, diese zu vermeiden, auch einen Hinweis auf die Möglichkeit, nach einer ablehnenden Entscheidung eines Geldinstituts sich an eine Kundenbeschwerdestelle wenden zu können (vgl. Frank, a. a. O., § 42 Rdnr. 16 und 20; Gerenkamp, a. a. O., § 42 Rdnr. 13) umfassen. Vorliegend wurde der Kläger aber spätestens mit dem Bescheid vom 12. Januar 2012 über die Kostenfolge nach § 42 Satz 2 SGB II unterrichtet. Ein Hinweis auf die Kundebeschwerdestelle war entbehrlich, weil der Kläger noch nicht einmal einen Versuch unternommen hatte, ein Konto einzurichten, weil es mithin an einer beschwerdefähigen Entscheidung eines Geldinstitutes fehlt.

(3) Gemäß § 42 Satz 2 SGB II sind die Kosten, die durch die Übermittlung der Geldleistungen an den Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt des Leistungsberechtigten veranlassten werden, abzuziehen.

Grundsätzlich erfolgt die Übermittlung von Geldleistungen nach dem SGB II kostenfrei. Dies ergibt sich entweder aus § 47 SGB I (vgl. Conradis, a. a. O., § 42 Rdnr. 5; Greiser, a. a. O., § 42 Rdnr. 11; Eicher, a. a. O., § 337 Rdnr. 27; Weber, a. a. O., § 337 Rdnr. 5; Jacob, in: Mutschler u. a. (Hrsg.), Sozialgesetzbuch III [5. Aufl., 2013], § 337 Rdnr. 5; Kallert, a. a. O., § 42 SGB II Rdnr. 8a) oder im Umkehrschluss aus § 42 Satz 2 SGB II (offen gelassen: Burkiczak, a. a. O., § 42 Rdnr. 14; Hengelhaupt, in: Hauck/Noftz, SGB II [Stand: Erg.-Lfg. IV/2013, Mai 2013], § 42 Rdnr. 53). Die Kostenfreiheit in diesem Sinne bedeutet allerdings nur, dass lediglich die bei dem Leistungsträger entstehenden Überweisungs- und Verwaltungskosten nicht auf den Leistungsempfänger abgewälzt werden können (allgem. Auff.; vgl. z. B. Greiser, a. a. O., § 42 Rdnr. 11; Hengelhaupt, in: Hauck/Noftz, SGB II [Stand: Erg.-Lfg. IV/2013, Mai 2013], § 42 Rdnr. 54; Hölzer, a. a. O., § 42 Rdnr. 20; M. Mayer, a. a. O., § 42 SGB II Rdnr. 30; Kallert, a. a. O., § 42 SGB II Rdnr. 11; Eicher, a. a. O., § 337 Rdnr. 27). Hingegen hat der Leistungsempfänger eine etwaige Kontoführungsgebühr (zu § 47 SGB I: BSG, Urteil vom 12. September 1984 – 10 RKg 15/83SozR 1200 § 47 Nr. 1 S. 4 = JURIS-Dokument Rdnr. 15) oder durch die Abhebung der Leistung anfallende Buchungsgebühr (zu § 47 SGB I: BSG, Urteil vom 24. Januar 1990 – 2 RU 42/89– SozR 3-1200 § 47 Nr. 1 = Breithaupt 1990, 562 = JURIS-Dokument, jeweils Leitsatz) selbst zu tragen.

Vom Grundsatz der Kostenfreiheit abweichend sind nach Maßgabe von § 42 Satz 2 und 3 SGB II die in § 42 Satz 2 SGB II benannten Kosten von der zu übermittelnden Geldleistung abzuziehen. Für die Frage, welche Kosten im Sinne von § 42 Satz 2 SGB II verursacht sind, ist auf die Kausalitäts- oder Zurechnungslehre der wesentliche Bedingung zurückzugreifen (vgl. Hengelhaupt, in: Hauck/Noftz, SGB II [Stand: Erg.-Lfg. IV/2013, Mai 2013], § 42 Rdnr. 71; Kallert, a. a. O., § 22 SGB II Rdnr. 11). Dies sind vorliegend die vom Beklagten monatlich abgezogenen 5,00 EUR (vgl. hierzu auch: Frank, a. a. O., § 42 Rdnr. 13).

Der von dem Beklagten vorgenommene Kostenabzug war die zwingende Folge aus § 42 Satz 2 SGB II. Ihm war bei seiner Entscheidung weder ein Ermessen eröffnet (vgl. Hengelhaupt, in: Hauck/Noftz, SGB II [Stand: Erg.-Lfg. IV/2013, Mai 2013], § 42 Rdnr. 69) noch gab es eine Rechtsgrundlage für eine Härtefallprüfung.

(4) Soweit der Kläger geltend macht, dass er nicht verpflichtet sei, ein Konto bei einem Geldinstitut einzurichten, ist dies zutreffend. Eine solche Pflicht, ein Konto bei einem Geldinstitut einzurichten, kann nicht aus § 42 Satz 1 oder 2 SGB II hergeleitet werden. Denn in § 42 SGB II werden nur die Modalitäten der Auszahlung von Geldleistungen geregelt. Der Gesetzgeber geht zwar davon aus, dass in der Regel ein Leistungsberechtigter über ein Konto bei einem Geldinstitut verfügt, und dass auf dieses die bargeldlose Übermittlung der Geldleistung erfolgen kann. Wenn der Leistungsberechtigte vorwerfbar über kein Konto verfügt, trifft ihn die Kostenfolge aus § 42 Satz 2 SGB II. Aus diesem Regelungszusammenhang kann aber allenfalls eine Obliegenheit des Leistungsberechtigten hergeleitet werden, sich um die Einrichtung eines Kontos zu bemühen. Für eine darüber hinausgehende Handlungspflicht des Leistungsberechtigung fehlt es an einer den verfassungsrechtlichen Anforderungen an eine hinreichende Bestimmtheit genügende Rechtsgrundlage.

Zudem gibt es im deutschen Recht kein allgemeines Recht auf ein eigenes Girokonto (vgl. Frank, a. a. O., § 42 Rdnr. 18). Die Empfehlung der Deutschen Kreditwirtschaft zum "Girokonto für jedermann" (veröffentlicht: www.die-deutsche-kreditwirtschaft.de/die-deutsche-kreditwirtschaft/kontofuehrung/konto-fuer-jedermann/empfehlung.html; Frank, a. a. O., § 42 Anlage 1) ist rechtlich nicht bindend und verschafft einem Interessierten kein einklagbares Recht gegenüber einem Kreditinstitut (vgl. Frank, a. a. O., § 42 Rdnr. 18). Ein Pfändungsschutzkonto, auf das der Beklagte und das Sozialgericht hingewiesen haben, setzt ein bestehendes Konto voraus. Denn § 870 Abs. 7 der Zivilprozessordnung (ZPO), der mit Wirkung zum 1. Juli 2010 eingeführt worden regelt (vgl. Artikel 1 Nr. 7 des Gesetzes vom 7. Juli 2009 [BGBl. I S. 1707])], unter welchen Voraussetzungen ein Girokonto "als Pfändungsschutzkonto" geführt werden kann oder hierauf ein Anspruch besteht. § 870 Abs. 7 ZPO betrifft somit nur die Umwandlung eines bestehenden Girokontos, nicht dessen Neueinrichtung (vgl. Coseriu/Holzhey, a. a. O., § 42 SGB II Rdnr. 16). Die § 5 SächsSpkVO normiert Verpflichtung zur Führung von Girokonten und die Ausnahmen von dieser Verpflichtung betreffen nur Sparkassen im Freistaat Sachsen.

Die fehlende Pflicht zur Einrichtung eines Kontos einerseits und der fehlende allgemeine Anspruch gegenüber einem Geldinstitut auf Einrichtung eines Kontos andererseits haben aber nicht zur Folge, dass der Gesetzgeber nicht berechtigt gewesen wäre, die Kostenregelungen in § 42 Satz 2 und 3 SGB II zu treffen. Denn einem Leistungsberechtigten kann in verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise abverlangt werden, sich so zu verhalten, dass beim Vollzug des Grundsicherungsrechtes keine vermeidbaren zusätzlichen Kosten entstehen. Dies folgt aus der auch dem Sozialrecht immanenten Pflicht zur gegenseitigen Rücksichtnahme und zur Schadensvermeidung oder -minderung.

3. Der Kläger hat auch keinen Anspruch darauf, dass iHm zusätzlich zu den bewilligten Leistungen im Hilfsbegehren monatlich weiter 5,00 EUR gezahlt werden. Hierfür mangelt es an eines Rechtsgrundlage.

Der dem Kläger nach Maßgabe von § 20 SGB II zustehende Regelbedarf kann nicht erhöht werden, weil der gemäß § 20 Abs. 1 Satz 3 SGB II als monatlicher Pauschalbetrag berücksichtigt wird. Die Möglichkeit, einen individuellen Bedarf abweichend vom Regelsatz festzulegen, wie dies im Sozialhilferecht gemäß § 27a Abs. 4 des Sozialgesetzbuches Zwölftes Buch – Sozialhilfe– (SGB XII) erfolgen kann, ist für das Grundsicherungsrecht nicht vorgesehen.

Die Kosten nach § 42 Satz 2 SGB II, die der Beklagte bei der Übermittlung der Geldleistungen abzieht, können nicht im Rahmen von § 11b SGB II vom Einkommen abgesetzt werden (vgl. Burkiczak, a. a. O., § 42 Rdnr. 11; Hengelhaupt, in: Hauck/Noftz, SGB II [Stand: Erg.-Lfg. IV/2013, Mai 2013], § 42 Rdnr. 55).

Die vom Kläger begehrte Zahlung von monatlich 5,00 EUR kann auch nicht auf § 21 Abs. 6 SGB II gestützt werden. Danach wird bei Leistungsberechtigten ein Mehrbedarf anerkannt, soweit im Einzelfall ein unabweisbarer, laufender, nicht nur einmaliger besonderer Bedarf besteht. Der Mehrbedarf ist unabweisbar, wenn er insbesondere nicht durch die Zuwendungen Dritter sowie unter Berücksichtigung von Einsparmöglichkeiten der Leistungsberechtigten gedeckt ist und seiner Höhe nach erheblich von einem durchschnittlichen Bedarf abweicht. Tatbestandlich handelt es sich bei einem Betrag von monatlich 5,00 EUR bereits nicht um einen seiner Höhe nach erheblich von einem durchschnittlichen Bedarf abweichenden Mehrbedarf. Zudem können Kosten im Sinne von § 42 Satz 2 SGB II nicht als Mehrbedarf im Sinne von § 21 Abs. 6 SGB II anerkannt werden, weil andernfalls der Leistungsträger die zusätzlichen Übermittlungskosten entgegen der gesetzgeberischen Entscheidung doch noch zu tragen hätte, mithin die Kostenregelung in § 42 Satz 2 SGB II ins leere gehen würde.

V. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 183, 193 SGG.

VI. Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.

Dr. Scheer Höhl Guericke
Rechtskraft
Aus
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