L 37 SF 162/13 EK AS

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
37
1. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 37 SF 162/13 EK AS
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für eine beabsichtigte Klage auf Gewährung einer Entschädigung wegen überlanger Dauer des beim Sozialgericht Berlin unter dem Aktenzeichen S 66 AS 25135/12 geführten Verfahrens wird abgelehnt.

Gründe:

I.

Der Antragsteller begehrt die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für eine beabsichtigte Klage auf Zahlung einer Entschädigung wegen überlanger Dauer des vor dem Sozialgericht Berlin unter dem Aktenzeichen S 66 AS 25135/12 geführten Verfahrens. Dem Ausgangsverfahren lag folgender Sachverhalt zugrunde:

Am 08. Oktober 2012 erhob der Antragsteller vor dem Sozialgericht Berlin Klage gegen den Bescheid des Jobcenters Berlin Lichtenberg vom 21. September 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01. Oktober 2012, mit dem dieses die dem Antragsteller nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuches (SGB II) gewährten Leistungen wegen eines Meldeversäumnisses für den Zeitraum vom 01. Oktober bis zum 31. Dezember 2012 in Höhe von monatlich 37,40 EUR gekürzt hatte. Verbunden mit der Klage erhob der Antragsteller
Verzögerungsrüge mit der Begründung, es bestünden Anlass und Sorge, dass das Klageverfahren nicht in angemessener Zeit abgeschlossen werde.

Mit Beschluss vom 09. April 2013 verband das Sozialgericht Berlin zu diesem Verfahren das unter dem Aktenzeichen S 205 AS 15172/12 geführte, in dem der Kläger am 11. Juni 2012 Klage gegen die der streitgegenständlichen Sanktion zugrundeliegende Meldeaufforderung erhoben hatte.

Mit Gerichtsbescheid vom 22. August 2013 wies das Sozialgericht die Klagen ab. Die schriftlichen Entscheidungsgründe wurden dem Antragsteller am 29. August 2013 zugestellt. Hiergegen erhob dieser Berufung, die inzwischen beim Landessozialgericht Berlin-Brandenburg unter dem Aktenzeichen L 10 AS 2391/13 anhängig ist.

Bereits am 21. Mai 2013 hatte der Antragsteller beim Landessozialgericht Berlin-Brandenburg einen isolierten Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe in Vorbereitung einer Klage auf Zahlung einer Entschädigung gestellt. Zur Begründung hatte er geltend gemacht, durch das Nichtbetreiben des Ausgangsverfahrens erwachse ihm zeitablaufbedingt ein finanzieller Schaden.

Das im Falle einer Klageerhebung beklagte Land Berlin meint, die begehrte Prozesskostenhilfe sei nicht zu bewilligen. Die zusammen mit der Klage erhobene Verzögerungsrüge sei rechtsmissbräuchlich. Ein Anlass zur Sorge, dass das Verfahren nicht in angemessener Zeit
abgeschlossen werde, könne zum Zeitpunkt der Klageerhebung, vor der das Gericht noch gar nicht mit der Klage befasst gewesen sei, denklogisch nicht bestehen. Im Übrigen sei auch keine
unangemessene Dauer des Gerichtsverfahrens festzustellen.

II.

Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die beabsichtige Entschädigungsklage kommt nicht in Betracht.

Maßgebend für das beabsichtigte Klageverfahren sind die §§ 198 ff. des Gerichtsverfassungsgesetzes (GVG) sowie die §§ 183, 197a und 202 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG), jeweils in der Fassung des Gesetzes über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren (GRüGV) vom 24. November 2011 (BGBl. I, S. 2302) und des Gesetzes über die Besetzung der großen Straf- und Jugendkammern in der Hauptverhandlung und zur Änderung weiterer gerichtsverfassungsrechtlicher Vorschriften sowie des
Bundesdisziplinargesetzes vom 06. Dezember 2011 (BGBl. I, S. 2554). Gemäß § 201 Abs. 2 Satz 1 GVG i.V.m. § 202 Satz 2 SGG richtet sich das Verfahren über die als allgemeine Leistungsklage statthafte Klage nach den Vorschriften über das Verfahren vor den Sozialgerichten im ersten Rechtszug. Für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe kommt es mithin nach § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG auf die §§ 114 ff. der Zivilprozessordnung (ZPO) an.

Prozesskostenhilfe wäre dem Antragsteller danach nur dann zu bewilligen, wenn er nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Diese Voraussetzungen liegen hier jedoch nicht vor. Im Gegenteil hat die beabsichtigte Rechtsverfolgung offensichtlich keine Erfolgsaussicht, wenn sie nicht gar als mutwillig anzusehen ist.

Das angerufene Gericht beurteilt die Erfolgsaussicht im Sinne des § 114 ZPO regelmäßig ohne abschließende tatsächliche und rechtliche Würdigung des Streitstoffes, da die Prüfung der Erfolgsaussicht nicht dazu dienen soll, die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung selbst in das Nebenverfahren der Prozesskostenhilfe vorzuverlagern und dieses an die Stelle des Verfahrens in der Sache treten zu lassen. Daraus folgt, dass an die Annahme hinreichender Erfolgsaussicht keine überspannten Anforderungen gestellt werden dürfen; das Prozesskostenhilfeverfahren will den Rechtsschutz, den der Rechtsstaatsgrundsatz erfordert, nicht selbst bieten, sondern überhaupt erst zugänglich machen. Prozesskostenhilfe darf allerdings verweigert werden, wenn ein Erfolg in der Hauptsache zwar nicht schlechthin ausgeschlossen, die Erfolgschance aber nur eine entfernte ist (z.B. BVerfG, Beschlüsse vom 03.09.2013 - 1 BvR 1419/13 - Rn. 22, sowie vom 13.03.1990 – 2 BvR 94/88 – Rn. 26, zitiert jeweils nach juris). Vorliegend besteht nicht einmal eine auch nur theoretische Erfolgsaussicht. Vielmehr erscheint es ausgeschlossen, dass das Gericht im Falle einer Klageerhebung das dann beklagte Land Berlin zur Zahlung einer Entschädigung an den Antragsteller verurteilen würde.

Nach § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG wird derjenige angemessen entschädigt, der infolge unangemessener Dauer eines Gerichtsverfahrens als Verfahrensbeteiligter einen Nachteil erleidet.
Anknüpfungspunkt für die Frage, ob ein Verfahren überlang ist, ist dabei - wie sich schon aus der auf das Gerichtsverfahren von seiner Einleitung bis zum rechtskräftigen Abschluss abstellenden Legaldefinition in § 198 Abs. 6 Nr. 1 GVG ergibt - das Verfahren insgesamt. Ist das Ausgangsverfahren noch nicht rechtskräftig abgeschlossen, erfolgt eine Entschädigungsklage damit in aller Regel verfrüht, denn eine möglicherweise zu lange Dauer des erstinstanzlichen Verfahrens dürfte durch eine zügige Bearbeitung in der/den weiteren Instanz/en noch zu kompensieren sein.

Vorliegend fehlt es bereits an jeglichem Anhaltspunkt dafür, dass das Verfahren vor dem Sozialgericht Berlin, das vom Klageeingang bis zur Zustellung der Entscheidungsgründe keine elf Monate und auch mit Blick auf das hinzuverbundene Verfahren gerade einmal ein Jahr und gut zwei Monate gedauert hat, überlang sein könnte.

Ob die Verfahrensdauer angemessen ist, richtet sich nicht nach starren Fristen. Vielmehr regelt § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG ausdrücklich, dass es auf die Umstände des Einzelfalls, insbesondere die Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens sowie das Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritten ankommt. Diese Umstände sind darüber hinaus in einen allgemeinen Wertungsrahmen einzuordnen (vgl. dazu BSG, Urteile vom 21.02.2013 - B 10 ÜG 1/12 und 2/12 KL -, zitiert nach juris, jeweils Rn. 25 ff. und m.w.N.). Denn schon aus der Anknüpfung des gesetzlichen Entschädigungsanspruchs an den als Grundrecht nach Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz (GG) i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG sowie als Menschenrecht nach Art. 6 Abs. 1 Europäische
Menschenrechtskonvention (EMRK) qualifizierten Anspruch auf Entscheidung eines gerichtlichen Verfahrens in angemessener Zeit wird deutlich, dass es auf eine gewisse Schwere der Belastung ankommt. Ferner sind das Spannungsverhältnis zur Unabhängigkeit der Richter (Art. 97 Abs. 1 GG) sowie das Ziel, inhaltlich richtige Entscheidungen zu erhalten, zu berücksichtigen. Schließlich muss ein Rechtsuchender damit rechnen, dass der zuständige Richter neben seinem Rechtsbehelf auch noch andere (ältere) Sachen zu behandeln hat, sodass ihm eine gewisse Wartezeit zuzumuten ist. Insgesamt reicht daher zur Annahme der Unangemessenheit der Verfahrensdauer nicht jede Abweichung vom Optimum aus, vielmehr muss eine deutliche Überschreitung der äußersten Grenze des Angemessenen vorliegen.

Dass mit einem Verfahren, in dem es im Wesentlichen um eine sanktionsbedingte Kürzung des Arbeitslosengeldes II in Höhe von insgesamt 112,20 EUR geht und das in der ersten Instanz nach noch nicht einmal elf Monaten abgeschlossen war, die äußerste Grenze des Angemessenen - und zwar auch für einen Leistungsbezieher nach dem SGB II - deutlich überschritten sein könnte, liegt offensichtlich fern und bedarf keiner weitergehenden Erörterungen. Dies auch vor dem Hintergrund, dass sich angesichts der vom Antragsteller praktizierten und bereits vom potentiellen Beklagten in seiner Stellungnahme gerügten Vorgehensweise der Eindruck aufdrängt, dieser missbrauche die Instrumentarien der Verzögerungsrüge sowie der
Entschädigungsklage zur Durchsetzung eigener unangemessener Interessen auf Kosten der übrigen Rechtsschutzsuchenden.

Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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