L 14 AS 449/10

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
14
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 65 AS 12912/07
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 14 AS 449/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
zum Bedarf von Kosten der Unterkunft/Heizung (Kdu/H) wegen eines Erbfolgevertrages u. a. zu einer teilweise selbstgenutzten Eigentumswohnung
Auf die Berufung des Klägers wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 01. Dezember 2009 aufgehoben. Der Bescheid des Beklagten vom 15. Juli 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. Mai 2007 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 15. Februar 2010 wird geändert und der Beklagte verurteilt, dem Kläger weitere Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von 278,40 Euro für den Monat August 2005 zu zahlen. Der Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten für den Monat August 2005 um weitere Kosten der Unterkunft und Heizung (KdU/H).

Der 1945 geborene Kläger, der seit 01. April 2008 eine Altersrente für langjährig Versicherte bezieht, ist zu 9/10 Eigentümer einer Eigentumswohnung, die eine Gesamtgröße von 136 m² mit 4 ½ Räumen, zwei Küchen und zwei Bädern umfasst. Weiterer Eigentümer zu 1/10 ist sein in den USA lebender Stiefbruder, G E. Der Kläger und sein Stiefbruder schlossen bereits am 23. Oktober 1985 vor dem Notar W F, B, einen Erbfolgevertrag (Urkundenrolle Nr. /1985), worin sich der Kläger gegenüber seinem Stiefbruder zum Zwecke der erbrechtlichen Regelung und der Abgeltung eines Pflichtteilsanspruchs verpflichtet hatte, den Miteigentumsanteil von 2/20 (1/10) an der Eigentumswohnung Nr. 3 in der Wohnanlage B Straße Grundbuch von St beim Amtsgericht Sch Band Bl. , auf ihn zu übertragen. Zu III des Vertragswerkes regelten die Vertragsparteien:

"Als Ausgleich für den Ausschluss der Nutzung des Sondereigentums erhält Herr E 5 % Zinsen jährlich vom ideellen Anteil am Sondereigentum nach dem Wert zum Zeitpunkt des Erbfalles. Die Zahlung erfolgt vom 01.08.1989 an. Die Parteien sind sich darüber einig, dass als Wert 17 000,- DM festgestellt werden."

Die Brüder sind mit den Anteilen von 2/20 (G E) und 18/20 (Kläger) als Eigentümer an der Eigentumswohnung im Grundbuch eingetragen.

Einen Teil der Eigentumswohnung hat der Kläger dem Verein "P D B e. V." zur Nutzung zur Verfügung gestellt. In dem Vertrag zwischen dem Kläger und dem Verein vom 26. Juli 2004 über die Teilnutzung (2 Räume, Flur, "Klo" und kleiner Küche sowie Vorbau mit einer Fläche von insgesamt zirka 50 m²) bestimmten die Vertragsparteien u. a., dass der Verein die mit der Nutzung verbundenen Selbstkosten zu tragen hatte. Diese Kosten umfassten die auf die Grundstücksgemeinschaft bezogenen anteiligen Wohngeldkosten, die Gebäude-Versicherung, Be- und Entwässerung, Müllabfuhr sowie Verwaltungs-/Kontogebühren; die auf die Nutzungsfläche bezogenen speziellen Kosten der Wohnung Nr. 3, wie Grundsteuer, Zinsbelastungen und Erhaltungs-/Instandhaltungsaufwendungen und verbrauchsabhängige Kosten, wie Nachtstromheizung, Tagstrom und Telefon.

Der Kläger, der bis zum 31. Dezember 2004 Arbeitslosenhilfe bezogen hatte, beantragte erstmals Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitsuchende am 22. September 2004 mit Wirkung zum 01. Januar 2005. In dem Antrag gab er u. a. an, dass auf die von ihm bewohnten 86 m² der Eigentumswohnung Belastungen in Höhe von 335,70 Euro entfielen. Der Beklagte bewilligte dem Kläger Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) für Januar 2005 in Höhe von 709,01 Euro sowie für den Zeitraum vom 01. Februar bis 30. Juni 2005 in Höhe von jeweils 642,34 Euro (Bescheid vom 27. Dezember 2012). Dabei beliefen sich die KdU/H zunächst auf jeweils 297,34 Euro monatlich (169,32 Euro Heizkosten + 128,02 Euro Summe Anteile laufende Nebenkosten) bezogen auf 136 m². Auf den Widerspruch des Klägers u.a. zur Erläuterung der KdU/H gewährte der Beklagte dem Kläger für den Bewilligungsabschnitt vom 01. Januar bis 30. Juni 2005 noch jeweils 197,61 Euro monatlich bezogen auf 86 m² durch Änderungsbescheid vom 23. März 2005, wegen der Einzelheiten der Berechnungspositionen wird auf Bl. 57 f. der Leistungsakten des Beklagten Bezug genommen. Durch Widerspruchsbescheid vom 20. Mai 2005 wies der Beklagte den Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid vom 27. Dezember 2004 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 23. März 2005 zurück. Ein hiergegen vor dem Sozialgericht Berlin zum Az.: S 65 AS 4806/05 geführtes Klageverfahren u.a. mit dem Ziel, dass seine jährlichen "Zinszahlungen" aufgrund des Erbfolgevertrages an seinen in den USA lebenden Stiefbruder in Höhe von 435,00 Euro zu berücksichtigen seien, endete – nachdem der Beklagte sich bereit erklärt hatte, weitere 52,64 Euro monatlich als Betriebskosten für den Zeitraum vom 01. Januar bis 30. Juni 2006 anzuerkennen – mit einem klageabweisenden Urteil vom 23. März 2007. Zur Begründung führte das Sozialgericht aus: Zweifelhaft sei bereits, ob die Zahlung an den Stiefbruder im Bewilligungsabschnitt des 1. Halbjahres 2005 zu berücksichtigen sei. Jedenfalls seien die jährlich anfallenden Kosten auf Monate aufzuteilen. Sie seien aber keine Kosten, die der Erhaltung des Wohneigentums dienten, sondern dem Ausgleich für den Ausschluss des Stiefbruders von der Nutzung und Verwaltung des Wohneigentums. Die hiergegen von dem Kläger vor dem Landessozialgericht Berlin-Brandenburg unter dem Az.: L 14 AS 909/07 geführte Berufung nahm der Kläger in der nichtöffentlichen Sitzung vom 15. Januar 2008 nach Hinweis auf die fehlende Statthaftigkeit der Berufung zurück. Zugleich stellte er in diesem Termin einen Antrag gemäß § 44 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB X) zur Überprüfung des Bescheides vom 23. März 2005. Mit Bescheid vom 08. Oktober 2007 führte der Beklagte das Teilanerkenntnis hinsichtlich der Gewährung von weiteren 52,64 Euro aus. Durch Bescheid vom 14. Februar 2008 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 09. Mai 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14. Mai 2008 (W 1000/08) in der Fassung des Änderungsbescheides vom 22. August 2008, mit dem KdU/H wie im Bescheid vom 27. Dezember 2004 gewährt wurden, lehnte der Beklagte weiterhin die Berücksichtigung der Zahlung an den Stiefbruder ab. Eine hiergegen vor dem Sozialgericht Berlin geführte weitere Klage (S 77 AS 18533/08) endete mit einem Teilerfolg. Dem Kläger wurden für den Zeitraum April bis Juni 2005 weitere 47,09 Euro aus verwaltungsverfahrensrechtlichen Gründen zugesprochen (Differenz von 297,34 Euro zu 197,61 Euro zzgl. 52,64 Euro Betriebskosten). Die Berücksichtigung der Zahlung an den Stiefbruder blieb in dieser Klage ebenfalls erfolglos, weil sie nicht im streitbefangenen Zeitraum von Januar bis Juni 2005 angefallen sei (Urteil vom 06. Oktober 2009).

Auf den Fortzahlungsantrag des Klägers vom 26. Mai 2005 bewilligte der Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 15. Juni 2005 monatliche Leistungen in Höhe von 545,31 Euro für den Bewilligungsabschnitt vom 01. Juli bis 31. Dezember 2005 (345,00 Euro Regelsatz sowie 200,31 Euro KdU/H).

Der Kläger legte hiergegen am 28. Juni 2005 Widerspruch ein, mit dem er den Kostenanteil für die an seinen Stiefbruder aufgrund des Erbfolgevertrages zu erbringende "Zinszahlung" sowie einen Kammerbeitrag (Pflichtbeitrag) als Mitglied für psychologische Psychotherapeuten geltend machte. Der Beklagte wies durch Widerspruchsbescheid vom 22. Mai 2007 (W 1415/05) den Widerspruch zurück. Die angemessenen Kosten der Unterkunft beliefen sich auf 200,31 Euro monatlich, sie seien nicht zu beanstanden. Ein weiterer Bedarf könne dem Kläger nicht zuerkannt werden, er sei beim Verein P D B e. V. ehrenamtlich tätig und erziele hieraus kein Einkommen. Beiträge zur Psychotherapeutenkammer seien nur im Rahmen des Einkommens als mit dem Einkommen notwendige Ausgaben zu berücksichtigen. Die an den Stiefbruder jährlich zu erbringende Zinszahlung sei ebenfalls nicht zu berücksichtigen. Diese Zinsen seien nicht zum Unterhalt der Unterkunft geboten. Dem Stiefbruder gehöre lediglich 10 v. H. der vom Kläger bewohnten Eigentumswohnung. Eine Nichterfüllung dieser Verpflichtung aus dem erbrechtlichen Vertrag würde deswegen nicht zwangsläufig zu einem drohenden Verlust der Eigentumswohnung führen. Zudem diene die Zahlung nicht dem Erhalt der Eigentumswohnung, sondern dem Ausgleich für den Ausschluss des Stiefbruders von der Nutzung des Sondereigentums. Auf das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 23. März 2007 im Rechtsstreit S 65 AS 4806/05 werde verwiesen.

Der Kläger hat am 11. Juni 2007 Klage vor dem Sozialgericht Berlin erhoben, mit der er nur noch den Kostenbestandteil für die Unterkunft wegen der Zahlung an seinen Stiefbruder und auch eine Fehlberechnung der Betriebskosten in Höhe von 52,46 Euro monatlich geltend gemacht hat.

Der Beklagte hat vorgetragen, die Gesamtbetriebskosten der Eigentumswohnung (136 m²) beliefen sich auf 143,17 Euro pro Monat. Hierzu zählten folgende Positionen: Gebäudeversicherung 15,15 Euro, Be- und Entwässerung 28,45 Euro, Müllabfuhr 4,68 Euro, Kontogebühren 0,94 Euro, Verwaltung 6,53 Euro, Grundsteuer "66,67 Euro" (richtig: 20,78 Euro) sowie Erhaltungsaufwendungen 66,67 Euro. Hieraus errechne sich ein anteiliger Betriebskostenanteil für den vom Kläger genutzten Teil der Eigentumswohnung (86 m²) von 90,53 Euro. Für die gesamte Wohnung seien Heizkosten in Höhe von 169,32 Euro pro Monat zu zahlen; der Anteil des Klägers betrage hieran 107,07 Euro. Daraus errechnete sich ein monatlicher Betrag für KdU/H in Höhe von 197,61 Euro. Für den hier streitgegenständlichen Zeitraum seien sogar 200,31 Euro monatlich berücksichtigt worden. Das (Teil-)"Anerkenntnis" in dem Rechtsstreit S 65 AS 4806/05 vom 23. März 2007 in Höhe von 52,64 Euro habe sich auf die Differenz zwischen den bewilligten Betriebskosten (90,53 Euro) und den Gesamtbetriebskosten von 143,17 Euro bezogen.

Anlässlich einer nichtöffentlichen Sitzung vor dem Sozialgericht Berlin vom 25. November 2009 zum hiesigen Rechtsstreit hat der Beklagte im Hinblick auf die Betriebskostenabrechnung für den streitgegenständlichen Zeitraum von Juli bis Dezember 2005 weitere KdU/H in Höhe von monatlich 52,64 Euro anerkannt. Nach Hinweis der Vorsitzenden hat der Kläger seine Klage auf weitere KdU/H i.H.v. 278,40 Euro "als anteilige Zinszahlungen" für den Monat August 2005 beschränkt. Im Übrigen hat er die Klage zurückgenommen.

Das Sozialgericht hat durch Gerichtsbescheid vom 01. Dezember 2009 die (soweit noch streitige) Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es auf das Urteil der Kammer vom 23. März 2007 in dem Verfahren S 65 AS 4806/05 bzw. L 14 AS 909/07 und die Ausführungen des Beklagten im Widerspruchsbescheid vom 22. Mai 2007 Bezug genommen und ergänzend ausgeführt: Bei den Zinszahlungen handele es sich nicht um KdU/H, da sie nicht der Erhaltung des Wohneigentums dienten, sondern dem Ausgleich für den Ausschluss des Stiefbruders von der Nutzung und Verwaltung der Wohnung. Dabei sei nicht zu verkennen, dass ggf. bei einer anderweitigen vertraglichen Ausgestaltung des Erbfolgevertrages Zahlungen an den Stiefbruder im Rahmen der Unterkunftskosten hätten berücksichtigt werden können. Es sei jedoch auf die tatsächlichen Verhältnisse, das heiße auf die tatsächliche Verpflichtung des Klägers auf Zinszahlung an seinen Stiefbruder, abzustellen und nicht auf eine rechtlich zulässige alternative Gestaltung der tatsächlichen Verhältnisse, die zu einer höheren Belastung des Beklagten führen könnten. Das Sozialgericht hat die Berufung nicht zugelassen.

Gegen den dem Kläger am 09. Dezember 2009 zugestellten Gerichtsbescheid hat er am 08. Januar 2010 die Zulassung der Berufung beantragt, die der Senat durch Beschluss vom 04. März 2010 zugelassen hat.

Im Berufungsverfahren verfolgt der Kläger weiterhin das Ziel, dass die im August 2005 fällige Zahlung an seinen Stiefbruder berücksichtigt wird.

Mit Bescheid vom 15. Februar 2010 hat der Beklagte das Teilanerkenntnis hinsichtlich Gewährung von weiteren 52,64 Euro monatlich für KdU/H ausgeführt.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 01. Dezember 2009 aufzuheben sowie den Bescheid des Beklagten vom 15. Juli 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. Mai 2007 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 15. Februar 2010 zu ändern und den Beklagten zu verurteilen, ihm weitere Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von 278,40 Euro für den Monat August 2005 zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger hat zum Nachweis seiner Zahlung an den Stiefbruder einen Kontoauszug vom 30. August 2005 vorgelegt, wonach dem Stiefbruder 434,60 Euro überwiesen worden sind.

Auf weitere Nachfrage des Senats hat der Kläger erklärt, monatliche Gesamtkosten der Unterkunft seien 444,13 Euro abzüglich Einnahmen für Vermietung i.H.v. 167,98 Euro. Darin seien kalkulatorisch eingeschlossen 13,05 Euro monatlich bzw. 156,60 Euro jährlich als Zinszahlungsanteil. Der Zinskostenanteil, der zunächst in Höhe von 435,00 Euro für 2005 geschätzt worden sei, habe tatsächlich 434,60 Euro + 12,00 Euro Nebenkosten, insgesamt 446,00 Euro, betragen. Diesen kalkulatorischen jährlichen Zinskostenanteil der Einnahmen in Höhe von 156,60 Euro habe er fälschlicherweise von seiner Zinsforderung abgezogen und sei so auf den Wert von 278,40 Euro gekommen.

Beide Beteiligte haben in dem Erörterungstermin vom 04. Dezember 2013 einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung zugestimmt.

Wegen der weiteren Einzelheiten zum Vorbringen der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte zu diesem Berufungsverfahren sowie die zum Verfahren beigezogenen Gerichtsakten S 65 AS 4806/05 bzw. L 14 AS 909/07 und die Gerichtsakte des Sozialgerichts Berlin S 65 AS 15212/07 sowie die Leistungsakten des Beklagten (2 Bände) Bezug genommen. Die Akten haben vorgelegen und sind Gegenstand der Beratung gewesen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat hat ohne mündliche Verhandlung entscheiden können, nachdem die Beteiligten sich damit im Erörterungstermin vom 04. Dezember 2013 einverstanden erklärt haben; § 153 Abs. 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG).

Die vom Senat zugelassene Berufung ist begründet. Der Kläger hat Anspruch auf Berücksichtigung der Zahlung an seinen Stiefbruder aufgrund des Erbfolgevertrages vom 23. Oktober 1985 vor dem Notar W F, B. Die darin geregelte Zahlungsverpflichtung ist als KdU/H zu bewerten. Der Bescheid des Beklagten vom 15. Juli 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. Mai 2007 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 15. Februar 2010 ist insoweit rechtswidrig und zu ändern gewesen. Über den Änderungsbescheid vom 15. Februar 2010, der nach § 96 SGG Gegenstand des Berufungsverfahrens geworden ist, entscheidet der Senat als eine im zweitinstanzlichen Verfahren angefallene Klage. Dieser Bescheid berücksichtigt weiterhin nicht die Zahlung an den Stiefbruder. Die vom Kläger erhobene Anfechtungs- und Leistungsklage ist zulässig und begründet.

Streitgegenstand der Klage ist allein die Berücksichtigung vorstehender Zahlungsverpflichtung des Klägers, die in dem Bewilligungsabschnitt vom 01. Juli bis 31. Dezember 2005, explizit im August 2005 anfällt und noch im Rechtsstreit in Höhe von 278,40 Euro gegenständlich ist. Hierbei handelt es sich um KdU/H nach § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II. Bei der Bewilligung von KdU/H nach § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II handelt es sich um eine abtrennbare Verfügung (BSG Urteil vom 27. Februar 2008 - B 14/11b AS 15/07 R - Rn. 17; BSG Urteil vom 12.07.2012 - B 14 AS 153/11 R; juris). Der Höhe nach ist die Forderung auf einen Betrag von 278,40 Euro beschränkt aufgrund der Erklärung des Klägers in der nichtöffentlichen Verhandlung vom 15. Januar 2008 vor dem Sozialgericht.

Der Kläger hat im streitigen Zeitraum dem Grunde nach Anspruch auf Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach § 19 SGB II (Arbeitslosengeld II). Hiernach erhalten erwerbsfähige Hilfebedürftige Arbeitslosengeld II unter Berücksichtigung von Regelbedarf, Mehrbedarfen und Bedarf für Unterkunft und Heizung, wobei das zu berücksichtigende Einkommen und Vermögen die Geldleistungen mindert. Der Kläger ist ein erwerbsfähiger Hilfebedürftiger in diesem Sinne, weil er seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet hat (§ 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 SGB II), älter als 15 Jahre ist, die Altersgrenze noch nicht erreicht hat (§ 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB II) und Erwerbsfähigkeit vorliegt (§ 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGB II), d.h. es ist mangels entgegenstehender Anhaltspunkte davon auszugehen, dass er nicht wegen Krankheit oder Behinderung außerstande (gewesen) ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 8 Abs. 1 SGB II). Zweifel bestehen an diesen Grundvoraussetzungen nicht; sie werden auch nicht von dem Beklagten in Frage gestellt.

Leistungen für Unterkunft und Heizung werden gem. § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind. Umfasst von § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II sind Aufwendungen, die der erwerbsfähige Hilfebedürftige in der Bedarfszeit für die Nutzung oder Gebrauchsüberlassung einer bestimmten Unterkunft Dritten gegenüber kraft bürgerlichen oder öffentlichen Rechts aufzubringen hat (Berlit in LPK-SGB II, § 22 Rn. 21, 5. Aufl. 2013). Berücksichtigungsfähig als Unterkunftskosten sind demnach auch die Aufwendungen für ein selbst genutztes und vor der Verwertung geschütztes Wohneigentum (Piepenstock in jurisPK-SGB II, § 22 Rn. 54, 3. Aufl. 2012).

Im vorliegenden Fall ist die Zahlung des Klägers an seinen Stiefbruder als Gegenleistung für den Ausschluss der (Verwaltung und) Nutzung der Eigentumswohnung zu betrachten (s. II des notariellen Vertragswerks). Sie stellt ähnlich einer Mietzahlung oder eines (ggf. in Raten zu entrichtenden) Kaufpreises die vertragliche Gegenleistung für die alleinige Überlassung der Eigentumswohnung (und deren Folgen: Verwaltung, Tragung der gesamten Lasten des Eigentums (s. VI des Vertragswerks)) dar. Die Übernahmefähigkeit der Aufwendungen für die Unterkunft hängt nicht von der Art der vertraglichen Gestaltung ab. Dies folgt aus dem hohen Abstraktionsgrad der Formulierung. Die Leistungsberechtigten nach dem SGB II sind nicht darauf festgelegt, ihren Unterkunftsbedarf durch einen Mietvertrag oder ein anderes Dauernutzungsverhältnis zu decken. Als Aufwendung für die Unterkunft muss deshalb jede Zahlungsverpflichtung betrachtet werden, bei deren Nichterfüllung der Gläubiger einen Anspruch auf Räumung der Wohnung erlangen kann und das der Verpflichtung zu Grunde liegende Rechtsgeschäft die Überlassung von Wohnraum zum Gegenstand hat; so zutreffend SG Mainz, Urteil vom 10. Mai 2013 – S 17 AS 751/12 –, juris. Zwar ist eine Regelung im Erbfolgevertrag nicht getroffen worden, mit welchen Rechtsfolgen der Kläger zu rechnen hätte, wenn er der jährlichen Zahlungsverpflichtung nicht nachkäme. Die Rechtsfolgen ergäben sich aber aus §§ 284 ff. BGB mit einer möglichen Vollstreckung nach Erlangung eines Vollstreckungstitels; §§ 864 ff. der Zivilprozessordnung (ZPO). Der Kläger hat auch nicht abzuwarten, ob der Stiefbruder in einem solchen Sinne tätig werden würde. Die Erwägung des Beklagten, dem Kläger drohe kein Verlust der Eigentumswohnung, ist nicht überzeugend. Ein Bedarf i.S.d. § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II entsteht nicht erst bei einem irgendwie gearteten drohenden Verlust der Wohnung. Ein Bedarf für KdU/H besteht für (Geld-)Aufwendungen, die der Leistungsberechtigte in der Bedarfszeit für die Nutzung/Gebrauchsüberlassung (hiesiger Senat, Beschluss vom 25. Juli 2006 – L 14 B 224/06 AS ER) einer bestimmten Unterkunft Dritten gegenüber kraft bürgerlichen oder öffentlichen Rechts aufzubringen hat (BSG, Urteil vom 19. Oktober 2010 – B 14 AS 2/10 – juris). Das ist – wie dargelegt – hinsichtlich des Eigentumsanteils des in den USA wohnenden Stiefbruders von 1/10 der Fall. Diesen Eigentumsanteil nutzt der Kläger auch und er hat deswegen die im notariellen Vertragswerk vereinbarte Leistung jeweils einmal jährlich (im August eines jeden Jahres) zu erbringen.

Die Zahlungsverpflichtung des Klägers steht auch nicht in Bezug zu einer Tilgungsleistung, die nach der Rechtsprechung des BSG grundsätzlich nicht als durch den Leistungsträger zu übernehmende Aufwendungen für die Unterkunft anzusehen ist; Urteile vom 07. Dezember 2006 - B 7b AS 8/06 R; 07. Juli 2011 - B 14 AS 79/10 R; 16. Februar 2012 - B 4 AS 14/11 R jeweils m.w.N., juris). Der Stiefbruder erwirbt mit dem Erbfolgevertrag 2/20 der Eigentumswohnung vom Kläger. Beide Brüder sind auch mit ihren Teileigentumsanteilen an der Eigentumswohnung im Grundbuch von St beim Amtsgericht Sch Band Bl. eingetragen. Es ist bereits erwähnt worden, dass die Zahlung für den Ausschluss der (Verwaltung und) Nutzung der Eigentumswohnung durch den Stiefbruder erfolgt, mit der Folge, dass der Kläger die Wohnung allein nutzen darf und als Folge davon allein zu verwalten hat.

Zweifel bestehen nicht, dass der Kläger auch im August 2005 an seinen Stiefbruder die Zahlung in Höhe von 446,60 Euro erbracht hat. Insoweit ist er seiner Zahlungsverpflichtung konkret nachgekommen (BSG, Urteil vom 20. August 2009 – B 14 AS 34/08 R – ju-ris). Der Betrag entspricht auch dem Wert der Regelung in II. des Erbfolgevertrages. 5 v.H. von 17.000,00 DM sind 850,00 DM, was gerundet 434,60 Euro entspricht. Diese Pflicht entspricht der Regelung in VI des Vertragswerkes. Danach hat er im Innenverhältnis die gesamten Lasten, die auf dem 2/20 (1/10) Miteigentumsanteil ruhen auch zu tragen. Hier-von sind im Rechtsstreit noch 278,40 Euro streitig (s.u.). Bei diesem Teilbetrag braucht nicht darüber entschieden zu werden, ob weitere 12,00 Euro als "Nebenkosten" zu berücksichtigen sind.

Ob die Aufwendungen des Klägers für seine Unterkunft angemessen im Sinne des § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II sind, bedarf keiner abschließenden Entscheidung. Denn selbst unangemessene KdU/H wären dem Kläger gemäß § 22 Abs. 1 S. 2 SGB II in der hier anzuwendenden Fassung zu erstatten. Grundsätzlich werden nur Leistungen für KdU/H in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit sie angemessenen sind (§ 22 Abs. 1 S. 1 SGB II). Die Angemessenheit der tatsächlichen Wohnungskosten wäre nach der Rechtsprechung des BSG (BSGE 97, 231 = SozR 4-4200 § 22 Nr. 2, jeweils Rn. 24; BSGE 97, 254 = SozR 4-4200 § 22 Nr. 3 Rn. 19 ff; Nr. 12 Rn. 18) in mehreren Schritten zu prüfen: Zunächst bedarf es der Feststellung, welche Größe die von der Bedarfsgemeinschaft bewohnte Wohnung hat, sodann ist der Wohnungsstandard zu berücksichtigen. Angemessen sind die Aufwendungen für eine Wohnung, die nach Ausstattung, Lage und Bausubstanz einfachen und grundlegenden Bedürfnissen genügt und keinen gehobenen Wohnstandard aufweist. Die Wohnung muss im unteren Segment der nach der Größe in Betracht kommenden Wohnungen in dem räumlichen Bezirk liegen, der den Vergleichsmaßstab bildet. Dabei ist als räumlicher Maßstab in erster Linie der Wohnort des Hilfebedürftigen maßgebend. Schließlich wäre zu überprüfen, ob auch die konkrete Möglichkeit besteht, eine abstrakt als angemessen angesehene Wohnung auf dem Wohnungsmarkt anzumieten. Diese zu Mietwohnungen entwickelten Grundsätze gelten auch, soweit Hilfebedürftige ein selbst genutztes Hausgrundstück von angemessener Größe i.S.d. § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 SGB II bewohnen (BSG, Urteil vom 02. Juli 2009 – B 14 AS 33/08 R – m.w.N., juris). Hierauf braucht nicht weiter eingegangen zu werden. § 22 Abs. 1 S. 2 SGB II a.F. bestimmte: Soweit die Aufwendungen für die Unterkunft den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang übersteigen, sind sie als Bedarf des allein stehenden Hilfebedürftigen oder der Bedarfsgemeinschaft so lange zu berücksichtigen, wie es dem allein stehenden Hilfebedürftigen oder der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate. Der Beklagte ist danach verpflichtet auch unangemessene Wohnunterkunftskosten höchstens für die Dauer von sechs Monaten zu tragen, wenn es dem allein stehenden Hilfebedürftigen nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken. Es ist nichts dafür ersichtlich, dass dem Kläger dies zumutbar und möglich gewesen wäre. Einer Kostenreduzierung ist er bereits nachgekommen durch Vermietung eines Teils der Eigentumswohnung. Letztlich fehlt es auch an einer Kostensenkungsaufforderung des Beklagten, um die sechs Monatsfrist in Lauf zu setzen. Hierauf hätte auch nicht verzichtet werden können. Bei einem Jahresbetrag von rund 446 Euro hätte sich dem Kläger eine Unangemessenheit seiner Unterkunftskosten nicht aufdrängen müssen, wenn hier unterstellt wird, es lägen überhaupt unangemessene Kosten der Unterkunft vor. Jedenfalls ohne Kenntnis von (ggf. vorliegenden) unangemessenen Kosten der Unterkunft würden vom Kläger ohnehin keine Kostensenkungsmaßnahmen abzuverlangen sein (BSG, Urteil vom 17. Dezember 2009 – B 4 AS 19/09 R – juris).

Vorliegend fällt im August 2005 erstmals während des seit 01. Januar 2005 beginnenden SGB II-Leistungsbezuges die Zahlung an den Stiefbruder als weiterer Bedarf für die Unterkunftskosten an. Zu Recht hat das SG Berlin es in dem Rechtsstreit S 77 AS 18533/08 abgelehnt, die Zahlung an den Stiefbruder im August 2005 als ein Bedarf im Bewilligungsabschnitt vom 01. Januar bis 30. Juni 2005 zu berücksichtigen. Ein tatsächlich höherer Bedarf besteht erst im August 2005 aufgrund der Zahlungsverpflichtung des Klägers.

Nachdem der Kläger die Klageforderung auf 278,40 Euro beschränkt hat, besteht keine rechtliche Möglichkeit mehr, ihm noch einen höheren Betrag zuzusprechen. Durch die teilweise Klagerücknahme ist der Ablehnungsbescheid des Beklagten vom Bescheid des Beklagten vom 15. Juli 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. Mai 2007 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 15. Februar 2010 insoweit bestandskräftig geworden (§ 77 SGG). Der Kläger hat diesen Bedarf nicht – auch nur anteilig – anders gedeckt. Nach dem Mietvertrag mit dem P D B e.V.hat der Kläger diesem anteilige Kosten wegen seiner Verpflichtung aus dem Erbfolgevertrag nicht in Rechnung gestellt.

Nach alledem erweist sich die Berufung und die im Berufungsverfahren angefallene Klage als erfolgreich.

Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 193 SGG und entspricht dem Ergebnis zur Hauptsache.

Die Revision wird nicht zugelassen, weil Gründe nach § 160 Abs. 1 Nrn. 1 und 2 SGG nicht vorgelegen haben.
Rechtskraft
Aus
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