L 9 AY 1/11

Land
Schleswig-Holstein
Sozialgericht
Schleswig-Holsteinisches LSG
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
9
1. Instanz
SG Schleswig (SHS)
Aktenzeichen
S 15 AY 32/07
Datum
2. Instanz
Schleswig-Holsteinisches LSG
Aktenzeichen
L 9 AY 1/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Für die rein wirtschaftlich zu beurteilende Frage der Verfügbarkeit über Einkommen und Vermögen im Sinne von § 7 Abs. 1 S. 1 AsylbLG kommt es nicht darauf an, ob es im Einzelfall zumutbar ist, das Einkommen bzw. Vermögen aufzubrauchen.
2. Nach der Konzeption der Norm bestehen bei der Berücksichtigung des Vermögens keine Schongrenzen bzw. Freibeträge; es sind auch keine persönlichen Härten zu berücksichtigen.
3. Eine entsprechende Heranziehung von Vorschriften des SGB XII oder des SGB II aus systematischen und teleologischen Gesichtspunkten zur Auslegung des § 7 AsylbLG scheidet aus. Das gilt auch für die historische Auslegung des § 7 AsylbLG.
4. § 7 Abs. 1 AsylbLG ist verfassungsgemäß. Die dort normierte Pflicht, Einkommen und Vermögen aufzubrauchen, bevor Leistungen gewährt werden, verstößt nicht gegen das Grundrecht auf Gewährung eines menschenwürdigen Existenzminimums (Art. 1 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG), sie verletzt auch nicht das Gleichbehandlungsgebot (Art. 3 Abs. 1 GG).
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Schleswig vom 29. November 2010 aufgehoben und die Klage abgewiesen. Die außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger in beiden Rechtszügen selbst zu tragen. Die Revision wird nicht zugelassen. &8195;

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich gegen einen Bescheid des Beklagten, mit dem die Erstattung von Leistungen in Höhe von 500,00 EUR verlangt wird.

Der am -. - 1977 geborene aserbaidschanische Kläger hielt sich in der Zeit vom 28. Oktober 2005 bis zum 25. Januar 2006 in der Erstaufnahmeeinrichtung für Asylsuchende in L- auf. Danach war der Betroffene in der zugeordneten Gemeinschaftsunterkunft, H -, in N- untergebracht. Er bezog Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsybLG) und erhielt im Wesentlichen Sachleistungen, daneben den nach § 3 Abs. 1 Satz 4 Nr. 2 AsylbLG vorgesehenen monatlichen Geldbetrag zur Deckung persönlicher Bedürfnisse des täglichen Lebens.

Am 28. oder 29. August 2006 fand beim Kläger eine polizeiliche Durchsuchung statt, bei der eine EC-Karte der Sparkasse K- gefunden wurde. Eine Überprüfung des Kontostandes ergab ein Guthaben in Höhe von 519,00 EUR. Die letzte Kontobewegung dokumentierte eine Bareinzahlung am 28. August 2006 in Höhe von 515,00 EUR. In Gegenwart zweier Polizeibeamten ließ der Kläger sich 500,00 EUR an einem Geldautomaten von seinem Konto auszahlen und übergab den Betrag dem Beklagten, der es zunächst als Sicherheitsleistung zur Sicherung der Kosten der dem Kläger gewährten Leistungen einbehielt.

Mit Bescheid vom 19. September 2006 verlangte der Beklagte vom Kläger Erstattung von Aufwendungen in Höhe von 500,00 EUR, die in der Zeit vom 28. Oktober 2005 bis 6. Dezember 2005 für die Unterbringung in einer Unterkunft entstanden waren. Im beigefügten Forderungsnachweis waren erbrachte Kosten für Unterkunft und Verpflegung für 39 Tage à 12,60 EUR = 491,40 EUR und für einen Tag anteilig in Höhe von 8,60 EUR, mithin insgesamt 500,00 EUR aufgelistet.

Dagegen richtete sich der Widerspruch des Klägers vom 5. Oktober 2006, mit dem er geltend machte, die Hinterlegung eines Betrags von 500,00 EUR sei rechtswidrig. Bei einem Teilbetrag von 350,00 EUR handele es sich um eine Beihilfe aus der Bundes-stiftung Mutter und Kind, die Frau G. B. zustehe. Sie habe diesen Betrag per Scheck für Umstandskleidung, Klinikbedarf und Erstausstattung der Wohnung erhalten und mangels eigenen Kontos seinem – dem des Klägers – Konto gutschreiben lassen. Weitere 150,00 EUR habe er, der Kläger, von den ihm bewilligten Mitteln abgezweigt, um hiervon Anwaltsgebühren zu bezahlen. Das Guthaben von 500,00 EUR habe ihm deshalb nicht zur freien Verfügung gestanden.

Mit Bescheid vom 13. Dezember 2006 wies der Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück. Zur Begründung hieß es darin, der Vortrag des Klägers sei nicht nachvollziehbar. Eigene Recherchen beim Sozialdienst katholischer Frauen N- hätten zwar ergeben, dass Frau B einen Scheck in Höhe von 350,00 EUR erhalten habe, es sich dabei jedoch um einen Barscheck gehandelt habe, für dessen Einsatz es keines Kontos bedurft habe. Zudem könne eine Scheckeinreichung von 350,00 EUR zugunsten des Kontos des Klägers nicht nachvollzogen werden. Vielmehr wiesen die Kontoauszüge eine Bareinzahlung in Höhe von 515,00 EUR am 28. August 2006 auf. Auch der Vortrag des Klägers bezüglich gesparter 150,00 EUR für Anwaltsgebühren sei nicht plausibel. Schließlich sei der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beachtet worden, da dem Kläger ein Betrag von 19,00 EUR verblieben sei, um die persönlichen Bedürfnisse zu decken. Außerdem habe der Kläger Taschengeld gemäß § 3 Asylbewerberleistungsgesetz erhalten. Der Bescheid enthielt eine Kostenentscheidung, nach der 55,00 EUR vom Kläger zu zahlen seien. Die Rechtsbehelfsbelehrung sah vor, dass gegen den Bescheid vom 19. September 2006 in Form des Widerspruchsbescheides innerhalb eines Monats nach Zustellung Klage beim Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgericht erhoben werden könne.

Am 15. Januar 2007 hat der Kläger Klage beim Verwaltungsgericht erhoben. Nach Anhörung der Beteiligten hat das Schleswig-Holsteinische Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 30. Januar 2007 – 7 A 35/07 – entschieden, dass der Verwaltungsrechtsweg unzulässig ist, und hat den Rechtsstreit an das Sozialgericht Schleswig verwiesen. Zur Begründung seiner Klage hat der Kläger seinen Vortrag aus dem Widerspruchsverfahren wiederholt und vertieft. Er verfüge neben den ihm nach dem Asylbewerberleistungsgesetz zustehenden Sachleistungen und dem Taschengeld über kein anderes Einkommen und Vermögen.

Nachdem der Beklagte einen vom Sozialgericht vorgeschlagenen Vergleich nicht angenommen und der Beklagte den Widerspruchsbescheid hinsichtlich der Kostenentscheidung aufgehoben hatte,

hat der Kläger beantragt,

den Bescheid des Beklagten vom 19. September 2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Dezember 2006 aufzuheben und einen in Höhe von 500,00 EUR hinterlegten Betrag zugunsten des Klägers freizugeben.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung hat er die Argumente aus den angefochtenen Bescheiden wiederholt und vertieft.

Mit Urteil vom 29. November 2010 hat das Sozialgericht den Beklagten unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide verurteilt, die einbehaltenen 500,00 EUR an den Kläger auszukehren und die Berufung zugelassen.

Zur Begründung hat es ausgeführt, es sei nicht entscheidungserheblich, ob tatsächlich eine Treuhandverwaltung fremden Vermögens bezogen auf 350,00 EUR vorgelegen habe, so dass der Betrag dem Kläger nicht zur Verfügung gestanden habe; denn eine streng am Wortlaut orientierte Interpretation der Vorschrift des § 7 Abs. 1 Satz 1 AsylbLG sei verfassungswidrig. Sie verstoße gegen das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums, welches sich aus dem Menschenwürdegebot aus Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz (GG) in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG ergebe, und gegen das allgemeine Gleichheitsgebot gemäß Art. 3 Abs. 1 GG. Unabhängig von der Sicherstellung der physischen und soziokulturellen Existenz durch bedarfsdeckende laufende Leistungen umfasse das Grundrecht auf ein menschenwürdiges Existenzminimum auch eine – wenn auch eingeschränkte – Autonomie im Umgang mit eigenem Vermögen. Dies habe schließlich auch der Beklagte erkannt, indem er dem Kläger einen Betrag von 19,00 EUR zur Deckung persönlicher Bedürfnisse belassen habe. Zudem gebiete das allgemeine Gleichheitsgebot, auch den Leistungsberechtigten nach dem AsylbLG einen geringen Vermögensfreibetrag bei Inanspruchnahme von Leistungen zuzugestehen, der allerdings deutlich niedriger sein müsste als der Vermögensfreibetrag, der nach dem Sozialgesetzbuch, Zweites Buch (SGB II), und dem Sozialgesetzbuch, Zwölftes Buch (SGB XII), gewährt werde. Das Gericht habe dennoch selbst – ohne das Verfahren aussetzen und eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nach Art. 100 Abs. 1 GG einholen zu müssen – entscheiden können, weil § 7 Abs. 1 Satz 1 AsylbLG verfassungskonform auszulegen sei. Anders als die §§ 12 Abs. 1 SGB II und 90 Abs. 1 SGB XII, in denen von "verwertbarem Vermögen" die Rede sei, heiße es in § 7 Abs. 1 Satz 1 AsylbLG Vermögen "über das verfügt werden kann". Die Verfügbarkeit des Vermögens sei auch unter sozialen Gesichtspunkten und dem Gebot der Sicherung eines menschenwürdigen Existenzminimums zu bestimmen. In diesem Sinne könne über kleinere Barbeträge und sonstige Vermögenswerte, die der Aufrechterhaltung einer Notreserve dienten bzw. für unvorhergesehene notwendige Anschaffungen und Ausgaben vorgesehen seien, in sozialer und verfassungsrechtlicher Hinsicht nicht verfügt werden. Das Gericht orientiere sich zur Ermittlung der Höhe des Vermögensfreibetrags, der aus verfassungsrechtlichen Gründen deutlich niedriger sein könne als ein Vermögensfreibetrag in den Parallelsystemen SGB II und SGB XII, an dem in § 12 Abs. 2 Nr. 4 SGB II vorgesehenen Anschaffungsfreibetrag in Höhe von 750,00 EUR. Bis zu dieser Höhe müsste es Leistungsberechtigten nach dem AsylbLG mit Rücksicht auf unvorhergesehene Wechselfälle des täglichen Lebens oder unvorhergesehene notwendige Ausgaben möglich sein, über ihr Vermögen zu verfügen. Der beim Kläger vorgefundene Betrag erreiche diesen Freibetrag nicht. Es bestehe keine Erstattungspflicht des Klägers, so dass der als Sicherheitsleistung einbehaltene Betrag an den Kläger auszukehren sei. Die Berufung werde wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen.

Gegen das ihm am 20. Dezember 2010 zugestellte Urteil hat der Beklagte am 3. Januar 2011 Berufung eingelegt. Zur Begründung macht er im Wesentlichen geltend, entgegen der Auffassung des Sozialgerichts sei die dem Bescheid zugrundeliegende Vorschrift, § 7 AsylbLG, nicht nur verfassungsgemäß, sondern verbiete auch die vorgenommene Auslegung, nach der einem Leistungsberechtigten gemäß § 1 Abs. 1 AsylbLG analog den Vorschriften des Sozialgesetzbuchs ein "Schonvermögen" zustehe. Schon in der Gesetzesbegründung zur wortgleichen Vorgängerregelung des § 7 AsylbLG heiße es, dass der Leistungsberechtigte sein Vermögen ausnahmslos und bis auf den Freistellungsbetrag nach Abs. 2 sein Einkommen einzusetzen habe, bevor er Leistungen nach diesem Gesetz für sich und seine im selben Haushalt lebenden Familienangehörigen in Anspruch nehmen könne. Diese Regelung sei vom Wortlaut her eindeutig und nicht verfassungswidrig, so dass kein Bedarf bestehe, diese verfassungskonform auszulegen. Fragwürdig sei schon der Ansatz, das AsylbLG als "paralleles Leistungssystem des SGB II" anzusehen und aus dem Gleichheitsgebot Schonvermögen als Verfassungsgebot zu postulieren. Das AsylbLG stehe vielmehr selbstständig neben dem SGB und regle, dass bei nicht verfestigtem Aufenthalt Hilfe nur im Umfang des zum Lebensunterhalt Unerlässlichen geleistet werde. Folgerichtig würden die Leistungen auch im Sachleistungsprinzip (§ 3 Abs. 1 Satz 1 AsylbLG) erbracht. Bewusst sei geregelt, dass dem Leistungsberechtigten – abgesehen von § 1 Abs. 1 Satz 4 AsylbLG – anders als in der Sozialhilfe nicht Transferzahlungen zum Verwenden nach eigenen Planungen gewährt würden. Der Kläger habe tatsächlich alle notwendigen, ein menschenwürdiges Leben ermöglichenden Leistungen im Sachleistungsprinzip während seiner Wohnverpflichtung in einer Landesunterkunft erhalten. Dazu zählten z. B. Unterbringung, Verpflegung, Bekleidung und ärztliche Hilfe. Erst wenn Leistungsberechtigte insgesamt 48 Monate Leistungen empfangen und die Aufenthaltsdauer nicht rechtsmissbräuchlich selbst beeinflusst hätten, könnten sie Leistungen nach dem SGB XII erhalten. Diese in § 2 AsylbLG getroffene Regelung korrespondiere mit dem Sinn und Zweck des § 1a AsylbLG, der Leistungseinschränkungen vorsehe. Das Gesetz verfolge neben sozialstaatlichen auch ausländer- bzw. aufenthaltsrechtliche Ziele. Auch § 9 AsylbLG unterstreiche, dass das SGB im Vergleich zum AsylbLG gänzlich andere Sachverhalte regele. Danach erhielten Leistungsberechtigte keine Leistungen nach dem SGB XII oder vergleichbaren Landesgesetzen. Daher seien Erwägungen des Gesetzgebers zum SGB XII – von enumerativ aufgezählten Ausnahmen abgesehen – nicht heranziehbar zur Auslegung des AsylbLG. Mangels Parallelität scheide auch die Anwendung des Gleichheitsgebots des Art. 3 Abs. 1 GG zur Begründung des Schonvermögens aus. Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts sei es nicht widersprüchlich, dem Kläger einen Betrag von 19,00 EUR belassen zu haben. Der Regelungsgehalt der Norm, dass die öffentliche Hand nicht anstelle eines an sich Leistungsfähigen zahle, finde dann ihre Grenze, wenn die Leistungsfähigkeit so gering sei, dass sie z. B. nur für die Kosten für Unterkunft bzw. Verpflegung einzelner Tage auskömmlich sei. Selbst wenn man der Einschätzung des Sozialgerichts folgte, dass die Norm verfassungswidrig sei, käme eine verfassungskonforme Auslegung nicht in Betracht. Es treffe nicht zu, dass die Verfügbarkeit über das Vermögen ihre Grenze bei einem "menschenwürdigen Existenzminimum" finde; denn nach der Systematik des AsylbLG und des Sachleistungsprinzips seien für ein menschenwürdiges Leben keine größeren Anschaffungen notwendig. Diese Auffassung sei auch mit dem vom Gesetzgeber intendierten Ziel, dass die Leistungsberechtigten nur vorübergehend auf diese Art von Transferleistungen angewiesen seien, begründbar.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Schleswig vom 29. November 2010 aufzuheben und die Klage gegen den Bescheid vom 19. September 2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 13. September 2006 abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend. Ergänzend führt er an, das Bundesverfassungsgericht habe mittlerweile mit Urteil vom 18. Juli 2012 – 1 BvL 10/10, 1 BvL 2/11 – entschieden, dass die Höhe der Geldleistungen nach § 3 AsylbLG evident unzureichend sei. Durch diese Entscheidung werde das hier angefochtene Urteil gestützt. Die Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts zu § 3 AsylbLG, wonach das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums, das sowohl die physische Existenz des Menschen als auch die Sicherung der Möglichkeit der Pflege zwischenmenschlicher Beziehungen und ein Mindestmaß an Teilhabe am gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben umfasse, sei auf die hier streitgegenständliche Norm, § 7 AsylbLG, übertragbar.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichts- und der Verwaltungsakten des Beklagten verwiesen; diese sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung des Beklagten hat auch in der Sache Erfolg. Der Leistungsbescheid des Beklagten vom 19. September 2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 13. Dezember 2006, mit dem vom Kläger die Erstattung von Leistungen nach dem AsylbLG für die Zeit vom 28. Oktober 2005 bis 6. Dezember 2005 in Höhe von 500,00 EUR verlangt werden, ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.

Der Kläger hat den einbehaltenen Betrag in Höhe von 500,00 EUR gemäß § 7 Abs. 1 Satz 3 AsylbLG an den Beklagten zu erstatten. Nach dieser Vorschrift haben Leistungsberechtigte bei der Unterbringung in einer Einrichtung, in der Sachleistungen gewährt werden, soweit Einkommen und Vermögen im Sinne des Satzes 1 vorhanden sind, für erhaltene Leistungen dem Kostenträger für sich und ihre Familienangehörigen die Kosten in entsprechender Höhe der in § 3 Abs. 2 Satz 2 genannten Leistungen sowie die Kosten der Unterkunft und Heizung zu erstatten. Gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 AsylbLG sind Einkommen und Vermögen, über das verfügt werden kann, von dem Leistungsberechtigten und seinen Familienangehörigen, die im selben Haushalt leben, vor Eintritt von Leistungen nach diesem Gesetz aufzubrauchen.

Die Voraussetzungen des § 7 Abs. 3 Satz 1 AsylbLG sind erfüllt.

Der Kläger war Leistungsberechtigter im Sinne des AsylbLG und war in der Zeit, die vom Erstattungsverlangen erfasst wird, in einer Einrichtung des Beklagten untergebracht, in der ihm – dem Kläger – Sachleistungen gewährt worden sind. Da er über Vermögen verfügte und gleichwohl Leistungen (Unterkunft und Verpflegung) erhalten hatte, hat er diese zu erstatten.

Wie das Sozialgericht zutreffend ausgeführt hat, ist der Wortlaut des § 7 Abs. 1 AsylbLG eindeutig, so dass danach Einkommen verfügbar ist, wenn es ohne tatsächliche oder rechtliche Hindernisse zur Bestreitung des aktuellen Lebensunterhalts eingesetzt werden kann. Soweit Vermögen vorhanden ist, muss zur Verfügbarkeit hinzu kommen, dass es durch Verbrauch, Veräußerung oder Belastung so verwertet werden kann, dass es aktuell zur Bestreitung des Lebensunterhalts eingesetzt werden kann.

Das auf dem Konto des Klägers anlässlich einer Hausdurchsuchung angetroffene Vermögen von 519,00 EUR ist Vermögen in diesem Sinne. Dass es sich bei einem Betrag von 350,00 EUR auf dem Konto des Klägers lediglich um treuhänderisch verwaltetes Vermögen der Frau G. B. handeln könnte, das der Verfügungsmacht des Klägers entzogen wäre, ist nicht bewiesen und nicht nachweisbar. Nach dem Grundsatz der objektiven Beweislast ist es als Vermögen des Klägers anzusehen. Der derzeitige Aufenthalt von Frau B ist nicht bekannt. Der Kläger unterhält nach eigenen Angaben seit langem keinen Kontakt mehr zu ihr. Da Frau B von der Mutter-Kind-Stiftung einen Barscheck über 350,00 EUR erhalten hatte, auf dem Konto des Klägers jedoch keine Einzahlung eines Betrages in dieser Höhe zu verzeichnen ist, ist der Vortrag des Klägers, es handele sich um Geld aus der Mutter-Kind-Stiftung, das der Frau B zustehe, als nicht glaubhaft zu werten. Eine Erklärung, welchen Sinn die Einzahlung dieses Betrages auf sein Konto gehabt habe, obwohl es sich um einen Barscheck gehandelt hat und die Niederkunft von Frau B unmittelbar bevorgestanden hatte, hat der Kläger nicht gegeben und ist auch nicht ersichtlich.

Für die rein wirtschaftlich zu beurteilende Frage der Verfügbarkeit kommt es nicht darauf an, ob es im Einzelfall zumutbar ist, das Einkommen bzw. Vermögen aufzubrauchen. Dementsprechend kann gegen die tatsächliche Selbsthilfemöglichkeit nicht eingewandt werden, dass der Verbrauch von Vermögen einen wirtschaftlichen Verlust oder aus persönlichen Gründen eine Härte darstelle (vgl. Schmidt in juris PK-SGB XII, § 7 AsylbLG Rn. 20). Dafür sprechen auch Sinn und Zweck des § 7 AsylbLG sowie systematische Gesichtspunkte; denn nach der Konzeption der Norm bestehen bei der Berücksichtigung des Vermögens keine Schongrenzen bzw. Freibeträge, es sind auch keine persönlichen Härten zu berücksichtigen (vgl. Schmidt, a.a.O., § 7 AsylbLG Rn. 46). Der Gesetzgeber hat Art und Umfang von Sozialleistungen an Ausländer grundsätzlich von der voraussichtlichen Dauer ihres Aufenthalts in Deutschland abhängig gemacht. Es steht im sozialpolitischen Ermessen des Gesetzgebers, für Asylbewerber – was mit dem AsylbLG geschehen ist – ein eigenes Konzept zur Sicherung ihres Lebensbedarfs zu entwickeln und dabei auch Regelungen über die Gewährung von Leistungen abweichend vom Recht der Sozialhilfe zu treffen (vgl. Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 11. Juli 2006 – 1 BvR 293/05 –, BVerfGE 116, 229 ff., zitiert nach Juris Rn. 44). Zwar hat das Bundesverfassungsgericht mit vorstehend genannter Entscheidung die frühere Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. z. B. BVerwG, Beschluss vom 2. Dezember 2004 – 5 B 108/04), wonach Asylbewerber auch Schmerzensgeld nach § 253 Abs. 2 BGB für ihren Lebensunterhalt einsetzen müssen, für verfassungswidrig erklärt. Daraufhin hat der Gesetzgeber ausdrücklich in § 7 Abs. 5 AsylbLG in der Fassung vom 19. August 2007 gesetzlich geregelt, dass eine Entschädigung, die wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, nach § 253 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs geleistet wird, nicht als Einkommen zu berücksichtigen ist. Das Bundesverfassungsgericht hat aber dennoch die grundsätzliche Möglichkeit, vom Sozialgesetzbuch abweichende Regelungen im AsylbLG treffen zu können, unbeanstandet gelassen.

Abweichend vom SGB XII und SGB II wird nach dem AsylbLG bei nicht verfestigtem Aufenthalt der Berechtigten Hilfe nur im Umfang des zum Lebensunterhalt Unerlässlichen geleistet. Dies spiegelt sich auch in dem vorrangig geltenden Sachleistungsprinzip (§ 3 Abs. 1 Satz 1 AsylbLG) wider. Danach wird der notwendige Bedarf an Ernährung, Unterkunft, Heizung, Kleidung, Gesundheits- und Körperpflege und Gebrauchs- und Verbrauchsgütern des Haushalts durch Sachleistungen gedeckt. Bewusst und gewollt hat der Gesetzgeber mit dieser Regelung – abgesehen vom Barbetrag zur Deckung persönlicher Bedürfnisse des täglichen Lebens gemäß § 3 Abs. 1 Satz 4 AsylbLG – keine Transferleistungen zum Verwenden nach eigenen Planungen vorgesehen.

Dass der Gesetzgeber zwei getrennte Leistungssysteme errichtet hat, ergibt sich auch aus § 9 Abs. 1 AsylbLG, wonach Leistungsberechtigte keine Leistungen nach dem SGB XII oder vergleichbaren Landesgesetzen erhalten. Ferner dokumentieren § 2 und § 1a AsylbLG die "Zweigleisigkeit" der Leistungssysteme, indem in § 2 Abs. 1 AsylbLG ausdrücklich unter bestimmten Voraussetzungen für bestimmte Fälle eine ausnahmsweise Anwendbarkeit des SGB XII normiert. Aus diesen Regelungen ergibt sich zugleich, dass der Gesetzgeber mit dem AsylbLG nicht nur sozialstaatliche sondern auch ausländer- und aufenthaltsrechtliche Ziele verfolgt. Nach § 2 Abs. 1 AsylbLG ist abweichend von den §§ 3 bis 7 das SGB XII auf diejenigen Leistungsberechtigten entsprechend anzuwenden, die über eine Dauer von insgesamt 48 Monaten Leistungen nach § 3 erhalten haben und die Dauer des Aufenthalts nicht rechtsmissbräuchlich selbst beeinflusst haben. Nach § 1a AsylbLG erhalten Leistungsberechtigte und ihre Familienangehörigen, die sich in den Geltungsbereich dieses Gesetzes begeben haben, um Leistungen nach diesem Gesetz zu erhalten, oder bei denen aus von ihnen zu vertretenden Gründen aufenthaltsbeendende Maßnahmen nicht vollzogen werden können, Leistungen nach diesem Gesetz nur, soweit dies im Einzelfall nach den Umständen unabweisbar geboten ist.

Aus Vorstehendem folgt im Umkehrschluss, dass eine entsprechende Heranziehung von Vorschriften des SGB XII oder des SGB II aus systematischen und teleologischen Gesichtspunkten zur Auslegung des § 7 AsylbLG ausscheidet.

Auch die historische Auslegung des § 7 AsylbLG kommt zu keinem anderen Ergebnis. Laut Gesetzesbegründung (vgl. BT-Drucks. 12/4451 Seite 10 zu § 6 (gleichlautend mit dem jetzigen § 7 AsylbLG)) hat der Leistungsberechtigte sein Vermögen ausnahmslos und bis auf den Freistellungsbetrag nach Abs. 2 sein Einkommen einzusetzen, bevor er Leistungen nach diesem Gesetz für sich und seine im selben Haushalt lebenden Familienangehörigen in Anspruch nimmt.

§ 7 Abs. 1 AsylbLG ist auch verfassungsgemäß. Die in § 7 AsylbLG normierte Pflicht, Einkommen und Vermögen aufzubrauchen, bevor Leistungen gewährt werden, verstößt nicht gegen das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums (Art. 1 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG). Das Menschenrecht aus Art. 1 Abs. 1 GG steht deutschen und ausländischen Staatsangehörigen gleichermaßen zu; daraus kann aber nur abgeleitet werden, dass der Staat im Rahmen seines Auftrages zum Schutz der Menschenwürde und in Ausfüllung seines sozialstaatlichen Gestaltungsauftrags verpflichtet ist, dafür Sorge zu tragen, dass die materiellen Voraussetzungen zur Gewährleistung eines menschenwürdigen Daseins Hilfebedürftigen zur Verfügung stehen, wenn Menschen die notwendigen materiellen Mittel fehlen, weil sie weder aus einer Erwerbstätigkeit noch aus eigenem Vermögen noch durch Zuwendungen Dritter zu erlangen sind (vgl. BVerfG, Urteil vom 18. Juli 2012 - 1 BvL 10/10, 1 BvL 2/12 -, Juris Rn. 63 m.w.N.). Der unmittelbar verfassungsrechtliche Leistungsanspruch auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums erstreckt sich nur auf diejenigen Mittel, die zur Aufrechterhaltung eines menschenwürdigen Daseins unbedingt erforderlich sind (vgl. BVerfG, a.a.O., Juris Rn. 64 ff.). Der verfassungsrechtliche Leistungsanspruch umfasst danach eine einheitliche grundrechtliche Garantie, die die physische Existenz des Menschen, also Nahrung, Kleidung, Hausrat, Unterkunft, Heizung, Hygiene und Gesundheit sowie die Sicherung der Möglichkeit zur Pflege zwischenmenschlicher Beziehungen und zu einem Mindestmaß an Teilhabe am gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben gewährleistet. Soweit das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung daraus die Konsequenz zieht, dass § 3 Abs. 2 Satz 2 und Satz 3 i. V. m. Abs. 1 Satz 4 AsylbLG verfassungswidrig sind, weil das menschenwürdige Existenzminimum unabhängig von der Staatsangehörigkeit identisch ist, kann daraus kein schützenswerter Vermögensfreibetrag abgeleitet werden. Die vorgenannten Bedürfnisse werden durch die an den Kläger gewährten Sachleistungen und den nach § 3 Abs. 1 Satz 4 AsylbLG ausgezahlten Barbetrag gedeckt. Laut dem Forderungsnachweis, der dem angefochtenen Bescheid beigefügt war, wurden lediglich Kosten der Unterkunft und Verpflegung in der Zeit vom 28. Oktober bis 5. Dezember 2005 in Höhe von 500,00 EUR zurückverlangt. Der dem Kläger darüber hinaus nach § 3 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 AsylbLG gewährte Geldbetrag zur Deckung persönlicher Bedürfe des täglichen Lebens, der der Sicherung des Existenzminimums dient, war hingegen nicht Gegenstand des streitgegenständlichen Erstattungsverlangens.

§ 7 AsylbLG verletzt auch nicht das Gleichbehandlungsgebot (Art. 3 Abs. 1 GG). Der Gleichheitssatz verbietet, wesentlich Gleiches ungleich zu behandeln, d.h. der Gleichheitssatz ist verletzt, wenn sich ein vernünftiger aus der Sache ergebender oder sachlich einleuchtender Grund für die gesetzliche Differenzierung nicht finden lässt (vgl. BVerfG, Urteil vom 23. Oktober 1951 - 2 BvG 1/51, BVerfGE 1, 14), bzw. wenn für die vorgesehene Differenzierung keine Gründe von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleichen Rechtsfolgen rechtfertigen können (vgl. BVerfG, Beschluss vom 26. Januar 1993 - 1 BvL 38/92 u.a. -, BVerfGE 88, 87). Die Ungleichbehandlung von Personen, die einerseits unter den Anwendungsbereich des SGB II oder SGB XII und andererseits unter den Anwendungsbereich des AsylbLG fallen, ist gerechtfertigt aufgrund des unterschiedlichen Aufenthaltsstatus beider Personengruppen.

Da eine Verpflichtung des Klägers zur Erstattung besteht, war der Beklagte befugt, den Betrag von 500,00 gemäß § 7a AsylbLG als Sicherheitsleistung zu verlangen und zu hinterlegen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Gründe, die Revision durch den Senat nach § 160 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG zuzulassen, sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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