L 7 AS 25/14 B ER

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
7
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 16 AS 2872/13 ER
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 7 AS 25/14 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Die Ermittlung abstrakt angemessener Heizkosten ist mangels Daten regelmäßig nicht möglich. Der Grenzwert, der sich aus dem Heizkostenspiegel ergibt, ist nur ein Indiz für eine Einzelfallprüfung. Dieser Grenzwert bildet nicht die Angemessenheitsgrenze. Die angemessenen Heizkosten sind mit etwa 1, Euro je Quadratmeter angemessener Wohnfläche und Monat anzusetzen.
Als Kostensenkungsmaßnahme kommt vor allem ein Wohnungswechsel in Frage. Dieser ist gemäß § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II aber nicht zumutbar, wenn die tatsächlichen Gesamtaufwendungen von Bruttokaltmiete und Heizkosten unter der Summe von angemessenen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung liegen.
Zu Bedingungen im Rahmen einer einstweiligen Anordnung.
I. Auf die Beschwerde wird der Beschluss des Sozialgerichts München vom 9. Dezember 2013 abgeändert und der Antragsgegner vorläufig verpflichtet, 1.472,86 Euro direkt an den Energieversorger zu bezahlen.
Diese Zahlungsverpflichtung steht unter der Bedingung, dass die Antragsteller dem Antragsgegner binnen fünf Werktagen ab Zugang dieses Beschlusses die Inaugenscheinnahme aller Räume des Anwesens (Bauernhof und Nebengebäude) durch zwei Mitarbeiter des Antragsgegners ermöglichen. Hierbei sind die Antragsteller verpflichtet, dem Antragsgegner umgehend Terminvorschläge zu unterbreiten.

Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

II. Der Antragsgegner hat - sofern die Bedingung eintritt - den Antragstellern zwei Drittel der notwendigen außergerichtlichen Kosten beider Instanzen zu erstatten.
Falls die Bedingung nicht eintritt, bleibt es bei der Kostenentscheidung des Sozialgerichts und die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Streitig ist im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes, ob der Beklagte für eine Nachzahlung für Strom etwa 2.147,- Euro und höhere laufende Abschlagszahlungen zu übernehmen hat.

Die Antragsteller und Beschwerdeführer (Mutter und die beiden 2002 und 2005 geborenen Töchter) beziehen seit dem Jahr 2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) vom Antragsgegner. Sie bewohnen allein ein 1894 erbautes nicht saniertes Bauernhaus. Wie das Haus genutzt wird, insbesondere welche Fläche davon bewohnt und beheizt wird, ist unbekannt, weil die Antragstellerin zu 1 (Mutter) einen Hausbesuch von Seiten des Antragsgegners kategorisch ablehnt (vgl. S. 6431 und 7340 der Verwaltungsakte). Das Erdgeschoss hat zumindest 92 qm Wohnfläche (S. 6422), das Obergeschoß wird in nicht nachgewiesenem Umfang ebenfalls genutzt und geheizt.

Für das Bauernhaus fallen monatlich eine Grundmiete von 255,65 Euro, ab Januar 2013 von 280,- Euro, und Nebenkosten von 50,- Euro an. Laut Antragsgegner betrage die angemessene Kaltmiete am Wohnort der Antragsteller ab April 2013 für drei Personen 483,- Euro (S. 6638).

Für die Kinder wird fortlaufend Kindergeld von je 184,- Euro monatlich gezahlt. Die 2005 geborene Tochter erhält monatlich 272,- Euro Unterhalt. Die Antragstellerin zu 1 erzielt kein eigenes Einkommen.

Strittig ist seit Jahren in einer Vielzahl von Widerspruchs-, Eil- und Klageverfahren, in welcher Höhe der Antragsgegner Heizkosten zu übernehmen hat. Das Haus wird teilweise mit Öleinzelöfen beheizt, hierfür gibt es einen Öltank mit insgesamt 2.000 Liter Fassungsvermögen. Teilweise heizen die Antragsteller mit Strom. Eine getrennte Erfassung von Haushaltsstrom und Heizstrom erfolgt nicht. Im Mai 2012 forderte der Antragsgegner die Antragsteller auf, die Heizkosten auf ein angemessenes Maß von 95,63 Euro monatlich zu senken (S. 6385). Der Antragsgegner übernahm ab Mitte 2012 fortlaufend nur noch diese Heizkosten (S. 6267 und 6287).

Im November 2012 beantragten die Antragsteller erfolglos die Übernahme der Kosten für Heizöl. Am 07.01.2013 sei das Heizöl zur Neige gegangen (S. 6289). Daraufhin habe ausschließlich mit Strom geheizt werden müssen. Im nachfolgenden Eilverfahren verpflichtete das Sozialgericht München den Antragsgegner mit Beschluss vom 19.02.2013, S 16 AS 127/13 ER (S. 6527), Kosten für Heizöl zu übernehmen. Mit Schreiben vom 27.02.2013 (S. 6565) wurde der Beschluss umgesetzt und für eine am 13.02.2013 erfolgte Heizöllieferung 1.107,62 Euro übernommen. Im April 2013 wurden vom Antragsgegner weitere Heizölkosten von 340,96 Euro übernommen (S. 6642). Ab Januar 2013 wurden monatlich 100,- Euro für Heizkosten als laufender Bedarf anerkannt.

Mit Bescheid vom 19.06.2013 (S. 6706) bewilligte der Antragsgegner Leistungen für die Monate Juli bis Dezember 2013 in Höhe von monatlich insgesamt 864,43 Euro. Dabei wurden die Grundmiete, die Nebenkosten und 100,- Euro für die (Strom-)Heizung berücksichtigt (insgesamt monatlich 430,- Euro). Ein Mehrbedarf für Alleinerziehen wurde angesetzt und ein Mehrbedarf für dezentrale Warmwasserbereitung. Zugleich wurde die Kostenübernahme für 1800 Liter Heizöl verfügt, die die Antragsteller auch für 1559,50 Euro beschafften. Nach Widerspruch wurde Klage erhoben.

Mit Schreiben vom 26.09.2013 legte der Energieversorger eine Strom-Jahresabrechung für die Zeit von 31.07.2012 bis 31.07.2013 mit Stromkosten von fast 4.000,- Euro vor und verlangte eine Nachzahlung von 1.617,86 Euro. Der monatliche Abschlag für Strom betrage nunmehr rückwirkend ab Ende September 457,- Euro. Auf Antrag wurde der monatliche Abschlag ab Ende November 2013 auf 195,- Euro herabgesetzt.

Am 30.10.2013 legte die Antragstellerin zu 1 die vorgenannten Schreiben des Energieversorgers und eine Mahnung vom 23.10.2013 vor (S. 7021). Es seien 1.422,86 Euro zu überweisen, ansonsten sei eine Stromsperre ab 27.11.2013 möglich. Die Antragstellerin zu 1 beantragte, 1.797,86 Euro als Einmalbetrag und ab Oktober fortlaufend 140,- Euro an Stromheizkosten (Haushaltsstrom von 55,- Euro laut Regelbedarfsanteil abgezogen) zu übernehmen. Mit Bescheid vom 14.11.2013 (S. 7033) lehnte es der Antragsgeber ab, den Einmalbetrag zu übernehmen. Die derzeitige Wohnung sei wegen der immens hohen Heizkosten nicht erhaltenswert, so dass eine Übernahme von Mietschulden nicht gerechtfertigt sei. Der dagegen eingelegte Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 18.12.2013). Dagegen wurde Klage erhoben.

Bereits am 13.11.2013 stellten die Antragsteller beim Sozialgericht München den streitgegenständlichen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz. Der Antragsgegner solle die Nachforderung in Höhe von 1.617,86 Euro übernehmen und die laufende Abschlagszahlung für Stromheizung um 40,- Euro erhöhen. Es drohe - trotz der unklaren Formulierung des Energieversorgers - eine Stromsperre.

Mit Beschluss vom 09.12.2013 verpflichtete das Sozialgericht den Antragsgegner, bis 31.03.2014 weitere 40,- Euro monatlich als Stromheizkosten zu gewähren. Im Übrigen wurde der Antrag abgelehnt und dem Antragsgegner ein Zehntel der außergerichtlichen Kosten der Antragsteller auferlegt. Der Anteil des Heizstroms werde durch Abzug des Ansatzes für Haushaltsstrom entsprechend dem Regelbedarfsermittlungsgesetz auf 140,- Euro geschätzt. Die Nachzahlung für Strom sei nicht zu übernehmen. Es handle sich letztlich um erhöhte Heizkosten und aktuellen Bedarf im Fälligkeitsmonat. Dabei handle es sich - gemäß dem Urteil des BSG vom 22.03.2010, B 4 AS 62/09 R - nicht um Schulden nach § 22 Abs. 8 SGB II, weil die Antragsteller ihre monatlichen Abschlagszahlungen an den Energieversorger abgeführt hatten. Es bestehe somit ein bisher vom Leistungsträger nicht gedeckter Bedarf nach § 22 Abs. 1 SGB II. Die Heizkosten seien unangemessen hoch. Unter Berücksichtigung der halbjährlichen Übernahme von 1800 Liter Heizöl (zuletzt für 1560,- Euro) und der Abschlagszahlung für Strom ergäben sich durchschnittliche monatliche Heizkosten von 400,- Euro. Die Heizkosten und die bewohnbare Fläche des Hauses würden weit über den Angemessenheitsgrenzen liegen. Die Angemessenheit von Heizkosten sei getrennt zu prüfen, so dass es unerheblich sei, dass die tatsächliche Grundmiete von 280,- Euro unter der Kaltmietobergrenze von 483,- Euro liege.

Mit Bescheid vom 30.12.2013 (S. 7284) wurden den Antragstellern Leistungen für die Monate Januar bis Juni 2014 in Höhe von monatlich insgesamt 929,01 Euro bzw. ab April 2014 von 889,01 Euro vorläufig bewilligt und erneut die Kostenübernahme für 1.800 Liter Heizöl verfügt. Als Bedarf wurden berücksichtigt die Regelbedarfe, 470,- Euro bzw. ab April 430,- Euro für die Unterkunft, ein Mehrbedarf für Alleinerziehen von 140,76 Euro und ein Mehrbedarf für dezentrale Warmwasserbereitung von 15,25 Euro monatlich.

Mit Schreiben vom 30.12.2013 teilte der Energieversorger den Antragsteller mit, dass ein Betrag von 1.472,86 Euro zu zahlen sei, andernfalls sei ab 03.02.2014 eine Stromsperre möglich. Der monatliche Abschlag betrage 166,- Euro.

Die Antragsteller haben am 10.01.2014 Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts eingelegt. Es seien die vollen 1.797,86 Euro Nachforderung aus der Jahresabrechnung zu übernehmen. Außerdem sei die Monatsrate für Strom mindestens bis 30.06.2014 um 40,- Euro monatlich zu erhöhen. Ein Wechsel des Stromversorgers sei bei offenen Stromschulden praktisch unmöglich. Es sei nicht gewürdigt worden, dass der Antragsgegner die Verantwortung für die hohe Stromnachzahlung trage. Das Mietniveau liege am Wohnort und im Landkreis mit ca. 8,- Euro je Quadratmeter deutlich höher als vom Antragsgegner angenommen, so dass bei einer Gesamtbetrachtung der Bauernhof insgesamt günstiger komme.

Nachfolgend ist der Antrag dahingehend erweitert worden, dass der Antragsgegner einen Einmalbetrag von 2.146,63 Euro zu übernehmen habe. Dies ist durch verschiedene Rechenansätze begründet worden, u. a. damit, dass dies die erhöhten Stromkosten zutreffend abbilde, die Jahresabrechnung fälschlich die geleisteten Abschlagszahlungen für August und September 2013 verrechnet habe und der Energieversorger auch weitere Abschlagszahlungen mit der Nachzahlung verrechne, so dass diese in zu geringer Höhe ausgewiesen werde. Zumindest seien 1.797,86 Euro zu übernehmen, wenn die tatsächlichen Abschlagszahlungen vom Rechungsbetrag des Stromversorgers abgezogen würden. Auf Anfragen wegen Ratenzahlungen habe der Energieversorger nicht reagiert.

Die Antragsteller beantragen,
den Beschluss des Sozialgerichts München vom 9. Dezember 2013 abzuändern und den Antragsgegner zu verpflichten, einen Einmalbetrag von 2.146,63 Euro zu übernehmen und die laufende Abschlagszahlung für Heizstrom bis mindestens 30.06.2014 um 40,- Euro zu erhöhen.

Der Beschwerdegegner beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Er hat ausgeführt, dass die Heizkosten getrennt auf Angemessenheit zu überprüfen seien und hier der Grenzwert, der aus den bundesweiten Heizspiegel abzuleiten sei, bei Weitem überschritten sei. Die derzeitige Wohnung sei aufgrund ihrer Größe und Beschaffenheit mit immens hohen Heizkosten belastet und nicht erhaltenswert. Energiesparmaßnahen seien nicht erkennbar und Mietangebote aus der Region seien nicht in Anspruch genommen worden.

Im Übrigen wird zur Ergänzung des Tatbestands auf die Akten des Antragsgegners und die Gerichtsakten des Sozialgerichts und des Beschwerdegerichts verwiesen.

II.

1. Die Beschwerde ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht erhoben (§ 173 Sozialgerichtsgesetz - SGG). Sie ist im tenorierten Umfang teilweise begründet, weil den Antragstellern im Rahmen des Eilverfahrens vorläufig Stromheizkosten zuzusprechen sind, um eine Unterbrechung der Stromversorgung zu verhindern. Damit dies gewährleistet ist, hat das Beschwerdegericht eine Direktzahlung an den Energieversorger verfügt. Die vorläufige Leistungsverpflichtung des Antragsgegners setzt allerdings voraus, dass die Stromkosten tatsächlich ausschließlich für Wohnzwecke der Antragsteller entstanden sind. Weil dies zweifelhaft ist, wurde die Leistungsverpflichtung von einer Inaugenscheinnahme abhängig gemacht.

2. Das Sozialgericht hat die Nachzahlung für den Heizstrom zutreffend dem aktuellen Bedarf für Kosten der Heizung nach § 22 Abs. 1 SGB II zugeordnet. Es handelt sich um einen vom Leistungsträger noch nicht gedeckten Bedarf im Fälligkeitsmonat.

Auch Heizkosten werden nur übernommen soweit sie angemessen sind. Die Angemessenheit beurteilt sich nach dem Entstehungszeitraum der Nachforderung (BSG, Urteil vom 06.04.2011, B 4 AS 12/10 R, Rn. 17). Die Heizkosten sind offensichtlich unangemessen. Trotzdem ist ein Anordnungsanspruch glaubhaft, weil es - vorbehaltlich der Erfüllung der Bedingung - überwiegend wahrscheinlich ist, dass die Antragsteller sich noch darauf berufen können, dass ihnen ein Umzug nicht zumutbar war gemäß § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II. Ein Anordnungsgrund ist angesichts der möglichen Stromsperre glaubhaft.

3. Das BSG hat im Urteil vom 12.06.2013, B 14 AS 60/12, die Strukturen der Ermittlung angemessener Heizkosten und des Absenkungsverfahrens dargelegt:

a) Die Angemessenheit von Heizkosten ist getrennt von den sonstigen Unterkunftskosten zu ermitteln (dort Rn. 17). Eine Ermittlung abstrakt angemessener Heizkosten ist nicht möglich, weil die dafür erforderlichen Daten nicht existieren (Rn. 21). Eine Pauschalierung ist aber auch unzulässig. So behilft man sich mit einem Indiz für unangemessene Heizkosten, das sich aus dem zur Zeit der Verwaltungsentscheidung (Erlass des Bescheids, so vorhanden des Widerspruchsbescheids) vorhandenen lokalen hilfsweise bundesweiten Heizkostenspiegel ergibt. Es ist für den jeweiligen Brennstoff und die Größe der gesamten von der Heizanlage versorgten Wohnfläche der Höchstwert ("zu hoch") zu nehmen und mit der angemessenen Wohnfläche zu multiplizieren (Rn. 25). Dies ergibt keine Angemessenheitsgrenze, sondern ist Anlass für eine Einzelfallprüfung, in der es dem Leistungsberechtigten obliegt vorzutragen, wieso seine Aufwendungen gleichwohl angemessen sind. Falls sich dies nicht feststellen lässt, ist von unangemessenen Heizkosten auszugehen. (Rn. 23).

b) Dieser Anscheinsbeweis (so das BSG wörtlich unter Rn. 23) mit dem Grenzwert des Heizkostenspiegels gilt für alle Heizungsarten, auch für Einzelöfen wie hier, Holzheizungen, Stromheizungen und Solarheizungen (Rn. 24, 25). Es geht um einen standardisierten Grenzwert. Für Etagenheizungen empfiehlt das BSG, von den Werten im Heizkostenspiegel für Gebäudeflächen von 100 bis 250 qm auszugehen, für dort nicht genannte Energieträger wie Strom oder Holz vom teuersten Energieträger (Rn. 25).

c) Damit ist aber noch nicht die Frage beantwortet, welche Heizkosten im konkreten Einzelfall angemessen sind. Klar ist zunächst, dass die Heizkosten über diesem Grenzwert keinesfalls angemessene Heizkosten sind. Das BSG setzt beim weiteren Vergleich der Gesamtkosten für Unterkunft und Heizung (KdUH) ausdrücklich nicht den vorgenannten Grenzwert an, sondern einen deutlich niedrigeren Wert von rund 1,- Euro pro Quadratmeter und Monat (Rn. 32). Dieser Wert liegt bei den durchschnittlichen Heizkosten, die in den Betriebskostenspiegeln ausgewiesen werden (Rn. 32). Der aktuellste Betriebskostenspiegel für Deutschland mit Daten von 2011 gibt Heizkosten von 0,99 Euro je Quadratmeter und Monat an. Der Betriebskostenspiegel für Bayern (siehe Internetseite Mieterbund Aschaffenburg) mit Daten von 2011 weist 1,03 Euro aus. Diese Quadratmeterwerte können sich nur auf die angemessene Wohnfläche beziehen.

d) Unangemessene KdUH sind gemäß § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II so lange zu übernehmen, wie es dem Leistungsempfänger nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate (Rn. 28). Als
Kostensenkungsmaßnahme komme vor allem ein Wohnungswechsel in Betracht (Rn. 29). Dieser sei aber nur zumutbar, wenn in einer alternativen Wohnung keine höheren Gesamtkosten (KdUH) als bisher anfallen würden (Rn. 30, 31).

Vergleichsbasis sind die abstrakt angemessenen Gesamtkosten, also die Bruttokaltmiete auf Grundlage der Produkttheorie und eines schlüssigen Konzeptes und der vorgenannte Betrag von 1,- Euro je Quadratmeter angemessener Wohnfläche für Heizkosten (Rn. 32).

Nach Auffassung des Beschwerdegerichts sind für die Bruttokaltmiete die Tabellenwerte von § 12 WoGG plus 10 % Zuschlag anzusetzen, sofern kein schlüssiges Konzept vorhanden ist.

e) Wenn die tatsächlichen Gesamtkosten (KdUH) diesen Vergleichswert nicht übersteigen, sind diese Gesamtkosten weiterhin zu übernehmen (Rn. 33). Auf die Sechsmonatsfrist stellt das BSG in dieser Konstellation scheinbar nicht mehr ab.

f) Wenn die tatsächlichen Gesamtkosten (KdUH) diesen Vergleichswert übersteigen, dann wäre grundsätzlich ein Wohnungswechsel zu verlangen (Rn. 33).

Da die angemessenen Heizkosten nicht ermittelbar sind, weil die dafür erforderlichen Daten nicht existieren (vgl. Rn. 21), gibt es keinen Nachweis für abstakt angemessene Heizkosten. Deshalb kann - nach Auffassung des 14. Senats des BSG - nicht angenommen werden, dass es im maßgeblichen Vergleichsraum tatsächlich in ausreichendem Maße Wohnungen zu dem Vergleichswert gibt. Wenn ein Umzug wegen Heizkosten notwendig wird, muss der Leistungsträger nachweisen bzw. die objektive Beweislast dafür tragen, dass im Vergleichsraum in ausreichendem Maße Wohnungen zu diesem Vergleichswert anmietbar sind (R. 33)

4. Dieser Rechtsprechung auf den vorliegenden Fall angewendet ergibt Folgendes:

a) Es ist der Wert des bundesweiten Heizkostenspiegels heranzuziehen, weil kein lokaler Heizspiegel vorliegt. Zur Zeit des Widerspruchsbescheids lag der Heizkostenspiegel 2013 für das Abrechungsjahr 2012 vor. Für Wohnflächen von 100 bis 250 qm ist für Heizöl als zu hoher Wert 21,90 Euro pro Quadratmeter und Jahr ausgewiesen. Dies gilt auch für die hier vorhandenen Öleinzelöfen. Heizöl ist zugleich der teuerste Energieträger, so dass dieser Wert auch für die Stromheizung gilt. Es handelt sich bei den Heizspiegelwerten um reine Heizkosten ohne Warmwasserkosten. Dies ergibt für eine angemessene Wohnfläche von 75 qm einen Grenzwert von 1.642,50 Euro pro Jahr bzw. 136,88 Euro je Monat.

b) Dieser Grenzwert wurde im Abrechungsjahr von August 2012 bis einschließlich Juli 2013 bei Weitem überschritten. Der Antragsgegner hat ab Mitte 2012 fortlaufend monatliche Heizkosten von 95,63 Euro übernommen. Mit Schreiben vom 27.02.2013 wurde ein Beschluss des Sozialgerichts München vom 19.02.2013, S 16 AS 127/13 ER, umgesetzt und für eine Heizöllieferung vom 13.02.2013 ein Betrag von 1.107,62 Euro übernommen. Im April 2013 wurden weitere Heizölkosten von 340,96 Euro übernommen. Ab Januar 2013 wurden monatlich 100,- Euro für Heizkosten übernommen. Insgesamt wurden also für diesen Abrechungszeitraum schon 2.619,- Euro übernommen. Es ist ohne Belang, dass diese Leistungen teilweise im einstweiligen Rechtsschutz zugesprochen wurden, weil es auch in dieser Beschwerde um einstweiligen Rechtsschutz geht.

Die Überschreitung des Grenzwertes begründet einen Anscheinsbeweis für unangemessene Heizkosten. Die Antragsteller machen geltend, dass die hohe Stromkostennachforderung von 1.617,86 Euro darauf beruhe, dass am 07.01.2013 das Heizöl ausgegangen sei, dann ausschließlich mit Strom geheizt werden musste und erst durch einstweiligen Rechtsschutz die Ölheizung wieder aufgenommen werden konnte. Im Ergebnis habe der Antragsgegner die Stromnachzahlung verursacht.

Dem ist zunächst entgegenzuhalten, dass diese Heizöllieferung schon am 13.02.2013 erfolgte, also nicht vom Beschluss vom 19.02.2013 veranlasst sein konnte. Da der Antragsgegner auch schon im Kalenderjahr 2012 neben dem laufenden Stromabschlag im März 2012 eine Heizöllieferung über 1637,70 Euro übernommen hatte, war auch in diesem Kalenderjahr der Grenzwert für Heizkosten weit überschritten, bevor das Heizöl ausging. Die ausschließliche Stromheizung war also nicht deswegen erforderlich, weil der Antragsgegner fortlaufend zu geringe Heizkosten übernommen hatte. Das Heizöl war Ende 2012 ausgegangen, weil die Antragsteller fortlaufend unangemessen heizten. Im Ergebnis ist kein Grund ersichtlich, wieso die Nachforderung auf angemessen Heizkosten beruhen sollte.

c) Gleichwohl ist ein Anordnungsanspruch auf Übernahme auch unangemessener Heizkosten wegen § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II glaubhaft.

Der Vergleichswert für die Gesamtkosten (KdUH) beträgt wohl für die Bruttokaltmiete 568,70 Euro. Er ergibt sich aus der Tabelle zu § 12 WoGG mit 517,- Euro für drei Personen und Mietstufe IV für den Wohnort der Antragsteller plus 10 % Zuschlag. Die vom Antragsgegner ermittelte angemessene Kaltmiete von 483,- Euro führt bei durchschnittlichen Nebenkosten zu einem vergleichbaren Ergebnis. Hinzu kommen, wie oben dargelegt, Heizkosten von 1,- Euro je Quadratmeter angemessener Wohnfläche, mithin für drei Personen 75,- Euro. Insgesamt ergibt sich ein Vergleichswert für KdUH von 643,70 Euro.

Bei einer Kaltmiete von 280,- Euro und Nebenkosten von 50,- Euro verbleiben bis zum Vergleichswert 313,70 Euro (pro Jahr 3.764,40 Euro). Dies bedeutet im Übrigen nicht, dass Heizkosten von monatlich 313,70 Euro angemessen wären. Das bedeutet nur, dass ein Umzug nach § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II nicht zumutbar wäre, weil die Gesamtkosten (KdUH) dann unter dem Vergleichswert liegen würden.

Die insgesamt geltend gemachten KdUH übersteigen aber auch diesen Vergleichswert deutlich. Die Antragsteller begehren jährlich mindestens zwei mal 1.800 Liter Heizöl (Wert je nach Marktpreis etwa 3.100,- Euro) und monatlich 140,- Euro für Stromheizung (1.680,- Euro), zusammen 4.780,- Euro an Heizkosten pro Jahr.

Es kommt somit laut BSG darauf an, ob der Antragsgegner nachgewiesen hat, dass es im Vergleichsraum in ausreichendem Maße Wohnungen zum Vergleichswert von 643,70 Euro anmietbar waren. Dies wird im Hauptsacheverfahren zu prüfen sein.

Nach Auffassung des Beschwerdegerichts ist es dafür nicht erforderlich, dass der Leistungsträger dem Leistungsberechtigten angemessene Wohnungen gesucht und vorgeschlagen hat. Die Wohnungssuche ist nach wie vor Aufgabe des Leistungsempfängers. Ausreichend wäre beispielsweise der Nachweis, dass es einige zumutbare Wohnungen gab, deren Vermieter grundsätzlich auch an Leistungsbezieher vermietet hätten. Unbeschadet dessen kann der Leistungsträger den Leistungsempfänger "zur Sicherheit" auch ausdrücklich auf derartige Wohnungen hinweisen. In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass es sich um eine Wohnung handeln muss, in der drei Personen wohnen können. Es muss sich aber keineswegs um eine Wohnung von 75 qm handeln - umgekehrt dürfte auch eine Zweizimmerwohnung von 80 qm i.d.R. nicht zumutbar sein.

Weil ein Nachweis von Wohnungen zum Vergleichswert im Eilverfahren nicht erfolgen kann, ist im Eilverfahren vorläufig davon auszugehen, dass die Kostensenkung durch Umzug nicht zumutbar war. Dies hat zur Folge, dass im Eilverfahren die tatsächlichen Unterkunftskosten zu übernehmen sind.

Wenn sich im Hauptsacheverfahren herausstellen sollte, dass im Vergleichsraum in ausreichendem Maße Wohnungen zum Vergleichswert von 643,70 Euro anmietbar waren, wird weiter zu prüfen sein, welche Leistungen nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II zu übernehmen sind - konkret, ob die Angemessenheitsgrenze für Heizkosten zu beachten ist oder ob ein "Guthaben" von der Bruttokaltmiete zu höheren Leistungen führt.

e) Soweit die Antragsteller einen Betrag fordern, der über der aktuellen Nachforderung liegt, ist schon kein Anordnungsgrund erkennbar.

5. Die Antragsteller begehren ferner, ihnen auch ab 01.04.2014 einen um 40,- Euro höheren monatlichen Abschlag auf die laufende Stromrechnung zuzusprechen. Dafür ist ein Anordnungsanspruch nicht erkennbar. Der Abschlag beträgt laut Mitteilung des Energieversorgers vom 30.12.2013 monatlich 166,- Euro. Davon entfiel laut RBEG bereits im Jahr 2011 ein Betrag von 42,90 Euro (26,80 + 8,05 + 8,05 Euro, vgl. Eicher, SGB II, 3. Auflage 2013, § 20 Rn. 49) auf Haushaltsstrom, der bis 2014 fortzuschreiben ist. Daneben wird für die dezentrale Warmwasserbereitung mit Strom ein Mehrbedarf von 15,25 Euro gewährt und der Antragsgegner übernimmt auch ab 01.04.2014 laufend Stromheizkosten von monatlich 100,- Euro. Es besteht also von vornherein kein im Eilverfahren zu deckender zusätzlicher Bedarf.

6. Die Zahlungsanordnung des Beschwerdegerichts steht unter der Bedingung, dass die Antragsteller dem Antragsgegner kurzfristig die Möglichkeit geben, alle Räume des Anwesens (Bauernhof und Nebengebäude) in Augenschein zu nehmen. Wenn diese Inaugenscheinnahme von den Antragstellern nicht ermöglicht wird, entfällt die vorläufige Zahlungsverpflichtung des Antragsgegners. Eine Bedingung ist auch im Bereich der einstweiligen Anordnung grundsätzlich möglich (Breitkreuz/Fichte, SGG, 1. Auflage 2008, § 86b Rn. 70).

Hierbei hat das Beschwerdegericht von seinem Ermessen hinsichtlich des Inhalts der einstweiligen Anordnung gemäß § 86b Abs. 2 Satz 4 i.V.m. § 938 Abs: 1 Zivilprozessordnung (ZPO) Gebrauch gemacht. Nach § 938 Abs. 1 ZPO bestimmt das Gericht nach freiem Ermessen, welche Anordnungen zur Erreichung des Zweckes [der einstweiligen Anordnung] erforderlich sind. Bei einer Regelungsanordnung ist der Spielraum des Gerichts besonders weit. Es können Gestattungen und Duldungspflichten verfügt werden. Die Maßnahme muss nach Auffassung des Gerichts erforderlich, insbesondere auch verhältnismäßig sein (Vollkommer in Zöller, ZPO 29. Auflage 2012, § 938 Rn. 2, 4 und 5).

Es genügt nicht, dass die immens hohen Heizkosten für das Anwesen entstanden sind. Ein Anspruch nach § 22 SGB II kann nur bestehen, wenn die Stromkosten ausschließlich für Wohnzwecke und ausschließlich für die Antragsteller entstanden sind. Es besteht angesichts der Größe des Anwesens, der Unklarheit, welche Flächen wie genutzt werden, und der enormen Höhe der Heiz- und Stromkosten ein dringender Aufklärungsbedarf, der vor Beschlussfassung nicht behoben werden kann. Zum einen droht alsbald eine Stromsperre, zum anderen weigert sich die Antragstellerin zu 1 seit langem kategorisch, Mitarbeitern des Antragsgegners einen Hausbesuch oder die Teilnahme an einem Augenschein des Gerichts zu gestatten. Zuletzt hat im Klageverfahren S 16 AS 134/13 das Sozialgericht einen Augenschein für erforderlich gehalten, den die Antragstellerin zu 1 Ende Dezember 2013 ablehnte, weil sie die Teilnahme des Antragsgegners daran nach § 116 SGG nicht hinnehmen wollte (S. 7340).

Die Maßnahme ist erforderlich, um die tatsächlichen Grundlagen der Regelungsanordnung zu prüfen. Falls sich herausstellen sollte, dass es sich nicht um Stromheizkosten für den Wohnbedarf der Antragsteller handelt, kann der Antragsgegner eine Abänderung dieses Beschlusses wegen veränderter Umstände beantragen (vgl. Meyer-Ladewig, Sozialgerichtsgesetz, 10. Auflage 2012, § 86b Rn. 45). Die Maßnahme ist auch verhältnismäßig. Die Antragsteller sind einerseits nicht verpflichtet, dem Antragsgegner Zutritt zu ihren Räumen zu gestatten, andererseits darf der Antragsgegner Sozialleistungen nur erbringen, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen hierfür nachgewiesen sind (§ 31 SGB I). Die Belastung der Antragsteller ist nur kurzzeitig und von geringem Umfang. Zudem genügen die Antragsteller durch die Gestattung der Inaugenscheinnahme ihrer objektiven Beweislast für das Bestehen des Leistungsanspruchs.

7. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG. Sofern die Bedingung eintritt und die Stromschulden in der tenorierten Höhe übernommen werden, haben die Antragsteller zu etwa zwei Dritteln obsiegt. Sofern die Bedingung nicht eintritt, verbleibt es bei der Entscheidung des Sozialgerichts zu den erstinstanzlichen Kosten und einem Unterliegen im Beschwerdeverfahren-

Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG unanfechtbar.
Rechtskraft
Aus
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