S 15 AS 2495/11

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
SG Magdeburg (SAN)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
15
1. Instanz
SG Magdeburg (SAN)
Aktenzeichen
S 15 AS 2495/11
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Bescheide vom 20. Januar 2011 und 14. April 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Juni 2011 und der Bescheid vom 25. Juni 2011 werden geändert. Der Beklagte wird verurteilt, den Klägern für die Zeit vom 1. Februar bis 31. Juli 2011 monatlich weitere 91,98 EUR als Bedarfe für Unterkunft zu gewähren. Der Beklagte hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Kläger zu tragen. Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Kläger begehren höhere Bedarfe für Unterkunft im Zeitraum von Februar bis Juli 2011.

Die am ... geborene Klägerin bezieht in Bedarfsgemeinschaft mit ihrem am ... geborenen Sohn, dem Kläger, Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) von dem Beklagten. Sie bewohnen ein Haus zur Miete, wofür monatlich 397,98 EUR Kosten der Unterkunft (299,00 EUR Grundmiete und 98,98 EUR Vorauszahlung auf die Betriebskosten) zu zahlen sind. Außerdem hatten die Kläger im streitigen Zeitraum einen Abschlag auf die Heizkosten von 113,00 EUR monatlich zu zahlen. Die Klägerin ist selbstständig tätig. In der vom Beklagten geforderten Schätzung ihres Gewinns im streitigen Zeitraum gab die Klägerin an, dass dieser in allen Monaten unter 100,00 EUR liegen würde.

Mit Bescheid vom 20. Januar 2011 gewährte der Beklagte den Klägern daraufhin vorläufig wegen der Selbstständigkeit der Klägerin Leistungen für Februar bis Juli 2011. Dabei berücksichtigte er lediglich eine Grundmiete von 240,00 EUR und eine Vorauszahlung auf die Betriebskosten von 66,00 EUR, weil die tatsächlichen Kosten der Unterkunft der Kläger nicht angemessen seien. Die Heizkosten berücksichtigte er nach Abzug der Kosten der Warmwasserbereitung in tatsächlicher Höhe. Mit dem am 21. Februar 2011 eingegangenen Widerspruch machten die Kläger geltend, dass ihre tatsächlichen Kosten der Unterkunft angemessen seien. Mit Änderungsbescheid vom 14. April 2011 änderte der Beklagte die den Klägern für Februar bis Juli 2011 gewährten Leistungen wegen der Erhöhung der Regelleistung und berücksichtigte die Heizkosten nunmehr in tatsächlicher Höhe ohne Abzug für die Kosten der Warmwasserbereitung. Die Grundmiete und die Vorauszahlung für die Betriebskosten berücksichtigte er allerdings weiterhin lediglich in Höhe von 306,00 EUR. Mit Widerspruchsbescheid vom 20. Juni 2011 wies er den Widerspruch zurück. Nach der Handlungsanweisung des Salzlandkreises seien die Kosten der Unterkunft der Kläger unangemessen. Mit Bescheid vom 25. Juni 2011 gewährte er den Klägern nochmals Leistungen für Juli 2011 in gleicher Höhe wie schon im Änderungsbescheid vom 14. April 2011.

Dagegen haben die Kläger am 20. Juli 2011 Klage vor dem Sozialgericht Magdeburg erhoben, mit der sie ihr Begehren weiterverfolgen.

Die Kläger beantragen sinngemäß,

die Bescheide vom 20. Januar 2011 und 14. April 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Juni 2011 und den Bescheid vom 25. Juni 2011 zu ändern und den Beklagten zu verurteilen, den Klägern für die Zeit vom 1. Februar bis 31. Juli 2011 monatlich weitere 91,98 EUR als Bedarfe für Unterkunft zu gewähren.

Der Beklagte beantragt sinngemäß,

die Klage abzuweisen.

Er ist der Auffassung, die tatsächlichen Kosten der Unterkunft der Kläger seien nicht angemessen.

Mit Eingang der Klage haben die Kläger gleichzeitig einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt, der bei der Kammer unter dem Aktenzeichen S 15 AS 2484/11 ER geführt worden ist. Im dortigen Verfahren haben die Beteiligten einen Vergleich dahingehend geschlossen, dass sich der Beklagte vorläufig verpflichtet hat, den Klägern höhere Leistungen unter Berücksichtigung eines monatlichen Bedarfs an Kosten für Unterkunft von 380,00 EUR für die Zeit vom 20. Juli 2011 bis 31. Januar 2012 zu gewähren.

Am 13. November 2012 haben die Kläger erneut einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt, der bei der Kammer unter dem Aktenzeichen S 15 AS 3743/12 ER geführt worden ist. Im dortigen Verfahren hat der Beklagte ein Konzept zur Ermittlung der angemessenen Bedarfe für Unterkunft im S.-landkreis übersendet. Dieses Konzept beruht maßgeblich auf einem Gutachten der Firma A. aus dem August 2012. Wegen der näheren Einzelheiten wird auf dieses Konzept Bezug genommen. Im dortigen Verfahren hat die Kammer den Beklagten aufgefordert, das Konzept dahingehend umzustellen, dass nur Wohnungen aus dem Wohnort der Kläger S. Berücksichtigung finden. Hierzu hat die Firma A. ausgeführt, bei einer gesonderten Mietwert-Darstellung nur für S. seien aus statistischer Sicht die Produkt-Mieten nicht ausreichend valide, weil hinsichtlich der kalten Betriebskosten bei einer Wohnungsgröße größer als 50 m² und kleiner oder gleich 60 m² lediglich 23 Wohnungen erfasst seien. Daraufhin hat die Kammer den Beklagten im dortigen Verfahren mit Beschluss vom 9. April 2013 vorläufig verpflichtet, den Klägern weitere Bedarfe für Unterkunft unter Berücksichtigung ihrer tatsächlichen Kosten zu zahlen.

Die Gerichtsakten zu diesem sowie zu den Verfahren S 15 AS 2484/11 ER und S 15 AS 3743/12 ER und die Verwaltungsakte des Beklagten haben vorgelegen und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Sachvortrages der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Verwaltungsakte ergänzend verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Kammer hat in der mündlichen Verhandlung entscheiden dürfen, obwohl sowohl für die Kläger als auch für den Beklagten niemand erschienen ist. Denn sowohl die Kläger sind in den ihnen ausweislich der Postzustellungsurkunden am 5. Oktober 2010 zugestellten Ladungen als auch der Beklagte ist in der ihm gegen Empfangsbekenntnis am 7. Oktober 2013 zugestellten Ladung auf diese Möglichkeit hingewiesen worden.

Die zulässige Klage ist begründet.

Die Bescheide des Beklagten vom 20. Januar 2011 und 14. April 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Juni 2011 und der Bescheid vom 25. Juni 2011 sind rechtswidrig und verletzen die Kläger in ihren Rechten.

Die Kläger haben Anspruch auf Gewährung weiterer Bedarfe für Unterkunft in Höhe ihrer tatsächlichen Kosten der Unterkunft und damit in Höhe von weiteren 91,98 EUR monatlich bzw. 45,99 EUR für jeden der Kläger.

Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden gemäß § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind. Für die Angemessenheit der Kosten einer Mietwohnung kommt es auf die anerkannte Wohnraumgröße für Wohnberechtigte im sozialen Mietwohnungsbau und die Aufwendungen für eine Wohnung dieser Größe im unteren Wohnstandard an (BSG, Urteil vom 15. April 2008 B 14/7b AS 34/06 R, zitiert nach Juris Rn. 36). Angemessen sind danach Aufwendungen für eine Wohnung nur dann, wenn diese nach Ausstattung, Lage und Bausubstanz einfachen und grundlegenden Bedürfnissen genügt und keinen gehobenen Wohnstandard aufweist (BSG, Urteil vom 19. Februar 2009 B 4 AS 30/08 R, zitiert nach Juris Rn. 14).

Zur Bestimmung der Angemessenheit der Wohnungsgröße ist auf die Ausführungsbestimmungen der Länder zu § 10 des Gesetzes über die soziale Wohnraumförderung (WoFG) zurückzugreifen (BSG, Urteil vom 7. November 2006 B 7b AS 18/06 R, zitiert nach Juris Rn. 19; zustimmend BSG, Urteil vom 19. Februar 2009 B 4 AS 30/08 R, zitiert nach Juris Rn. 18). Als entsprechende Ausführungsbestimmung für das Land Sachsen-Anhalt legt das LSG Sachsen-Anhalt in ständiger Rechtsprechung die Richtlinie über die Gewährung von Zuwendungen zur Förderung des Mietwohnungsneubaus in Sachsen-Anhalt 1995 (Ministerialblatt für das Land Sachsen-Anhalt 1995, Seite 1133) zugrunde (z. B. LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 18. September 2009 L 5 B 593/08 AS ER, zitiert nach Juris Rn. 35). Nach Nr. 2.1 Buchst. a) dieser Richtlinie ist für einen 2-Personen-Haushalt eine Wohnfläche bis zu 60 m² angemessen.

In einem zweiten Schritt ist der räumliche Vergleichsmaßstab zu bestimmen, innerhalb dessen das durchschnittliche Mietpreisniveau der Wohnungen ermittelt wird, wobei im Grundsatz der Wohnort des Hilfebedürftigen maßgeblich ist (BSG, Urteil vom 19. Februar 2009 B 4 AS 30/08 R, zitiert nach Juris Rn. 20). Der maßgebliche Vergleichsraum muss aufgrund seiner räumlichen Nähe, seiner Infrastruktur, insbesondere seiner verkehrstechnischen Verbundenheit einen insgesamt betrachtet homogenen Lebens- und Wohnbereich bilden (BSG, Urteil vom 26. Mai 2011 B 14 AS 132/10 R, Rn. 25; Urteil vom 19. Oktober 2010 B 14 AS 2/10 R, Rn. 18).

Schließlich ist zu ermitteln, wie viel für eine nach Größe und Standard abstrakt als angemessen eingestufte Wohnung auf dem maßgeblichen Wohnungsmarkt aufzuwenden ist (BSG, a. a. O., Rn. 24). Dieser Mietpreis darf nach Maßgabe einer Produkttheorie ermittelt werden, d. h. durch Multiplikation der angemessenen Wohnfläche mit dem als angemessen angesehenen Quadratmeterpreis. Ziel der Ermittlungen, die zunächst vom Grundsicherungsträger durchzuführen sind, ist es also, einen Quadratmeterpreis für Wohnungen einfachen Standards zu ermitteln, um diesen nach Maßgabe der Produkttheorie mit der dem Hilfeempfänger zustehenden Quadratmeterzahl zu multiplizieren und so die angemessene Miete feststellen zu können (BSG, Urteil vom 22. September 2009 B 4 AS 18/09 R, zitiert nach Juris Rn. 17). Der Grundsicherungsträger darf aber nicht nach Belieben einen seiner Meinung nach angemessenen Quadratmeterpreis zugrunde legen. Vielmehr muss die Ermittlung der regionalen Angemessenheitsgrenze auf der Grundlage eines überprüfbaren "schlüssigen Konzepts" erfolgen (BSG, Urteil vom 22. September 2009 B 4 AS 18/09 R, zitiert nach Juris Rn. 18). Das schlüssige Konzept soll die hinreichende Gewähr dafür bieten, dass die aktuellen Verhältnisse des örtlichen Mietwohnungsmarktes wiedergegeben werden (BSG, a. a. O.).

Dem genügt das von der Firma A. erstellte Konzept schon deshalb nicht, weil der maßgebliche Vergleichsraum falsch bestimmt ist. Zur Schlüssigkeit des Konzepts gehört es nämlich auch, dass die Datenerhebung ausschließlich in dem genau eingegrenzten und über den gesamten Vergleichsraum erfolgt ist (BSG, Urteil vom 22. September 2009 B 4 AS 18/09 R, zitiert nach Juris Rn. 19).

Das Konzept teilt den S.landkreis in 3 Wohnungsmarkttypen ein und bestimmt sodann die Angemessenheit ausschließlich unter Berücksichtigung von Wohnungen des jeweiligen Typs. Damit wird faktisch der maßgebliche Vergleichsraum gebildet. Bei der Bestimmung des Vergleichsraums orientiert sich das Konzept aber nicht an den Wohnorten. Auch räumliche Nähe, Infrastruktur und verkehrstechnische Verbundenheit haben keine Berücksichtigung gefunden. Die Wohnungsmarkttypen sind vielmehr anhand eines Indikatorenkatalogs, bestehend aus Bevölkerungsentwicklung, Bevölkerungsdichte, Siedlungsstruktur, Pro-Kopf-Einkommen, Neubautätigkeit und Bodenpreis bestimmt worden. Die eigentliche Einteilung in die Wohnungsmarkttypen ist dann anhand einer Clusteranalyse in der Weise erfolgt, dass diejenigen Kommunen zu einem Typ zusammengefasst worden sind, die sich nach den genannten Indikatoren am ähnlichsten sind. Ob die Kommunen, die so zusammengefasst werden, einen insgesamt betrachtet homogenen Lebens- und Wohnbereich bilden, wurde nicht geprüft. Das führt dazu, dass die Städte S., B. und A. zu einem Vergleichsraum zusammengefasst wurden und zudem geographisch dazwischen liegende Städte wie etwa St. oder N. einem anderen Vergleichsraum zugeordnet wurden. Die geforderte räumliche Nähe ist damit nicht mehr gegeben. Die Kammer vermag auch nicht zu erkennen, warum gerade diese 3 Städte einen insgesamt betrachtet homogenen Lebens- und Wohnbereich bilden sollen. Die Firma A. führt hierzu in ihrer Stellungnahme im Verfahren S 15 AS 3743/12 ER sogar aus, dass die Wohnungsmarkttypen nicht den maßgeblichen Vergleichsraum darstellen würden. Damit räumt die Firma letztlich selbst ein, dass die Kriterien des BSG zur Bildung des maßgeblichen Vergleichsraums nicht beachtet wurden, so dass das Konzept nicht schlüssig ist. Denn damit werden Wohnungen zur Bestimmung der Angemessenheitsgrenze berücksichtigt, die außerhalb des maßgeblichen Vergleichsraums liegen. Das übersieht die Firma A., wenn sie ausgeführt, erst wenn die Miete über den Angemessenheitsgrenzen liege, müsse im Einzelfall durch Bestimmung des homogenen Wohn- und Lebensbereichs geprüft werden, bis zu welcher Entfernung Angebotsmieten zu berücksichtigen seien.

Das hat die Kammer bereits im Verfahren S 15 AS 3743/12 ER ausgeführt. Im vorliegenden Verfahren kommt noch hinzu, dass für den streitigen Zeitraum Februar bis Juli 2011 überhaupt keine Daten erhoben worden sind und nicht ersichtlich wird, inwieweit die für August 2012 erhobenen Daten mit denen für den streitigen Zeitraum übereinstimmen.

Nachdem das Konzept des Beklagten unschlüssig ist, greift die Kammer zur Ermittlung des maximal angemessenen Mietpreises auf die Tabelle zu § 12 Wohngeldgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 24. September 2008 (Bundesgesetzblatt I Seite 1856, WoGG) zurück. Der Rückgriff auf diese Tabellenwerte ist zwar nach der Rechtsprechung des BSG erst zulässig, wenn das Gericht zuvor erfolglos den Versuch unternommen hat, die insoweit unzulänglichen Feststellungen der Verwaltung mit deren Unterstützung nachzubessern (BSG, Urteil vom 20. August 2009 B 14 AS 65/08 R, zitiert nach Juris Rn. 21). Diesen Versuch hat die Kammer aber unternommen, indem sie den Beklagten im Verfahren S 15 AS 3743/12 ER aufgefordert hat, als maßgeblichen Vergleichsraum S. zu Grunde zu legen. Die Stadt S. ist nach Auffassung der Kammer als maßgeblicher Vergleichsraum zu Grunde zu legen, weil es sich hierbei um den Wohnort der Kläger handelt und die Stadt einen insgesamt betrachtet homogenen Lebens- und Wohnbereich bildet. Diesbezüglich hat die Firma A. allerdings mitgeteilt, dass bezogen allein auf S. hinsichtlich der Betriebskosten keine ausreichende Fallzahl vorliege. Die Fallzahl von lediglich 23 hält auch die Kammer nicht für ausreichend und stimmt insoweit mit der Firma A. überein. Dass sich diese geringe Fallzahl allein auf die Betriebskosten bezieht, wohingegen hinsichtlich der Grundmieten mit 2516 durchaus eine ausreichende Fallzahl vorliegt, hilft nicht weiter. Denn die Angemessenheit muss sowohl für die Grundmiete als auch für die Betriebskosten bestimmt werden. Wenn eines von beiden nicht möglich ist, bleibt nur der Rückgriff auf § 12 WoGG. Die dort festgeschriebenen Werte erfassen aber gemäß § 12 Abs. 1 WoGG die Miete und Belastung, also die Summe aus Grundmiete und kalten Betriebskosten. Eine Aufschlüsselung nur nach den Betriebskosten ist danach nicht möglich.

Nach § 12 Abs. 1 WoGG sind in der Mietenstufe II, in die S. nach der Anlage zu § 1 Abs. 3 der Wohngeldverordnung eingestuft ist, für 2 Personen 380,00 EUR für Grundmiete und kalte Betriebskosten zu berücksichtigen. Die tatsächlichen Kosten der Kläger mit 397,98 EUR liegen darüber. Auf den Grenzwert nach dem WoGG ist aber zur Bestimmung der angemessenen Unterkunftskosten noch ein Sicherheitszuschlag von 10 % vorzunehmen. Das hat das BSG zwar bisher nur für die Vorgängervorschrift des § 8 WoGG alte Fassung entschieden (BSG, Urteil vom 11. Dezember 2012 B 4 AS 44/12 R, zitiert nach Juris Rn. 19 mit weiteren Nachweisen). Und die Werte nach § 12 Abs. 1 WoGG stellen bereits die um 10 % erhöhten Werte von § 8 WoGG alte Fassung dar. Gleichwohl entspricht es der mittlerweile wohl herrschenden Auffassung, dass auch auf die Werte nach § 12 Abs. 1 WoGG noch ein Sicherheitszuschlag von 10 % vorzunehmen ist (so LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 7. November 2012 L 3 AS 5600/11, zitiert nach Juris Rn. 58; Sächsisches LSG, Beschluss vom 5. April 2012 L 7 AS 425/11 B ER, zitiert nach Juris Rn. 34, 36; LSG Niedersachsen-Bremen, Beschlüsse vom 4. Januar 2012 L 11 AS 635/11 B ER, zitiert nach Juris Rn. 15, und vom 12. August 2011 - L 15 AS 173/11 B ER, zitiert nach Juris Rn. 18; offen gelassen von LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 9. Mai 2011 L 7 AS 165/11 B; zitiert nach Juris Rn. 5). Dem folgt die Kammer. Denn der Sicherheitszuschlag ist im Interesse des Leistungsberechtigten auf Sicherung des Wohnraums erforderlich, weil beim Fehlen eines schlüssigen Konzepts nicht mit Sicherheit beurteilt werden kann, wie hoch die angemessene Referenzmiete tatsächlich ist (BSG, a. a. O.). Das gilt in gleicher Weise für § 12 Abs. 1 WoGG, zumal seit dem Inkrafttreten dieser Vorschrift am 1. Januar 2009 im streitigen Zeitraum schon mehr als 2 Jahre verstrichen waren. Nach einem derart langen Zeitraum erscheint es durchaus möglich, dass es inzwischen zu einer Erhöhung der Referenzmiete gekommen ist. Dann muss auch erneut ein Sicherheitszuschlag vorgenommen werden.

Unter Zugrundelegung der 380,00 EUR zuzüglich eines Sicherheitszuschlags von 10 % ergeben sich 418,00 EUR, so dass die tatsächlichen Kosten der Kläger mit 397,98 EUR angemessen sind.

Da der Beklagte lediglich 306,00 EUR berücksichtigt hat, ergibt sich für die Kläger noch ein weiterer Bedarf von (397,98 EUR - 306,00 EUR =) 91,98 EUR.

Darauf haben die Kläger auch Anspruch, weil sie im Sinne von § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II im passenden Alter, erwerbsfähig und hilfebedürftig sind sowie ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben. Insbesondere steht dem Anspruch Einkommen der Klägerin aus ihrer selbstständigen Tätigkeit bei der allein streitigen vorläufigen Bewilligung nicht entgegen, weil die Klägerin eingeschätzt hat, dass sie voraussichtlich deutlich weniger als 100,00 EUR monatlich an Einkommen haben wird. Dieses Einkommen ist aber nach § 11 b Abs. 2 Satz 1 SGB II nicht anzurechnen. Die tatsächliche Höhe ihres Einkommens für die einzelnen Monate wird die Klägerin dem Beklagten noch nachzuweisen und dieser wird es bei der endgültigen Bewilligung zu berücksichtigen haben.

Da die Bedarfe für Unterkunft nach Kopfteilen aufzuteilen sind (z. B. BSG, Urteil vom 27. Januar 2009 B 14/7b AS 8/07 R, zitiert nach Juris Rn. 18 mit weiteren Nachweisen), ergibt sich folglich für jeden der Kläger ein weiterer Anspruch von monatlich (91,98 EUR/2 =) 45,99 EUR.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) und folgt dem Ergebnis der Hauptsache.

Die Berufung ist gemäß § 144 Abs. 1 Satz 1 SGG nicht bereits kraft Gesetzes zulässig, weil der Wert des Beschwerdegegenstandes für den Beklagten 750,00 EUR nicht übersteigt. Er unterliegt mit insgesamt (91,98 EUR × 6 Monate =) 551,88 EUR. Die Kammer hat die Berufung aber nach § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG zugelassen, weil sie jedenfalls der Frage, ob auf den Grenzwert nach § 12 Abs. 1 WoGG noch ein Sicherheitszuschlag vorzunehmen ist, grundsätzliche Bedeutung beimisst, nachdem diese Rechtsfrage vom BSG bisher nicht entschieden wurde.
Rechtskraft
Aus
Saved