S 28 AS 1937/12

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Detmold (NRW)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
28
1. Instanz
SG Detmold (NRW)
Aktenzeichen
S 28 AS 1937/12
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Der Bescheid vom 21.05.2012 und der Widerspruchsbescheid vom 10.10.2012 werden aufgehoben und die Beklagte verurteilt, dem Kläger für den Zeitraum 01.01.2012 bis 30.06.2012 Leistungen für Heizung ohne Abzug des im Regelsatz enthaltenen Anteils für Haushaltsenergie zu bewilligen. Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers. Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt im Rahmen der Grundsicherung nach den Vorschriften des Zweiten Sozialgesetzbuches (SGB II) höhere Leistung für Heizkosten.

Der Kläger bewohnte im streitgegenständlichen Zeitraum eine Wohnung, die mittels Nachtspeicheröfen beheizt wurde, und in der die Warmwasserbereitung über Durchlauferhitzer erfolgte. Eine gesonderte Erfassung des Stromverbrauchs für die Nachtspeicheröfen, die Durchlauferhitzer sowie den sonstigen Stromverbrauch erfolgte nicht. Der vom Energieversorger zur Verfügung gestellte Stromzähler erfasste lediglich getrennt den Verbrauch in der Hochtarifzeit (HT, 6-24 Uhr) und der Niedertarifzeit (NT, 0-6 Uhr, Zeitangaben laut www.F.de).

Mit Bescheid vom 23.12.2010 bewilligte die Beklagte dem Kläger Leistungen für den Zeitraum Januar bis Juni 2011. Dabei berücksichtigte sie Heizkosten i.H.v. 114,43 EUR pro Monat. Grundlage hierfür war der laufende Abschlagsplan des Elektrizitätsversorgers des Klägers, der F X X1, vom 07.08.2010 für den Zeitraum August 2010 bis Juni 2011. Danach hatte der Kläger laufende Abschläge für Strom i.H.v. 136 EUR monatlich zu zahlen. Hiervon zog die Beklagte sodann einen Anteil für die Kosten des in der Regelleistung enthaltenen Haushaltsstroms i.H.v. 21,57 EUR ab. Der Bescheid wurde zunächst bestandskräftig. Unter dem 07.06.2011 erließ die Beklagte sodann einen Bewilligungsbescheid für den Zeitraum Juli bis Dezember 2011. Heizkosten wurden darin zunächst nicht berücksichtigt. Am 15.07.2011 übersandte der Kläger die Jahresabrechnung der F für den Zeitraum Juni 2010 bis Juni 2011. Danach betrugen die neuen Abschläge 154 EUR monatlich, zu zahlen von Juli 2011 bis Mai 2012. Die Abrechnung wies einen Überschuss der Abschlagszahlungen gegenüber dem tatsächlichen Verbrauch i.H.v. 20,60 EUR aus. Deswegen reduzierte der Versorger die Abschlagszahlung für Juli einmalig auf 133,40 EUR. Durch Änderungsbescheid vom 27.07.2011 berücksichtigte die Beklagte sodann die neuen Abschläge, bereinigt um einen Haushaltsstromanteil von 28,27 EUR. Für August 2011 brachte sie außerdem das Guthaben von 20,60 EUR von dem Bedarf für Unterkunft und Heizung in Abzug. Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger am 01.08.2011 Widerspruch mit der Begründung, aus der Stromabrechnung gehe hervor, dass die tatsächlichen Heizkosten 89,72 % und der Haushaltsstrom 10,28 % des Verbrauchs ausmachen würden. Aus demselben Grund sei von dem Guthaben auch nur 18,48 EUR anzurechnen. Mit Schreiben vom selben Tag beantragte der Kläger außerdem die Berücksichtigung eines Mehrbedarfes für dezentrale Warmwassererzeugung. Mit Änderungsbescheid vom 09.09.2011 berücksichtigte die Beklagte zunächst eine Erhöhung der vom Kläger zu zahlenden Miete ab Oktober 2011. Mit Schreiben vom 09.09.2011 lehnte die Beklagte die Berücksichtigung eines Mehrbedarfes für die Warmwassererzeugung ab. Mit dem als Bedarf berücksichtigten Betrag von 125,73 EUR seien sowohl die Heizkosten als auch die Kosten für die Erzeugung des Warmwassers abgegolten. Das Schreiben enthielt keine Rechtsbehelfsbelehrung. Mit einem am 20.09.2011 der Beklagten zugegangenen Schreiben nahm der Kläger den Widerspruch gegen den Änderungsbescheid vom 27.07.2011 zurück. Am selben Tag schrieb der Kläger der Beklagten, gegen die Ablehnung seines Antrags auf Mehrbedarf für die Warmwassererzeugung legte er Widerspruch ein. Auch diesen Widerspruch nahm der Kläger am 17.07.2011 zurück. Aufgrund des Bescheides vom 13.12.2011 bewilligte die Beklagte dem Kläger sodann Leistungen für den Zeitraum Januar bis Juni 2012. 14 Tage später erließ die Beklagte einen Änderungsbescheid, durch welchen sie den Abzugsbetrag für den Haushaltstrom auf 29,05 EUR erhöhte. Hiergegen erhob der Kläger zunächst keinen Widerspruch. Am 02.04.2012 stellte er allerdings einen Antrag auf Überprüfung aller Leistungs- und Änderungsbescheide im Zeitraum 01.01.2011 bis 01.04.2012. Hierin rügte er wiederum die Nichtberücksichtigung eines Mehrbedarfes für die Warmwasserbereitung. Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit dem streitgegenständlichen Bescheid vom 21.05.2012 ab. Der Energieversorger verlange für den gesamten Strom, also sowohl den Heizstrom als auch den allgemeinen Haushaltsstrom, einen Abschlag. In dem von der Beklagten von dem Abschlag abgesetzten Regelsatzanteil für Haushaltsstrom sei kein Anteil für die Kosten der Warmwasserbereitung enthalten. Deshalb sei kein entsprechender Mehrbedarf zu bewilligen. Den hiergegen erhobenen Widerspruch des Klägers vom 23.05.2012 wies die Beklagte mit Widerspruchs-bescheid vom 10.10.2012 zurück. Die zur Überprüfung gestellten Bescheide seien nicht rechtswidrig. Beim Kläger werde Haushalts- und Heizstrom nicht getrennt abgerechnet. Die Bezeichnungen HT (Hochtarif) und NT (Niedertarif) bezögen sich nicht auf Heizstrom bzw. Haushaltsstrom, sondern bezeichneten lediglich unterschiedliche Tarifzeiten, zu denen der Strom unterschiedlich viel koste.

Hiergegen richtet sich die am 29.10.2012 erhobene Klage. Es könne dem Kläger nicht zum Nachteil gereichen, dass in seiner Wohnung kein Zwischenzähler für den Heizstrom vorhanden sei. Die Beklagte hätte entweder veranlassen müssen, die Wohnung mit einem solchen Zähler (für die Nachtspeicherheizungen, die Durchlauferhitzer und den sonstigen Haushaltsstrom) auszustatten, oder sie hätte Erhebungen als Grundlage für eine Schätzung vornehmen müssen. Der tatsächliche Verbrauch des Klägers im Hochtarif liege deutlich unter den durchschnittlichen Jahreswerten von sonstigen Ein-Personenhaushalten. Mithin sei der Kläger äußerst sparsam mit dem HT-Strom umgegangen, obwohl der Kläger die Durchlauferhitzer ausschließlich zur Hochtarifzeit betreibe. Nach seinen Berechnungen entfielen vom Jahresverbrauch im HT-Bereich allein 684 kwh auf den Betrieb der Durchlauferhitzer, was Kosten von 151,34 EUR entspreche, monatlich umgerechnet 12,61 EUR. Dieser Wert liege sogar oberhalb des Mehrbedarfs für die Warmwasserbereitung nach § 21 Abs. 7 SGB II. Mithin habe der Kläger jedenfalls einen Anspruch auf Berücksichtigung dieses Mehrbedarfs. Mit der Rechtsauffassung des Gerichts seien letztlich aber ohnehin sämtliche Vorauszahlungen für Strom als Heizkosten zu übernehmen.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid vom 21.05.2012 und den Widerspruchsbescheid vom 10.10.2012 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung der jeweiligen Bewilligungsbescheide zu verurteilen, dem Kläger für den Zeitraum Januar bis Juni 2012 Leistungen für Heizkosten ohne Abzug des im Regelsatz enthaltenen Anteils für Haushaltsstrom zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen

Sie hält an ihrer Rechtsauffassung fest.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig und begründet. Die angefochtenen Bescheide waren insoweit rechtswidrig, als dass dem Kläger im streitgegenständlichen Zeitraum Leistungen für Heizkosten nicht in der vollen Höhe der vom Kläger an seinen Elektrizitätsversorger zu zahlenden Abschläge bewilligt wurden. In dieser Hinsicht ist der Kläger im Sinne von § 54 Abs. 2 S. 1 beschwert.

Anspruchsgrundlage ist § 19 Abs. 1 S. 1, 3, § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II. Erwerbsfähige Leistungsberechtigte erhalten danach Arbeitslosengeld II. Diese Leistung umfasst u.a. den Bedarf für Heizung. Der Bedarf für Heizung wiederum wird in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit dieser angemessen ist. Im streitgegenständlichen Zeitraum umfasste der Bedarf für Heizung die an den Elektrizitätsversorger zu zahlenden Abschläge, und zwar ohne den von dem Beklagten in Abzug gebrachten rechnerisch im Regelbedarf enthaltenen Anteil für Haushaltsenergie.

Dies ergibt sich nach Auffassung der Kammer aus folgenden Erwägungen. Einerseits gehören grundsätzlich zu den Heizkosten (nur) diejenigen Aufwendungen, die der Leistungsberechtigte im jeweiligen Berechnungsmonat machen muss, um die von ihm bewohnten Räumlichkeiten zu erwärmen bzw. erwärmen zu können. Wird eine Unterkunft dabei mit Hilfe einer Elektroheizung beheizt, so zählen zu den Heizkosten im Grundsatz (nur) diejenigen Aufwendungen für Elektroenergie, die auf den Betrieb der Elektroheizung selbst entfallen. Aufwendungen für Haushaltsenergie, die nicht auf Heizung (und die Erzeugung von Warmwasser) entfallenden, sind demgegenüber vom Regelbedarf (§ 20 Abs. 1 S. 1 SGB II) erfasst und mit der diesbezüglichen Leistungen unabhängig von der tatsächlichen Höhe abgegolten. Verlangt dabei der Versorger im betreffenden Monat einen Abschlag, so stellt dieser die tatsächlichen Aufwendungen für Heizung dar, unabhängig, in welchem Ausmaß in diesem Monat Heizenergie tatsächlich verbraucht wird. Bei einer Elektroheizung kann der laufende Bedarf für die Heizung - in Abgrenzung zum Bedarf für die sonstige Haushaltsenergie und die Energie für die Warmwasserbereitung - dann unproblematisch ermittelt werden, wenn der Elektrizitätsversorger einen gesonderten Abschlag gerade für die von der Heizungsanlage verbrauchte Elektroenergie verlangt. Ein solcher Fall ist hier jedoch nicht gegeben: Im Falle des Klägers verlangt der Elektrizitätsversorger einen einheitlichen, undifferenzierten monatlichen Abschlag. Daraus geht nicht hervor, dass sich ein bestimmter Anteil hiervon auf Heizenergie bezieht. Aus Sicht des Versorgers kann es eine solche Differenzierung auch gar nicht geben. Denn der Versorger erfasst den tatsächlichen Verbrauch der Heizungsanlage nicht getrennt. Insbesondere verfügt die Wohnung des Klägers nicht über einen Zwischenzähler, von dem der Verbrauch der Heizungsanlage abgelesen werden könnte. Zwar erfasst der Versorger den Stromverbrauch im Hinblick auf die Heizungsanlage in zwei gesonderten Tarifen (NT und HT). Das Gericht hat jedoch davon abgesehen, durch Nachfrage beim Versorger zu klären, inwieweit der erwartete Verbrauch in den Tarifen HT und NT jeweils in den Abschlag eingeflossen ist. Denn auf welchen Tarif der Verbrauch jeweils entfällt, bestimmt sich nicht nach dem tatsächlichen Verbrauch der Heizungsanlage bzw. der übrigen Elektrogeräte, sondern allein danach, ob der Verbrauch in der dem jeweiligen Tarif zugeordneten Tarifzeit antfällt. Zwar kann grundsätzlich davon ausgegangen werden, dass der Stromverbrauch der Heizungsanlage schwerpunktmäßig in der Tarifzeit des NT und derjenige der übrigen Elektrogeräte schwerpunktmäßig in der Tarifzeit des HT stattfindet. Dies ist jedoch lediglich eine Annäherung. Weder ist gesichert, dass die Heizung nur in der NT-Tarifzeit betrieben wird - was schon deshalb der Fall ist, weil nach den glaubhaften Angaben des Klägers die Heizung über Lüfter verfügt, die tagsüber laufen. Noch ist ausgeschlossen, dass in der NT-Tarifzeit Strom in nicht völlig trivialem Umfang von anderen Elektrogeräten, wie etwa einer Waschmaschine, verbraucht wird. Selbst wenn also - was nicht der Fall ist - der Abschlag nach HT und NT differenziert wäre, so wäre dies allenfalls ein Näherungswert für den Anteil der Heizkosten (und der Kosten für die Warmwasserbereitung). Es käme jedoch nach Auffassung der Kammer für die Beurteilung des Abschlags im Rahmen von § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II darauf an, dass der Versorger einen bestimmten Betrag (nur) für Heizkosten verlangt, was er nicht tut. Dies alles erkennt im Ergebnis auch der Beklagte an. Er meint jedoch, es sei im Hinblick auf die Regelung des § 20 Abs. 1 S. 1 SGB II notwendig, vom undifferenzierten Gesamtabschlag den rechnerischen Anteil für die übrige Haushaltsenergie abzuziehen. Dies ist nach Auffassung der Kammer jedoch eine unzulässige Methode, um eine - an sich gebotene - Differenzierung zwischen Heiz- und übrigen Energiekosten vorzunehmen. Hierzu verweist das Gericht auf das Urteil des Bundessozialgerichts vom 24.11.2011 (B 14 AS 151/10 R) zu einer sogenannten Inklusivmiete, bei der der zu entrichtende Mietzins einen unbestimmten Betrag für Elektroenergie enthält. Einem Herausrechnen des in der Regelleistung für die Haushaltsenergie zugrunde gelegten Betrags stehe, so das BSG, entgegen, dass nach dem Leistungssystem des SGB II eine individuelle Bedarfsermittlung bzw. abweichende Bestimmung der Höhe der Regelleistung gesetzlich nicht vorgesehen sei. Dies gelte sowohl zu Gunsten wie auch zu Lasten des Hilfebedürftigen. Diese Erwägung lässt sich entgegen der Ansicht der Beklagten auf den hier zu entscheidenden Fall übertragen, in dem ebenfalls ein unbestimmter Betrag für nicht Heizzwecken dienende Elektroenergie in einer Zahlungsverpflichtung enthalten ist, die anerkanntermaßen zu den Bedarfen für Unterkunft und Heizung gehört.

Zu Recht hat die Beklagte allerdings das sich aus der Abrechnung des Versorgers ergebende Guthaben in voller Höhe nach § 22 Abs. 3 SGB II auf den Bedarf des Klägers für Unterkunft und Heizung im August 2012 angerechnet. Da der gesamte Abschlag im Abrechnungszeitraum zu berücksichtigende Kosten für Heizung darstellte, ist eine Differenzierung innerhalb des Guthabens zwischen Heiz- und sonstigem Strom nicht angezeigt. Aus demselben Grund ist ein Mehrbedarf für die dezentrale Warmwassererzeugung (§ 21 Abs. 7 SGB II) nicht zu berücksichtigen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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