L 13 AS 491/14 B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
13
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 3 AS 3372/13
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 13 AS 491/14 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Eine fehlende Klagebegründung berechtigt für sich genommen nicht zur Ablehnung eines PKH Antrages, wenn sich aus den dem Gericht vorliegenden Akten hinreichende Zweifel an der Rechtmäßigkeit des mit der Klage angegriffenen Bescheides ergeben.
Auf die Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Sozialgerichts Ulm vom 7. Januar 2014 aufgehoben. Dem Kläger wird für das Verfahren Az.: S 3 AS 3372/13 ab 24. Oktober 2013 Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung bewilligt und Rechtsanwalt v. B. beigeordnet.

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Der Kläger begehrt die Gewährung von Prozesskostenhilfe (PKH) für das beim SG Ulm (SG) anhängige Verfahren S 3 AS 3372/13. Umstritten ist hierbei die Frage, ob der Kläger einen Anspruch auf die Übernahme von Kosten der Unterkunft nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) hat.

Der 1991 geborene Kläger wohnte bis Dezember 2012 gemeinsam mit seinem Vater in der S.str. XX in Ei. in einer im Eigentum der Eltern des Klägers stehenden Wohnung. Der Vater des Klägers zog im Dezember 2012 aus dieser gemeinsamen Wohnung aus, wohingegen der Kläger in der bisherigen Wohnung verblieb. Der Vater und die Mutter des Klägers zogen gemeinsam in eine neue Wohnung in der Sä.str. XX in Ei.

Mit bestandskräftig gewordenen Bescheiden vom 21. Januar 2013 lehnte der Beklagte die Erteilung einer Zusicherung gem. § 22 Abs. 5 SGB II ab, bewilligte dem Kläger lediglich eine gekürzte Regelleistung (20 Abs. 3 SGB II) und lehnte die Übernahme von Kosten der Unterkunft ab (§ 22 Abs. 5 SGB II).

Auf weiteren ausdrücklichen Antrag des Klägers lehnte es der Beklagte mit Bescheid 15. August 2013 erneut ab, dem Kläger Kosten der Unterkunft zu zahlen, da dieser ohne die erforderliche Zusicherung umgezogen sei. Einen hiergegen erhobenen Widerspruch hat der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 15. Oktober 2013 zurückgewiesen. Hiergegen hat der Kläger die vorliegende Klage in der Hauptsache (S 3 AS 3372/13) beim SG erhoben und die Gewährung von PKH beantragt. Das SG hat die Bewilligung von PKH mit Beschluss vom 7. Januar 2014 abgelehnt. Zur Begründung führte das SG aus, die Klage sei nicht begründet worden. Gegen diesen Beschluss hat der Kläger am 10. Januar 2014 Beschwerde eingelegt.

Der Kläger hat mit Blick auf den Ausgangsbescheid vom 13. Januar 2013 einen eigenständigen Überprüfungsantrag gem. § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) gestellt. Diesen lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 23. August 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Oktober 2013 ab. Hiergegen ist ein eigenständiges Klageverfahren beim SG anhängig (S 3 AS 3371/13) in dem ebenfalls gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe Beschwerde erhoben wurde (L 13 AS 268/14 B).

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Verwaltungsakte, die Akten des SG und des Senats verwiesen.

II.

Die statthafte und zulässig erhobene Beschwerde hat Erfolg. Das SG hat zu Unrecht die Gewährung von PKH abgelehnt.

Die Beschwerde ist statthaft (§ 172 Sozialgerichtsgesetz [SGG]), frist- und formgerecht eingelegt (§ 173 SGG) und damit zulässig. Sie ist auch begründet; dem Kläger ist für das Klageverfahren S 13 AS 3372/13 PKH ohne Ratenzahlungsanordnung zu bewilligen.

Nach § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 114 Satz 1 Zivilprozessordnung (ZPO) erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag PKH, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Ist - wie in den Tatsacheninstanzen der Sozialgerichtsbarkeit - eine Vertretung durch Rechtsanwälte nicht vorgeschrieben, wird auf Antrag ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt beigeordnet, wenn diese Vertretung erforderlich erscheint oder der Gegner durch einen Rechtsanwalt vertreten ist (§ 121 Abs. 2 ZPO).

Die Voraussetzungen für die Bewilligung von PKH sind gegeben; der Kläger ist nach der beim SG am 24. Oktober 2013 eingegangenen Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse (nebst beigefügten Arbeitslosengeld II – Bewilligungsbescheid vom 27. Mai 2013) nicht in der Lage, die Kosten der Prozessführung auch nur zum Teil oder in Raten aufzubringen. Darüber hinaus kann auch eine hinreichende Erfolgsaussicht der Klage unter Beachtung der obigen Maßstäbe zum Zeitpunkt der Entscheidungsreife nicht verneint werden und die Beiordnung eines Rechtsanwaltes scheint erforderlich.

Die Klage hat hinreichende Aussicht auf Erfolg. Bei der Prüfung der Erfolgsaussicht ist zu berücksichtigen, dass die Anwendung des § 114 ZPO dem aus Art. 3 Abs. 1, Art. 19 Abs. 4 und Art. 20 Abs. 3 Grundgesetz abzuleitenden verfassungsrechtlichen Gebot entsprechen soll, die Situation von Bemittelten und Unbemittelten bei der Verwirklichung des Rechtsschutzes weitgehend anzugleichen. Daher dürfen die Anforderungen an die Erfolgsaussicht nicht überspannt werden; hinreichende Erfolgsaussicht ist z. B. zu bejahen, wenn eine Beweisaufnahme ernsthaft in Betracht kommt und keine konkreten und nachvollziehbaren Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sie mit großer Wahrscheinlichkeit zum Nachteil der die PKH begehrenden Partei ausgehen wird (Bundesverfassungsgericht [BVerfG], Beschluss vom 29. September 2004 - 1 BvR 1281/04, Beschluss vom 14. April 2003 - 1 BvR 1998/02 und Beschluss vom 12. Januar 1993 - 2 BvR 1584/92 - alle veröffentlicht in Juris; Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 17. Februar 1998 - B 13 RJ 83/97 - SozR 3-1500 § 62 Nr. 19, veröffentlicht auch in Juris; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, § 73a Rdnr. 7a m.w.N.) Wirft der Rechtsstreit hingegen eine Rechtsfrage auf, die in der Rechtsprechung noch nicht abschließend geklärt, aber klärungsbedürftig ist, liegt hinreichende Erfolgsaussicht ebenfalls vor; in diesem Fall muss PKH bewilligt werden (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, § 73a Rdnr. 7b unter Hinweis auf die Rspr. des BVerfG).

Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Die vorliegend streitige Frage, ob die Voraussetzungen des § 22 Abs. 5 SGB II auch dann vorliegen, wenn nicht der Hilfebedürftige, sondern dessen Eltern aus der bislang gemeinsam gewohnte Wohnung ausgezogen sind, ist soweit ersichtlich in der Rechtsprechung noch nicht abschließend geklärt. In Anbetracht des Wortlautes des § 22 Abs. 5 SGB II, der von der Zeit "nach einem Umzug" des Hilfebedürftigen spricht, ist die Rechtslage auch keineswegs so eindeutig, dass hier eine hinreichende Erfolgsaussicht ausgeschlossen werden kann (vgl. hierzu z.B. Luik in Eicher, Kommentar zum SGB II, § 22 RdNr. 176 m.w.N). Zudem erscheint zur Klärung, ob hier ein Anspruch auf eine Zusicherung bestand und die Einholung einer solchen aus wichtigem Grund entbehrlich war (§ 22 Abs. 5 S. 2 und 3 SGB II), eine Beweisaufnahme durch Vernehmung des Vaters des Klägers als Zeugen zumindest ernsthaft in Betracht zu kommen. Das Ergebnis dieser Beweisaufnahme erscheint offen, so dass auch aus diesem Grund eine hinreichende Erfolgsaussicht nicht verneint werden kann.

Der Auffassung des SG, dass allein eine fehlende Klagebegründung zur Ablehnung eines PKH Antrags berechtigt, ohne dass bei dieser Entscheidung der Inhalt der vorliegenden Verwaltungsakte in irgendeiner Form berücksichtigt wird, vermag sich der Senat hingegen nicht anzuschließen. Diese Auffassung findet auch in der vom SG in Bezug genommenen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 14. April 2010 (Nichtannahmebeschluss, Az.: 1 BvR 362/10 –, Juris) keine Stütze. Das BVerfG hat es in dieser Entscheidung vielmehr ausdrücklich offen gelassen, ob die Voraussetzungen für die Bewilligung von PKH auch dadurch erfüllt werden können, dass dem Gericht die angefochtenen Bescheide vorgelegt werden. Letzteres war vorliegend der Fall, da die maßgeblichen Bescheide bereits mit Klageerhebung vom Kläger vorgelegt wurden. Der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt kann zudem ohne weiteres der dem SG durch den Beklagten vorgelegten Verwaltungsakte entnommen werden, deren Inhalt zur Überzeugung des Senats bei der Entscheidung über einen PKH Anspruch zu berücksichtigen ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 127 Abs. 4 ZPO.

Dieser Beschluss ist mit der Beschwerde nicht anfechtbar ( § 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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