L 20 SO 396/13 B

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
20
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 28 SO 138/13
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 20 SO 396/13 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Düsseldorf vom 19.08.2013 geändert. Der Klägerin wird für das Verfahren vor dem Sozialgericht Prozesskostenhilfe zu den Bedingungen eines im Gerichtsbezirk ansässigen Bevollmächtigten bewilligt und Rechtsanwalt L, B, zu ihrer Vertretung beigeordnet. Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten im zugrunde liegenden Hauptsacheverfahren vor dem Sozialgericht, ob der Klägerin Sozialhilfeleistungen für die Kosten eines Treppenlifts zustehen.

Die am 00.00.1925 geborene Klägerin bewohnt im Hause ihrer Tochter eine eigene Wohnung, die über zwölf Treppenstufen zu erreichen ist. Mit notariellem Auseinandersetzungsvertrag vom 20.11.1990 war das entsprechende Hausgrundstück, das zuvor hälftig der Klägerin sowie zur anderen Hälfte der Klägerin und ihrer Tochter in Erbengemeinschaft gehörte, insgesamt auf die Tochter übertragen worden; der Klägerin war dabei ein lebenslängliches unentgeltliches Altenteil an der gesamten ersten Etage eingeräumt worden. Die Tochter und deren Ehemann übernahmen in diesem Vertrag die Verpflichtung, die Klägerin bei Pflegebedürftigkeit wegen Krankheit oder Alters in jeder Weise zu pflegen und zu versorgen. Wegen der Einzelheiten wird auf den Vertrag Bezug genommen.

Ausweislich eines ärztlichen Berichts des Klinikums Q vom 01.06.2012 befand sich die Klägerin vom 24. bis 28.05.2012 in der dortigen stroke unit und anschließend bis zum 05.06.2012 auf der neurologischen Allgemeinstation. Die stationäre Aufnahme sei wegen einer plötzlich aufgetretenen Halbseitenschwäche erfolgt. Klinisch neurologisch habe sich eine schlaffe Hemiparese links und eine zentrale Fazialisparese links gezeigt, bildgebend ein kleiner Mediateilinfarkt rechts. Bei Entlassung habe noch eine latente Hemiparese vorgelegen; die Klägerin habe gut am Rollator mobilisiert werden können. Die Klägerin wurde daraufhin in das Krankenhaus N in N verlegt. Ein Attest des Neurologen und Psychiaters Dr. I vom 26.09.2012 führt u.a. aus, bei der Entlassung sei die Klägerin in der Lage gewesen, sich behinderungsentsprechend mit einem Rollator fortzubewegen. Nach Mobilisierung in den Städtischen Kliniken N habe sie mit Unterstützung zweier Personen zwölf Treppenstufen treppauf und treppab im Beistellschritt zusteigen können. Zu Hause sei sie dann allerdings gefallen und habe sich eine Fraktur des Schambeines links zugezogen. Seither könne sie nicht mehr laufen. Unter diesen Umständen sei sie nicht in der Lage, normal zu laufen, und schon gar nicht, Treppen auf- und abzusteigen.

In der Verwaltungsakte der Beklagten befindet sich eine auf den 29.06.2012 datierte, handschriftlich ausgefüllte Formblatt-Unterlage "Vertragsabschluss Treppenlifte" der Firma PractiComfort, die als Rechnungsanschrift die Klägerin nennt. Dort wird ein Treppenlift für 8.900,00 EUR inkl. Fracht und Montage benannt. Eine Kundenunterschrift findet sich darin nicht. In der Akte befindet sich ferner ein Angebot der Firma PractiComfort vom 03.07.2012 für einen Treppenlift (gebraucht) über 8.900,00 EUR. Ebenfalls in der Akte enthalten ist ein Angebot der Firma Freelift vom 22.06.2012 über einen Treppenlift zum Preise von 7.900,00 EUR. Ein Angebot des Unternehmens Der-Treppenlift GmbH vom 05.07.2012 für einen Lift inkl. Montage lautet auf 7.499,00 EUR.

Am 09.07.2012 ging bei dem Beklagten ein Antrag der Klägerin vom 06.07.2012 auf Gewährung von Eingliederungshilfeleistungen in Form der Hilfen zur Wohnumfeldverbesserung durch einen Treppenlift ein. Die Klägerin führte aus, sie könne keine Stufen mehr steigen.

Ausweislich eines Vermerks über ein Telefongespräch des Beklagten mit der AOK Pflegeversicherung vom 04.10.2012 ist der Klägerin am 07.08.2012 ein Treppenlift von der Firma Rehabitat zum Preis von 7.899,99 EUR geliefert worden.

Mit Bescheid vom 07.09.2012 bewilligte die AOK Pflegekasse der (der Pflegestufe II zugeordneten) Klägerin für die Verbesserung ihres Wohnumfeldes einen Zuschuss von (bis zu) 2.557,00 EUR; dieser Betrag ging am 21.08.2012 auf dem Konto der Klägerin ein.

Mit Bescheid vom 26.11.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.02.2013 lehnte der Beklagte die Bewilligung von Sozialhilfe für die Anschaffung des Treppenlifts ab. Der Lift sei bereits am 07.08.2012 geliefert worden; er sei gekauft worden, ohne die Entscheidung des Sozialhilfeträgers abzuwarten. Bewohne die Klägerin eine abgeschlossene Einliegerwohnung, so sei nicht erkennbar, weshalb für den Einbau eines Lifts eine solche Dringlichkeit bestanden haben sollte. Die Klägerin hätte für notwendige Krankenbesuche eine Beförderung über die Treppe durch einen professionellen Hilfsdienst mittels einer Trage in Anspruch nehmen können. Über den Antrag habe auch nicht eher entschieden werden können, weil noch nicht alle notwendigen Unterlagen vorgelegen hätten. Eine entsprechende Nachfrage des Beklagten vom 16.07.2012 habe die Klägerin nach ihren Angaben nicht erhalten; nach entsprechender telefonischer Mitteilung der Tochter der Klägerin vom 08.08.2012 sei ihr diese Nachfrage nochmals übersandt worden. Zum Zeitpunkt dieser telefonischen Nachfrage sei der Lift allerdings bereits geliefert und eingebaut gewesen. Eine Selbstbeschaffung sei nach § 15 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen (SGB IX) nur zulässig, wenn der Kostenträger eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringe. Im Antrag vom 06.07.2012 seien weder die Notwendigkeit für einen Lift noch die wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Leistungsgewährung dargelegt worden. Vor Erlass des Widerspruchsbescheides vom 05.02.2013 wurden sozial erfahrene Dritte beteiligt. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die genannten Bescheide Bezug genommen.

Am 07.03.2013 hat die Klägerin Klage vor dem Sozialgericht Düsseldorf erhoben und gleichzeitig die Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung ihres Bevollmächtigten beantragt. Eine Erklärung zu ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen nebst Belegen hat sie am 09.04.2013 vorgelegt. Danach verfügt sie über monatliche Renteneinkünfte i.H.v. weniger als 700,00 EUR bei Kosten der Unterkunft i.H.v. 115,00 EUR im Monat. Zur Begründung in der Sache hat die Klägerin im Wesentlichen an ihrer Auffassung festgehalten, die Versorgung mit dem Treppenlift habe zeitnah erfolgen müssen. Nach den Umständen des Falles sei sie gemäß § 15 SGB IX berechtigt gewesen, sich die Leistung selbst zu beschaffen.

Der Beklagte hat an seiner Beurteilung in den angefochtenen Bescheiden festgehalten.

Mit Beschluss vom 19.08.2013 hat das Sozialgericht die Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt. Die Klägerin habe bereits am 29.06.2012 einen Vertrag über die Lieferung und Montage eines Treppenlifts zum Preis von 8.900,00 EUR abgeschlossen. Eingliederungshilfe setze nach § 18 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialhilfe (SGB XII) ein, sobald dem Sozialhilfeträger bekannt werde, dass die Leistungsvoraussetzungen vorliegen. Der Beklagte könne die entsprechende Kenntnis frühestens mit der Antragstellung vom 06.07.2012 erhalten haben. Zu diesem Zeitpunkt sei jedoch der Treppenlift bereits in Auftrag gegeben gewesen (29.06.2012). Die Klägerin habe bei Antragstellung ihren Primäranspruch auf Abwendung der gegenwärtigen Notlage nicht mehr sinnbringend verfolgen können, da die Lieferung bereits angestanden habe und sie einem entsprechenden Anspruch auf Bezahlung ausgesetzt gewesen sei. Könne aber ein Primäranspruch gar nicht entstehen, so bestehe eine Erstattungspflicht für die entstandenen Kosten (Sekundäranspruch) nach § 15 Abs. 1 Satz 4 SGB IX bei Vorliegen sämtlicher sonstiger Voraussetzungen allenfalls dann, wenn eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbracht worden sei. Dies sei jedoch nur dann der Fall, wenn ansonsten die Zwecke der medizinischen, beruflichen oder sozialen Rehabilitation erschwert oder gar vereitelt würden. Die Klägerin bewohne jedoch in der ersten Etage eine komplett eingerichtete Einliegerwohnung mit Küche und Bad. Zur Teilhabe am gesellschaftlichen Leben, die ein Verlassen der Wohnung über die Treppe erforderlich gemacht hätte, sei sie bei Hilfe durch zwei Personen hinreichend mobilisiert gewesen; offensichtlich sei Entsprechendes auch zwischen Krankenhausentlassung und Einbau des Treppenlifts ausreichend möglich gewesen. Dass sich dieser Zustand nun verändert haben solle mit der Folge, dass der Einbau des Treppenlifts unaufschiebbar gewesen wäre und eine Entscheidung der Beklagten nicht hätte abgewartet werden können, habe die Klägerin weder bei Antragstellung deutlich gemacht noch sonst dargelegt. Vielmehr habe sie sich erst nach dem Einbau des Treppenliftes nach dem Sachstand erkundigt. Insgesamt habe die beabsichtigte Rechtsverfolgung deswegen keine hinreichende Aussicht auf Erfolg.

Am 17.09.2013 hat die Klägerin Beschwerde eingelegt. Auch wenn sie sich in der Klinik auf einer Treppe noch mit Hilfe zweier Personen im Beistellschritt habe fortbewegen können, lägen bei einer gerade einen Meter breiten Treppe in Privathäusern völlig andere Voraussetzungen vor. Die Enge solcher Treppenhäuser mache die Sicherung der betreffenden Person nahezu unmöglich, erst recht bei einem Lebensalter von 86 Jahren im Zustand nach einem Schlaganfall. Der erlittene Sturz im Anschluss an den Krankenhausaufenthalt zeige denn auch, dass das Verlassen der Wohnung zwischen der Krankenhausentlassung und dem Einbau des Treppenliftes eben nicht ausreichend funktioniert habe. Immerhin seien bei ihr ein Grad der Behinderung von 100 sowie das Merkzeichen G festgestellt worden.

Der Beklagte verweist demgegenüber weiterhin darauf, dass die Klägerin vor In-Auftrag-Gabe bzw. Einbau des Treppenliftes mit ihr hätte Kontakt aufnehmen müssen. Die Klägerin hätte einen Fahrdienst mit Tragehilfe in Anspruch nehmen können; denn es sei davon auszugehen, dass bei einer 86-Jährigen, die zudem Leistungen der Pflegekasse erhalte, das Bedürfnis für außerhäusige Aktivitäten eher gering sei. Ein Abwarten der Entscheidung des Beklagten wäre durchaus zumutbar gewesen; eine massive Einschränkung an Lebensqualität im Falle des Abwartens der Entscheidung sei nicht erkennbar. Zwar werde der Klägerin ein Bedürfnis nach außerhäusigen Aktivitäten keineswegs abgesprochen; für den begrenzten Zeitraum bis zu einer abschließenden Entscheidung des Beklagten wäre jedoch ein Zuwarten zumutbar gewesen. Die Klägerin hätte es durchaus selbst in der Hand gehabt, um eine bevorzugte Bearbeitung ihres Antrags bei dem Beklagten zu bitten. Stattdessen habe sie in Eigenregie den Lift einbauen lassen. Wegen dieser Selbstbeschaffung könne eine gewährte Sozialhilfe nur mehr Schulden tilgen; das sei jedoch rechtlich nicht vorgesehen. Durch die eigenmächtige Auftragsvergabe sei dem Beklagten auch keine Wirtschaftlichkeitsprüfung mehr möglich gewesen. Ein Systemversagen bei der Sachleistungsgewährung liege nicht vor. Dass die Leistung nach Ansicht der Klägerin nicht rechtzeitig erbracht worden sei, habe nicht der Beklagte zu vertreten. Die Klägerin möge ohnehin mitteilen, wie sie nach Abzug des Zuschusses der Pflegeversicherung die Restkosten für den Lift aufgebracht habe.

Hinsichtlich des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird verwiesen auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten, der Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen ist.

II.

Die zulässige Beschwerde der Klägerin ist begründet. Zu Unrecht hat das Sozialgericht die Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt.

Nach § 73a Sozialgerichtsgesetz (SGG) i.V.m. § 114 Satz 1 Zivilprozessordnung (ZPO) erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.

1. Die Klägerin kann Kosten der Prozessführung ausweislich der von ihr vorgelegten Erklärung über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nicht selbst bestreiten.

2. Entgegen der Ansicht des Sozialgerichts hat ihre Rechtsverfolgung, die nicht mutwillig erscheint, auch hinreichende Aussicht auf Erfolg. Eine solche Erfolgsaussicht der Rechtsverfolgung besteht, wenn das Gericht den Rechtsstandpunkt eines Klägers aufgrund der Sachverhaltsschilderung und der vorliegenden Unterlagen für zutreffend oder zumindest für vertretbar hält und in tatsächlicher Hinsicht von der Möglichkeit der Beweisführung überzeugt ist. Hält das Gericht etwa eine Beweiserhebung von Amts wegen für notwendig, so kann in der Regel eine Erfolgsaussicht nicht verneint werden (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Auflage 2012, § 73a Rn. 7a m.w.N.). Wird eine Rechtsfrage aufgeworfen, die in der Rechtsprechung noch nicht geklärt, aber klärungsbedürftig ist, muss Prozesskostenhilfe bewilligt werden. Deswegen darf das Gericht über schwierige Rechtsfragen nicht im Prozesskostenhilfeverfahren entscheiden; vielmehr ist die Frage - im Anschluss an die Bewilligung von Prozesskostenhilfe - im zugrundeliegenden Hauptsacheverfahren zu klären (vgl. Leitherer a.a.O. Rn. 7b).

Davon ausgehend können der Rechtsverfolgung bei summarischer Prüfung auf der Grundlage des derzeit bekannten Sachstandes sowie nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) hinreichende Erfolgsaussichten nicht von vornherein abgesprochen werden.

a) Die bisher vorliegenden Unterlagen über den gesundheitlichen Zustand der Klägerin lassen es zumindest nicht unplausibel erscheinen, dass sie einerseits ohne einen Treppenlift nicht mehr sicher die Wohnung verlassen konnte, andererseits aber mit Hilfe von Treppenlift und Rollator in der Lage war (und ist), selbstbestimmt und selbstständig Aktivitäten außerhalb ihrer Wohnung nachzugehen. Sollten hieran Zweifel bestehen, hätte das Sozialgericht ggf. entsprechende Ermittlungen anzustellen. Auch das Fehlen einsatzpflichtiger Eigenmittel ist ausweislich des geringen Einkommens der Klägerin nicht unplausibel; ggf. mag das Sozialgericht auch hier weitere Ermittlungen anstellen.

b) Die Ausführungen des Sozialgerichts, dass der Treppenlift bereits durch Vertragsschluss am 29.06.2012 und damit schon vor Antragstellung und damit Kenntniserlangung des Beklagten verbindlich bestellt worden sei, stellen sich aufgrund des bisherigen Akteninhalts schlicht als unrichtig dar. Vielmehr ergeben sich aus den Akten insoweit lediglich Kontakte zu diversen möglichen Lieferanten von Treppenliften, die aber über das Stadium eines Angebots nicht hinausgekommen sind. Insbesondere dürfte es sich bei dem vom Sozialgericht herangezogenen - vermeintlichen - Vertrag vom 29.06.2012 lediglich um ein unverbindliches Angebot der Firma PractiComfort gehandelt haben. Denn eine Käuferunterschrift enthält das als "Vertragsabschluss Treppenlifte" überschriebene Formblatt-Schriftstück gerade nicht; nur so macht auch das weitere (bloße) Angebot der Firma PractiComfort vom 03.07.2012 überhaupt einen Sinn. Auch für weitere Anbieter lagen nach bisherigem Erkenntnisstand im Zeitpunkt der Antragstellung lediglich unverbindliche Angebote vor. Dem entspricht, dass ein Angebot des letztendlichen Lieferanten, der Firma Rehabitat, bisher nicht aus den Akten hervorgeht; nur ein solches Angebot aber könnte die Klägerin letztendlich angenommen haben. Eine verbindliche Bestellung eines Treppenlifts vor Antragstellung bei der Beklagten ist deshalb einstweilen gar nicht feststellbar.

aa) War der Treppenlift vor Kenntniserlangung durch den Beklagten aber gar nicht bestellt, erscheint unter Zugrundelegung der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG; vgl. dazu insbesondere Urteile vom 02.02.2012 - B 8 SO 9/10 R sowie vom 20.09.2012 - B 8 SO 15/11 R) ein Anspruch der Klägerin auf die geltend gemachte Leistung der Eingliederungshilfe zumindest möglich.

Denn grundsätzlich können Kosten für einen Treppenlift (was insoweit zwischen den Beteiligten auch unstreitig ist) im Rahmen von § 54 Abs. 1 Satz 1 SGB XII i.V.m. § 55 Abs. 2 Nr. 5 SGB IX als Leistung der Eingliederungshilfe in Frage kommen (vgl. dazu BSG, Urteil vom 20.09.2012 - B 8 SO 15/11 Rn. 14 zum vergleichbaren Fall eines Personenaufzugs in einem Privathaus). Dabei handelt es sich allerdings nicht um einen Sach-, sondern nach der Vorrangregelung für Geldleistungen in § 10 Abs. 3 SGB XII um einen originären Geldleistungsanspruch (BSG, a.a.O.). Für einen solchen Anspruch ist es nach Ansicht des BSG (vgl. Urteile vom 02.02.2012 - B 8 SO 9/10 R Rn. 20 f. sowie vom 20.09.2012 - B 8 SO 15/11 R Rn. 12) ohne Belang, ob die zivilrechtliche Vereinbarung über die (Selbst-) Beschaffung des fraglichen Gegenstandes noch vor Erlass eines Ablehnungsbescheides des Trägers der Sozialhilfe geschlossen worden ist. Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. BVerwGE 90, 154, 156 m.w.N.), die eine Bedarfsdeckung im Wege der Selbsthilfe nach Kenntniserlangung des Sozialhilfeträgers vom Bedarf, aber noch vor der letzten Behördenentscheidung als anspruchsvernichtend angesehen hatte, ist das BSG für einen solchen von vornherein auf eine Geldleistung gerichteten Primäranspruch nicht gefolgt. Hier einen Anspruch nur bei besonderer Eilbedürftigkeit (im Falle der Klägerin also für eine gerade eilig notwendige Anschaffung des Treppenliftes) zur Voraussetzung zu machen, finde im Gesetz keine Stütze. Auch allgemeine Grundsätze bei nicht rechtzeitiger oder zu Unrecht verweigerter Sachleistung (vgl. § 13 Abs. 3 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Krankenversicherung, § 15 Abs. 1 S. 4 SGB IX) seien insoweit nicht einschlägig; denn ein von vornherein bestehender Geldleistungsanspruch lasse keinen Raum für die Umwandlung eines primären Sachleistungsanspruchs in einen nur sekundären Geldleistungsanspruch. Eine Eilbedürftigkeit könne also nicht bestehen; es könne von vornherein kein Auswahlermessen des Sozialhilfeträgers über entweder eine Geld- oder eine Sachleistung beeinträchtigt werden, und eine sonstige Ermessensausübung bleibe ggf. auch nachträglich noch möglich (BSG, Urteil vom 02.02.2012 - B 8 SO 9/10 R Rn. 21). Auch § 15 Abs. 1 S. 4 SGB IX sei in diesen Fällen von vornherein nicht anwendbar, weil die Leistung nicht als Sach-, sondern als Geldleistung zu erbringen sei (BSG, a.a.O. Rn. 20, sowie Urteil vom 20.09.2012 - B 8 SO 15/11 R Rn. 12).

bb) Dass im vorliegenden Fall nicht nur die zivilrechtliche Vereinbarung zum Einbau des Treppenlifts vor der Leistungsablehnung geschlossen worden ist, sondern auch der Einbau bereits vor der Entscheidung des Beklagten erfolgte, rechtfertigt keine andere Beurteilung. Zwar gilt im Rahmen des Sozialhilferechts das sog. Gegenwärtigkeitsprinzip. Nach § 18 Abs. 1 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) setzt die Sozialhilfe (mit Ausnahme der Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung) ein, sobald dem Träger der Sozialhilfe oder den von ihm beauftragten Stellen bekannt wird, dass die Voraussetzungen für die Leistung vorliegen. Für einen zurückliegenden Zeitraum müssen nach ständiger Rechtsprechung Sozialhilfeleistungen deshalb nur erbracht werden, wenn die Notlage im Zeitpunkt der beanspruchten Hilfeleistung noch besteht, sie also den Bedarf des Hilfebedürftigen noch decken können (Coseriu in jurisPK, § 18 SGB XII Rn. 31 m.w.N.). Ist der Bedarf hingegen vor der späteren Entscheidung des Sozialhilfeträgers entfallen, so ist im Grundsatz eine Sozialhilfe nicht mehr zu bewilligen (vgl. a.a.O. Rn. 32). Hiervon werden allerdings Ausnahmen gemacht; ist der Bedarf bis zur Entscheidung des Sozialhilfeträgers mit Hilfe Dritter oder durch den Einsatz von Schonvermögen gedeckt worden, findet der Grundsatz "keine Leistungen für die Vergangenheit" keine Anwendung (vgl. a.a.O. Rn. 33). Wird deshalb ein - sei es auch nur formloser - Antrag auf Sozialhilfe gestellt, der den Träger ohne weitere Angaben des Antragstellers noch nicht in die Lage versetzt, die Anspruchsvoraussetzungen zu prüfen, sind gleichwohl bei Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen Leistungen ab Antragstellung zu erbringen; denn durch den Antrag hat der Träger bereits Kenntnis i.S.v. § 18 Abs. 1 SGB XII erlangt (a.a.O. Rn. 35 und Rn. 18 ff.). So hat es das BSG in einem Fall, in dem es um die Übernahme von Kosten der Anschaffung eines Kfz als Leistung der Eingliederungshilfe ging, bereits für unerheblich gehalten, dass die Anschaffung des Kfz schon vor Erlass des Ablehnungsbescheides erfolgte (vgl. BSG, Urteil vom 12.12.2013 - B 8 SO 18/12 R Rn. 12 m.w.N.). Nichts anderes kann im vorliegenden Fall hinsichtlich der Anschaffung bzw. des Einbaus des Treppenlifts für die Klägerin gelten.

cc) Selbst wenn (was der Senat nach den bisher vorliegenden Informationen für unwahrscheinlich hält) weitere Ermittlungen des Sozialgerichts ergeben sollten, dass der tatsächlich am 07.08.2012 eingebaute Treppenlift der Firma Rehabitat schon vor Antragstellung und erstmaliger Kenntnis der Beklagten bereits verbindlich bestellt worden war, würde das Sozialgericht zu klären haben, wann genau die Forderung der Firma Rehabitat fällig wurde. Denn nach der Rechtsprechung des BSG (a.a.O.) ist dies der für die Beurteilung der Rechtslage maßgebende Zeitpunkt. Einstweilen spricht alles dafür, dass die Fälligkeit erst im Anschluss an den Einbau des Treppenliftes am 07.08.2012 eingetreten ist (vgl. § 641 Abs. 1 S. 1 Bürgerliches Gesetzbuch).

3. Die Entscheidung über die Beiordnung von Rechtsanwalt L beruht auf § 73a SGG i.V.m. § 121 Abs. 2 ZPO. Die Einschränkung der Bewilligung auf die Kosten eines ortsansässigen Bevollmächtigten ergibt sich aus § 121 Abs. 3 ZPO.

4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 73a SGG i.V.m. § 127 Abs. 4 ZPO.

5. Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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