L 18 AS 3167/12

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
18
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 167 AS 33970/11
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 18 AS 3167/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Kläger werden das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 25. Oktober 2012 sowie die Bescheide des Beklagten vom 30. August 2011 und vom 31. August 2011 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 1. Dezember 2011 aufgehoben. Der Beklagte hat den Klägern deren außergerichtliche Kosten beider Instanzen zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die Rechtmäßigkeit der endgültigen Ablehnung von vorläufig bewilligten Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II) sowie der Geltendmachung der Erstattung von Leistungen durch die Beklagte.

Die in Bedarfsgemeinschaft lebenden Kläger standen bei dem Beklagten fortlaufend im Leistungsbezug. Auf ihren Weiterbewilligungsantrag bewilligte der Beklagte den Klägern mit Bescheid vom 25. Januar 2011 im Zeitraum vom 1. Februar 2011 bis 31. Juli 2011 Leistungen nach dem SGB II iHv monatlich 1.007,00 EUR vorläufig gem. § 40 Abs 1 S 2 Nr 1a SGB II iVm § 328 Abs 1 S 1 Nr 3 Sozialgesetzbuch – Arbeitsförderung - (SGB III). Als Begründung für die lediglich vorläufige Bewilligung der Leistungen wurde angegeben, die Einnahmen bzw. Ausgaben aus der selbständigen Tätigkeit des Klägers zu 1) im Bewilligungszeitraum als Transportunternehmer seien aufgrund dessen Angaben zu seinem voraussichtlichem Einkommen zunächst vorläufig festgesetzt worden. Mit Änderungsbescheid vom 26. März 2011 bewilligte der Beklagte den Klägern unter Beibehaltung der Vorläufigkeit der Entscheidung wegen der Erhöhung des Regelsatzes Leistungen iHv monatlich 1.017,00 EUR. Im Juli 2011 forderte der Beklagte den Kläger zu 1) auf, zwecks abschließender Einkommensprüfung seine Einkünfte im Zeitraum 1. Februar 2011 bis 31. Juli 2011 mitzuteilen. Der Kläger erklärte daraufhin, dass er einen Betrag iHv 10.125,- EUR von seiner Versicherung zum Ausgleich des durch den Verlust eines LKW durch Diebstahl entstandenen Schadens im Juni 2011 erhalten habe. Der Beklagte lehnte daraufhin mit Bescheid vom 30. August 2011 die Bewilligung von Leistungen im Zeitraum 1. Februar 2011 bis 31. Juli 2011 mangels Hilfebedürftigkeit der Kläger iSd § 7 Abs 1 Nr 3 SGB II ab, da unter Berücksichtigung des Versicherungsbetrages ein monatlicher Gewinn aus der selbständigen Tätigkeit des Klägers zu 1) iHv 1.806,18 EUR anzurechnen sei und dieser Gewinn den Bedarf der Kläger übersteige. Mit an den Kläger zu 1) gerichtetem Erstattungsbescheid vom 31. August 2011 forderte der Beklagte den Kläger zu 1) zur Erstattung eines überzahlten Betrages iHv 2.090,64 EUR auf, mit an die Klägerin zu 2) gerichtetem Bescheid ebenfalls vom 31. August 2011 forderte der Beklagte die Erstattung von an die Klägerin zu 2) und die Kläger zu 3) und 4) im Zeitraum vom 1. Februar 2011 bis 31. Juli 2011 gezahlten Leistungen iHv insgesamt 4.082,36 EUR.

Die Widersprüche der Kläger gegen den Bescheid vom 30. August 2011 und die Erstattungsbescheide vom 31. August 2011 wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheiden vom 1. Dezember 2011 als unbegründet zurück. Bei der Berechnung des Einkommens des Klägers zu 1) aus dessen selbständiger Tätigkeit sei gem. § 3 der Verordnung zur Berechnung von Einkommen sowie zur Nichtberücksichtigung von Einkommen und Vermögen beim Arbeitslosengeld II/Sozialgeld (Alg II-V) in der bis zum 31. Dezember 2011 geltenden Fassung von den Betriebseinnahmen im Bewilligungszeitraum unter Abzug der notwendigen Ausgaben auszugehen. Die Auszahlung der Versicherungsleistung iHv 10.125,00 EUR für den Verlust des LKW sei als betriebliche Einnahme zu qualifizieren. Dem stehe auch nicht entgegen, dass die Versicherungsleistung eine Ersatzbeschaffung für den Verlust des LKW ermöglichen sollte, denn im Diebstahl des LKW habe sich das betriebliche Risiko realisiert. Ob und wann die Versicherungsleistung reinvestiert worden sei, ändere an dieser Bewertung nichts. Nach Abzug der Freibeträge nach § 11 b SGB II errechne sich ein anrechnungsfähiges monatliches Einkommen iHv 1.496,18 EUR.

Gegen die Widerspruchsbescheide vom 1. Dezember 2011 haben die Kläger am 22. Dezember 2011 beim Sozialgericht Berlin Klage erhoben und vorgetragen, sie hätten von Anbeginn an vorgehabt, die Versicherungssumme zu reinvestieren und diese schließlich im Dezember 2011 in ein Café investiert. Hätte der Bewilligungsabschnitt bis Dezember 2011 gedauert, wäre die Versicherungsleistung nicht angerechnet worden und hätte der LKW zum Privatvermögen der Kläger gehört, wäre die Versicherungsleistung in jedem Fall anrechnungsfrei gewesen. Es sei deshalb entweder der Bewilligungszeitraum zu erweitern oder die Regelung in § 3 Abs 5 Alg II-V entsprechend anzuwenden. Hierfür spreche auch der Regelungsgedanke des § 7 Abs 1 Alg II-V, wonach Vermögen nicht zu berücksichtigen sei, welches der Hilfebedürftige zur Fortsetzung bzw. Aufnahme seiner Erwerbstätigkeit bedürfe. Denkbar sei auch, die Versicherungsleistung als zweckbestimmte Einnahme iSv § 11 Abs 3 SGB II zu qualifizieren oder sie als Vermögenstausch zu behandeln.

Durch Urteil vom 25. Oktober 2012 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Der Ablehnungsbescheid vom 30. August 2011 sei rechtlich nicht zu beanstanden, da der Beklagte die Versicherungsleistung zu Recht als Einkommen berücksichtigt habe. Bei den Betriebseinnahmen iSd § 3 Abs 1 Satz 1 Alg II-V handle es sich um alle aus selbständiger Arbeit, Gewerbebetrieb oder Land- und Forstwirtschaft tatsächlich zufließenden Einnahmen im Bewilligungszeitraum, die kausal auf die gewerbliche Tätigkeit zurückzuführen seien. Der sozialrechtliche Begriff der Betriebseinnahme stimme damit mit demjenigen des Steuerrechtes überein. Soweit die versicherte Gefahr durch den Betrieb veranlasst worden sei, stelle die Versicherungsleistung nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes (BFH) eine Betriebseinnahme dar. Die Versicherungsleistung sei auch nicht als Surrogat des LKW anzusehen und deshalb nicht lediglich Vermögen des Klägers zu 1). Schließlich handle es sich auch nicht um eine zweckbestimmte Einnahme, da die Versicherungsleistung den Klägern zur freien Verfügung gestanden habe. Dieser Betriebseinnahme habe auch nicht der Wertverlust des LKW einkommensmindernd gegenüber gestanden, denn als steuerrechtlich außergewöhnliche Absetzung für Abnutzung sei dieser sozialrechtlich bei der Einkommensermittlung unbeachtlich. Insoweit handle es sich nur um einen fiktiven Wertverlust und nicht um eine effektive Minderung des Einkommens. Entgegen der Auffassung der Kläger sei der Bewilligungszeitraum auch nicht aufgrund besonderer Umstände des Einzelfalles auf zwölf Monate auszudehnen, denn die Voraussetzungen hierfür gem. § 3 Abs 5 Alg II-V seien nicht erfüllt, auch eine analoge Anwendung des § 7 Abs 1 Alg II-V komme nicht in Betracht, da eine vergleichbare Interessenlage insoweit nicht vorliege.

Mit der Berufung verfolgen die Kläger ihr Begehren weiter und wiederholen im Wesentlichen ihr erstinstanzliches Vorbringen.

Die Kläger beantragen,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 25. Oktober 2012 sowie den Bescheid des Beklagten vom 30. August 2011 und die Erstattungsbescheide vom 31. August 2011 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 1. Dezember 2012 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend. Der Kläger zu 1) habe Versicherungsbeiträge für den LKW gezahlt und diese als betrieblich veranlasste Ausgabe geltend gemacht. Demzufolge habe er auch die Anrechnung der Versicherungsleistung als Betriebseinnahme hinzunehmen. Die Reinvestition der Summe sei außerhalb des Bewilligungszeitraumes erfolgt und deshalb im vorliegenden Fall nicht einkommensmindernd zu berücksichtigen.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakten des Beklagten Bezug genommen, die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Kläger ist zulässig; sie ist auch begründet. Denn die angefochtenen Bescheide sind rechtswidrig und verletzten die Kläger in ihren Rechten.

Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens ist zum einen der Bescheid des Beklagten vom 30. August 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1. Dezember 2011, mit welchem der Beklagte den Antrag der Kläger auf Leistungen für die Zeit vom 1. Februar 2011 bis zum 31. Juli 2011 abgelehnt hat. Hierbei handelt es sich um einen endgültigen Bescheid iSv § 328 Abs 2 SGB III in der bis zum 31. März 2012 geltenden Fassung (aF). Danach ist eine vorläufige Entscheidung nur auf Antrag des Berechtigten für endgültig zu erklären, wenn sie nicht aufzuheben oder zu ändern ist. Einer gesonderten Aufhebung nach Maßgabe der §§ 44 ff. Sozialgesetzbuch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X) bedarf es nicht; die dort genannten Voraussetzungen müssen nicht erfüllt sein. Denn die vorläufige Leistungsbewilligung hat sich mit der endgültigen Leistungsbewilligung oder –ablehnung nach § 39 Abs. 2 SGB X auf andere Weise erledigt. Der Beklagte konnte deshalb über den Anspruch der Kläger auf Leistungen im streitigen Zeitraum ohne Bindung an vorangegangene Bescheide entscheiden.

Die Voraussetzungen für die Anwendung des § 328 Abs 2 SGB III aF liegen vor: Die Bewilligungen mit Bescheiden vom 25. Januar 2011 und vom 26. März 2011 sind wegen der tatsächlichen Ungewissheiten im Hinblick auf das Tatbestandsmerkmal der Hilfebedürftigkeit ausdrücklich als vorläufige Entscheidungen (vgl § 40 Abs 1 Satz 2 Nr 1a SGB II iVm § 328 Abs 1 Satz 1 Nr 3 SGB III aF) nicht nur im Hinblick auf die Höhe, sondern die Leistung dem Grunde nach erfolgt. Die vorläufigen Entscheidungen konnten also durch die endgültige - ablehnende - Entscheidung ersetzt werden, ohne dass es einer Aufhebung der vorläufigen Entscheidungen (und damit ggf einer Vertrauensschutzprüfung) bedurfte.

Der von den Klägern erhobenen isolierten Anfechtungsklage gegen die Aufhebungsentscheidung fehlt auch nicht das Rechtsschutzbedürfnis. Das Rechtsschutzbedürfnis fehlt, wenn eine gerichtliche Entscheidung über die Klage offensichtlich nicht geeignet ist, den Rechtsstreit zwischen den Parteien endgültig zu beenden (Hüttenbrink, in: Kuhla/Hüttenbrink, Der Verwaltungsprozess, 3. Aufl., Kap. D Rn. 22). Das ist insbesondere der Fall, wenn die Klage "nicht weit genug reicht", weil der Kläger sein eigentliches Klageziel mit der begehrten gerichtlichen Entscheidung nicht erreicht (Hüttenbrink, aaO). So läge der Fall bei einer isolierten Anfechtung einer endgültigen Entscheidung, da im Falle des Klageerfolges die vorläufige Bewilligung wieder aufleben würde. Indessen hat der Beklagte sich vorliegend in der mündlichen Verhandlung verpflichtet, im Falle der Rechtskraft eines stattgebenden Berufungsurteils für den streitgegenständlichen Zeitraum erneut eine endgültige Entscheidung zu treffen, weshalb das Rechtsschutzbedürfnis für die isolierte Anfechtungsklage gegen die (endgültige) Aufhebungsentscheidung zu bejahen ist.

Gegenstand des Rechtsstreits und von den Klägern zu Recht mit der isolierten Anfechtungsklage angefochten sind auch die Erstattungsbescheide vom 31. August 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1. Dezember 2011, mit welchen der Beklagte die vollständige Rückzahlung der im Leistungszeitraum 1. Februar 2011 bis 31. Juli 2011 gezahlten Leistungen verlangte. Rechtsgrundlage dieser Verfügungen ist § 328 Abs. 3 Satz 1 SGB III aF. Danach sind auf Grund der vorläufigen Entscheidung erbrachte Leistungen auf die zustehende Leistung anzurechnen. Soweit mit der abschließenden Entscheidung ein Leistungsanspruch nicht oder nur in geringerer Höhe zuerkannt wird, sind gemäß § 328 Abs. 3 Satz 2 Hs 1 SGB III aF auf Grund der vorläufigen Entscheidung erbrachte Leistungen zu erstatten. Die zuletzt genannte Regelung ist lex specialis zu § 50 SGB X (vgl Beck scher Online-Kommentar Sozialrecht § 328 SGB III Rn 20 mwN aus der Rspr des BSG).

Die streitgegenständlichen Erstattungsbescheide sind bereits deshalb rechtswidrig, weil der angefochtene Bescheid vom 30. November 2011 über die endgültige Ablehnung von Leistungen im streitgegenständlichen Zeitraum rechtswidrig ist. Denn die Kläger hatten im streitgegenständlichen Zeitraum Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II ohne Anrechnung der gezahlten Versicherungsleistung iHv 10.125,- EUR als Einkommen.

Leistungen nach dem SGB II erhalten gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II Personen, die das 15. Lebensjahr vollendet und das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet haben (Nr 1), die erwerbsfähig (Nr 2) und hilfebedürftig (Nr 3) sind und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (Nr 4). Nach den – von den Beteiligten unbestrittenen und inhaltlich zutreffenden – Berechnungen des Beklagten waren die Kläger, die eine Bedarfsgemeinschaft nach § 7 Abs. 3 Nr. 1 und 3 SGB II bildeten, im gesamten streitigen Zeitraum ohne die Anrechnung der Versicherungsleistung hilfebedürftig iSd § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 iVm § 9 Abs. 1 SGB II. Insoweit nimmt der Senat auf den dem Bescheid vom 30. August 2011 beigefügten Berechnungsbogen Bezug, wonach bei Nichtberücksichtigung der Versicherungsleistung kein bedarfsdeckendes Einkommen der Kläger in dem streitigen Leistungszeitraum vorhanden war. Nach § 9 Abs.1 SGB II ist hilfebedürftig, wer seinen Lebensunterhalt, seine Eingliederung in Arbeit und den Lebensunterhalt der mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, uA nicht aus dem zu berücksichtigenden Einkommen, sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen erhält. So lag der Fall hier, denn bei der Ermittlung der Hilfebedürftigkeit der Kläger im streitgegenständlichen Zeitraum hat die Versicherungsleistung außer Betracht zu bleiben und ist nicht als Einkommen des Klägers zu 1) zu berücksichtigen.

Nach § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II sind als Einkommen zu berücksichtigen Einnahmen in Geld oder Geldeswert mit Ausnahme der Leistungen nach diesem Buch, der Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) und nach den Gesetzen, die eine entsprechende Anwendung des BVG vorsehen und der Renten oder Beihilfen, die nach dem Bundesentschädigungsgesetz für Schaden an Leben sowie an Körper oder Gesundheit erbracht werden, bis zur Höhe der vergleichbaren Grundrente nach dem BVG. Die vom Kläger zu 1) erzielten Einnahmen aus der Versicherung des gestohlenen LKW unterfällt keiner der in § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II benannten Ausnahmen.

Bei den Einkünften, die dem Kläger zu 1) aus der Versicherung zugeflossen sind, handelt es sich, da der LKW zum Betriebsvermögen gehörte, um Einkünfte aus einem Gewerbebetrieb, so dass bei ihrer Berechnung (ergänzend zu § 11 Abs. 2 SGB II) § 3 Alg II-V Anwendung findet. Denn zur Abgrenzung der Einkunftsarten voneinander ist das Steuerrecht heranzuziehen, schon weil die Alg II-V insoweit an die im Steuerrecht definierten Begriffe anknüpft (vgl Mecke in Eicher, SGB II, 3. Aufl 2013, § 13 RdNr 54). Lediglich bei den von den Einnahmen vorzunehmenden Absetzungen ist in § 3 Abs 2 Alg II-V ausdrücklich die Nichtanwendbarkeit der steuerrechtlichen Regelungen normiert.

Es handelte sich bei der Gutschrift aus der Versicherung jedoch entgegen der Ansicht des Beklagten um Vermögen und nicht um Einkommen. Der Senat folgt dabei für das SGB II im Grundsatz der vom Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) zur Sozialhilfe entwickelten Abgrenzung von Einkommen und Vermögen (vgl Urteil des BVerwG vom 18. Februar 1999 - 5 C 14/98 = NJW 1999, 3137-3138). Sie entspricht sowohl dem Willen des Gesetzgebers als auch dem Sinn und Zweck der Grundsicherungsleistungen als bedarfsabhängige Fürsorgeleistungen. Dieser Rechtsprechung des BVerwG zur sog. modifizierten Zuflusstheorie hat sich auch das Bundessozialgericht (BSG) ausdrücklich angeschlossen (vgl BSG, Urteil vom 30. Juli 2008 - B 14 AS 26/07 R -; Urteil vom 30. Juli 2008 - B 14 AS 26/07 R = SozR 4-4200 § 11 Nr 17 RdNr 23; BSG Urteil vom 30. September 2008 - B 4 AS 29/07 R = BSGE 101, 291 = SozR 4-4200 § 11 Nr 15, RdNr 18; BSG Urteil vom 17. Juni 2010 - B 14 AS 46/09 R = BSGE 106, 185 = SozR 4-4200 § 11 Nr 30, RdNr 15; BSG, Urteil vom 23. August 2011 - B 14 AS 185/10 R = SozR 4-4200 § 11 Nr 42 RdNr 10). Danach ist zur Abgrenzung zwischen Einkommen und Vermögen von Folgendem auszugehen: Einkommen iSd § 11 Abs 1 SGB II ist grundsätzlich alles, was jemand im Bewilligungszeitraum wertmäßig dazu erhält, und Vermögen das, was er bereits vorher hatte Zur Frage, wann etwas zufließt, ist grundsätzlich vom tatsächlichen Zufluss auszugehen.

Zur Abgrenzung von Einkommen und Vermögen nach dem, was zufließt, und dem, was bereits vorhanden ist, ist weiter zu berücksichtigen, dass Einnahmen grundsätzlich aus bereits bestehenden Rechtspositionen erzielt werden (zB Auszahlung des Gehalts als Erfüllung der Gehaltsforderung; hier: Schadensersatz als Erfüllung des Schadensersatzanspruchs). Da eine auf Geld oder Geldeswert gerichtete (noch nicht erfüllte) Forderung einen wirtschaftlichen Wert darstellt, gehört sie, wenn sie dem Inhaber bereits zusteht (zB noch nicht erfüllte Gehaltsforderungen für zurückliegende Monate; dagegen baut sich die Gehaltsforderung für den laufenden Monat erst auf), zu seinem Vermögen. Auch wenn eine auf Geld oder Geldeswert gerichtete (noch nicht erfüllte) Forderung einen wirtschaftlichen Wert darstellt und zum Vermögen des Forderungsinhabers gehört und eine Einnahme aus dieser bereits bestehenden Rechtsposition erzielt wird, führt dies jedoch nicht zu einer "Konkurrenz" dergestalt, dass die Forderung als Vermögen und daneben die Leistung aus der Forderung als Einkommen zu berücksichtigen wären. Vielmehr ist nach § 11 SGB II im Falle der Erfüllung einer (Geld-)Forderung grundsätzlich nicht das Schicksal der Forderung von Bedeutung, sondern das Gesetz stellt insofern allein auf die Erzielung von Einnahmen in Geld oder Geldeswert als Einkommen ab. Eine Ausnahme ist allerdings dann zu machen, wenn mit früherem Einkommen Vermögen angespart wurde, zB bei Banken, Sparkassen oder Versicherungen, weil andernfalls der Rückgriff auf das Ersparte bei dessen Auszahlung eine unzulässige erneute Bewertung als Einkommen wäre (vgl BSG, Urteil vom 30. September 2008 - B 4 AS 57/07 R = SozR 4-4200 § 11 Nr 16 RdNr 17 zu einer Zinsgutschrift; Gegenbeispiel: Einkommensteuererstattung: BSG, Urteil vom 30. September 2008 - B 4 AS 29/07 R = BSGE 101, 291 = SozR 4-4200 § 11 Nr 15, RdNr 18).

Steht danach der Vermögenswert einer Schadensersatzforderung nicht entgegen, die Schadensersatzleistung als Einkommen iSd § 11 Abs 1 SGB II zu verstehen, so gilt § 11 Abs 1 SGB II jedoch für solchen Schadensersatz nicht, der wie vorliegend lediglich eine frühere Vermögenslage wiederherstellt (zB Schadensersatz für die Beschädigung oder den Verlust einer Sache). Denn der bloße Ersatz für etwas, was jemand bereits hatte, bewirkt keinen Zufluss, ist keine Einnahme, sondern, wie das Ersetzte, wiederum unmittelbar Vermögen. Andernfalls wertete man den Ersatz eines bereits früher Erlangten unzulässig (erneut) als Einkommen (vgl BVerwG aaO). Dagegen sind alle diejenigen Schadensersatzleistungen Einkommen iSd § 11 Abs 1 SGB II, mit denen kein zuvor vorhandenes Vermögen ersetzt wird, sondern mit denen der Berechtigte erstmals eine Leistung in Geld oder Geldeswert erhält.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Saved