L 2 AS 1229/14 B ER

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
2
1. Instanz
SG Gelsenkirchen (NRW)
Aktenzeichen
S 45 AS 1449/14 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 2 AS 1229/14 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 13.06.2014 wird zurückgewiesen. Kosten sind auch im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

Die zulässige Beschwerde der Antragstellerin, mit der diese die vorläufige Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) begehrt, ist unbegründet.

Das Sozialgericht hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zu Recht abgelehnt.

Gemäß § 86b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht der Hauptsache einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis (Anordnungsanspruch) treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Anordnungsgrund). Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO)).

Hinsichtlich des Ehemannes und der beiden Kinder der Antragstellerin waren diese Voraussetzungen schon deshalb nicht erfüllt, weil der Antragsgegner ihnen unter Anrechnung von Kindergeld auf den Regelsatz der Kinder Regelleistungen in vollem Umfang gewährt und auch ihren Anteil an den Kosten der Unterkunft im Wesentlichen übernimmt. Der entsprechende Beschwerde des Ehemannes und der Kinder der Antragstellerin ist dementsprechend auch zurückgenommen worden.

Auch die Antragstellerin, die vom Antragsgegner keine Leistungen erhält, hat die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht glaubhaft gemacht. Diesbezüglich fehlt es bereits an einem Anordnungsanspruch, da die Antragstellerin aktuell an der Universität Innsbruck studiert und damit nach § 7 Abs. 5 SGB II von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen ist. Nach § 7 Abs. 5 SGB II haben Auszubildende, deren Ausbildung im Rahmen des Bundesausbildungsförderungsgesetzes (BAföG) dem Grunde nach förderungsfähig ist, keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Bei dem Studium der Antragstellerin handelt es sich um ein dem Grunde nach förderungsfähiges Hochschulstudium. Dies ergibt sich schon daraus, dass die Antragstellerin für dieses Studium bis Ende 2012 vom Amt für Ausbildungsförderung der Landeshauptstadt München BAföG bezogen hat.

Unbeachtlich ist, dass die Antragstellerin zur Durchführung ihres Studiums aktuell keine Ausbildungsförderung mehr erhält, weil sie die Förderungshöchstdauer überschritten hat. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgericht (BSG) kommt es nicht darauf an, ob dem Auszubildenden konkret eine Förderung nach dem BAföG gewährt wird oder nicht. Maßgeblich ist allein, ob die von ihm besuchte Ausbildung abstrakt förderungsfähig ist (vgl. BSG, Urteil vom 06.09.2007 - B 14/7b AS 36/06 R, RdNrn. 15 ff. bei juris; Urteil vom 01.07.2009 - B 4 AS 67/08 R, RdNr. 13 f. bei juris; Urteil vom 27.09.2011 - B 4 AS 145/10 R, RdNr. 12 bei juris). Individuelle Versagensgründe, die im Verhältnis zum Träger der Förderungsleistung eingetreten sind, bleiben außer Betracht. Das BSG weist diesbezüglich zu Recht darauf hin, dass ein Student, der ein Studium betreiben möchte, obwohl er die Anspruchsvoraussetzungen des zur Förderung vorgesehenen Sozialleistungssystems nicht erfüllt, diese Entscheidung selbst verantworten muss und während des Studiums keine Hilfe zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II erwarten kann, da er als Student nicht dem Gesamtsystem des SGB II unterliegt (vgl. schon BSG, Urteil vom 06.09.2007 - B 14/7b AS 36/06 R, RdNr. 15 bei juris sowie BSG, Urteil vom 27.09.2011 - B 4 AS 145/10 R, RdNrn. 14 und 23 bei juris).

Allein der Umstand, dass die Antragstellerin als Mutter von zwei Kleinkindern ihr Studium nach eigenen Angaben aktuell tatsächlich nur in Teilzeit betreibt, führt zu keinem anderen Ergebnis. Nach § 2 Abs. 5 BAföG ist zwar nur eine Ausbildung, die die Arbeitskraft des Auszubildenden im Allgemeinen voll in Anspruch nimmt, dem Grunde nach förderungsfähig. Bei einem Besuch von Hochschulen wird dies unterstellt. Maßgeblich ist daher nicht, wie viel Zeit der Studierende unter Berücksichtigung seiner persönlichen Umstände tatsächlich auf sein Studium aufwendet. Entscheidend ist vielmehr allein die konkrete Ausgestaltung als Vollzeitstudium (vgl. LSG Hamburg, Urteil vom 13.09.2012 - L 4 AS 193/11, RdNrn. 51 und 52 m.w.N. bei juris). Diesbezüglich hat die Antragstellerin selbst eingeräumt, dass eine Fortführung des Studiums als Teilzeitstudium an der von ihr besuchten Universität nicht möglich ist. Nur für den Fall einer offiziellen Immatrikulation als Teilzeitstudent kann aber die Gewährung einer Ausbildungsförderung nach § 2 Abs. 5 BAföG ausgeschlossen sein (so auch Thüringer Landessozialgericht, Beschluss vom 15.01.2007 - L 7 AS 1130/06 ER, RdNr. 27 bei juris). Auch die unmittelbar nach der Geburt des zweiten Kindes am 08.02.2014 erforderliche Betreuung dieses Kindes führt zu keiner anderen Beurteilung. Anhaltspunkte dafür, dass die Antragstellerin während dieser Zeit nicht immatrikuliert war bzw. ein Urlaubssemester eingelegt hat, liegen nicht vor. Nur bei einer offiziellen Beurlaubung durch die Ausbildungsstätte entfällt aber der Anspruch auf Ausbildungsförderung dem Grunde nach (vgl. BVerwG, Beschluss vom 25.08.1999 - 5 B 153/99, 5 PKH 53/99,RdNr. 4 bei juris).

Ein besonderer Härtefall im Sinne des § 27 Abs. 4 Satz 1 SGB II ist nicht hinreichend glaubhaft gemacht. Die hierzu von der Rechtsprechung entwickelten Fallgruppen (vgl. zuletzt BSG, Beschluss vom 23.08.2012 - B 4 AS 32/12 B m.w.N. RdNrn. 20 ff. bei juris; BSG, Urteil vom 01.07.2009 - B 4 AS 67/08 R, RdNrn 16 ff bei juris; BSG, Urteil vom 06.09.2007 - B 14/7b AS 36/06 R, RdNrn. 35 ff. bei juris) sind nach Aktenlage nicht einschlägig. Die Antragstellerin hat nach eigenen Angaben bereits ein Diplom in Pädagogik erworben. Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass das nunmehr von ihr angestrebte weitere Diplom in Psychologie die einzige Zugangsmöglichkeit zum Arbeitsmarkt darstellt, sind nicht ersichtlich. Die Antragstellerin hat auch nicht glaubhaft gemacht, dass sie ihr bereits im Jahr 2005 begonnenes Studium bisher kontinuierlich betrieben hat und kurz vor dem Abschluss dieses Studiums steht.

Auch das Vorliegen eines Anordnungsgrundes hat die Antragstellerin nicht glaubhaft gemacht.

Sie erhält aktuell monatlich 300,- Euro Elterngeld. Ihr Regelbedarf von 353,- Euro monatlich ist damit bereits zu großen Teilen gedeckt. Dass bei ihr ohne die vorläufige Gewährung weiterer Regelleistungen in Höhe von 53,- Euro eine aktuelle besondere Notlage entsteht, die es unzumutbar macht, die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten, ist - auch vor dem Hintergrund, dass im Regelbedarf auch Ansparbeträge enthalten sind - nicht hinreichend dargelegt.

Die vorläufige Gewährung des auf die Antragstellerin entfallenden Anteils von Leistungen für Unterkunft und Heizung setzt eine konkret drohende Wohnungslosigkeit, die regelmäßig erst ab Zustellung der Räumungsklage anzunehmen ist, voraus (vgl. Beschluss des erkennenden Senats vom 08.07.2013 - L 2 AS 1116/13 B ER, RdNr. 2 mwN bei juris). Anhaltspunkte hierfür sind nicht ersichtlich. Ob die Antragstellerin zur Finanzierung ihres Anteil auf Kosten der Unterkunft einen Anspruch auf Wohngeld hat, ist vor diesem Hintergrund unerheblich, da jedenfalls der für den Erlass einer einstweiligen Anordnung erforderliche Anordnungsgrund nicht vorliegt. Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht aus dem Beschluss des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 17.04.2014 - L 19 AS 485/14 B ER, RdNr. 20 bei juris. In diesem Beschluss hat der 19.Senat ausdrücklich festgestellt, dass lediglich bei einer von § 44a SGB II erfassten Kompetenzstreitigkeit geringere Anforderungen an den Anordnungsgrund für die vorläufige Gewährung von Kosten der Unterkunft zu stellen sind, weil in diesem Fall nicht in Frage steht, ob überhaupt ein Leistungsanspruch besteht. Die Ablehnung des nach § 12a Satz 1 SGB II vorrangig in Anspruch zu nehmenden Wohngeldes ist damit nicht vergleichbar, weil aus ihr nicht automatisch ein Anspruch auf SGB II-Leistungen folgt.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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