S 11 AS 25/14

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Aachen (NRW)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
11
1. Instanz
SG Aachen (NRW)
Aktenzeichen
S 11 AS 25/14
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 19 AS 883/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Der Beklagte wird unter teilweiser Abänderung des Bescheides vom 09.08.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.12.2013 verurteilt, dem Kläger für den Zeitraum September 2013 bis Februar 2014 monatliche Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von 340,- Euro zu bewilligen. Der Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers dem Grunde nach. Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger steht – mit Unterbrechungen – seit 2005 im Bezug von Leistungen nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuches - Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II).

Seit dem 01.09.2002 wohnte er in einer ca. 45 qm großen Wohnung in der M. in B. Die Wohnung hatte ausweislich des Mietvertrags zwei Zimmer, eine Küche, eine Toilette mit Bad/Dusche. Aufgrund Kündigung durch den Vermieter zog der Kläger zum 01.04.2005 in eine ca. 45 qm Wohnung, bestehend aus einem Zimmer, Küche, Diele, Bad und WC am C. in B: (II. OG rechts). Die Nettokaltmiete belief sich auch 162,00 EUR, die Nebenkosten beliefen sich auf 75,00 EUR die Heizkosten auf 35,00 EUR.

Im Dezember 2009 meldete der Kläger ein Gewerbe als selbständiger Bauarbeiter an. Er selbst gab gegenüber dem Beklagten "Hausmeistertätigkeit und Eisenverlegung" an.

Am 17.12.2009 stellte der Kläger einen Fortzahlungsantrag für die Zeit ab dem 31.12.2009. Der Beklagte zahlte dem Kläger zunächst weiter Leistungen in Höhe des Regelbedarfs von monatlich 359,00 EUR sowie Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von 275,00 EUR.

Am 16.06.2010 schloss der Kläger, ohne den Beklagten im Vorfeld hierüber zu unterrichten oder eine Zustimmung zum Umzug einzuholen, einen schriftlichen Vertrag über eine Wohnung im C., für die Zeit ab dem 01.05.2010, ab. Den erfolgten Umzug teilte der Kläger am 06.07.2010 dem Beklagten mit. Die Nettokaltmiete belief sich auf 212,00 EUR, die Nebenkostenvorauszahlungen auf 68,00 EUR, die Heizkostenvorauszahlungen 60,00 EUR.

Der Kläger stand sowohl im Zeitpunkt der Anmietung der neuen Wohnung als auch im Zeitpunkt des Umzugs durchgängig im Bezug von Leistungen nach dem SGB II.

Der Beklagte bewilligte dem Kläger in der Folgezeit Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der ursprünglichen Nettokaltmiete (C.) in Höhe von 162,00 EUR sowie die in der neuen Wohnung anfallenden tatsächlichen Neben- und Heizkosten. Die jeweiligen Bewilligungsbescheide wurden zunächst nicht mit Rechtsbehelfen angefochten.

Am 24.04.2013 beantragte der Kläger die Überprüfung der Höhe der Unterkunftskosten ab Januar 2012.

Mit Bescheid vom 06.05.2013 lehnte der Beklagte den Antrag ab. Er führte hierbei aus, auch bei nochmaliger Prüfung würden die für den Zeitraum 2012 und 2013 maßgeblichen Bewilligungsbescheide vom 23.08.2011, 26.11.2011, 31.01.2012, 27.07.2012 und 24.11.2012 nicht zurückgenommen. Die Bescheide seien rechtmäßig. Höhere Kosten der Unterkunft als bewilligt stünden dem Kläger nicht zu, da der Umzug ohne Zustimmung erfolgt sei und eine Notwendigkeit des Umzugs nicht nachgewiesen sei.

Gegen den Bescheid vom 06.05.2013 legte der Kläger am 22.05.2013 Widerspruch ein. Zur Begründung führte er aus, in der alten Wohnung habe keine Möglichkeit bestanden, ein Bett aufzustellen, weswegen er behelfsmäßig auf eine Couch geschlafen habe, wodurch er erhebliche Rückenschmerzen erlitten habe. Der Umzug sei zum einen medizinisch erforderlich gewesen. Zum Zeitpunkt des Umzugs sei er auch nicht hilfebedürftig gewesen, weswegen eine Verpflichtung zur Anzeige oder gar Zustimmung zum Umzug nicht bestanden habe. Der Widerspruch blieb erfolglos. Die Rechtmäßigkeit dieser Entscheidung ist Gegenstand des Verfahrens S 11 AS 1001/13, welcher der Kläger am 08.10.2013 beim erkennenden Gericht anhängig machte.

Am 09.08.2013 bewilligte der Beklagte dem Kläger Kosten für Unterkunft und Heizung für den Zeitraum vom 01.09.2013 bis einschließlich 28.02.2014 in Höhe von 200,45 EUR. Hierbei berücksichtigte der Beklagte das Renteneinkommen des Klägers in Höhe von monatlich 501,55 EUR (bereinigt 471,55 EUR) sowie angemessene Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von 290,00 EUR, zusammengesetzt aus 162,00 EUR Grundmiete, 60,00 Heizkosten und 68,00 EUR Nebenkosten. Gegen diesen Bescheid legte der Kläger am 28.08.2013 Widerspruch ein, der mit Widerspruchsbescheid vom 04.12.2013 als unbegründet zurückgewiesen wurde.

Am 08.01.2014 hat der Kläger hiergegen Klage vor dem erkennenden Gericht erhoben.

Zur Begründung hat er zunächst im Wesentlichen auf seine Ausführungen im Widerspruchsverfahren verwiesen. Darüber hinaus enthalte die Regelung des § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II keine fixe Begrenzung der Unterkunftskosten auf Dauer. Es sei hier die dynamische Entwicklung der Mietpreise und Nebenkosten zu berücksichtigen.

Am 17.07.2014 hat im Verfahren S 11 AS 1001/13 ein Erörterungstermin mit Ortsbesichtigung stattgefunden. Auf den Inhalt des Protokolls wird vollumfänglich Bezug genommen. Mit den Beteiligten ist eine vergleichsweise Regelung besprochen worden, der sich der Beklagte indes nicht anschließen konnte.

Der Kläger beantragt,

den Beklagten unter teilweiser Aufhebungen und Abänderung seines Bescheides vom 09.08.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.12.2013 zu verurteilen, dem Kläger im Zeitraum September 2013 bis Februar 2014 monatliche Kosten der Unterkunft in Höhe von 340,- Euro zu bewilligen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte, die beigezogene Verwaltungsakte sowie die Verfahrensakten S 11 AS 1001/13 und S 11 AS 714/14 Bezug genommen, deren wesentlicher Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist begründet.

Die angefochtenen Bescheide – sowie auch die weiteren für den streitgegenständlichen Zeitraum ergangenen Änderungsbescheide - sind rechtswidrig im Sinne des § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG, da den Klägern ein Anspruch auf Übernahme der tatsächlichen Kosten für Unterkunft und Heizung (KdU) durch den Beklagten für den Zeitraum von September 2013 bis einschließlich Februar 2014 in Höhe monatlich 340,00 EUR zusteht.

Streitgegenstand ist nach der – auch vom Bundessozialgericht (BSG) vertretenen – herrschenden sog. "prozessualen Theorie" (vgl. dazu etwa BSG Urteil vom 06.04.2011 – B 4 AS 119/10 R = juris Rn. 28 f.) der prozessuale Anspruch, nämlich das von dem Kläger aufgrund eines bestimmten Sachverhalts an das Gericht gerichtete Begehren, eine - bestimmte oder bestimmbare - Rechtsfolge auszusprechen. Der Streitgegenstand ist identisch mit dem erhobenen prozessualen Anspruch und wird bestimmt durch die erstrebte, im Klageantrag zum Ausdruck zu bringende Rechtsfolge sowie den Klagegrund, nämlich den Sachverhalt, aus dem sich die Rechtsfolge ergeben soll (BGS a.a.O., unter Bezugnahme auf die ständige Rechtsprechung, etwa in BSG Beschluss vom 18.8.1999 - B 4 RA 25/99 B = juris, und Urteil vom 25.2.2004 - B 5 RJ 62/02 R = juris; ebenso BVerwG vom 10.5.1994 - 9 C 501/93 = juris).

Im vorliegenden Fall war sowohl der Widerspruch als auch der Klageantrag gerichtet allein auf die Bewilligung der tatsächlich anfallenden Kosten für Unterkunft und Heizung. Diese stellen nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts einen – von der Bewilligung der übrigen Leistungen – abtrennbaren Streitgegenstand dar (vgl. Bundessozialgericht – BSG – Urteil vom 20.12.2011 – B 4 AS 19/11 R = juris Rn. 11 m.w.N.)

Der Anspruch des Kläger auf Kosten für Unterkunft und Heizung nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II beläuft sich für den streitgegenständlichen Zeitraum auf insgesamt 340,00 EUR pro Monat und setzt sich aus Heizkosten in Höhe von 60,00 EUR (1) und Unterkunftskosten von 280,00 EUR (2) zusammen. Die dem Kläger zustehenden Kosten für Unterkunft und Heizung sind im streitgegenständlichen Zeitraum auch nicht durch § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II auf die Höhe der alten Wohnung C. beschränkt (3).

Nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II werden Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind. Der Begriff der "Angemessenheit" unterliegt als unbestimmter Rechtsbegriff der uneingeschränkten richterlichen Kontrolle (BSG Urteil vom 20.12.2011 – B 4 AS 19/11 R = juris Rn 14 m.w.N.; BSG Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 27/09 R = juris Rn. 21; BSG Urteil vom 19.10.2010 - B 14 AS 50/10 R = juris Rn. 20).

1. Im streitbefangenen Zeitraum hat der Beklagte die tatsächlich angefallenen – und im Übrigen auch angemessenen – Heizkosten in Höhe von monatlich 60,00 EUR, übernommen. Höhere Kosten, als die tatsächlich entstandenen, kann der Kläger nicht beanspruchen.

2. Hinsichtlich der übrigen Kosten der Unterkunft ist entsprechend der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ebenfalls zu prüfen, ob die tatsächlich anfallenden Kosten angemessen sind. Unangemessene Kosten sind nämlich - falls vom Leistungsberechtigten entsprechende sachliche Gründe vorgebracht werden – nur solange zu berücksichtigen, wie es den Leistungsberechtigten konkret nicht möglich oder nicht zumutbar ist, durch Anmietung einer als angemessen eingestuften Wohnung, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate, vgl. § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II (vgl. – noch zu § 22 Abs. 1 S 2 SGB II a.F. – BSG Urteil vom 19.2.2009 - B 4 AS 30/08 R = juris Rn. 29; BSG Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 27/09 R = juris Rn. 30; entsprechend für § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II, vgl. BSG Urteil vom 16.05.2012 - B 4 AS 109/11 R = juris Rn. 15).

Kosten für eine Wohnung sind dann angemessen im Sinne des § 22 SGB II, wenn sie nach Ausstattung, Lage und Bausubstanz einfachen und grundlegenden Bedürfnissen entspricht und keinen gehobenen Wohnstandard aufweist (BSG Urteil vom 16.05.2012 - B 4 AS 109/11 R = juris Rn. 14). Dies ist nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts mit Hilfe der Produkttheorie zu ermitteln, d.h. es ist zu prüfen, ob das Produkt aus Wohnfläche und Standard, das sich in der Wohnungsmiete niederschlägt, angemessen ist. Es ist also grundsätzlich zum einen die abstrakt angemessen Wohnungsgröße (1. Faktor), zum anderen der nach den örtlichen Verhältnissen angemessene Mietpreis für Wohnung, die nach Ausstattung, Lage und Bausubstanz einfachen und grundlegenden Bedürfnissen entsprechen und keinen gehobenen Wohnstandard aufweisen (2. Faktor – Mietobergrenze oder sog. "Referenzmiete") zu ermitteln. Das Produkt dieser beiden Faktoren muss angemessen sein (sog. Produkttheorie BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 10/06 R = juris Rn. 20; BSG Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 27/09 R = juris Rn. 15; BSG Urteil vom 20.12.2011 - B 4 AS 19/11 R = juris Rn. 14; SG Aachen Urteil vom 30.01.2012 – S 14 AS 1061/11; vgl. zur Produkttheorie auch Berlit, in: LPK-SGB II, § 22 Rn. 52; Piepenstock, in: jurisPK-SGB II, 3. Aufl. 2012, § 22 Rn. 68 ff; Breitkreuz, BeckOK SGB II § 22 Rn 10; Lauterbach, in: Gagel, SGB II / SGB III, 46. Erg.-Lfg., 2012, § 22 Rn. 33 ff.).

Zur Festlegung der angemessenen Wohnfläche ist nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts auf die Wohnraumgrößen für Wohnberechtigte im sozialen Mietwohnungsbau abzustellen (BGS Urteil vom 16.04.2013, B 14 AS 28/12 R = juris; BSG Urteil vom 16.05.2012 – B 4 AS 109/11 R = juris; BSG Urteil vom 19.10.2010 - B 14 AS 65/09 R = juris Rn 22 m.w.N). Maßgeblich ist in Nordrhein-Westfalen insoweit § 18 des Gesetzes zur Förderung und Nutzung von Wohnraum für das Land Nordrhein-Westfalen vom 08.12.2009 (WFNG NRW) in Verbindung mit Ziffer 8.2 des Runderlasses des Ministeriums für Bauen und Verkehr – IV.5-619-1665/09 vom 12.12.2009 (Wohnraumnutzungsbestimmungen - WNB).

Nach diesen Vorschriften sind für eine Person 50 qm angemessen.

Entsprechend der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ist die Referenzmiete so festzulegen, dass es dem Leistungsberechtigten grundsätzlich möglich ist, im konkret maßgeblichen räumlichen Vergleichsraum eine angemessene Wohnung anzumieten. Abzustellen ist hierbei – wie oben bereits dargelegt – auf einen einfachen, im unteren Marktsegment liegender Standard; die Wohnung muss hinsichtlich ihrer Ausstattung, Lage und Bausubstanz einfachen und grundlegenden Bedürfnissen entsprechen (BSG Urteil vom 16.05.2012 - B 4 AS 109/11 R = juris Rn. 14; so auch schon etwa BSG Urteil vom 07.11.2006 – B 7b AS 10/06 R = juris; BSG Urteil vom 19.10.2010 – B 14 AS 50/10 R = juris).

Die Festlegung der angemessenen Mietobergrenze hat dabei auf Grundlage eines "schlüssigen Konzepts" zu erfolgen, welches gewährleisten soll, dass die oben genannten Kriterien auch tatsächlich erfüllt werden.

Ein solches schlüssiges Konzept erfordert nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts – an der sich auch die erkennende Kammer orientiert -, dass

1. die Datenerhebung ausschließlich in dem genau eingegrenzten und über den gesamten Vergleichsraum erfolgt (eine "Ghettobildung" soll ausgeschlossen werden), 2. dass der Beobachtungszeitraum und der Gegenstand der Beobachtung nachvollziehbar dargelegt sind (bspw. welchen Standard haben die einbezogenen Wohnungen? Wo sind sie belegen? Über welchen Zeitraum wurden Erhebungen angestellt? Wie ist die Bruttokaltmiete, wie die Nettokaltmiete, wie ist die Wohnungsgröße?), 3. dass die Art und Weise der Datenerhebung festgelegt ist, 4. dass die einbezogenen Daten repräsentativ sind und 5. dass eine Validität der Datenerhebung angenommen werden kann. Darüber hinaus müssen 6. überdies bei der Datenauswertung anerkannte mathematisch-statistische Grundsätze eingehalten werden und 7. Angaben über die gezogenen Schlüsse erfolgen

(vgl. zum schlüssigen Konzept und weiteren Ausdifferenzierungen im Einzelnen, BSG Urteil vom 22.9.2009 - B 4 AS 18/09 R = juris Rn. 18; BSG Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 27/09 R = juris Rn. 26; BSG Urteil vom 18.6.2008 - B 14/7b AS 44/06 R = juris Rn. 7; BSG, Urteil vom 19.10.2010 - B 14 AS 50/10 R = juris; vgl. auch Berlit in: info also 2010, 196; ders., in: LPK-SGB II, § 22 Rn. 54 ff.; Piepenstock, in: jurisPK-SGB II, 3. Aufl. 2012, § 22 Rn. 68 ff.; Lauterbach, in: Gagel, SGB II / SGB III, 46. Erg.-Lfg,. 2012, § 22 Rn. 47 ff.).

Zuständig für die Entwicklung eines solchen schlüssigen Konzepts sind die Träger der Grundsicherungsleistungen. Aufgabe der Gerichte ist es, anhand der von dem Grundsicherungsträger gelieferten Daten bzw. der zusätzlich im Rahmen der Amtsermittlungspflicht von ihm angeforderten und zur Verfügung zu stellenden Daten und Unterlagen zu verifizieren, ob die angenommene Mietobergrenze angemessen im Sinne des § 22 Abs. 1 SGB II ist (vgl. BSG Urteil vom 17.12.2009 – B 4 AS 27/09 R = juris). Entscheidet der Grundsicherungsträger ohne schlüssiges Konzept, ist er im Rahmen seiner prozessualen Mitwirkungspflicht nach § 103 Satz 1 Hs. 2 SGG grundsätzlich gehalten, dem Gericht eine zuverlässige Entscheidungsgrundlage zu verschaffen und hat eine unterbliebene Datenerhebung und -aufbereitung nachzuholen (BSG Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 50/09 R = juris Rn. 27; BSG Urteil vom 22.9.2009 - B 4 AS 18/09 R = juris Rn. 26; BSG Urteil vom 2.7.2009 - B 14 AS 33/08 R = juris Rn. 22). Zeigt sich freilich, dass sich keine hinreichenden Feststellungen zu den angemessenen Unterkunftskosten für den streitigen Zeitraum und den Vergleichsraum mehr treffen lassen, sind grundsätzlich die tatsächlichen Aufwendungen zu übernehmen, die allerdings durch die Tabellenwerte des Wohngeldgesetzes (WoGG) in der im streitgegenständlichen Zeitraum geltenden Fassung im Sinne einer Angemessenheitsgrenze nach oben begrenzt werden (BSG Urteil vom 22.09.2009 – B 4 AS 18/09 R = juris; BSG Urteil vom 17.12.2009 – B 4 AS50/09 R; BSG Urteil vom 19.10.2010 – B 14 AS15/09 R = juris; BSG Urteil vom 22.03.2012 - B 4 AS 16/11 R = juris Rn. 20).

Der Beklagte hat zur Erstellung des geforderten schlüssigen Konzepts die Analyse & Konzepte Beratungsgesellschaft für Wohnen, Immobilien, Stadtentwicklung mbH (A&K) beauftragt, die im Februar 2014 ein entsprechendes Gutachten vorgelegt hat (" Konzept zur Ermittlung der Bedarfe für Unterkunft in der StädteRegion B" – im Folgenden A&K-Gutachten, abrufbar auf der Internetpräsens der StädteRegion B unter Service - Die Ämter - Amt für soziale Angelegenheiten - Service - Regelungen & Hinweise). Dem Gutachten lag eine Mietwerterhebung über den gesamten Vergleichsraum der Städteregion B zu Grunde. Hierbei erfolgte eine Datenabfrage bei großen Wohnungsunternehmen sowie eine Befragung kleinerer, privater Vermieter bei der die elementaren Daten, nämlich die belegene Gemeinde, das Datum des Mietvertragsbeginns, das Datum der letzten Mietänderung , die Wohnfläche, die Netto-Kaltmiete, die kalten Betriebskosten (Vorauszahlungsbetrag), eine etwaige Trennung von Heiz- und Warmwasserkosten, die Heiz- und Warmwasserkosten sowie das Datum des Mietvertrages abgefragt wurden. Im Rahmen der Mietwerterhebung, die in der Zeit von Februar bis September 2013 stattfand, wurden - zum Stichtag 01.04.2013 - Mietwerte von etwa 30.000 Wohnungen ermittelt, von denen – nach Anwendung einer statistisch validen Extremwertkappung - etwa 29.000 mit in die Auswertung eingeflossen sind. Daneben sind in der Zeit von Januar 2013 bis Juni 2013 Angebotsmieten durch Auswertung von verschiedenen Immobilien-Internetsuchportalen, der örtlichen Tagespresse und den Anzeigenblättern sowie den Internetseiten großer Wohnungsanbieter im Gebiet der StädteRegion ausgewertet worden. Hier konnten weitere Daten von ca. 3.600 Mieten gewonnen werden.

Zunächst sind im Wege der sog. "Clusteranalyse" Wohnungsmarkttypen gebildet worden. Die Clusteranalyse stellte dabei ein statistisches Mittel dar, mit dem Gebiete hoher Ähnlichkeit denselben und Gebiete mit geringerer Ähnlichkeit unterschiedlichen Clustern (im vorliegenden Fall Wohnungsmarkttypen) zugeordnet werden können. Die Clusteranalyse beruht dabei auf der Grundlage vorher definierter Merkmale. Im vorliegenden Fall waren dies die Bevölkerungsentwicklung, die Bevölkerungsdichte, die Siedlungsstruktur, dass pro Kopf Einkommen, die Neubautätigkeit, die Wohngeldeinstufung, der Bodenpreis, Zentralität und Tourismus. Nach statistischer Auswertung der Clusteranalyse wurden drei Wohnungsmarkttypen gebildet:

Wohnungsmarkttyp I Stadt B Wohnungsmarkttyp II B. C. F. I. S. T. X. Wohnungsmarkttyp III Stadt N Gemeinde T.

Im Rahmen dieser Wohnungsmarkttypen erfolgte sodann die oben dargestellte Erhebung der Mietwerte zur Erstellung einer Mietwertübersicht differenziert für jeden Wohnungsmarkttyp.

Sowohl die Bildung der Wohnungsmarkttypen als auch die Erhebung und Auswertung Mietwerte für die einzelnen Cluster sind nach Auffassung der Kammer weder mathematisch-statistisch noch rechtlich zu beanstanden.

Die Wohnung des Klägers liegt im Stadtgebiet B. und unterfällt damit dem Wohnungmsarkttyp II. Hier wurden insgesamt ca. 18.000 Mietwerte erhoben. Von denen insgesamt ca. 4.000 Wohnungsgrößen bis 50 qm betrafen. Nach Durchführung der bereits beschrieben Extremwertkappung blieben hiervon ca. 3.300 relevante Mietwerte für Bestandsmieten mit einer Wohnungsgröße zwischen 35 und 50 qm übrig. An Angebotsmieten konnten 188 ermittelt werden. Eine statische Auswertung der so ermittelten Werte unter Berücksichtigung der vorhandenen Nachfragegruppen im unteren Marktsegment sowie des Modells einer Dynamik dieses Marktes wurde eine Nettokaltmiete von 4,85 EUR/qm für einen Ein-Personen-Haushalt im Wohnungsmarkt II sowie durchschnittliche kalte Nebenkosten in Höhe von 1,73 EUR/qm ermittelt. Diese Werte wurden anhand des Marktmodells und der Angebotsmieten verifiziert und für valide gefunden. Auch insoweit bestehen für die Kammer keine Bedenken hinsichtlich der Ermittlung der Werte.

Die Kammer geht mit dem Konzept des Beklagten davon aus, dass in B.eine Brutto-Kaltmiete von 6,58 EUR/qm und somit eine Obergrenze für eine Ein-Personen-Wohnung von 329,00 EUR gilt.

Die Bruttokaltmiete der derzeitigen Wohnung des Klägers beläuft sich auf 280,00 EUR und ist damit nach dem eigenen Konzept des Beklagten grundsätzlich angemessen.

3. Nach Auffassung der Kammer steht einer Übernahme der tatsächlichen Kosten auch nicht die Regelung des § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II entgegen. Nach dieser Norm wird nur der bisherige Bedarf anerkannt, wenn sich die nach einem nicht erforderlichen Umzug die angemessenen Kosten der Unterkunft und Heizung erhöhen.

Wann ein solcher Umzug konkret erforderlich ist, ist gesetzlich nicht ausdrücklich geregelt. Einen Anhaltspunkt gibt hier die Gesetzesbegründung. Der Gesetzgeber hat hierzu ausgeführt:

"Mit der Regelung werden die Kosten der Unterkunft und Heizung in den Fällen auf die bisherigen angemessenen Unterkunftskosten begrenzt, in denen Hilfebedürftige unter Ausschöpfung der durch den kommunalen Träger festgelegten Angemessenheitsgrenzen für Wohnraum in eine Wohnung mit höheren, gerade noch angemessenen Kosten ziehen. Diese Begrenzung gilt insbesondere nicht, wenn der Wohnungswechsel zur Eingliederung in Arbeit oder aus gesundheitlichen oder sozialen Gründen erforderlich ist." (BT-Drucks. 16/1410, S.23).

Die Erforderlichkeit ist demnach u.a. beim Vorliegen gesundheitlicher Gründe anzunehmen. Wie schwerwiegend diese sein müssen bleibt freilich auch insoweit wieder offen. Auch wenn dem Begriff der Erforderlichkeit durchaus eine gewisse Strenge des Grundes im Sinne einer Notwendigkeit für den Umzug nahelegt , ist es nach Auffassung der Kammer nicht zu beanstanden, den Begriff dahingehend auszulegen, dass hier ein plausibler, nachvollziehbarer und verständlicher Anlass vorliegen muss, durch den sich auch jemand, der nicht hilfebedürftig ist, zu einem Umzug hätten leiten lassen, wobei die Gründe für den Umzug nicht zumutbar auf andere Weise hätten beseitigt werden können (Luik, in: Eicher, SGB II, 3. Aufl. 2013, § 22 Rn. 110, m.w.N.).

Einen solchen Grund hat der Kläger nach Auffassung der Kammer nicht objektiviert.

Soweit er vorträgt, er habe in der alten Wohnung kein Bett aufstellen können und habe vor diesem Hintergrund aufgrund starker Rückenschmerzen umziehen müssen, sieht die Kammer dies als nicht hinreichend belegt an. Nach Aussage des Klägers stand in seiner alten Wohnung eine Couch, auf der er schlief. Es hat eine Ortsbesichtigung einer fast baugleichen Wohnung stattgefunden. Warum in dem Zimmer, dessen Größe der Kammervorsitzende in Augenschein nehmen konnte und dessen Maße (geschätzt) in das verlesene Protokoll aufgenommen worden sind, kein Bett habe aufgestellt werden können, war auch für die Kammer in ihrer vollen Besetzung nicht nachzuvollziehen. Die Kammer sieht den entsprechenden Vortrag als Versuch einer nachgeschobenen Begründung an. Damit möchte die Kammer nicht in Abrede stellen, dass der Kläger seinerzeit – wie eine Vielzahl von Menschen – unter Rückenschmerzen gelitten hat, wobei in diesem Fall die Anmietung der neuen Wohnung in der vierten Etage (ohne Aufzug) ebenfalls bemerkenswert erscheint. Die vom Kläger hier geltend gemachte Kausalkette, dass deswegen ein Umzug, in eine teurere Wohnung, erforderlich war, kann die Kammer nicht nachvollziehen.

Vor diesem Hintergrund geht die Kammer mit dem Beklagten davon aus, dass der Umzug in die neue Wohnung nicht erforderlich war. Andere Gründe, die eine Erforderlichkeit begründen könnten sind weder ebenfalls nicht ersichtlich oder vorgetragen.

Damit greift dem Wortlaut nach die Regelung des § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II durchaus ein. Bei strikter Anwendung dieser Norm hätte der Beklagte die bewilligten Kosten noch weiter absenken können, bezieht sich der Wortlaut doch eindeutig auf die gesamten Kosten für Unterkunft und Heizung und nicht nur – wie vom Beklagten vorgenommen – auf die Beschränkung der Nettokaltmiete.

Das Bundessozialgericht hat in seiner Entscheidung vom 23.08.2013 – B 4 AS 32/12 R auf die weitrechenden Konsequenzen des § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II hingewiesen und ausgeführt:

"Die gravierende Konsequenz einer auf unbegrenzte Zeit nur gedeckelten Kostenübernahme, also einer Leistungserbringung ggf. unterhalb des Existenzminimums im Bereich des Wohnens, kann ( ) nur auf die ausdrücklich gesetzlich erfassten Fallgestaltungen eines eigenmächtigen, nicht genehmigten Umzugs beschränkt sein." (BSG Urteil vom 23.08.2013 – B 4 AS 32/12 R = juris Rn. 27)

Diese Ausführungen des BSG scheinen die strikte Rechtsauffassung des Beklagten zu stützen, wonach eine Fixierung der Miete in Fällen des nicht erforderlichen und nicht genehmigten Umzugs ohne zeitliche Begrenzung möglich ist – und dies sogar auch, wenn die dann bewilligten Leistungen im Bereich des Wohnens unterhalb des Existenzminimums liegen. In diesem Sinne haben auch das Thüringer Landessozialgericht (Urteil vom 06.06.2013 – L 9 AS 1301/11 = juris) sowie das Landessozialgericht Mecklenburg-Vorpommern (Urteil vom 04.12.2013 – L 10 AS 286/11 = juris) entschieden. Die Frage ist derzeit beim Bundessozialgericht anhängig (B 14 AS 7/14 R).

Trotz dieser Entscheidungen erscheint der Kammer die Sichtweise zum einen verfassungsrechtlich bedenklich und – entgegen der Auffassung der oben genannten Landessozialgerichte - auch einfach gesetzlich nicht zwingend. Zuzugeben ist der Auffassung, dass der Wortlaut der Norm eine zeitliche Einschränkung nicht beinhaltet. Indes ist der Wortlaut nur ein, wenngleich für den ersten Zugriff freilich maßgebliches, Mittel der Auslegung. Es sind daneben vorliegend auch die teleologische und verfassungskonforme Auslegung mit bei der Entscheidung hinzuzuziehen.

Betrachtet man die Gesetzgebegründung so war der Gesetzgeber offensichtlich vom Ziel geleitet, Fälle zu verhindern, in denen "Hilfebedürftige unter Ausschöpfung der durch den kommunalen Träger festgelegten Angemessenheitsgrenzen für Wohnraum in eine Wohnung mit höheren, gerade noch angemessenen Kosten ziehen." Diese gesetzgeberische Wertung macht nach Auffassung der Kammer aber deutlich, dass es damit nicht schlechterdings ausgeschlossen ist, auch bei einem nicht genehmigten und nicht erforderlichen Umzug, in bestimmten Fällen, jedenfalls die allgemeine Wohnungsmarktentwicklung mit zu berücksichtigen. Es sollte nach hiesiger Auffassung vor allem verhindert werden, dass ein "Ausreizen" der Angemessenheitsgrenzen betrieben wird. Dies ist zweifelsohne sinnvoll und diese gesetzgeberische Wertung wird von der Kammer vollumfänglich geteilt. Dass damit in allen Fällen eine Fixierung der alten Wohnungskosten – ohne etwaige Rücksicht auf deren zwischenzeitliche Entwicklung – erfolgen soll, ist demgegenüber nicht unbedingt einleuchtend und erscheint, wie bereits angedeutet, der Kammer auch verfassungsrechtlich nicht unbedenklich. Dass die Regelung in ihrer strikten, dem reinen Wortlaut entsprechenden Anwendung, verfassungsrechtlich völlig unbedenklich ist, davon gehen in der Sache nach hiesiger Einschätzung letztlich auch nicht die oben genannten Landessozialgerichte in ihren Entscheidungen aus.

So führt das Thüringer Landessozialgericht in seiner Entscheidung vom 06.06.2013 aus:

"Verfassungsrechtliche Bedenken hiergegen bestehen nicht. Zu berücksichtigen ist, dass § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II nur eingreift, wenn der Leistungsempfänger gleichsam "ohne Not" höhere Kosten auslöst und somit seine Situation eigenverschuldet ist. Im Übrigen erscheint dem Senat die von Lauterbach (in: Gagel, SGB II/SGB III, § 22 Rn 46) (Rn. 87 Anm. d. Verf.) aufgezeigte Lösung praktikabel und verfassungskonform. Danach soll ein weiterer Umzug die Deckelung beenden, wenn wegen der Deckelung die bezogene Wohnung wieder aufgegeben werden muss und zu den Ursprungsaufwendungen, also zum Deckelungsbetrag, keine angemessene Unterkunft angemietet werden kann. Artikel 11 Grundgesetz ist schon dadurch nicht verletzt, dass der Leistungsempfänger in eine andere Gemeinde umziehen kann und dabei die Deckelung nicht ‚mitnimmt" (a.a.O. = juris Rn. 38).

Diesen Erwägung hat sich das Landessozialgericht Mecklenburg-Vorpommern angeschlossen (a.a.O. = juris Rn. 46)

Soweit die beiden Gerichte davon ausgehen, die Beschränkung sei gerechtfertigt, weil sich der Leistungsempfänger eigenverschuldet in die Situation gebracht hat, überzeugt das nach Auffassung der Kammer nicht. Dies umso weniger als das Bundessozialgericht in seiner oben genannten Entscheidung darauf aufmerksam gemacht hat, dass durchaus Fälle drohen, in denen bei strikter Anwendung der Leistungsberechtigte dauerhaft Leistungen unterhalb des Existenzminiums erhält. Diese Konsequenz lässt sich nach Auffassung der Kammer nicht mit Art. 1 Grundgesetz (GG) in Verbindung mit dem Sozialstaatsgebot nach Art. 20 Abs. 1 GG in Einklang bringen. Durch diese Verfassungsnormen wird dem Gesetzgeber der Auftrag erteilt, ein menschenwürdiges Existenzminimum zu sichern (vgl. dazu jüngst Bundesverfassungsgericht – BVerfG – Beschluss vom 23.07.2014 - 1 BvL 10/12, 1 BvL 12/12, 1 BvR 1691/13 = juris). Bedenken dagegen, dass – wie etwa im Falle der gesetzlich geregelten Sanktionstatbestände – bei schuldhaftem Verhalten des Leistungsberechtigten hier kurzfristig, oder aber bei durchgängig schuldhafter Weigerung normkonformen Verhaltens auch längerfristig – Einschnitte gemacht werden hat die Kammer nicht. Dass jedoch ein einmaliges Fehlverhalten dauerhaft die oben aufgezeichnete Konsequenz haben sollte, lässt sich nach Auffassung der Kammer nicht mehr mit dem verfassungsrechtlichen Auftrag in Übereinstimmungen bringen. Hier erscheint eine verfassungskonforme Auslegung angezeigt.

Von dieser Notwendigkeit scheinen auch die Landessozialgerichte Mecklenburg-Vorpommern und Thüringen auszugehen. Sie sehen die Lösung in dem von Lauterbach in: Gagel, SGB II/SGB III, § 22 Rn 87 gemachten Vorschlag, wonach ein weiterer Umzug die Deckelung beenden soll, wenn wegen der Deckelung die bezogene Wohnung wieder aufgegeben werden muss und zu den Ursprungsaufwendungen, also zum Deckelungsbetrag, keine angemessene Unterkunft angemietet werden kann. Dies mag in bestimmten Fällen eine probate Lösung sein. Zugegeben ist sie sicherlich auch in der Praxis, es handelt sich im Bereich des SGB II zweifellos um einen Bereich der Massenverwaltung, recht einfach handhabbar. Sie berücksichtigt nach Auffassung der Kammer – sofern sie als allein gangbarer Weg gesehen wird - nicht hinreichend die Gegebenheiten des Einzelfalls, was – nach hiesiger Auffassung indes erforderlich ist.

Im vorliegenden Fall betrug Miete der der alten Wohnung 162,00 EUR, die Nebenkosten beliefen sich auf 75,00 EUR die Heizkosten auf 35,00 EUR. Die alte Wohnung war daher mit 272,00 EUR bruttowarm extrem günstig, was zweifelsohne an den niedrigen Heizkostenvorauszahlungen lag. Die Bruttokaltmiete belief sich auf 237,00 EUR. Die Bruttokaltmiete im streitigen Zeitraum belief sich auf 280,00 EUR und mithin auf 43,00 EUR pro Monat mehr. Die Wohnung des Klägers ist damit weit davon entfernt, den Angemessenheitsrahmen auszuschöpfen. Die Angemessenheitsgrenze beträgt derzeit 329,00 EUR. Nun galten diese Werte freilich zum Zeitpunkt des Umzugs noch nicht. Allerdings entsprechen die um 10% erhöhten Werte nach § 8 WoGG, die bei Fehlen eines schlüssigen Konzepts nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts als Obergrenze heranzuziehen sind, diesem Wert weitgehend (330,00 EUR). Schon dies rechtfertigt es nach Auffassung der Kammer nicht, den Kläger dauerhaft auf den alten Werten festzuhalten. Darüber hinaus hat der Kläger angegeben, auch die alte Wohnung sei zwischenzeitlich einer Mietsteigerung unterworfen gewesen, so dass auch beim Verbleib in der alten Wohnung durchaus nunmehr mehr zu zahlen gewesen wäre. Dies wirft ein Licht auf ein weiteres Problem der Auffassung, wonach in Fällen wie dem vorliegenden die Mietkosten festgeschrieben sind. Marktentwicklungen gehen in diesem Fall an dem Hilfebedürftigen völlig vorbei. Eine Rechtfertigung hierfür vermag die Kammer ebenfalls nicht zu erkennen, so dass auch insoweit eine Dynamisierung der alten Miete erforderlich erscheint (in diesem Sinne auch Luik, in Eicher, SGB II, 3. Auf. 2012, § 22 Rn. 113; Piepenstock, in: juris-PK-SGB II, 3. Aufl. 2012, § 22 Rn. 142; Lauterbach, in: Gagel SGB III/SGB II, § 22 Rn. 86; Berlit, in LPK-SGB II,5. Aufl. 2013, § 22 Rn. 75). Dass die Wohnungsmieten teurer geworden sind, erscheint der Kammer auch durchaus plausibel. So zeigt jedenfalls der 2013 für Alsdorf einschlägige Mietspiegel gegenüber demjenigen von 2010 durchaus eine allgemeine Verteuerung der Mieten, wenngleich durchaus in sehr moderatem Rahmen.

Unter Berücksichtigung der Gesamtumstände, insbesondere der Tatsache, dass der Kläger seit nunmehr mehr als vier Jahren in der neuen Wohnung wohnt, deren Kosten die Angemessenheitsgrenzen bei Weitem nicht ausschöpft, dass er somit auch erkennbar nicht versucht hat, ebendiese Grenzen auszuschöpfen und dem Vortrag des Klägers, dass auch die Wohnungskosten in den übrigen Wohnungen – auch in seiner alten Wohnung – gestiegen seien sowie der Tatsache, dass der Kläger bereits seit 2010 abgesenkte Mietkosten erhält, er somit seit dieser Zeit letztlich die Miete auf Kosten der allgemeinen Lebenshaltung finanziert, erscheint es der Kammer geboten, für den streitgegenständlichen Zeitraum den Beklagte zu verurteilen, die tatsächlich anfallenden – und wie oben dargelegt – angemessenen Kosten der Unterkunft und Heizung in voller Höhe zu übernehmen.

Es handelt sich im vorliegenden Fall um eine durch verfassungskonforme Auslegung des § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II gewonnene einzelfallbezogene Entscheidung. Die Kammer legt Wert auf die Feststellung, dass hiermit nicht der vom Sozialgericht Berlin vorgeschlagenen Frist von zwei Jahren, nach der automatisch die Vorschrift nicht anzuwenden sei (SG Berlin Urteil vom 16.07.2010 – S 82 AS 7352/09= juris), das Wort geredet werden soll. Eine solche zeitlich feste Grenze ist auch nach Auffassung nicht im Wege der Auslegung der Norm zu entnehmen. Es ist vielmehr auf die konkreten Umstände des Einzelfalls jeweils Rücksicht zu nehmen. Die Kammer verkennt nicht, dass es – worauf der Beklagte im Rahmen der mündlichen Verhandlung zutreffend hingewiesen hat - bei dieser Rechtsauffassung jeweils im Einzelfall zu klären ist, wo die Grenze ist. Dies ist nach Auffassung der Kammer aber geboten. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG. Vor dem Hintergrund, dass die Revision gegen die oben genannte Entscheidung des LSG Mecklenburg-Vorpommern derzeit unter B 14 AS 7/14 R beim BSG anhängig ist, hat die Kammer eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtsfrage angenommen und aus diesem Grund die Berufung gemäß § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG zugelassen.
Rechtskraft
Aus
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