S 20 AS 5639/14 ER

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
SG Dresden (FSS)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
20
1. Instanz
SG Dresden (FSS)
Aktenzeichen
S 20 AS 5639/14 ER
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Waschmaschine und Couch als Bestandteil einer Erstausstattung für die Wohnung
Bemerkung
Im Lichte des Grundrechts auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums umfasst der Anspruch auf Bedarfe für die Erstausstattung für die Wohnung nach § 24 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1, Satz 2 SGB II auch im Ein-Personen-Haushalt eine Waschmaschine und
I. Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Antragsteller vorläufig weitere Leistungen für die Erstausstattung nach § 24 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1, Satz 2 SGB II in Höhe von 520,50 EUR zu zahlen.

II. Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.

II. Der Antragsgegner hat dem Antragsteller die außergerichtlichen Kosten zu 4/5 zu erstatten.

Gründe:

I. Der Antragsteller begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Gewährung von weiteren Erstausstattungsgegenständen nach § 24 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 Zweites Buch Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II). Der am 1979 geborene Antragsteller bezog nach Obdachlosigkeit zum 1. August 2014 eine ca. 27 m² große unmöblierte Ein-Raum-Wohnung und beantragte bei dem Antragsgegner am 24. Juli 2014 Leistungen zur Erstausstattung. Er bezieht seit 1. August 2014 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts vom Antragsgegner in Höhe von monatlich 627 EUR. Der Antragsgegner gewährte dem Antragsteller mit Bescheid vom 6. August 2014 Sachleistungen als Möbelgutschein für eine Miniküche, einen Tisch, Bett, Matratze und Lattenrost, zwei Lampen, einen Kleiderschrank, einen Schrank, einen Spiegel und zwei Stühle. Als Zuschuss zahlte er 23 EUR für Steppbett und Kissen, 28 EUR für Bettwäsche einschließlich Laken, 16 EUR für Gardinen, 5 EUR für Essbesteck, 20 EUR für Kochgeschirr und 4 EUR für Geschirr. Eine Waschmaschine werde nicht übernommen, da sich in angemessener fußläufiger Entfernung ein Waschsalon befinde. Der Antragsteller erhob am 22. August 2014 Widerspruch, über den noch nicht entschieden ist. Am 17. September 2014 hat der Antragsteller die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes beantragt. Im Möbellager habe er nur einen Tisch, einen Kleiderschrank, eine Schrankwand und zwei Stühle erhalten können. Miniküche, Bett, Matratze und Lattenrost seien nicht vorrätig gewesen. Die Lampen seien unansehnlich gewesen. Er leide unter einer Sozialphobie und könne einen Waschsalon nicht besuchen. Der Antragsteller beantragt: Der Antragsgegner wird im Rahmen einer einstweiligen verpflichtet, dem Antragsteller vorläufig Leistungen für Erstausstattung in Höhe von 1.000 EUR zu gewähren. Der Antragsgegner stellt keinen Antrag. Die bewilligten, im Möbellager nicht vorhandenen Möbel würden als Zuschuss übernommen. Darüber hinaus bestehe kein Anordnungsanspruch. Die bewilligten Zuschussleistungen seien ausreichend, um eine angemessene Ausstattung zu erwerben, die der Befriedigung einfacher und grundlegender Wohnbedürfnisse genüge. Mit Bescheid vom 22. September 2014 hat der Antragsgegner dem Antragsteller weitere Leistungen als Zuschuss für eine Miniküche in Höhe von 239 EUR, für einen Spiegel in Höhe von 10 EUR, für Lampen in Höhe von 20 EUR, für Bett/Matratze/Lattenrost oder Schlafsofa in Höhe von 65 EUR und für Garderobenhaken in Höhe von 2 EUR sowie als Sachleistung für ein Regal für die Küche bewilligt. Im Erörterungstermin am 8. Oktober 2014 hat der Antragsgegner dem Antragsteller im Wege des Teilanerkenntnisses für ein Küchenregal 65 EUR, für einen Badezimmerschrank 30 EUR, für Badetücher 12 EUR, für einen Ständer-Wäschetrockner 5 EUR und für einen kleinen Mülleimer 4 EUR, insgesamt also 116 EUR gewährt. Der Antragsteller hat das Teilanerkenntnis angenommen. Wegen der weiteren Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der vom Antragsgegner vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.

II. Der zulässige Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist – soweit er nicht zwischenzeitlich durch angenommenes Teilanerkenntnis erledigt ist – teilweise begründet. Inhaltlich handelt es sich um einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) mit dem Begehren, den Antragsgegner zu verpflichten, dem Antragsteller vorläufig weitere Leistungen der Erstausstattung nach § 24 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1, Satz 2 SGB II zu gewähren. Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Voraussetzung für den Erfolg des Antrages ist, dass ein Anordnungsanspruch und ein Anordnungsgrund vorliegen. Für eine vorläufige Entscheidung müssen gewichtige Gründe vorliegen (Anordnungsgrund). Der Anordnungsgrund liegt vor, wenn dem Antragsteller wesentliche, insbesondere irreversible Nachteile drohen, die für ihn ein Abwarten bis zur Entscheidung in der Hauptsache unzumutbar machen und die Regelung zur Verhinderung dieser unzumutbaren Nachteile durch eine Anordnung nötig erscheint (vgl. BVerfG, Beschluss vom 19. Oktober 1977, Az: 2 BvR 42/76). Ferner muss ein Anordnungsanspruch vorliegen. Dabei muss es sich um einen der Durchsetzung zugänglichen materiell-rechtlichen Anspruch des Antragstellers handeln (Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl., § 86b Rn. 27 ff.). Eine einstweilige Anordnung ergeht demnach nur, wenn sie nach gebotener summarischer Prüfung der Sachlage zur Abwendung wesentlicher, nicht wieder gutzumachender Nachteile für den Antragsteller notwendig ist. Dabei hat der Antragsteller wegen der von ihm geltend gemachten Eilbedürftigkeit der Entscheidung die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung nach §§ 202 SGG, 294 der Zivilprozessordnung (ZPO), also Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund, glaubhaft zu machen. Der Antragsteller hat für diverse, aber nicht alle begehrten Erstausstattungsgegenstände einen Anordnungsanspruch (1.) und einen Anordnungsgrund (2.) glaubhaft gemacht.

1.1. Der Antragsteller erfüllt unstrittig alle in § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II genannten Voraussetzungen. Danach erhalten Personen, die das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a SGB II noch nicht erreicht haben, erwerbsfähig und hilfebedürftig sind und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben, Leistungen nach dem SGB II.
1.2. Der Anordnungsanspruch des Antragstellers ergibt sich aus § 24 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1, Satz 2 SGB II. Danach sind vom Regelbedarf nach § 20 SGB II Bedarfe für Erstausstattungen für die Wohnung einschließlich Haushaltsgeräten nicht umfasst. Leistungen für diese Bedarfe werden gesondert erbracht. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts sind Leistungen nach dieser Vorschrift für die Ausstattung mit wohnraumbezogenen Gegenständen zu erbringen, die eine geordnete Haushaltsführung und ein an den herrschenden Lebensgewohnheiten orientiertes Wohnen ermöglichen (BSG, Urteil vom 19. August 2010 – B 14 AS 10/09 R –, Rn. 26). Hierzu gehört nach Überzeugung der Kammer eine Waschmaschine (BSG, Urteil vom 19. September 2008 – B 14 AS 64/07 R; von Boetticher/Münder, in: Münder, SGB II, 5. Aufl., § 24 Rn. 30). In diesem Zusammenhang muss sich der Antragsteller nicht auf einen nahegelegenen Waschsalon verweisen lassen. Die vom Antragsteller vorgetragenen, aber nur beschränkt glaubhaft gemachten gesundheitlichen Einschränkungen können dahin stehen. Das Wäschewaschen ist ohne weiteres vom Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums (Art. 1 GG i. V. m. Art. 20 Abs. 1 GG) umfasst. Der Regelbedarf aus § 20 SGB II deckt aber die durch den regelmäßigen Besuch eines Waschsalons entstehenden, gegenüber dem Gebrauch einer eigenen Waschmaschine nicht unerheblichen Mehrkosten nicht ab. Damit muss sich ein Hilfebedürftiger auch dann nicht auf den Besuch eines Waschsalons verweisen lassen, wenn sich ein solcher in unmittelbarer Nähe seiner Wohnung befindet. Auch eine Couch bzw. ein Sofa ist ein Möbelstück, das ein an den herrschenden Lebensgewohnheiten orientiertes Wohnen ermöglicht (von Boetticher/Münder, a. a. O., § 24 Rn. 28), da sie ein geselliges Beisammensein in der eigenen Wohnung gestattet. Nicht anders verhält es sich mit einer Badematte, die zur Verhinderung des Ausrutschens im feuchten Badzimmer zum Einsatz kommt. Im Fall des Antragstellers gehört auch ein Garderobenständer zur Erstausstattung, da er glaubhaft gemacht hat, dass ein Garderobenhaken unter den besonderen Umständen seiner Wohnung ungeeignet ist. Mangels anderweitiger Erkenntnisse geht das Gericht für diese Gegenstände davon aus, dass die vom Antragsteller angegebenen Preise jeweils angemessen sind. Schließlich hat der Antragsteller, der nachweislich unter nicht unerheblichen psychischen Einschränkungen leidet, glaubhaft gemacht, dass er zur Verdunkelung der zwei Fenster seiner Wohnung auf das Anbringen von Jalousien statt Gardinen angewiesen ist. Nicht von der Erstausstattung umfasst sind hingegen der begehrte Fußabtreter und das Schuhregal. Der Antragsteller hat schließlich nicht glaubhaft gemacht, dass die für Küchenmöbel und -geräte nunmehr bewilligten 304 EUR nicht auskömmlich seien. In Anbetracht der Körpergröße und des Körpergewichts erscheinen die bewilligten 65 EUR für Bett, Matratze und Lattenrost hingegen unzureichend. Mangels anderweitiger Anhaltspunkte schätzt das Gericht gemäß § 202 SGG i. V. m. § 287 Abs. 1 Satz 1 ZPO die Kosten für ein einfaches, den Bedürfnissen des Antragstellers angemessenes Bett mit Matratze und Lattenrost auf den doppelten Betrag, nämlich 130 EUR. Dass sich der Antragsteller nach eigenem Bekunden bereits eine Matratze für 141,19 EUR erworben hat, bleibt in diesem Zusammenhang außer Betracht, da er nicht glaubhaft macht, dass er eine preiswertere Matratze nicht erwerben konnte. Damit ergeben sich für den Antragsteller folgende zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung noch offene Ansprüche auf Erstausstattung: Gegenstand Vom Antragsgegner gewährt Vom Gericht zugesprochen Differenz Bett/Matratze/Lattenrost 65 EUR 130 EUR 65 EUR Couch./. 222 EUR 222 EUR Waschmaschine./. 199 EUR 199 EUR Badematte./. 7,50 EUR 7,50 EUR Garderobenständer 2 EUR (Garderobenhaken) 15 EUR 13 EUR Jalousien 16 EUR (Gardinen) 30 EUR 14 EUR Summe 520,50 EUR Darüber hinaus hat der Antragsteller einen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht, so dass der Antrag insoweit abzulehnen war.

2. Der Antragsteller hat auch einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Er hat insbesondere die Dringlichkeit der Durchsetzung seiner Ansprüche dargelegt, da er nach seinen aktuellen Einkommens- und Vermögensverhältnissen nicht in der Lage ist, die voraussichtlich rechtswidrige teilweise Ablehnung von Leistungen durch den Antragsgegner aus eigenen Mitteln auszugleichen. Damit ist der Erlass einer einstweiligen Anordnung zur Vermeidung einer Verletzung seines Grundrechts auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums (Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG) geboten.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG und bildet das jeweilige Obsiegen der Beteiligten ab.

4. Dieser Beschluss ist nach § 172 Abs. 3 Nr. 1 SGG unanfechtbar, da für beide Beteiligten der Beschwerdewert von 750 EUR nicht erreicht ist.
Rechtskraft
Aus
Saved