L 8 AS 1148/12

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
8
1. Instanz
SG Leipzig (FSS)
Aktenzeichen
S 17 AS 2675/10
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 8 AS 1148/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Auskunftsersuchen gegenüber einem Unterhaltsverpflichteten

1. Eine Auskunftspflicht nach § 60 Abs. 2 Satz 1 SGB II setzt auch voraus, dass der Unterhaltsberechtigte tatsächlich Leistungen nach dem SGB II bezieht oder SGB II-Leistungen beantragt hat und das Verwaltungsverfahren insoweit noch nicht abgeschlossen ist.
2. Eine erweiternde Auslegung von § 60 Abs. 2 Satz 1 SGB II parallel zur Regelung in § 33 Abs. 1 Satz 2 SGB II mit der Folge einer Auskunftspflicht auch bei fehlendem Leistungsbezug des Unterhaltsberechtigten ist nicht zulässig.
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 19. September 2012 wird zurückgewiesen.

II. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

IV. Der Streitwert wird für beide Rechtszüge auf 5.000,- EUR festgesetzt.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich gegen das Auskunftsbegehren des Beklagten über seine wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse.

Der Kläger ist Vater des am 30.07.2005 geborenen C C M und diesem neben drei weiteren Kindern unterhaltspflichtig. In Erfüllung der Unterhaltspflicht zahlte der Kläger an die Kindesmutter in der Zeit bis zum 30.06.2010 den vom Jugendamt der Höhe nach bestimmten monatlichen Unterhalt in Höhe von 177,00 EUR. C Mutter und seine drei Halbgeschwister bezogen im Jahr 2010 Grundsicherungsleistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) vom Beklagten. Die Familie lebte in einer Wohnung, für welche der Beklagte monatliche Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von 436,96 EUR in die Berechnung des grundsicherungsrechtlich relevanten Bedarfs der Familie einstellte. Dabei bewilligte der Beklagte für die Zeit bis zum 30.06.2010 keine Leistungen für C , da dieser mit den Unterhaltszahlungen und einem Teil des für ihn gezahlten Kindergeldes in Höhe von insgesamt 215,00 EUR seinen vom Beklagten in Höhe von 302,39 EUR ermittelten, grundsicherungsrechtlich relevanten Bedarf vollständig decken könne.

Mit Bescheid vom 30.04.2010 teilte der Beklagte dem Kläger unter der Überschrift "Mitteilung zum Forderungsübergang gemäß § 33 des Sozialgesetzbuches (SGB) II. Buch wegen Weitergewährung von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende (Wiederholungsanfrage)" mit, dass er die Wiederherstellung des Nachranges durch Realisieren von Unterhaltsansprüchen prüfe. Der Kläger sei bereits vom Übergang des Unterhaltsanspruches auf die Leistungsträger informiert worden. Der Beklagte forderte den Kläger auf, seine wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse darzulegen, dazu die beigefügte Erklärung auszufüllen und unter Beifügung von Belegen zurückzusenden. Nach Eingang der Unterlagen werde die Leistungsfähigkeit des Klägers berechnet. Sofern sich ein Unterhaltsbetrag errechne, sei der Beklagte berechtigt, Unterhalt zu fordern (§ 33 Abs. 3 SGB II in Verbindung mit § 1613 Bürgerliches Gesetzbuch [BGB]).

Der Kläger widersprach dem Auskunftsbegehren des Beklagten mit Schreiben vom 16.05.2010 mit der Begründung, dass sein Sohn C aufgrund des von ihm entsprechend der Düsseldorfer Tabelle geleisteten Unterhalts und des Kindergelds über Einkommen in Höhe von fast 400,00 EUR verfüge. Indem der über den Bedarf des Kindes hinausgehende Einkommensteil mit dem Leistungsanspruch der Mutter verrechnet werde, müsse er – der Kläger – letztlich den Unterhalt der Kindesmutter mitfinanzieren. Eine rechtliche Grundlage für das Begehren des Beklagten, der sich offensichtlich vom Unterhaltsanspruch der Mutter ganz entledigen wolle, existiere nicht. Zudem gab der Kläger zu bedenken, dass er mit dem ihm in Sachsen unterhaltsrechtlich zugebilligten Selbstbehalt von 900,00 EUR unter der von einem Forschungsinstitut ermittelten Armutsgrenze liege. Mit Widerspruchsbescheid vom 11.06.2010 wies der Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Das Auskunftsersuchen nach § 60 Abs. 2 Satz 1 SGB II sei sachlich und rechtlich nicht zu beanstanden. Da C neben dem tatsächlich vom Kläger gezahlten Unterhalt einen Teil des Kindergeldes zur Bedarfsdeckung benötige, lägen die Voraussetzungen für den Übergang des Unterhaltsanspruchs gegen den Kläger vor (§ 33 Abs. 1 Satz 1 und 2 SGB II). Da ein Anspruch des Unterhaltsberechtigten gegen den Kläger nicht ausgeschlossen sei, bestehe die geltend gemachte Auskunftspflicht.

Der Kläger hat am 12.07.2010 beim Sozialgericht Leipzig (SG) Klage erhoben. Er habe den vom Jugendamt festgelegten Unterhalt seit C Geburt regelmäßig gezahlt und sei weder bereit noch in der Lage, den vom Beklagten sinngemäß geforderten weiteren Unterhalt zu zahlen.

Der Beklagte hat im erstinstanzlichen Verfahren mitgeteilt, dass C erst ab dem Jahr 2011 Grundsicherungsleistungen bewilligt worden seien; für die Zeit bis zum Abschluss des streitgegenständlichen Widerspruchsverfahrens habe er keine Grundsicherungsleistungen erhalten.

Mit Urteil vom 19.09.2012 hat das SG den Bescheid vom 30.04.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.06.2010 aufgehoben. Für das seitens des Beklagten geltend gemachte sozialrechtliche Auskunftsbegehren habe keine Rechtsgrundlage bestanden. Ob ein zivilrechtlicher Auskunftsanspruch wegen Anspruchsübergangs nach § 33 SGB II bestehe, könne dahinstehen. Dieser Anspruch könne nicht im Wege hoheitlichen Handelns, sondern nur zivilrechtlich gegen den Kläger geltend gemacht werden. Die Voraussetzungen eines Auskunftsanspruchs gemäß § 60 Abs. 1 oder 2 SGB II lägen nicht vor, da C im und für den streitigen Zeitraum keine Leistungen des Beklagten bezogen habe. Unerheblich sei dabei insbesondere die Frage, ob die übrigen Familienmitglieder bei höheren Unterhaltsleistungen des Klägers an C einen geringeren Leistungsanspruch gegen den Beklagten gehabt hätten. Der Gesetzgeber habe eine dem § 33 Abs. 1 Satz 2 SGB II vergleichbar Regelung in § 60 SGB II nicht getroffen. Unter Verweis auf das Urteil des Landessozialgerichts (LSG) Baden-Württemberg vom 27.09.2011 – L 13 AS 4950/10 – könne nicht davon ausgegangen werden, dass es sich hierbei um ein Versehen handele.

Gegen das am 10.10.2012 zugestellte Urteil wendet sich der Beklagte mit seiner am 17.10.2012 erhobenen Berufung. Er ist der Ansicht, § 60 Abs. 2 SGB II sei im Lichte des § 33 Abs. 1 Satz 2 SGB II erweiternd dahingehend auszulegen, dass eine öffentlich-rechtliche Auskunftspflicht auch dann bestehe, wenn der Unterhaltsberechtigte allein wegen der Anrechnung von Kindergeld keinen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II habe. Konsequenz der Ansicht des SG sei es, dass der gleichsam "behördentypische" öffentlich-rechtliche Auskunftsanspruch gegenüber dem zivilrechtlichen Auskunftsanspruch wesentlich verkürzt wäre. Diese Ungleichheit sei nicht einzusehen. Auf Nachfrage des Senats hat der Beklagte mitgeteilt, dass die Bescheide im Hinblick auf die Leistungsbewilligung an C Mutter und seine Brüder betreffend den streitgegenständlichen Zeitraum nicht mit Rechtsbehelfen angegriffen worden seien. Erstmals im Jahr 2012 habe die Mutter von C ein Widerspruchsverfahren betrieben.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 19. September 2012 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger hat sich im Berufungsverfahren nicht geäußert.

Dem Senat haben die Verwaltungsakten des Beklagten sowie die Gerichtsakten beider Rechtszüge vorgelegen. Hierauf und auf die in den Gerichtsakten enthaltenen Schriftsätze der Beteiligten sowie den übrigen Akteninhalt wird zur Ergänzung des Tatbestandes Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I.

Der Senat konnte trotz Nichterscheinens der ordnungsgemäß geladenen Beteiligten verhandeln und entscheiden, da sie mit der Terminbestimmung und Ladung auf diese Möglichkeit hingewiesen worden sind (§ 110 Abs. 1 Satz 2, § 126 Sozialgerichtsgesetz [SGG]).

II.

Die Berufung hat keinen Erfolg. Das SG hat den angefochtenen Bescheid vom 30.04.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.06.2010 zu Recht aufgehoben. Der Bescheid, mit dem der Kläger auf Auskunftserteilung in Anspruch genommen wird, ist mangels Rechtsgrundlage rechtswidrig und beeinträchtigt den Kläger in seinen rechtlich geschützten Interessen.

1. Der Beklagte kann seinen mit Verwaltungsakt geltend gemachten Auskunftsanspruch nicht auf § 33 Abs. 1 SGB II in der Fassung vom 21.12.2008 (BGBl. I, 2917) stützen. Dort ist bestimmt: "Haben Empfänger von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für die Zeit, für die Leistungen erbracht werden, einen Anspruch gegen einen anderen, der nicht Leistungsträger ist, geht der Anspruch bis zur Höhe der geleisteten Aufwendungen auf die Träger der Leistungen nach diesem Buch über, wenn bei rechtzeitiger Leistung des anderen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nicht erbracht worden wären. Satz 1 gilt auch, soweit Kinder unter Berücksichtigung von Kindergeld nach § 11 Abs. 1 Satz 3 keine Leistungen empfangen haben und bei rechtzeitiger Leistung des Anderen keine oder geringere Leistungen an die Mitglieder der Haushaltsgemeinschaft erbracht worden wären. Der Übergang wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass der Anspruch nicht übertragen, verpfändet oder gepfändet werden kann. Unterhaltsansprüche nach bürgerlichem Recht gehen zusammen mit dem unterhaltsrechtlichen Auskunftsanspruch auf die Träger der Leistungen nach diesem Buch über."

Der nach Satz 4 der vorstehend zitierten Vorschrift im Wege einer cessio legis übergehende unterhaltsrechtliche Auskunftsanspruch nach bürgerlichem Recht kann vom Beklagten von vornherein nicht mittels Verwaltungsakt geltend gemacht werden. Der Auskunftsanspruch ist aufgrund seiner zivilrechtlichen Natur auch nur zivilrechtlich – gegebenenfalls im Wege der Stufenklage nach § 254 Zivilprozessordnung – durchsetzbar (vgl. Link in: Eicher, SGB II, 3. Aufl., § 33 RdNr. 59; Münder in: LPK-SGB II, 5. Aufl., § 33 RdNr. 64; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 27.09.2011 – L 13 AS 4950/10 – juris RdNr. 32).

2. § 60 Abs. 2 SGB II in der zum Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Bescheides geltenden Fassung vom 20.07.2006 (BGBl. I, 1706) kommt als Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Auskunftsanspruch ebenfalls nicht in Betracht, da seine Voraussetzungen nicht vorliegen.

§ 60 Abs. 2 SGB II bestimmt in seinem Satz 1: "Wer jemanden, der eine Leistung nach diesem Buch beantragt hat oder bezieht, zu Leistungen verpflichtet ist, die geeignet sind, Leistungen nach diesem Buch auszuschließen oder zu mindern, oder wer für ihn Guthaben oder Vermögensgegenstände verwahrt, hat der Agentur für Arbeit auf Verlangen hierüber sowie über damit im Zusammenhang stehendes Einkommen oder Vermögen Auskunft zu erteilen, soweit es zur Durchführung der Aufgaben nach diesem Buch erforderlich ist.

a) Der Beklagte ist zuständiger Leistungsträger im Sinne von § 60 Abs. 2 Satz 1 SGB II. Zwar benennt die Norm lediglich die Agentur für Arbeit als Auskunftsberechtigte. Jedoch ist die Vorschrift erweiternd dahingehend auszulegen, dass der jeweils zuständige SGB II-Leistungsträger berechtigt ist (vgl. Blüggel in: Eicher, SGB II, 3. Aufl., § 60 RdNr. 9; Schoch in: LPK-SGB II, 5. Aufl., § 60 RdNr. 2; Sächsisches LSG, Urteil vom 13.02.2014 – L 7 AS 34/10 – juris RdNr. 21). Die Arbeitsgemeinschaft Leipzig, welche als Rechtsvorgängerin des Beklagten den streitgegenständlichen Bescheid erlassen hat, nahm gemäß § 44b Abs. 3 Satz 1 SGB II in der zum Zeitpunkt des Erlasses der streitgegenständlichen Bescheide maßgeblichen Fassung die Aufgaben der Agentur für Arbeit als Leistungsträger wahr und war damit Berechtigter im Sinne des § 60 SGB II.

b) Der Beklagte hat mit Erlass des streitgegenständlichen Bescheides vom 30.04.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.06.2010 die zutreffende Handlungsform für die Geltendmachung des Auskunftsverlangens nach § 60 SGB II gewählt. Bei der geltend gemachten Auskunftspflicht handelt es sich um eine öffentlich-rechtliche Pflicht, die mittels Verwaltungsakt gegenüber dem Verpflichteten festzusetzen ist (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 27.09.2011 – L 13 AS 4950/10 – juris RdNr. 36 unter Verweis auf Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 24.02.2011 – B 14 AS 87/09 R – juris RdNr. 13 ff.).

c) Die Tatbestandsvoraussetzungen für die Auskunftspflicht liegen jedoch nicht vor. § 60 Abs. 2 Satz 1 SGB II setzt insoweit neben der unstreitig bestehenden Leistungsverpflichtung des Klägers (hier: gesetzliche Unterhaltsverpflichtung des Klägers als Vater gegenüber seinem minderjährigen Sohn C nach §§ 1601, 1602 BGB) voraus, dass der Unterhaltsberechtigte beim Grundsicherungsträger Leistungen nach dem SGB II beantragt hat oder bezieht.

aa) C bezog im maßgeblichen Zeitraum tatsächlich keine Grundsicherungsleistungen.

Im Fall einer Anfechtungsklage – wie hier – ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten behördlichen Entscheidung maßgeblich (vgl. Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/ Leitherer, SGG, 10. Aufl., § 54 RdNr. 33), so dass ein Leistungsbezug jedenfalls im Zeitpunkt des Erlasses des streitgegenständlichen Widerspruchsbescheids hätten vorliegen müssen. C bezog damals jedoch keine Leistungen nach dem SGB II vom Beklagten. Im Verfügungssatz der Bewilligungsbescheide an die Bedarfsgemeinschaft seiner Mutter wurde er deswegen auch nicht benannt. Lediglich in dem den Bescheiden anliegenden Berechnungsbogen ist C aufgeführt. Sein Bedarf und sein Einkommen sind in den Berechnungsbogen aufgenommen. Dabei wird der Teil des Kindergeldes, den das Kind zur Bedarfsdeckung benötigt, normativ dem Kind als Einkommen zugerechnet, § 11 Abs. 1 Satz 3 und Satz 4 SGB II in der bis zum 31.12.2010 geltenden Fassung (vgl. Schmidt in: Eicher, SGB II, 3. Aufl., § 11 RdNr. 28). C konnte im maßgeblichen Zeitraum mit dem Unterhalt in Höhe von 177,00 EUR und einem Anteil vom Kindergeld in Höhe von 125,39 EUR seinen Gesamtbedarf in Höhe von 302,39 EUR (= 215,- EUR Sozialgeld + 87,39 EUR anteilige Kosten der Unterkunft und Heizung) decken. Da im Ergebnis nach der Einkommensanrechnung für C kein offener Bedarf verbleibt, hat der Beklagte ihm – zu Recht – keine Leistungen bewilligt. Dies führt dazu, dass C im maßgeblichen Zeitraum lediglich als Mitglied der Haushaltgemeinschaft mit seiner Mutter und seinen drei Halbgeschwistern zu qualifizieren ist. Mitglied der Bedarfsgemeinschaft, die Leistungen nach dem SGB II bezieht, war er hingegen damals nicht, da er die Leistungen zur Sicherung seines Lebensunterhalts aus eigenem Einkommen beschaffen konnte (vgl. § 7 Abs. 3 Nr. 4 SGB II).

Da C im maßgeblichen Zeitraum weder Leistungen nach dem SGB II bezog, noch Mitglied der Bedarfsgemeinschaft seiner Mutter – die im Bezug von Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II stand – war, ist ein Auskunftsanspruch nach § 60 Abs. 2 SGB II nicht gegeben (vgl. Meyerhoff in: jurisPK-SGB II, 3. Aufl., § 60 RdNr. 28.1).

bb) Im maßgeblichen Zeitraum bis zum Erlass des Widerspruchsbescheids lag auch kein Leistungsantrag von C beim Beklagten vor, der eine Auskunftspflicht nach § 60 Abs. 2 Satz 1 SGB II begründen würde.

Selbst wenn man unterstellt, dass C – oder seine Mutter für ihn – zunächst einen Antrag auf Bewilligung von Grundsicherungsleistungen gestellt hatte, hat die Behörde diesen mit Bescheid vom 17.12.2009 abschlägig beschieden. Nachdem diese Ablehnung bestandskräftig geworden ist, war das Verwaltungsverfahren abgeschlossen. Damit endete auch die mit einer eventuellen Antragstellung verbundene Auskunftspflicht (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 27.09.2011 – L 13 AS 4950/10 – juris RdNr. 46; Sander in: Hohm, Gemeinschaftskommentar zum SGB II, § 60 RdNr. 72; Kossens in: Sauer, SGB II, § 60 RdNr. 7; Blüggel in: Eicher, SGB II, 3. Aufl., § 60 RdNr. 12; Voelzke in: Hauck/Noftz, SGB II, § 60 SGB II, RdNr. 13).

d) § 60 Abs. 2 SGB II kann nicht dahingehend ausgelegt werden, dass eine Auskunftspflicht auch in den Fällen begründet wird, in denen Kinder aufgrund der Anrechnung von Kindergeld nach § 11 Abs. 1 Satz 3 SGB II keinen Leistungsanspruch haben und eine höhere Unterhaltsverpflichtung des Betroffenen geringere Leistungen an die Mitglieder der Haushaltsgemeinschaft des Kindes zur Folge hätte. In § 33 Abs. 1 Satz 2 SGB II hat der Gesetzgeber diese Fallkonstellation ausdrücklich aufgenommen, so dass Unterhaltsansprüche, die die tatsächlich geleisteten Zahlungen übersteigen, kraft Gesetzes auf den Beklagten übergehen. Auch die zivilrechtliche Auskunftspflicht geht in diesen Fällen auf den Beklagten über (§ 33 Abs. 1 Satz 4 SGB II). Im Unterschied zur Abfassung des § 33 SGB II hat der Gesetzgeber in § 60 Abs. 2 SGB II keine Regelung zu der vorbezeichneten Fallgestaltung getroffen. Dem Gesetzgeber war die Konstellation – wie § 33 Abs. 1 Satz 2 SGB II zeigt – durchaus bewusst; aber er hat gleichwohl keine Parallelregelung zu § 33 Abs. 1 Satz 2 SGB II im Rahmen der öffentlich-rechtlichen Auskunftspflicht des § 60 Abs. 2 SGB II getroffen. Eine Regelungslücke, die mit einer erweiternden Auslegung geschlossen werden könnte, sieht der Senat vor diesem Hintergrund – wie das LSG Baden-Württemberg in seinem Urteil vom 27.09.2011 – L 13 AS 4950/10 – nicht. Insoweit ist vorliegend zudem zu beachten, dass eine öffentlich-rechtliche Auskunftspflicht in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung des Betroffenen aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz eingreift und damit einer gesetzlichen Grundlage bedarf, die die Voraussetzungen und den Umfang der Beschränkung klar zu erkennen gibt und damit dem Gebot der Normenklarheit entspricht (vgl. BVerfG, Urteil vom 15.12.1983 – 1 BvR 209/83 u.a. – juris RdNr. 151; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 27.09.2011 – L 13 AS 4950/10 – juris RdNr. 43; Blüggel in: Eicher, SGB II, 3. Aufl., § 60 RdNr. 5) Eine erweiternde Auslegung parallel zu § 33 Abs. 1 Satz 2 SGB II kommt somit nicht in Betracht (vgl. Meyerhoff in: jurisPK-SGB II, 3. Aufl., § 60 RdNr. 28.1).

3. Da C im maßgeblichen Zeitraum bis zum Erlass des Widerspruchsbescheides am 11.06.2010 weder Leistungen der Grundsicherung bezog, noch ein diesbezügliches Verwaltungsverfahren offen gewesen ist, kommt auch eine Auskunftsverpflichtung des Klägers gem. § 60 Abs. 1 SGB II nicht in Betracht.

Folglich ist für das mit dem streitgegenständlichen Bescheid vom 30.04.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11.06.2010 erhobene Auskunftsbegehren des Beklagten keine Rechtsgrundlage gegeben. Der Bescheid des Beklagten ist somit rechtswidrig und wurde vom SG zu Recht aufgehoben.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 2 SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 und Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung und folgt der Entscheidung in der Hauptsache. Dabei war die Kostenentscheidung des SG – welche sich nicht zu den Gerichtskosten verhielt – abzuändern. Zwar hat nur der Beklagte Berufung erhoben; das Verbot der reformatio in peius gilt jedoch im Hinblick auf die Kostenentscheidung nicht (vgl. BSG, Urteil vom 26.06.2007 – B 1 KR 34/06 R – juris RdNr. 38; Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller /Leitherer, SGG, 10. Aufl., § 193 RdNr. 16).

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen hierfür nicht vorliegen (vgl. § 160 Abs. 2 SGG).

IV.

Die Entscheidung über den Streitwert stützt sich auf § 52 Abs. 1 und Abs. 2, § 47, § 63 Abs. 2 Satz 1 Gerichtskostengesetz (GKG) und erfolgt für beide Rechtszüge. Mangels genügender Anhaltspunkte für den Wert des Auskunftsverlangens war hier der Auffangstreitwert von 5.000 EUR gemäß § 52 Abs. 2 GKG zugrunde zu legen. Der Senat hat als Berufungsgericht in erweiternder Auslegung des § 63 Abs. 3 Satz 1 GKG von seiner Befugnis Gebrauch gemacht, den Streitwert auch für das erstinstanzliche Verfahren festzusetzen (vgl. BSG, Urteil vom 05.10.2006 – B 10 LW 5/05 R – juris RdNr. 23; Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl., § 197a RdNr. 5).

Dr. Wahl zugleich für die urlaubsbedingt an der Unterschriftsleistung gehinderten Richter Salomo und Voigt
Rechtskraft
Aus
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