L 9 AS 499/14 B PKH

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
9
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 135 AS 25993/13
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 9 AS 499/14 B PKH
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Zur Relevanz von gerichtlichen Aufklärungsmaßnahmen in Parallelverfahren für die Gewährung von Prozesskostenhilfe.
Auf die Beschwerde der Kläger wird der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 14. Januar 2014 aufgehoben. Den Klägern wird Prozesskostenhilfe für den Rechtsstreit S 135 AS 25993/13 vor dem Sozialgericht Berlin unter Beiordnung ihres o.g. Prozessbevollmächtigten ohne Festsetzung von Ratenzahlungen gewährt. Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet.

Gründe:

Die Beschwerde der Kläger gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 14. Januar 2014, mit dem dieses die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die gegen den Sanktionsbescheid des Beklagten vom 13. August 2013 gerichtete Klage abgelehnt hat, ist gemäß § 73a Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) i.V.m. § 127 Abs. 2 Satz 2 Zivilprozessordnung (ZPO) sowie §§ 172 und 173 SGG zulässig und begründet. Die Kläger haben einen Anspruch auf Gewährung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung ihres Bevollmächtigten für den Rechtsstreit vor dem Sozialgericht Berlin. Ihre Rechtsverfolgung bot zum maßgeblichen Zeitpunkt der Bewilligungsreife ihres Prozesskostenhilfeantrages eine hinreichende Aussicht auf Erfolg.

Nach § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG gelten für die Gewährung von Prozesskostenhilfe in sozialgerichtlichen Verfahren die Vorschriften der ZPO entsprechend. Danach ist einem Beteiligten, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf seinen Antrag Prozesskostenhilfe zu gewähren, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint (§ 114 ZPO). Dabei hat das angerufene Gericht die Erfolgsaussicht regelmäßig ohne abschließende tatsächliche und rechtliche Würdigung des Streitstoffes zu beurteilen. Denn nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes (BVerfG) soll die Prüfung der Erfolgsaussicht im Rahmen des § 114 ZPO nicht dazu dienen, die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung selbst in das summarische Nebenverfahren der Prozesskostenhilfe vorzuverlagern. Dieses darf nicht an die Stelle des Hauptsacheverfahrens treten, weil das Prozesskostenhilfeverfahren den Rechtsschutz, den der Rechtsstaatsgrundsatz fordert, nicht selbst bieten, sondern ihn erst zugänglich machen soll (BVerfG, Kammerbeschluss vom 19. Februar 2008, 1 BvR 1807/07, zitiert nach juris, sowie BVerfGE 81, 347,357). Im Hinblick auf die fehlende Aussicht einer Klage auf Erfolg darf Prozesskostenhilfe nur verweigert werden, wenn die Klage (bei summarischer Prüfung) völlig aussichtslos ist oder ein Erfolg in der Hauptsache zwar nicht schlechthin ausgeschlossen, die Erfolgschance aber nur eine Entfernte ist (BVerfG, Beschluss vom 13. Juli 2005, 1 BvR 175/05; LSG Berlin-Brandenburg, 1. Senat, Beschluss vom 10. März 2006, L 1 B 1150/05 KR PKH, jeweils zitiert nach juris).

Steht eine höchstrichterliche Klärung von im Hauptsacheverfahren noch entscheidungserheblichen Fragen aus oder kommt eine weitere Aufklärung oder eine Beweisaufnahme ernsthaft in Betracht und liegen keine konkreten und nachvollziehbaren Anhaltspunkte dafür vor, dass richterliche Aufklärungsmaßnahmen oder eine Beweisaufnahme mit großer Wahrscheinlichkeit zum Nachteil des Klägers oder Antragstellers ausgehen würden, so läuft es dem Gebot der Rechtsschutzgleichheit zuwider, dem Unbemittelten wegen fehlender Erfolgsaussicht seines Begehrens Prozesskostenhilfe vorzuenthalten (BVerfG, Kammerbeschluss vom 19. Februar 2008, 1 BvR 1807/07, zitiert nach juris).

Danach stand der Bewilligung von Prozesskostenhilfe durch das Sozialgericht die fehlende Erfolgsaussicht der erhobenen Klage schon deshalb nicht entgegen, weil das Sozialgericht den entscheidungserheblichen Sachverhalt - zu Recht - für klärungsbedürftig hielt und selbst noch in der Sache ermittelt hat, als der Prozesskostenhilfeantrag bereits bewilligungsreif war. So hat das Sozialgericht in dem zusammen mit dem Klageverfahren eingeleiteten vorläufigen Rechtsschutzverfahren Ermittlungen zur Aufklärung der Betreuungsmöglichkeiten und der tatsächlichen Betreuung des Klägers zu 2) in einer Kindertagesstätte durchgeführt und die Klägerin zu 1) im vorläufigen Rechtsschutzverfahren u.a. zu dieser Frage in einem Erörterungstermin angehört. Die aus den Ermittlungen bei der Kindertagesstätte und der Anhörung der Klägerin zu 1) festgestellten Tatsachen waren für die Entscheidung des Sozialgerichts, vorläufigen Rechtsschutz und Prozesskostenhilfe für das vorläufige Rechtsschutzverfahren zu versagen, entscheidungserheblich (vgl. die Gründe des sozialgerichtlichen Beschlusses vom 26. November 2013).

Auch die Tatsache, dass das Sozialgericht im Hauptsacheverfahren keine Ermittlungen (mehr) durchgeführt hat, bevor es Prozesskostenhilfe abgelehnt hat, steht der Gewährung von Prozesskostenhilfe nicht entgegen. Denn das Sozialgericht hat die Versagung von Prozesskostenhilfe im Hauptsacheverfahren (ausschließlich) auf die Gründe seines Beschlusses im parallel zum Hauptsacheverfahren geführten einstweiligen Rechtsschutzverfahren gestützt. Die Ermittlungen im vorläufigen Rechtschutzverfahren waren deshalb auch für die Ablehnung von Prozesskostenhilfe im Hauptsacheverfahren entscheidungserheblich und ursächlich. Klärt ein Gericht für parallel geführte Eilrechtsschutz- und Klageverfahren in einem dieser Verfahren den Sachverhalt weiter auf, darf es Prozesskostenhilfe grundsätzlich auch in dem Verfahren nicht ablehnen, in dem es keine Ermittlungen angestellt hat, wenn es in diesem Verfahren seine Ablehnung von Prozesskostenhilfe auf die Ermittlungen des Parallelverfahrens stützt, wie es das Sozialgericht hier getan hat.

Da die Kläger ausweislich ihrer Angaben über keinerlei Vermögenswerte verfügen und (gekürztes) Arbeitslosengeld II beziehen, musste ihnen Prozesskostenhilfe bewilligt werden; an der Bedürftigkeit hatte auch das Sozialgericht zu Recht keinen Zweifel mehr, wie sowohl die Ablehnung von Prozesskostenhilfe im einstweiligen Rechtsschutzverfahren als auch im Klageverfahren zeigen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 73 a SGG in Verbindung mit § 127 Abs. 4 ZPO.

Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177).
Rechtskraft
Aus
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