L 5 AS 983/12

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
5
1. Instanz
SG Magdeburg (SAN)
Aktenzeichen
S 21 AS 3101/08
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 5 AS 983/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung wird zurückgewiesen.

Der Beklagte hat den Klägern die notwendigen außergerichtlichen Kosten für das Berufungsverfahren zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten im Rahmen der Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) um die Höhe der nach einem Umzug im Zeitraum von September 2007 bis Januar 2008 zu berücksichtigenden Kosten der Unterkunft und Heizung (KdU).

Die 1953 und 1954 geborenen Kläger zu 1 und 2 sind Eheleute und lebten mit ihrer am ... 1989 geboren Tochter, der Klägerin zu 3, in einer 89 qm großen Wohnung in M.-O. Die monatliche Gesamtmiete belief sich zuletzt auf 418,70 EUR und setzte sich zusammen aus einer Kaltmiete iHv 257,64 EUR, Vorauszahlungen auf die Betriebskosten iHv 81,76 EUR und auf die Heizkosten (einschließlich Warmwasser) iHv 71,30 EUR sowie einer Antennen-/Kabelgebühr von 8 EUR. Die Familie bezog seit 2005 zumeist ergänzende SGB II-Leistungen. Im Weiterbewilligungsantrag vom 5. Februar 2007 gaben die Kläger an, derzeit beziehe der Kläger zu 2 Alg I-Leistungen iHv monatlich 474,94 EUR und die Klägerin zu 3 Kindergeld iHv 154. An Kfz-Haftpflichtversicherungsbeiträgen waren im Jahr 2007 monatlich 23,18 EUR und 30,98 EUR zu zahlen. Für eine private Rentenversicherung waren ein monatlicher Beitrag iHv 5 EUR durch die Klägerin zu 1 und iHv 8 EUR durch den Kläger zu 2 zu leisten.

Mit Bescheid vom 7. Februar 2007 bewilligte der Beklagte SGB II-Leistungen für den Zeitraum von März bis August 2007, u.a. für Juni bis August 2007 iHv insgesamt 1.181,44 EUR monatlich.

Der Kläger zu 2 nahm im April 2007 eine befristete Erwerbstätigkeit bei einer P. GmbH als Kfz-Schlosser auf. Neben dem im Folgemonat fälligen Grundstundenlohn wurden eine Zulage bei Kundeneinsatz, ein pauschalierter Verpflegungsmehraufwand von 13 EUR, ein wöchentliches Fahrgeld iHv 50 EUR sowie Übernachtungskosten iHv 15 EUR gezahlt.

Daraufhin senkte der Beklagte mit Änderungsbescheid vom 18. April 2007 die Leistungsbewilligung für den Monat Mai 2007. Nachdem die Kläger die Gehaltsabrechnungen für April und Mai 2007 vorgelegt und ergänzend erklärt hatten, der Kläger zu 2 müsse 14-tägig jeweils 569 km zur Arbeitsstätte fahren, änderte der Beklagte mit Bescheiden vom 20. Juni 2007 die Leistungsgewährung für die Monate Mai bis August 2007 erneut vorläufig ab.

Am 25. Juni 2007 zeigte die Klägerin zu 1 an, sie nehme ab 1. Juli 2007 ein aus Mitteln des europäischen Sozialfonds gefördertes Praktikum auf, für das ein am Monatsletzten fälliges Entgelt gezahlt werde. Das im Juli 2007 erzielte Bruttoarbeitsentgelt iHv 900 EUR führte nach Abzug von Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen iHv insgesamt 186,10 EUR zu einem Nettoentgelt iHv 713,90 EUR. Im August 2007 wurden vom Bruttoentgelt iHv 950 EUR insgesamt 202,60 EUR an Sozialversicherungsbeiträgen abgezogen, sodass 747,40 EUR ausgezahlt wurden.

Im Juni 2007 erzielte der Kläger zu 2 ein Gesamtbrutto von 2.336,29 EUR aus. Darin waren steuerfreie Bezüge von insgesamt 764 EUR (Verpflegungsmehraufwendungen iHv 234 EUR, Übernachtungspauschalen iHv insgesamt 280 EUR sowie Fahrtkosten iHv 250 EUR) enthalten. Vom steuerpflichtigen Betrag iHv 1.572,29 EUR wurden Steuern iHv insgesamt 147,73 EUR und Sozialversicherungsbeiträge iHv 341,19 EUR abgeführt. Ein Betrag von 1.847,37 EUR wurde ausgezahlt. Im Juli 2007 ergab sich ein Bruttoentgelt von 2.383,97 EUR inklusive steuerfreie Zulagen iHv 780 EUR. Vom steuerpflichtigen Betrag (1.603,97 EUR) gelangten nach Abzug von Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen (insgesamt 505,79 EUR) 1.098,18 EUR zur Auszahlung.

Unter dem 28. Juni und 18. Juli 2007 erließ der Beklagte weitere Änderungsbescheide zur Leistungsbewilligung für den Monat Juli 2007 sowie unter dem 15. August 2007 den Widerspruchsbescheid für die Zeit von Mai bis August 2007.

Im August 2007 zeigten die Kläger an, sie seien in eine Wohnung im P.-P.-W. in M. umgezogen. Nach dem am 29. Juli 2007 unterschriebene Mietvertrag war zum 1. August 2007 die 73,65 qm große Dreizimmerwohnung zu einem Gesamtmietpreis von 545,75 EUR angemietet worden. Neben der Kaltmiete iHv 376,35 EUR waren monatliche Vorauszahlungen für die Betriebskosten iHv 70 EUR, für Wasser iHv 40 EUR und für Heizung iHv 59,40 EUR zu leisten. Nach der Anmeldebestätigung der L. M. war die Wohnung von den Klägern am 6. August 2007 bezogen worden.

Mit Bewilligungsbescheid von 14. September 2007 bewilligte der Beklagte für September 2007 Gesamtleistungen iHv 492,62 EUR sowie für die Monate Oktober 2007 bis Februar 2008 iHv 1.187,32 EUR. Er legte für jeden Kläger KdU iHv 136,04 EUR (insgesamt 409,32 EUR) zugrunde. Da die Kläger vor dem Umzug keine Zusicherung eingeholt hätten, seien nur die bisherigen Mietkosten als KdU zu berücksichtigen.

Mit Aufhebungs- und Erstattungsbescheiden vom 13. September 2007 hob der Beklagte gegenüber jedem Kläger die Leistungsbewilligung für die Monate Juli vollständig und für August 2007 teilweise auf. Für diesen Monat gewährte er noch Gesamtleistungen iHv 0,22 EUR. Nach Berücksichtigung des tatsächlich erzielten Einkommens bestehe kein Leistungsanspruch. Dagegen legten die Kläger am 27. September 2007 Widerspruch ein.

Für den streitigen Bewilligungszeitraum ergingen noch der Änderungsbescheid vom 19. Juni 2008, der Widerspruchsbescheid vom 29. September 2008 und die Änderungsbescheide vom 28. Oktober 2010, in denen der Beklage weiterhin KdU iHv 409,32 EUR berücksichtigte.

Dagegen hat jeder Kläger gesondert am 29. Oktober 2008 Klage beim Sozialgericht Magdeburg (SG) erhoben, das diese mit Beschluss vom 31. Januar 2011 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden hat. Sie haben die Gewährung höherer KdU begehrt und geltend gemacht, ihr Umzug im August 2007 sei erforderlich gewesen, da das Mehrfamilienhaus habe saniert werden sollen. Aus diesem Grund seien alle Mieter des Hauses zum Auszug aufgefordert worden. Sie seien die letzten Mieter in ihrem Block gewesen. Sie hätten in M.-O. jedoch keine sanierte und von der Größe her angemessene Wohnung finden können. Eine unsanierte Wohnung sei für sie nicht in Betracht gekommen. Sie hätten befürchtet, wegen deren Sanierung bald erneut umziehen zu müssen. Der Beklagte sei über die Erforderlichkeit des Umzugs informiert gewesen. Sie seien im Zeitpunkt des Wohnungswechsels bzw. des Abschlusses des Mietvertrags nicht hilfebedürftig iS des SGB II gewesen. Der Beklagte müsse daher die tatsächlichen KdU übernehmen. Im Erörterungstermin des SG am 27. September 2010 haben die Kläger die Klage auf die KdU beschränkt.

Das SG hat der auf Übernahme der tatsächlichen KdU iHv 529,48 EUR monatlich gerichtete Klage nach Durchführung der mündlichen Verhandlung mit Urteil vom 24. Oktober 2012 insoweit entsprochen, als es den Beklagten verurteilt hat, im Zeitraum von September 2007 bis Januar 2008 KdU iHv 494,13 EUR/Monat zu berücksichtigen. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen und die Berufung zugelassen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Kläger seien im Zeitpunkt des Abschlusses des Mietvertrags unstreitig wegen des Einkommens nicht hilfebedürftig gewesen. Gleichwohl sei § 22 Abs. 1 Satz 2 SGG II anwendbar, weil sie tatsächlich sowohl im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses im Juli 2007 als auch im Zeitpunkt des Umzuges im August 2007 SGB II-Leistungen bezogen hätten. Als "erwerbsfähige Hilfebedürftige" seien sie den Regeln des SGB II unterworfen gewesen, denn ihre Hilfebedürftigkeit sei erst im Nachgang entfallen. Der Umzug sei erforderlich gewesen, denn im Juli 2007 habe der Abriss des Wohnblocks bevorgestanden. Daher komme es nicht darauf an, ob auch preiswerterer Wohnraum erhältlich gewesen sei. Der Beklagte sei verpflichtet gewesen, KdU in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen zu erbringen, soweit diese angemessen seien. In Ermangelung eines schlüssigen Konzepts sei auf die Tabellenwerte nach § 8 Wohngeldgesetz (WoGG) a.F. zuzüglich eines Sicherheitszuschlags von 10% zurückzugreifen. Danach ergebe sich für die Bedarfsgemeinschaft eine Bruttokaltmiete iHv 451 EUR. Die diesen Wert übersteigenden KdU der Kläger (35,35 EUR) seien nicht zu übernehmen. Weiter seien die tatsächlichen Heizkosten von 59,40 EUR abzüglich der Warmwasserpauschalen iHv insgesamt 16,27 EUR zu berücksichtigen.

Der Beklagte hat gegen das ihm am 12. Dezember 2012 zugestellte Urteil am 21. Dezember 2012 Berufung eingelegt. Zur Begründung hat er ausgeführt, § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II sei anwendbar, weil die Kläger seit Anfang 2005 fast ununterbrochen im Leistungsbezug gestanden hätten. Seine Angemessenheitskriterien würden auch für ihren Umzug gelten. Die Begrenzung der KdU auf die Werte nach WoGG zuzüglich eines Sicherheitszuschlags durch das SG sei mit dem Gesetz nicht vereinbar. Denn nach § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II erfolge eine Begrenzung der KdU auf die als angemessen angesehene Höhe (nach Kostensenkungsaufforderung) allein bei Leistungsberechtigten, die neu im Leistungsbezug nach dem SGB II stünden. Nur diesen sei eine angemessene Frist zur Senkung der KdU einzuräumen. Die Notwendigkeit des Auszugs der Kläger werde nicht weiter bestritten. Indes sei die neu angemietete Wohnung unangemessen. Mithin sei der Einzug nicht erforderlich gewesen.

Im Erörterungstermin am 21. Mai 2014 hat die Berichterstatterin auf das Urteil des Senats vom 9. April 2013 (Az.: L 5 AS 369/09), bestätigt durch das Urteil des BSG vom 9. April 2014 (Az.: B 14 AS 23/13 R), hingewiesen. Die Beteiligten haben sich im Termin mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Der Beklagte beantragt sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 24. Oktober 2012 hinsichtlich seiner Verurteilung aufzuheben und die Klage insgesamt abzuweisen.

Die Kläger beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie halten das angegriffene Urteil für zutreffend.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten ergänzend Bezug genommen. Die genannten Unterlagen waren Gegenstand der Beratung des Senats.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Beklagten ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht gemäß § 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) erhoben worden. Sie ist auch statthaft gemäß § 144 Abs. 1, 2 SGG. Der Senat ist an die Zulassung der Berufung durch das SG im angefochtenen Urteil gebunden. Der Senat entscheidet im Einverständnis der Beteiligten gemäß § 153 Abs. 1 iVm § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung.

Gegenstand des Berufungsverfahrens ist das Urteil des SG, soweit der Beklagte verurteilt worden ist, den Klägern unter Berücksichtigung von KdU iHv 494,13 EUR/Monat weitere SGB II-Leistungen für den Bewilligungszeitraum von September 2007 bis Januar 2008 zu gewähren. Ein weitergehender, d.h. über die erstinstanzliche Verurteilung hinausgehender Leistungsanspruch der Kläger ist nicht streitgegenständlich, denn sie haben gegen das Urteil des SG kein Rechtsmittel eingelegt.

Beteiligt im Klage- und Berufungsverfahren auf Klägerseite sind die Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft, die ursprünglich getrennt Klage erhoben hatten. Dass im Rubrum des Urteils allein die Klägerin zu 3 als Beteiligte auf Klägerseite benannt ist, beruht ersichtlich auf einem Versehen des SG und entspricht nicht der Verfahrensbeteiligung nach dem Gang des Verfahrens. Denn bereits im Tenor des Urteils ist von "den Klägern" die Rede. Aus Tatbestand und Entscheidungsgründen ergibt sich im Übrigen eindeutig, dass über den KdU-Anspruch der Kläger, d.h. aller Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft, entschieden wurde. Auch im Protokoll der öffentlichen Sitzung des SG vom 24. Oktober 2012 sind alle drei Kläger aufgeführt. Das Rubrum war wegen dieser offenbaren Unrichtigkeit von Amts wegen zu ändern.

Zudem ist der Streitgegenstand entsprechend den Erklärungen der Kläger im Erörterungstermin des SG am 27. September 2010 zulässigerweise auf die KdU beschränkt. Insoweit handelt es sich um eine abtrennbare Verfügung. Zutreffend hat das SG mit Grundurteil gemäß § 130 Abs. 1 SGG entschieden und den allein streitigen Betrag der monatlich zu berücksichtigenden KdU auf 494,13 EUR für die Bedarfsgemeinschaft bestimmt. Die weiteren Voraussetzungen für ein Grundurteil lagen vor, denn es stand mit hinreichender Sicherheit fest, dass die Kläger in den streitigen Monaten Leistungsansprüche nach dem SGB II hatten, weil ihr Einkommen ab September 2007 zur Bedarfsdeckung nicht ausreichte.

Die Verwaltungsentscheidung des Beklagten (durch die Bewilligungsbescheide vom 14. September 2007 und 19. Juni 2008 in Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 29. September 2008 in der Fassung des Änderungsbescheids vom 28. Oktober 2010) für den hier streitigen Bewilligungszeitraum von September 2007 bis Januar 2008 ist insoweit rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten, als er die KdU auf die Aufwendungen für die frühere Wohnung begrenzt hat. Die Kläger haben im streitgegenständlichen Zeitraum einen Anspruch gegen den Beklagten auf Berücksichtigung weiterer KdU gemäß § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II in Höhe der durch das SG ausgeurteilten Gesamtkosten von 494,13 EUR/Monat. Insoweit ist das angegriffene Urteil des SG nicht zu beanstanden.

Die Kläger sind in dem hier streitigen Zeitraum dem Grunde nach anspruchsberechtigt gewesen. Nach § 19 Abs. 1 Nr. 1 SGB II erhalten erwerbsfähige Hilfebedürftige Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts einschließlich der angemessenen KdU. Berechtigt, Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts zu erhalten, sind nach § 7 Abs. 1 SGB II in der hier maßgeblichen Fassung Personen, die das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a noch nicht erreicht haben, erwerbsfähig sind, hilfebedürftig sind und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben. Zudem haben gemäß § 7 Abs. 2, Abs. 3 Nr. 4 SGB II einen Leistungsanspruch auch Personen, die mit erwerbsfähigen Hilfebedürftigen in einer Bedarfsgemeinschaft leben. Zur Bedarfsgemeinschaft gehören die haushaltsangehörigen unverheirateten Kinder der leistungsberechtigten Personen bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres, soweit sie ihren Lebensunterhalt nicht selbst beschaffen können. Letzteres trifft für die im streitigen Zeitraum 18jährige Klägerin zu 3 zu. Sie lebte mit ihren gemäß § 7 Abs. 1 SGB II leistungsberechtigten Eltern, den Klägern zu 1 und 2, in einer Bedarfsgemeinschaft.

Nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 SGB II ist hilfebedürftig, wer seinen Lebensunterhalt, seine Eingliederung in Arbeit und den Lebensunterhalt der mit in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen erhält. In diesem Sinne sind die Kläger hilfebedürftig gewesen.

Die Kläger haben im streitigen Zeitraum vom 1. September 2007 bis zum 31. Januar 2008 gegen den Beklagten dem Grunde nach einen Anspruch auf Berücksichtigung der tatsächlichen KdU gemäß § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II. Ausgehend von der insoweit rechtskräftigen Entscheidung des SG ergibt sich für die Kläger eine Begrenzung auf den ausgeurteilten Betrag von 494,13 EUR/Monat.

Nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II werden Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind. Nur ausnahmsweise sind nach Maßgabe von § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II in der ab dem 1. August 2006 geltenden Fassung die zu übernehmenden KdU der Höhe nach begrenzt, wenn sich die angemessenen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach einem nicht erforderlichen Umzug erhöhen. Dann werden Leistungen weiter nur in Höhe der bis dahin zu tragenden Aufwendungen erbracht. Mit der Einführung dieser Regelung wollte der Gesetzgeber Kostensteigerungen im Bereich der KdU entgegenwirken und verhindern, dass Leistungsberechtigte nur zum Zweck der Ausschöpfung der lokal geltenden Angemessenheitsgrenzen für Wohnraum in eine Unterkunft mit zwar höheren, aber noch angemessenen Kosten umziehen (vgl. Luik in: Eicher, SGB II, 3. Auflage 2013, RN 106; BSG, Urteil vom 1. Juni 2010, Az.: B 4 AS 60/09 R, juris).

Der Anwendungsbereich der Norm kann sich nur auf aus ihrer bisherigen Wohnung ausziehende Leistungsberechtigte beziehen. § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II kommt nur dann zur Anwendung, wenn eine Hilfebedürftigkeit im Sinne des SGB II desjenigen gegeben ist, der die Übernahme höherer als der bisherigen KdU begehrt (vgl. BSG, Urteil vom 30. August 2010, Az.: B 4 AS 10/10 R, juris RN 14). Das BSG hat in einem Umzugsfall ausgeführt (BSG, a.a.O., RN 14 ff.), dass das SGB II auch für das Eingreifen von Leistungseinschränkungen oder die Beachtung von besonderen Obliegenheiten durch den Leistungsberechtigten (§ 31 SGB II) voraussetze, dass Hilfebedürftigkeit im Sinne des Gesetzes bestehe. Diese Grundsätze seien auch bei Anwendung von § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II zu beachten. Zudem sei der Begriff des Umzugs iSv § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II aufgrund seines systematischen Zusammenhangs in einem weiteren Sinne zu verstehen. Insoweit komme es nicht (allein) auf den eigentlichen Zeitpunkt des Umzugs, sondern entscheidend auf den Zeitpunkt des Eingehens des Mietverhältnisses an (BSG, a.a.O., RN 15). Bestehe im Zeitpunkt des Abschlusses des Mietvertrags unter Berücksichtigung des Einkommens keine Hilfebedürftigkeit, dürfe eine Begrenzung der Kostenübernahme nach § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II bei einer später (wieder) eintretenden Hilfebedürftigkeit nicht erfolgen.

Für den Fall eines nicht erforderlichen Umzugs mit Kostensteigerung und erst später eintretender Unterbrechung des Leistungsfalls hat der 14. Senat des BSG ergänzend ausgeführt (Urteil vom 9. April 2014, Az.: B 14 AS 23/13 R, juris RN 18 f.), auf die Regelung des § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II könne sich der Leistungsträger nicht stützen, wenn ein früherer Leistungsberechtigter aufgrund der Erzielung bedarfsdeckenden Einkommens für mindestens einen Monat seine frühere Hilfebedürftigkeit überwunden hatte und aus dem Leistungsbezug ausgeschieden gewesen sei. Denn mit dem Eintritt der erneuten Hilfebedürftigkeit beginne ein neuer Leistungsfall, für den die KdU allein nach Maßgabe von § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II zu gewähren seien. Die Voraussetzungen für eine Begrenzung der KdU lägen trotz Eingreifens der Regelung des § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II in einem früheren Bewilligungsabschnitt dann nicht mehr vor. Dies ergebe sich bereits aus dem gesetzlichen Tatbestandsmerkmal "weiterhin", dem es immanent sei, dass unmittelbar vor Eingreifen der Norm ein ununterbrochener Leistungsbezug bestanden haben müsse (BSG, a.a.O., RN 20). Sei der Leistungsbezug aufgrund der Überwindung der Hilfebedürftigkeit für mindestens einen Kalendermonat unterbrochen, fänden ab dem Zeitpunkt der Unterbrechung die Vorschriften des SGB II für die nicht mehr hilfebedürftige Person keine Anwendung mehr. Dementsprechend habe der Leistungsträger keine Möglichkeit der Einflussnahme mehr auf deren Verhalten. Erst durch einen neuen SGB II-Antrag begebe sich die betreffende Person neu – wie ein erstmalig Hilfebedürftiger – in das System des SGB II und unterliege auch nur bei (fortbestehender) Hilfebedürftigkeit und Leistungsbezug erneut dessen Regeln (BSG, a.a.O., RN 22). Auch bei einem früheren Leistungsbezug würden die Regelungen über die Obliegenheiten von hilfebedürftigen Personen nicht fortgelten.

Diese Grundsätze sind auch auf den vorliegenden Fall anzuwenden: Die Kläger waren als Bedarfsgemeinschaft im Zeitpunkt des Abschlusses des Mietvertrags am 29. Juli 2007 nicht hilfebedürftig im Sinne des SGB II. Denn ihnen war es – zumindest im Monat Juli 2007 – gelungen, ihren Lebensunterhalt vollständig aus dem zu berücksichtigenden Einkommen, nämlich dem Erwerbseinkommen der Kläger zu 1 und 2 sowie dem Kindergeldeinkommen der Klägerin zu 3, sicherzustellen. Es bestand kein SGB II-Leistungsanspruch.

Zwar waren den Klägern ursprünglich Leistungen nach dem SGB II bewilligt worden. Jedoch hat der Beklagte nach Vorlage der Gehaltsbescheinigungen der Kläger zu 1 und 2 mit Bescheid vom 13. September 2007 die Leistungsbewilligung für Juli 2007 vollständig aufgehoben, weil aufgrund des den Bedarf übersteigenden Einkommens kein Leistungsanspruch mehr bestand.

Auch nach der Berechnung des Senats waren die Kläger im Juli 2007 in der Lage, ihren Bedarf aus dem zur Verfügung stehenden Einkommen zu decken. Der Gesamtbedarf der Kläger betrug 1.180,43 EUR. Er ergibt sich aus den Regelleistungen iHv je 312 EUR für die Kläger zu 1 und 2 und 278 EUR für die Klägerin zu 3 sowie den jeweils um die Pauschale für die Warmwasserbereitung (5,63 EUR für die Kläger zu 1 und 2, 5,01 EUR für die Klägerin zu 3) reduzierten kopfteiligen Unterkunftskosten (418,70 EUR: 3 = 139,57 EUR).

Dem stand ein zu berücksichtigendes Gesamteinkommen der Kläger von mindestens 1.379,86 EUR gegenüber. Es ergibt sich aus dem bezogenen Kindergeld iHv 154 EUR, das als einziges Einkommen der volljährigen Klägerin zu 3 um die Versicherungspauschale zu bereinigen ist. Hinzu kommt das bereinigtes Erwerbseinkommen der Klägerin zu 1 iHv 452,59 EUR. Das im Juli 2007 erzielte und ausgezahlte Bruttogehalt von 900 EUR ist um die gezahlten Sozialversicherungsbeiträge iHv 186,10 EUR, den Erwerbstätigenfreibetrag von insgesamt 111,31 EUR, der sich zusammensetzt aus den Kfz-Versicherungsbeitrag iHv 30,98 EUR, der Altersvorsorge iHv 5 EUR, Fahrkosten iHv 30 EUR, der Werbungskostenpauschale iHv 15,33 EUR und der Versicherungspauschale iHv 30 EUR, und den weiteren Freibeträgen iHv insgesamt 150 EUR zu bereinigen. Das anrechenbare Erwerbseinkommen des Klägers zu 2 beträgt mindestens 803,27 EUR. Dabei ist zu beachten, dass die von seinem Arbeitgeber für den Beschäftigungsmonat Juni 2007 im Juli 2007 gezahlten Spesen iHv insgesamt 764 EUR grundsätzlich als Einkommen zu berücksichtigen und als Bestandteil des Gesamteinkommens nur um die berufsbedingten Aufwendungen nach § 11 Abs. 2 SGB II zu reduzieren sind (vgl. BSG, Urteil vom 11. Dezember 2012, Az.: B 4 AS 27/12 R, juris RN 21 ff.). Indes ergeben sich aus dem Verwaltungsvorgang die berufsbedingten Aufwendungen des Klägers zu 2 nicht vollständig (lediglich die Fahrtkosten sind beziffert). Geht man jedoch – zugunsten der Kläger – davon aus, die zugeflossenen Spesen seien vollständig von anzurechnenden berufsbedingten Aufwendungen aufgezehrt worden, und berücksichtigt man die übrigen Abzugsbeträge, die sich aus der Lohnsteuer iHv 147,73 EUR, den Sozialversicherungsbeiträgen iHv 341,29 EUR, dem Grundfreibetrag iHv 100 EUR sowie den weiteren Freibeträgen von insgesamt 180 EUR zusammensetzen, ergibt sich selbst bei vollständiger Außerachtlassung der Spesen kein ungedeckter Bedarf, der einen SGB II-Leistungsanspruch der Kläger auslöst, sondern ein übersteigendes Einkommen von insgesamt 75,43 EUR.

Soweit der Beklagte die Auffassung vertritt, es komme für die Einbeziehung in das Obliegenheitsgefüge des SGB II nicht auf das Bestehen eines SGB II-Leistungsanspruchs, sondern allein auf den faktischen Leistungsbezug an, lässt sich dies nicht mit dem Sinn und Zweck der Regelungen des SGB II und der dargestellten Rechtsprechung des BSG vereinbaren. Regelmäßig ist bei Aufnahme einer Erwerbstätigkeit erst nach der (ersten) Lohnzahlung und -abrechnung des Arbeitgebers exakt feststellbar, welches Einkommen erzielt worden ist. Ergibt sich dann bei der Neuberechnung des Leistungsanspruchs eine vollständige Bedarfsdeckung durch das erzielte Einkommen, ist die Leistungsbewilligung nachträglich vollständig aufzuheben (§ 48 SGB X). Damit entfällt nachträglich die Leistungsberechtigung, der früher Leistungsberechtigte hat die überzahlten Beträge zu erstatten (§ 50 SGB X). Dementsprechend ist dieser durch den Leistungsträger auch für die Vergangenheit so behandeln, als habe keine Leistungsberechtigung bestanden.

Soweit in Kommentierungen (vgl. Berlit in LPK-SGB II, 5. Auflage 2013 § 22 RN 71) oftmals die Formulierung des Umzugs "während des Leistungsbezugs" verwandt wird, spricht dies nicht für die Rechtsauffassung des Beklagten. Damit ist nicht der faktische Leistungsbezug, sondern – sprachlich verkürzt – der Umzug eines Leistungsberechtigten, d.h. einer Person mit einem bestehenden Leistungsanspruch, zu verstehen. Insbesondere aus den Ausführungen des BSG (Urteil vom 9. April 2014, a.a.O., RN 26 ff.) zur Überwindung der Hilfebedürftigkeit für mindestens einen Kalendermonat ergibt sich eindeutig, dass es nicht auf die faktische Lage (Nichtleistung bzw. Unterbrechung des Leistungsbezugs) ankommt, sondern maßgeblich auf die tatsächliche Überwindung der Hilfebedürftigkeit durch die Erzielung bedarfsdeckenden Erwerbseinkommens (RN 31) und mithin auf den materiellen Leistungsanspruch. Besteht dieser nicht, entfällt mit dem Ausscheiden aus dem Leistungsbezug für den vormalig Leistungsberechtigten auch die Obliegenheiten nach dem SGB II – unabhängig davon, ob ihm zuvor Leistungen bewilligt worden waren. Ebenso führt ein kurzfristiges, ggf. missbräuchliches Abmelden aus dem Leistungsbezug für einen Monat, d.h. ein faktischer Nichtleistungsbezug bei fortbestehender Bedürftigkeit, nicht zu einer Unterbrechung des Leistungsbezugs im Sinne der Rechtsprechung (vgl. BSG, a.a.O., RN 26; Urteil des Senats vom 28. Februar 2013, Az. L 5 AS 369/09, juris RN 37).

Da die Kläger in dem für den Umzug maßgeblichen Monat Juli 2007 ihren Bedarf aus eigenen Kräften und Mitteln decken konnten und nicht hilfebedürftig waren, ist bei der Ermittlung ihres Leistungsanspruchs für den Zeitraum ab September 2007 die Regelung des § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II nicht anwendbar. Mithin sind in den streitigen Monaten von September 2007 bis Januar 2008 die KdU gemäß § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II dem Grunde nach in tatsächlicher Höhe – hier beschränkt durch die insoweit rechtskräftige Entscheidung des SG – zu übernehmen. Die Berufung des Beklagten war daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Die Revision war nicht zuzulassen, da sich die streitige Frage des Anwendungsbereichs von § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II aus der vorliegenden Rechtsprechung des BSG beantworten lässt. Grundsätzliche Bedeutung iSv § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG besteht nicht.
Rechtskraft
Aus
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