L 9 AS 1180/13

Land
Freistaat Thüringen
Sozialgericht
Thüringer LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
9
1. Instanz
SG Nordhausen (FST)
Aktenzeichen
S 12 AS 4701/10
Datum
2. Instanz
Thüringer LSG
Aktenzeichen
L 9 AS 1180/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. § 44 SGB X ist auch dann anwendbar, wenn der Leistungsbezug des Betroffenen im Zeitpunkt des Überprüfungsantrags bereits beendet war.
2. Kindergeld ist für jedes Kind der Bedarfsgemeinschaft in der für dieses gewährten Höhe als Einkommen zu berücksichtigen. Die Bildung eines „Durchschnittskindergelds“ bei mehreren Kindern, für die Kindergeld in unterschiedlicher Höhe gewährt wird, ist nicht zulässig.
3. Zum sog. individuellen Warmwasserabzug.

Die dagegen erhobene Nichtzulassungsbeschwerde BSG B 14 AS 241/14 B wurde als unzulässig verworfen (B. v. 2. Dezember 2014).
Auf die Berufung der Klägerin zu 1 werden das Urteil des Sozialgerichts Nordhausen vom 15. Mai 2013 und der Überprüfungsbescheid vom 18. Februar 2010 aufgehoben und der Beklagte verpflichtet, den Bescheid vom 12. Januar 2009 in der Fassung des Änderungsbescheids vom 21. Mai 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 8. Juni 2010 abzuändern und der Klägerin zu 1 für Dezember 2008 weitere 1 Euro als Leistung zur Sicherung des Lebensunterhalts zu gewähren. Der Beklagte hat der Klägerin zu 1 ihre notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten. Die Festsetzung von Verfahrenskosten in Höhe von 300 Euro im Urteil des Sozialgerichts Nordhausen vom 15. Mai 2013 wird aufgehoben. Der Klägerin zu 1 wird Prozesskostenhilfe ab dem 14. April 2014 unter Beiordnung der Rechtsanwaltskanzlei. in ... gewährt. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Bewilligung höherer Kosten der Unterkunft (KdU), zuletzt nur noch für den Monat Dezember 2008. Die 2000, 2004 und 1994 geborenen Kläger leben in einer Bedarfsgemeinschaft (BG) mit Mutter, (Stief)vater und einer weiteren Schwester. Es liegt ein Scheidungsurteil des Amtsgerichts B. L. vom 22. Juni 2006 vor, in dem dem BG-Mitglied I. K.-Sch. das alleinige Sorge-recht für die Kläger zu 1 und 3 übertragen wurde. Die Klägerin zu 2 ist leibliches Kind der BG-Mitglieder M. K. und I. K.-Sch ... Die BG stand seit Anfang 2005 im Leistungsbezug nach dem Zeiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Mit Bescheid vom 12. Januar 2009 (Bl. 6 GA) bewilligte der Beklagte den Klägern für den strittigen Zeitraum Leistungen nach dem SGB II (den Klägerinnen zu 1 und 2 jeweils 135,63 Euro, dem Kläger zu 3 205,63 Euro). Am 8. Februar 2010 beantragten die Kläger nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) die Überprüfung dieses Bescheids. Mit Bescheid vom 18. Februar 2010 (Bl. 10 GA) wurde der Überprüfungsantrag abgelehnt. Auf den Widerspruch berücksichtigte der Beklagte mit Änderungsbescheid vom 21. Mai 2010 (Bl. 12 GA) im strittigen Zeitraum höhere KdU und rundete dann noch im Widerspruchsbescheid vom 8. Juni 2010 (Bl. 20 GA) die Zahlbeträge nach § 41 Abs. 2 SGB II (bewilligt wurden für Dezember 2008 der Klägerin zu 1 146 Euro, der Klägerin zu 2 121 Euro und dem Kläger zu 3 216 Euro, für Januar bis Mai 2009 der Klägerin zu 1 130 Euro, der Klägerin zu 2 105 Euro und dem Kläger zu 3 206 Euro). Es ergab sich eine Nachzahlung für die gesamte BG in Höhe von 24,75 Euro für Dezember 2008 und insgesamt 7,20 Euro für die Monate Januar bis Mai 2009 (Bl. 32 Rs u. 33 Rs GA). Die monatlichen KdU setzte der Beklagte nunmehr mit 88,71 Euro für die Mutter der Kläger bzw. 88,77 Euro für jedes weitere BG-Mitglied, also auch für die Kläger an. Die monatlichen KdU insgesamt wurden in Höhe von 532,56 Euro, bestehend aus einer Grundmiete von 299,25 Euro, Betriebskosten von 117,60 Euro und Heizkosten von 115,71 Euro anerkannt (nach den eingereichten Unterlagen, Bl. 240 VA). Die Heizkosten ergaben sich dabei aus einer Vorauszahlung von 144,90 Euro abzüglich einer Warmwasserpauschale für die gesamte BG von 29,19 Euro. Die individuellen Warmwasserpauschalen wurden bei einer Regelleistung von 211 Euro für die Klägerinnen zu 1 und 2 jeweils monatlich in Höhe von 3,98 Euro und bei einer Regelleistung von 281 Euro für den Kläger zu 3 monatlich in Höhe von 5,31 Euro angesetzt. Bis auf das Kindergeld für die Kläger zu 1 und 3 in Höhe von jeweils 154 Euro und die Klägerin zu 2 in Höhe von 179 Euro im Dezember 2008 bzw. für den Kläger zu 3 in Höhe von 164 Euro, für die Klägerin zu 1 in Höhe von 170 Euro und für die Klägerin zu 2 in Höhe von 195 Euro in den Monaten Januar 2009 bis Mai 2009 verfügte die BG über keine Einkünfte. Aus der Kindergeldgesamtsumme bildete der Beklagte im Ausgangsbescheid ein Durchschnittskindergeld, das kopfteilig auf die Kläger angerechnet wurde. Im Änderungsbescheid rechnete der Beklagte das konkret für den jeweiligen Kläger gezahlte Kindergeld den einzelnen Klägern zu. Die Kläger haben daraufhin gemeinsam mit den restlichen BG-Mitgliedern beim Sozialgericht Nordhausen Klage erhoben. Das Sozialgericht hat die Betriebs- und Heizkostenabrechnung für das Jahr 2009 vom 18. August 2010 beigezogen, aus der sich eine Nachzahlungsverpflichtung für die BG in Höhe von 342,08 Euro ergibt (Bl. 125 GA). In der mündlichen Verhandlung haben die anderen BG-Mitglieder die Klagerücknahme erklärt. Hinsichtlich der Kläger, die rügen, dass die Warmwasserpauschale individuell vom Heizkostenanteil hätte abgezogen werden müssen, hat das Sozialgericht mit Urteil vom 15. Mai 2013 die Klage abgewiesen, den Klägern Verfahrenskosten in Höhe von 300 Euro auferlegt und die Sprungrevision zugelassen. Mit der Berufung verfolgten die Kläger ihr Klageziel eines höheren Heizkostenanteils an den Gesamtheizkosten weiter. Sie haben vorgetragen, der Abzug von Kosten für Warmwasserbe-reitung sei nur in Höhe des tatsächlich bereits in der individuellen Regelleistung enthaltenen Pauschbetrags zulässig. Insoweit sei bei unterschiedlichen Regelleistungen ein Abstellen auf den sich für die BG ergebenden Gesamtbetrag aller Pauschbeträge und dessen anschließende Aufteilung nach Köpfen auf die einzelnen Mitglieder nicht möglich (Bl. 158 GA). In der mündlichen Verhandlung ist für die Kläger zu 2 und 3 die Rücknahme der Berufung erklärt worden. Die Klägerin zu 1 beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Nordhausen vom 15. Mai 2013 und den Überprüfungsbescheid vom 18. Februar 2010 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, den Bescheid vom 12. Januar 2009 in der Fassung des Änderungsbescheids vom 21. Mai 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 8. Juni 2010 insoweit abzuändern, dass ihr höhere Leistungen nach dem SGB II für den Dezember 2008 in Höhe von 1 Euro bewilligt werden. Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Er ist der Auffassung, die Berücksichtigung des Warmwasseranteils sei korrekt erfolgt. Außerdem sei die Kindergeldanrechnung nicht wie im Änderungsbescheid geschehen mit unterschiedlichen Beträgen dem jeweiligen Kind zuzuordnen, sondern als Durchschnittskindergeld bei allen Klägern in gleicher Höhe anzurechnen, d.h. im Dezember 2008 in Höhe von jeweils 160,25 Euro und in den Monaten Januar bis Mai 2009 in Höhe von jeweils 173,25 Euro. Schließlich weist der Beklagte darauf hin, dass die Kläger zum Zeitpunkt des Überprüfungs-antrags nicht mehr im Leistungsbezug standen und somit die Anwendbarkeit von § 44 SGB X zweifelhaft sei. Zu den weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsakten des Beklagten verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die - nach der Rücknahme des Rechtsmittels durch die Kläger zu 2 und 3 allein zu entschei-dende - Berufung der Klägerin zu 1 ist statthaft, da in der Zulassung der Sprungrevision durch das Sozialgericht zugleich die Zulassung der Berufung liegt (Leitherer, in: Meyer-Ladewig, SGG, § 144 Rz. 41). Sie ist auch im Übrigen zulässig, insbesondere konnten Klage und Berufung wirksam von ihrer Mutter eingelegt werden, da dieser in dem vorliegenden Scheidungsurteil das alleinige Sorgerecht zugesprochen worden ist. Die Berufung ist auch begründet. Das Urteil des Sozialgerichts und die Bescheide des Beklagten sind insoweit rechtswidrig, als der Klägerin zu 1 für den Dezember 2008 insgesamt 1 Euro zu wenig bewilligt worden ist. Die Klägerin zu 1 stand zu diesem Zeitpunkt im Leistungsbezug nach dem SGB II. Sie erfüllt auch die entsprechenden Anspruchsvoraussetzungen. Streitig ist allein die Höhe der KdU im Monat Dezember 2008. Anhaltspunkte für eine fehlerhafte Berechnung der Leistung im Übrigen sind auch nicht ersichtlich. Die Klägerin zu 1 hat im Dezember 2008 einen Leistungsanspruch von 147 Euro. Dies ergibt sich aus ihrem Anspruch auf Regelleistung in Höhe von 211 Euro, auf kopfteilige Bruttokaltmiete in Höhe von 69,48 Euro und Heizkosten in Höhe von 20,35 Euro. Im Gegensatz zur Auffassung des Beklagten ist der Abzug der Warmwasserpauschale von den Heizkosten individuell vorzunehmen. Dies ergibt sich aus der Grundkonzeption des SGB II, die auf Individualansprüchen der einzelnen BG-Mitglieder und nicht von einem Gesamtanspruch der BG beruht. Auch das Bundessozialgericht (BSG) geht von einem individuellen Warmwasserabzug aus (vgl. nunmehr auch explizit BSG, Urteil vom 23. August 2012, Az. B 4 AS 32/12 R; zuvor schon BSG, Urteil vom 22. September 2009, Az. B 4 AS 8/09 R). Die Heizkostenberechnung ist also folgendermaßen vorzunehmen: Heizkosten ohne Warmwasser-Abzug entfallen kopfteilig in Höhe von 24,15 Euro auf die Klägerin zu 1. Die Warmwasser-Pauschale für die Klägerin zu 1 beträgt 3,80 Euro. Dieser Betrag individuell von den Heizkosten abgezogen ergibt einen berücksichtigungsfähigen HK-Anteil von 20,35 Euro. In der Summe ergeben sich damit KdU von 89,93 EUR monatlich. Von dem sich daraus ergebenden Gesamtbedarf von 300,83 Euro ist das Kindergeld in Höhe von 154 Euro abzuziehen, sodass der Klägerin zu 1 damit im Dezember 2008 gerundet 147 Euro zustehen. Bewilligt wurden ihr hingegen - unter Abzug einer aus deren Gesamtbetrag von 29,19 Euro kopfteilig berechneten Warmwasser-Pauschale - für den Monat Dezember 2008 im Bescheid vom 21. Mai 2010 der gerundete Betrag von lediglich 146 Euro (57 Euro Regelleistung in 88,77 Euro KdU). Der Einwand des Beklagten, die Klägerin zu 1 sei für den Dezember 2008 bereits überzahlt, da bei mehreren Kindern, für die Kindergeld in unterschiedlicher Höhe bezahlt werde, ein Durchschnittskindergeld zu bilden sei und dies dann einheitlich jedem Kind als Einkommen zuzurechnen sei, ist nach Auffassung des Senats nicht zutreffend (so auch Striebinger in: Gagel, SGB II/SGB III, Stand: Oktober 2012, § 11 SGB II, Rdn. 38; Dauber in: Mergler/Zink, SGB II, Stand: Januar 2012, § 11 Rdn. 32 f., Löns in: Löns/Herold-Tews, SGB II, 3. Auflage 2011, § 11 Rdn. 17; a.A. LSG Saarbrücken, Urteil vom 25. Mai 2010, L 9 AS 9/07; LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 30. Januar 2013 - L 13 AS 67/11; Hengelhaupt in: Hauck/Nofts, SGB II, Stand 6/10, § 11 Rdn. 365; Geiger in: LPK-SGB II, 4. Auflage 2011, Anm. 5.2; Schmidt in: Oestreicher, SGB II/SGB XII), Stand: Oktober 2010, § 10 Rdn. 53a). Gegen die Annahme eines Durchschnittskindergelds spricht schon der Wortlaut von § 11 Abs. 1 Satz 2 und 3 SGB II ("dem jeweiligen Kind"). Im Rahmen des SGB II ist Kindergeld außerdem Einkommen des Kindes, das noch nicht einmal an der Einkommensverteilung teilnimmt. Die Bildung eines Durchschnittskindergelds würde letztlich einen Gesamtanspruch der BG voraussetzen und damit dem Grundkonzept des SGB II widersprechen, das von Individualansprüchen ausgeht. Zu beachten ist diesbezüglich auch die Unterhaltsreform 2008, nach der Kindergeld nunmehr in ausdrücklich gewollter Harmonisierung mit sozialrechtlichen Vorschriften auch unterhaltsrechtlich Einkommen des Kindes ist (vgl. auch BVerfG, 1 BvR 932/10 vom 14.7.2011, wonach der Gesetzgeber mit der Neufassung des § 1612b BGB einen Systemwechsel vollzogen hat, indem er "familienrechtlich bindend" das Kindergeld dem Kind als Einkommen zugewiesen hat). Nach Viefhues (juris-PK, § 1612b BGB, Stand: 2014) ist unterhaltsrechtlich bereits seit 1996 die frühere Vorgehensweise, das Gesamtkindergeld nach Kopfteilen umzulegen, nicht mehr haltbar. Wenn mehrere Kinder mit unterschiedlichen Kindergeldbeträgen vorhanden sind, so erfolgt die Anrechnung des Kindergeldes auf den Unterhaltsanspruch mit dem Betrag, der für das jeweilige Kind gezahlt wird. Dabei verweist er auf OLG Celle (Beschl. v. 01. März 1999 - 15 WF 42/99), das ausführt, der Gesetzgeber habe das ursprünglich aus § 12 Abs. 4 BKKG, der durch das Jahressteuergesetz 1996 aufgehoben worden ist, abgeleitete Prinzip der anteiligen Anrechnung durch gleichmäßige Verteilung der einzelnen Kindergeldbeträge auf den Individualunterhalt mehrerer gemeinsamer Kinder ausdrücklich verworfen und mit § 1612b Abs. 1 BGB anstelle des Grundsatzes der anteiligen Halbteilung des Geschwisterkindergeldes den der konkreten Halbteilung des kindbezogenen Kindergeldes statuiert. Das für gemeinschaftliche Kinder erbrachte Kindergeld werde nunmehr jeweils in der Höhe in den Ausgleich einbezogen, in der es für das einzelne Kind nach §§ 66 Abs. 1, 65 Abs. 2 EStG zu erbringen ist. Die Entscheidungen des BSG (Urteil vom 22.01.1998 - B 14/10 KG 24/96 R) und des BFH (Urteil vom 28. April 2010 - III R 48/08), in denen von einer gleichmäßigen Verteilung des Kindergelds nach Köpfen ausgegangen wird, sind auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar. Dort ging es jeweils um eine Erstattungsstreitigkeit zwischen zwei Leistungsträgern, mithin um Ansprüche Dritter. Dies gilt auch für die Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 23. Mai 2012 - B 14 AS 148/11 R) zum Pflegekind, nach der die Erziehungsbeiträge mit dem Durchschnittsbetrag aller empfangenen Erziehungsbeiträge in die Einkommensberechnung einzustellen sind, weil es dort um Einkommen der Pflegeeltern und eben nicht der Kinder geht. Die Frage, wie das Kindergeld als Einkommen des Kindes und die daraus resultierende Bedarfsdeckung im Rahmen des SGB II zu behandeln ist, ist gänzlich anders gelagert. Die Voraussetzungen für den sich hier aus § 40 Abs. 1 Satz 1 SGB II i.V.m. § 44 Abs. 1 und 4 SGB X ergebenden Anspruch der Klägerin zu 1 auf Rücknahme der teilweise rechtswidrigen Bewilligungsbescheide, auf Neubescheidung nach § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X sowie auf Nachzahlung der anfänglich zu gewährenden höheren Leistungen nach § 44 Abs. 4 Satz 1 SGB X liegen vor. § 44 SGB X ist auch dann anwendbar, wenn der Leistungsbezug zum Zeitpunkt der Stellung des Überprüfungsantrags bereits beendet war. Aus der Ausgestaltung des § 40 SGB II ergibt sich, dass der Gesetzgeber des SGB II den Berechtigten grundsätzlich auch im SGB II so stellen wollte, als hätte die Verwaltung von vornherein richtig entschieden. Dem Hilfebedürftigen sollen nach dem sogenannten Restitutionsgedanken diejenigen Leistungen zukommen, die ihm nach materiellem Recht zugestanden hätten. Zwar sind die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II grundsätzlich von einer aktuellen, nicht anderweitig zu beseitigenden Hilfebedürftigkeit abhängig. Anders als die Leistungen nach dem Zwölften Buch werden sie aber nur auf Antrag (§ 37 SGB II) erbracht. Die Bewilligung der KdU für einen Zeitraum von regelmäßig sechs Monaten (§ 41 Abs. 1 Satz 4 SGB II) verdeutlicht, dass nicht nur hinsichtlich der pauschalierten Regelleistung, sondern auch bezogen auf die KdU eine Bedarfsdeckung nicht nur wegen eines gegenwärtigen, sondern auch wegen eines prognostischen zukünftigen Hilfebedarfs im Wege der Bewilligung einer Dauerleistung stattfindet und insofern bereits normativ eine Einschränkung von dem in der Vergangenheit für die Sozialhilfe vertretenen Konzept einer "Nothilfe" vorliegt (vgl. BSG, Urteil vom 1. Juni 2010, Az. B 4 AS 78/09 R m.w.N.). Der Klägerin zu 1 sind i.S. des § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X Kosten für Unterkunft und Heizung und damit Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden. Der zeitliche Anwendungsbereich von § 44 SGB X betrug zum Zeitpunkt des Überprüfungsantrags im Februar 2010 noch rückwirkend 4 Jahre. In dieser Zeitspanne liegt der zur Überprüfung gestellte Bescheid vom 12. Januar 2009. Die in § 40 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB II i.V.m. § 330 Abs. 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) für die Rücknahme eines rechtswidrigen nicht begünstigenden Verwaltungsakts mit Wirkung für die Vergangenheit gesetzlich normierten Ausnahmen liegen nicht vor. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Die Festsetzung von Verfahrenskosten im Urteil des Sozialgerichts war aufzuheben, da die Rechtsverfolgung im Hinblick auf die bekannte Rechtsprechung des Senats zum Warmwas-serabzug nicht missbräuchlich war. Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor. An die Zulassung der Revision durch das Sozialgericht ist der Senat nicht gebunden (Leitherer, in: Meyer-Ladewig, SGG, § 161 Rn. 9a).
Rechtskraft
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