S 14 AS 1059/14

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Aachen (NRW)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
14
1. Instanz
SG Aachen (NRW)
Aktenzeichen
S 14 AS 1059/14
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Der Beklagte wird verurteilt, den Klägern unter Änderung des Änderungsbescheides vom 18.10.2013 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 23.01.2014, 12.02.2014 und 18.06.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides Nr. 59/14 vom 30.09.2014, des Bewil-ligungsbescheides vom 06.02.2014 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 12.02.2014 und 18.06.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides Nr. 625/14 vom 30.09.2014, des Bewilligungsbescheides vom 17.07.2014 in der Fassung des Änderungs-bescheides vom 04.09.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides Nr. 626 vom 30.09.2014, für die Monate September bis November 2013 sowie Juli bis September 2014 weitere Leistungen für Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von monatlich 79,87 EUR, für den Monat Januar 2014 in Höhe von 48,27 EUR und für die Monate März bis Mai 2014 in Höhe von 19,24 EUR pro Person zu gewähren. Der Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Kläger dem Grunde nach.

Tatbestand:

Streitgegenstand ist ein höherer Anspruch der Kläger auf Leistungen für Kosten der Un-terkunft und Heizung im Zeitraum von September 2013 bis September 2014.

Die am 00.00.0000 geborene Klägerin zu 1) schloss zum August 2013 gemeinsam mit ihrem Lebenspartner Herrn X N (geboren am 00.00.0000) einen Mietvertrag für eine Wohnung im Gweg in X zu einem monatlichen Warmmietzins von 479,23 EUR (Nettokaltmie-te: 349,23 EUR; Nebenkostenabschlag: 60,00 EUR; Heizkostenabschlag: 70,00 EUR). Seit anhin leben die Kläger dort mit Herrn N in Bedarfsgemeinschaft. Der am 28.01.2013 geborene Kläger zu 2) ist der gemeinsame Sohn der Klägerin zu1) und des Herrn N.

Im Zeitraum von September 2013 bis September 2014 (drei betroffene Bewilligungszeit-räume) bewilligte der Beklagte – unter diversen Korrekturen durch Änderungsbescheide - den Klägern (u. a.) Leistungen für Kosten der Unterkunft und Heizung zu einem Drittel der tatsächlichen Aufwendungen pro Kopf. Leistungen für das dem Bedarf des im streitge-genständlichen Zeitraum einkommen- und vermögenslosen Herrn X N zugerechnete wei-tere Drittel der Unterkunfts- und Heizkosten gewährte der Beklagte aufgrund von be-standskräftigen vollständigen Leistungskürzungen (Sanktionen) bei Herrn N überwiegend nicht bzw. nicht vollständig.

Im Einzelnen: Im Leistungszeitraum von Juli bis Dezember 2014 (Bescheid vom 19.07.2013 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 20.09.2013, 23.01.2014, 12.02.2014 und 18.06.2014) wurden den Klägern schlussendlich für die Zeit von Juli bis November 2013 Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von jeweils einem Drittel der tatsächlichen Aufwendungen für die Wohnung der Bedarfsgemeinschaft bewilligt und ge-währt. Leistungen für das weitere, dem Bedarf des in diesem Bewilligungszeitraum durch-gehend hundertprozentig sanktionierten (maßgebliche Sanktionsbescheide vom 19.08.2013 und 22.11.2013) Herrn N zugerechnete, Drittel gewährte der Beklagte nicht. Im Monat Dezember 2013 bewilligte der Beklagte den Klägern Leistungen für Kosten der Unterkunft und Heizung aufgrund der vollständigen Sanktionierung des Herrn N (sinnge-mäß) in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen (ohne eine betragsmäßige Individualisie-rung vorzunehmen).

Im von Januar 2013 bis Juni 2014 laufenden Bewilligungszeitraum (Bewilligungsbescheid vom 06.02.2014 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 12.02.2014 und 18.06.2014) wurde Herr N für die Monate Januar bis Mai in Höhe seines vollständigen Bedarfes sanktioniert (Bescheide vom 22.11.2013 und 21.02.2014). Während im Bewilli-gungsbescheid vom 06.02.2014 die Sanktionierung des Herrn N für Januar und Februar nicht zu einer höheren Bedarfsanerkennung auf Seiten der Unterkunftskosten bei den Klägern führte, suchte der Beklagte dies zunächst mit Bescheid vom 12.02.2014 zu än-dern. Ein weiterer Änderungsbescheid vom 18.06.2014 erfolgte zwar mit dem Ziel, zuvor ein fälschlich berücksichtigtes Arbeitnehmereinkommen des Herrn N sowie Elterngeld der Klägerin (ab Februar 2012) nicht mehr bedarfsmindernd anzurechnen; es erfolgten Nach-bewilligungen. Den Klägern wurde dabei indes wiederrum (für den gesamten Leistungs-zeitraum) ein Leistungsanspruch (nur) in Höhe von je einem Drittel der tatsächlichen Kos-ten der Unterkunft und Heizung zuerkannt. Dem für Herrn N errechneten Leistungsan-spruch wurde für die Zeit von Januar bis Februar 2014 ein "Minderungsbetrag aufgrund von Sanktionen" von monatlich 345,00 EUR entgegengestellt und für die Zeit von März bis Mai 2014 ein "Minderungsbetrag" von 399,59 EUR monatlich. Trotz der bis Mai dauernden vollständigen Sanktionierung erfolgten damit letztlich Leistungsbewilligungen für Herrn N in Höhe von 63,20 EUR (Januar) 175,86 EUR (Februar) bzw. 121,27 EUR (März bis Mai 2014), die keiner Bedarfsart zugeordnet waren, jedoch tatsächlich gewährt wurden (s. a. Wider-spruchsbescheid Nr. 625/14 S. 4).

Im Leistungszeitraum Juli bis Dezember 2014 (Bewilligungsbescheid vom 17.07.2014 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 04.09.2014) entfiel für den Zeitraum von Juli bis September der Leistungsanspruch des Herrn N bestandskräftig erneut vollständig auf-grund von Sanktionierungen (maßgeblicher Bescheid vom 11.06.2014). Den Klägern wur-den Leistungen in Höhe von jeweils einem Drittel der tatsächlichen Kosten der Unterkunft und Heizung bewilligt.

Gegen einen die Kosten der Unterkunft und Heizung betreffenden Änderungsbescheid vom 18.10.2013 (späterhin im Widerspruchsverfahren mit Bescheid vom 25.09.2014 zu-rückgenommen) und die Bewilligungsbescheide vom 06.02.2014 und 17.07.2014 legten die Kläger jeweils binnen eines Monats nach Zugang Widerspruch ein. Sie wendeten sich insbesondere gegen die faktische Unterdeckung im Bereich der Mietaufwendungen durch die Sanktionierungen des Herrn N. Im Verlauf anwaltlich vertreten äußerten die Kläger die Auffassung, es werde nicht berücksichtigt, dass sich der Bedarf der Kläger für Unterkunft und Heizung erhöhe, soweit der entsprechende Bedarf aufgrund einer Sanktion des Herrn N. nicht gedeckt werde.

Mit Schreiben vom 19.08.2014 drohte der Vermieter der Bedarfsgemeinschaft aufgrund erheblicher Mietrückstände (die neuerliche) die außerordentliche fristlose Kündigung an. Zwischenzeitlich ist die Bedarfsgemeinschaft umgezogen.

Mit drei Widerspruchsbescheiden vom 30.09.2014 (9-11/ 2013; 1-5/ 2014; 7-9/ 2013) wurden die Widersprüche sämtlich als unbegründet zurückgewiesen. Eine Übertragung des auf Herrn N. entfallenden Drittels der Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von 159,74 EUR monatlich auf die Kläger komme nicht in Betracht. Eine Abweichung vom Regel-fall des sog. "Kopfteilprinzips" bei der Verteilung der Kosten der Unterkunft und Heizung auf den Bedarf der Mitglieder einer Haushalts- bzw. Bedarfsgemeinschaft sei deshalb nicht angezeigt, weil die Klägerin zu 1) und Herr N. als Partner eine Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft sui generis bildeten. Dies beziehe sich – anderes als gegenüber einem volljährigen Kind (Konstellation des Urteils des Bundessozialgerichts im Urteil vom 25.05.2012 – B 4 AS 67/12 R) – auch auf wirtschaftliche und finanzielle Aspekte. Die Klä-gerin zu 1) habe sich das sanktionierte Verhalten ihres Partners zurechnen zu lassen.

Hiergegen haben die Kläger am 13.10.2014 Klage erhoben. Anwaltlich vertreten sind sie weiter der Auffassung, im vorliegenden Fall sei vom "Kopfteilprinzip" abzuweichen. Dabei sei auch zu beachten, dass die Klägerin zu 1) als Mieterin für Forderungen aus dem Miet-verhältnis hafte.

Der Kläger-Bevollmächtigte beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, den Klägern unter Änderung des Änderungsbeschei-des vom 18.10.2013 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 23.01.2014, 12.02.2014 und 18.06.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides Nr. 59/14 vom 30.09.2014, des Bewilligungsbescheides vom 06.02.2014 in der Fassung der Än-derungsbescheide vom 12.02.2014 und 18.06.2014 in Gestalt des Widerspruchs-bescheides Nr. 625/14 vom 30.09.2014, des Bewilligungsbescheides vom 17.07.2014 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 04.09.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides Nr. 626 vom 30.09.2014, für die Monate September bis November 2013 sowie Juli bis September 2014 weitere Leistungen für Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von monatlich 79,87 EUR, für den Monat Januar 2014 in Höhe von 48,27 EUR und für die Monate März bis Mai 2014 in Höhe von 19,24 EUR pro Person zu gewähren.

Der Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Kläger dem Grunde nach.

Der Vertreter des Beklagten beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er führt seine in den Widerspruchsentscheidungen vertretene Rechtsauffassung aus. Das BSG habe in seinem Urteil vom 25.05.2012 (B 4 AS 67/12 R) betont, dass die Umstände des Einzelfalles zu betrachten seien. Der Einfluss der übrigen Mitglieder der Bedarfsge-meinschaft, insbesondere der Mutter, auf den im dortigen Fall sanktionierten volljährigen, unter 25-jährigen Sohn sei ungleich geringer, als die Einwirkungsmöglichkeiten der Kläge-rin zu 1) auf ihren Partner. Auch der Kläger zu 2) habe sich im Ergebnis das sanktionierte Verhalten seines Vaters zurechnen zu lassen. Die Klägerin zu 1) habe insoweit für den Kläger zu 2) die Verantwortung zu übernehmen. Soweit sie tatsächlich keinen Einfluss auf das Verhalten ihres Partners nehmen könne, habe sie mit dem Kläger zu 2) aus der ge-meinsamen Wohnung mit Herrn N. nötigenfalls auszuziehen. Es ergebe sich andernfalls schließlich eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung mit sanktionierten, allein lebenden Leistungsberechtigten.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Ge¬richtsakte sowie die beigezogene Verwaltungsakte des Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

I. Gegenstand des vorliegenden Verfahrens sind der Änderungsbescheid vom 18.10.2013 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 23.01.2014, 12.02.2014 und 18.06.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides Nr. 59/14 vom 30.09.2014, der Bewilligungsbescheid vom 06.02.2014 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 12.02.2014 und 18.06.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides Nr. 625/14 vom 30.09.2014 und der Bewilligungsbescheid vom 17.07.2014 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 04.09.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides Nr. 626 vom 30.09.2014.

Die Kläger haben den Streitgegenstand zulässig auf die Rechtmäßigkeit der bewilligten Höhe der Kosten der Unterkunft (KdU) und Heizung (KdUH) in der Zeit September 2013 bis September 2014 beschränkt. Die Leistungen für die Kosten der Unterkunft und Heizung stellen einen abtrennbaren Streitgegenstand dar (vgl. hierzu in st. Rspr.: Bundessozialgericht - BSG - Urteil vom 20.12.2011 – B 4 AS 19/11 R, juris Rn. 11 m.w.N.).

II. Die als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage gem. § 54 Abs. 4 statthafte Klage ist zulässig. Dies gilt insbesondere auch in Bezug auf den betroffenen Leistungszeitraum von September bis Dezember 2013. Zwar haben die Kläger erst gegen den "Änderungsbe-scheid" vom 18.10.2013 Widerspruch eingelegt, nicht aber gegen die ursprüngliche Leis-tungsbewilligung vom 19.07.3013, mit der keine Leistungen für Kosten der Unterkunft und Heizung bewilligt worden waren, bzw. den Änderungsbescheid vom 20.09.2013, mit dem die tatsächlichen Aufwendungen für Wohnkosten zwar berücksichtigt worden waren, Leis-tungen aufgrund der vollständigen Sanktionierung des Herrn N. indes nur den Klägern – jeweils in Höhe von einem Drittel der tatsächlichen Aufwendungen – bewilligt worden wa-ren. In der vollständigen Rücknahme von Leistungsbewilligungen für Kosten der Unter-kunft und Heizung betraf der "Änderungsbescheid" vom 18.10.2013 aber gerade den Streitgegenstand der Kosten der Unterkunft und Heizung. Unerheblich ist, dass der Be-scheid selbst im Rahmen des Widerspruchsverfahrens mit Bescheid vom 25.09.2014 zu-rück genommen worden ist. Denn zwischenzeitlich hatte er mit "Änderungsbescheiden" vom 23.01.2014, 12.02.2014 und 18.06.2014 eine neue Fassung erhalten, sich in Bezug auf den hierdurch bereits jeweils veränderten Regelungsgegenstand der Kosten der Un-terkunft und Heizung damit bereits erledigt (39 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – SGB X). Diese Bescheide waren gem. § 86 SGG, in Bezug auf ihren jeweiligen Regelungsgehalt die Leistungen für Kosten der Unterkunft und Heizung betreffend, Gegenstand des Widerspruchsverfahrens gewor-den. Die Rücknahme vom 25.09.2015 ging damit ins Leere und bedeutete keinesfalls eine Abhilfe des Widerspruches. Folgerichtig hat der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 30.09.2014 (Nr. 59/14) – auf der Grundlage der letzten "Änderungsbescheid"fassung vom 18.06.2014 in der Sache entschieden.

III. Die Klage ist begründet. Die Kläger haben im streitgegenständlichen Zeitraum einen An-spruch auf höhere Leistungen für Kosten der Unterkunft und Heizung im beantragten und tenorierten Umfang.

Die Kläger haben nach Maßgabe des §§ 19 Abs. 1, 3; 22 Abs. 1 S. 1 (S. 3) SGB II An-spruch auf Übernahme der KdUH für die Zeit von September 2013 bis September 2014 in der tatsächlichen Höhe ohne Abzug eines auf Herrn N. entfallenden Drittels. Die Kläger können in dem streitigen Zeitraum die Übernahme der KdU jeweils zur Hälfte unmittelbar aus § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II beanspruchen.

1. Die Kläger gehörten ohne Zweifel zum leistungsberechtigten Personenkreis nach dem SGB II und haben dem Grunde nach Anspruch auf Übernahme der KdU. Beide hatten ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland (§ 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 SGB II). Die im Jahre 1993 geborene Klägerin zu 1) war erwerbsfähig (§ 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGB II), hatte das 15. Lebensjahr vollendet, die Altersgrenze nach § 7 a SGB II aber noch nicht erreicht (§ 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB II). Der im K 0000 geborene Kläger zu 2) lebte mit ihr (und Herrn N) in einer Bedarfsgemeinschaft (§ 7 Abs. 3 Nr. 4, 19 Abs. 1 SGB II), beide waren hilfebedürftig (§§ 7 Abs. 1 Nr. 4, 9 SGB II); lediglich Kindergeldeinkom-men des Klägers zu 2), dass nicht einmal dessen Regelbedarf (§§ 20 SGB II) deckte (§§ 19 Abs. 3 S. 2, 11 Abs. 1 S. 4 SGB II) stand zur Verfügung.

2. Nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II werden Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind. Nutzen Hilfe-bedürftige eine Unterkunft gemeinsam mit anderen Personen, so sind die KdU im Regelfall unabhängig von Alter und Nutzungsintensität anteilig pro Kopf aufzuteilen. Dies gilt unab-hängig davon, ob die Personen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft sind. (st. Rspr. BSG Urteil vom 23.11.2006 - B 11b AS 1/06 R - BSGE 97, 265 = SozR 4-4200 § 20 Nr. 3, Rn. 28; BSG Urteil vom 31.10.2007 - B 14/11b AS 7/07 R - juris Rn. 19; BSG Urteil vom 27.2.2008 - B 14/11b AS 55/06 R - SozR 4-4200 § 22 Nr. 9 = SGb 2010, 163 ff, Rn. 18 f; BSG Urteil vom 15.4.2008 - B 14/7b AS 58/06 R - SozR 4-4200 § 9 Nr. 5 Rn.33; BSG Ur-teil vom 18.6.2008 - B 14/11b AS 61/06 R - SozR 4-4200 § 22 Nr. 12 Rn. 19; BSG Urteil vom 27.1.2009 - B 14/7b AS 8/07 R - SozR 4-4200 § 21 Nr. 4 Rn 19; BSG Urteil vom 24.2.2011 - B 14 AS 61/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr. 44 Rn.18). Hintergrund für dieses auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vom 21.1.1988 - 5 C 68/85 - BVerwGE 79, 17) zurückgehende sog. "Kopfteilprinzip" sind Gründe der Verwaltungsver-einfachung sowie die Überlegung, dass die gemeinsame Nutzung einer Wohnung durch mehrere Personen deren Unterkunftsbedarf insgesamt abdeckt und in aller Regel eine an der unterschiedlichen Intensität der Nutzung ausgerichtete Aufteilung der Aufwendungen für die Erfüllung des Grundbedürfnisses Wohnen nicht zulässt.

Bei der Aufteilung nach Kopfteilen im Rahmen des § 22 Abs. 1 SGB II handelt es sich um eine generalisierende und typisierende Annahme aus Gründen der Verwaltungspraktikabi-lität, die jedoch nicht gesetzlich als den Anspruch auf KdUH begrenzend festgeschrieben ist. Insofern findet sich in § 22 Abs. 1 SGB II keine bedarfsbeschränkende Festlegung des Gesetzgebers auf das Prinzip der anteiligen Verteilung der KdU nach der Anzahl der im Haushalt lebenden Personen. Bei den KdU greift der Individualisierungsgrundsatz mit der Anknüpfung an die tatsächlichen Kosten für Unterkunft und Heizung, deren Angemessen-heit als begrenzend wirkt. Es besteht ein Unterschied zu den Regelleistungen nach dem SGB II, bei denen eine anspruchsbegrenzende Pauschalierung der Bedarfe gesetzlich vorgesehen ist.

In Anknüpfung an die Rechtsprechung des BVerwG, das eine Korrektur des Grundsatzes der Pro-Kopf-Aufteilung zugelassen hat, wenn und soweit der Hilfefall durch "sozialhilfe-rechtlich bedeutsame Umstände" gekennzeichnet war, die "ohne weiteres objektivierbar" und "dem Träger der Sozialhilfe möglicherweise sogar bereits bekannt" waren (BVerwGE 79, 17 ff, z. B. Behinderung oder Pflegebedürftigkeit, die ein anerkennenswertes Maß an Unterkunftsbedarf in der Person der oder des Hilfebedürftigen oder eines anderen Mit-glieds der Haushaltsgemeinschaft ausmachten), hat es auch das BSG als möglich und notwendig angesehen, im Einzelfall vom "Kopfteilprinzip" abzuweichen (BSGE 97, 265 = SozR 4-4200 § 20 Nr 3; BSG SozR 4-4200 § 21 Nr. 4, Rn.19 "Sonderfälle").

3. Eine Abweichung vom Kopfteilprinzip hat das BSG etwa bei gemeinsam in einer Woh-nung, aber nicht in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen bejaht, wenn eine an-dere Aufteilung aufgrund eines Vertrags bei objektiver Betrachtung aufgrund eines schon vor Eintritt der Hilfebedürftigkeit vereinbarten notariellen Vertrags und der daraus folgen-den Stellung als Eigentümer angezeigt sei (BSG Urteil vom 29.11.2012 - B 14 AS 36/12 R – Rn. 28, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen; bereits angedeutet in BSG SozR 4-4200 § 22 Nr. 12, Rn.19); weiterhin hat es eines Abweichung in Fallgestaltungen erörtert, in denen durch eine Berücksichtigung der KdU nach Kopfanteilen eine Bedarfsunterde-ckung in Frage stand (vgl. z.B. BSG SozR 4-4200 § 22 Nr. 9 Rn. 18; BSG SozR 4-4200 § 21 Nr. 4 Rn. 19).

Mit Urteil vom 23. Mai 2013 (B 4 AS 67/12 R –, BSGE 113, 270-277, SozR 4-4200 § 22 Nr. 68, SozR 4-4200 § 31 Nr. 7) hat 4. Senat des Bundessozialgerichts entschieden, dass eine Abweichung vom Kopfteilprinzip auch dann vorzunehmen ist, wenn ein Mitglied der Bedarfsgemeinschaft einer Sanktion in voller Leistungshöhe unterliegt und die an sich übernahmefähigen KdUH daher faktisch in Höhe dessen Kopfteiles auch zu Lasten der anderen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft ungedeckt bleibt. Der 14. Senat hat sich die-ser Auffassung mit Urteil vom 02.12.2014 angeschlossen (B 14 AS 50/13 R – zum Zeit-punkt der Entscheidung noch nicht veröffentlicht; a. A. vorhergehend: LSG Sach.-Anh., Urteil vom 30.01.2013 – L 5 AS 373/10 – juris: Die Mithaftung der übrigen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft sei vom Gesetzgeber grundsicherungsrechtlich nicht für bedeutsam angesehen worden, weil für diesen Fall keine besondere Regelung getroffen worden sei. Eine Kompensation sei im Übrigen aus dem Schonvermögen, Freibeträgen bei Vermögen und Einkünften oder aus der Regelleistung möglich. Bei einer Notlage bestünde auch die Möglichkeit, gemäß § 22 Abs. 5 SGB II ein Darlehen oder einen Zuschuss zu erhalten.)

In dem der Entscheidung des 4. Senats zugrunde liegenden Sachverhalt war der volljähri-ge, unter 25-jährige Sohn bzw. Bruder der 0000 geborenen Klägerin zu 1) und des min-derjährigen Klägers zu 2) hundertprozentig sanktioniert (vergleichbar die personelle Kons-tellation im dem Urteil vom 02.12.2014 - B 14 AS 50/13 R – zugrundeliegenden Sachver-halt). Der Senat hat darin in Fortsetzung der o. a. Rechtsprechung einen bedarfsbezoge-nen Grund dafür gesehen, die anfallenden Kosten der Unterkunft und Heizung mit Eintritt der Sanktion des weiteren Bedarfsgemeinschaftsmitgliedes einzig – insoweit aber wieder-rum nach Kopfteilen - dem Bedarf der Kläger zuzuordnen, mit der Folge, dass sich der Anspruch der Kläger nach §§ 22 Abs. 1 S. 1 (3) SGB II entsprechend erhöht.

Das BSG führt wörtlich aus: "Aus "bedarfsbezogenen Gründen", nämlich wegen des voll-ständigen Wegfalls der KdU-Leistungen für D, entstanden der Klägerin zu 1 und dem Klä-ger zu 2 in dem streitigen Zeitraum höhere Kosten für die Wohnung und Heizung. Sie konnten schon deshalb nicht darauf verwiesen werden, den KdU-Anteil von D zu verlan-gen, weil der Beklagte mit dem rechtskräftigen Bescheid vom 6.1.2009 sowie mit dem Bewilligungsbescheid vom 2.4.2009 als der zur Sicherstellung des Existenzminimums zu-ständige Träger den vollständigen Wegfall des KdU-Anteils für D in dem hier streitigen Zeitraum verfügte. Zwar ist zweifelhaft, ob dies berechtigt war. § 31 Abs 5 S 6 SGB II iVm § 31 Abs 3 S 6 SGB II sieht vor, dass der zuständige Träger bei einer Minderung des Alg II um mehr als 30 vH der nach § 20 maßgebenden Regelleistung in angemessenen Um-fang ergänzende Sachleistungen und geldwerte Leistungen erbringen kann und diese nach § 31 Abs 3 S 7 SGB II erbringen soll, wenn der Hilfebedürftige mit minderjährigen Kindern in Bedarfsgemeinschaft lebt. Letzteres war hier der Fall, weil auch der minderjäh-rige Bruder des Klägers in der Bedarfsgemeinschaft lebte. D hat jedoch - ausgehend von den seitens der Beteiligten nicht gerügten, bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) - den Sanktionsbescheid vom 6.1.2009 und den seinen Individualanspruch betref-fenden Teil des Bescheides vom 2.4.2009 nicht angegriffen, ohne dass die Klägerin zu 1 bei ihrem volljährigen Sohn hierauf Einfluss hatte. Nach dem Inhalt der vom LSG in Bezug genommenen Bewilligungsbescheide war bei D auch kein Einkommen oder Vermögen vorhanden, aus dem er den auf ihn entfallenden KdU-Anteil während des Sanktionszeit-raums hätte bestreiten können. Dem Beklagten war daher bekannt, dass der durch die von ihm veranlasste Sanktion eine Bedarfsunterdeckung bei den KdU auch bei den Kläge-rin zu 1 und dem minderjährigen Kläger zu 2 eingetreten war.

Die Kläger können auch nicht darauf verwiesen werden, ihren tatsächlichen mietvertragli-chen Verpflichtungen nicht vollständig nachzukommen und eine weitere Erhöhung der hier nach den Feststellungen des LSG bereits vorhandenen Mietschulden hinzunehmen. Im Bereich der KdU sind die existenzsichernden Leistungen dergestalt geregelt, dass ein Anspruch auf Übernahme der KdU-Aufwendungen nicht erst besteht, wenn eine Kündi-gung des Mietverhältnisses unmittelbar bevorsteht. Es besteht mit dieser Maßgabe eine Verpflichtung des SGB II-Trägers zur Deckung des (hier vorübergehend erhöhten) indivi-duellen Bedarfs jedes Grundrechtsträgers (BVerfGE 125, 175 ff = SozR 4-4200 § 20 Nr 12, juris RdNr 137; Wersig in info also 2011, 51 ff, 52).

Der Einwand des Beklagten, dass durch die Erhöhung des KdU-Anteils für die Kläger die Sanktionierung von D "abgemildert" werde, kann aus Rechtsgründen zu keinem anderen Ergebnis führen. Die Klägerin zu 1 ist wegen der vom SGB II vorgesehenen Konstruktion der Bedarfsgemeinschaft zum Einsatz ihres Einkommens und Vermögens auch für D ver-pflichtet. Eine darüberhinausgehende faktische Mithaftung für ein nach dem SGB II sank-tioniertes Verhalten des volljährigen Kindes durch Hinnahme einer Bedarfsunterdeckung ist nicht vorgesehen (vgl zur Vermeidung von personenübergreifenden Sanktionsfolgen: Geiger in info also 2010, 3 ff; Berlit in Existenzsicherungsrecht, 2. Aufl 2013, Kapitel 28, RdNr 34). Zudem ist die Sanktion für D nicht vollständig entfallen, weil auch der Regelbe-darf teilweise gekürzt bzw als Sachleistung erbracht worden ist. Ob ein KdU-Anteil in die-sen Fallgestaltungen zu übernehmen ist, muss einzelfall- und bedarfsbezogen geprüft werden. Die von dem Beklagten als mögliche Folge beschriebene Ungleichbehandlung des D mit nicht in einer Bedarfsgemeinschaft mit Angehörigen lebenden Personen bei einer Sanktionierung liegt schon deshalb nicht vor, weil eine andere Ausgangslage gegeben ist und wirkt sich im Übrigen auch nicht auf den Anspruch der Klägerin zu 1 und den minderjährigen Kläger zu 2 aus.

Unschädlich ist schließlich, dass bei der Klägerin zu 1 und dem Kläger zu 2 eine höhere Belastung durch KdU während des Mietverhältnisses eingetreten ist. § 22 Abs 1 S 1 SGB II enthält keine Beschränkung der zu übernehmenden tatsächlichen Unterkunftskosten auf solche Kosten, die bereits bei Eintritt der Hilfebedürftigkeit nach dem SGB II zu zahlen waren." (BSG, Urteil vom 23. Mai 2013 – B 4 AS 67/12 R –, BSGE 113, 270-277, SozR 4-4200 § 22 Nr 68, SozR 4-4200 § 31 Nr. 7, Rn. 22-25)

Das Bundessozialgericht hat damit die Auffassung des 6. Senats des Landessozialgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen mit Urteil vom 22.03.2012 (L 6 AS 1589/10) bestätigt. Das LSG hatte ausgeführt, die Anrechnung des auf das sanktionierte Mitglied der Bedarfsgemeinschaft entfallenden Kopfteiles als "fiktiven" zulasten der Kläger stehe ent-gegen, dass dann ihre (tatsächlichen) Aufwendungen nicht mehr gedeckt seien. Damit werde die durch die Aufteilung nach Kopfteilen verfolgte Zielsetzung konterkariert, weil diese sich gerade nicht nur daraus rechtfertige, dass die Wohnung gemeinsam mit ande-ren Personen genutzt werde, sondern maßgeblich sei, dass der aktuell bestehende Bedarf gerade mehrerer Personen gedeckt werde. Sei mit der Anrechnung des Kopfteiles eine Lücke im eigenen Bedarf der übrigen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft entstanden, werde ihnen ein Fehlverhalten zugerechnet, auf das sie jedenfalls bei über 18jährigen Personen der Bedarfsgemeinschaft keinen rechtlich relevanten Einfluss hätten (vgl. auch Geiger, AlG II 2014, S. 727). Die Auswirkungen einer Sanktion auf die anderen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft widerspreche auch dem personenbezogenen Charakter der Sanktion (vgl. auch Berlit, in: Münder, LPK-SGB II, 5. Aul. 2013, § 22, Rn. 42; Wersing, info also 2013, S. 51). Gehörten – wie hier – minderjährige Kinder der Bedarfs-gemeinschaft an, wiederspreche jedenfalls dann die Unterdeckung der KdUH durch An-rechnung eines fiktiven Kopfanteils auch deren besonderem Bedarf und dem in § 1 Abs. 1 S. 4 Nr. 4 SGB II niedergelegten Grundsatz familiengerechter Hilfe (LSG NRW a.a.O, ju-ris, Rn. 28-32).

4. Dieser obergerichtlichen und höchstrichterlichen Auffassung schließt sich die Kammer an. Auf der Grundlage der dargelegten Argumente ist kein rechtserheblicher Umstand da-rin zu erkennen, dass im vorliegenden Fall das sanktionierte Mitglied der Bedarfsgemein-schaft nach § 7 Abs. 3 Nr. 3 c) SGB II, statt nach § 7 Abs. 3 Nr. 4 SGB II angehört. Soweit der Beklagte der Auffassung ist, die Einstands- und Verantwortungsgemeinschaft sui generis der Klägerin zu 1) zu ihrem sanktionierten Partner sei in wirtschaftlicher und finanzieller Hinsicht herausgehoben und daher maßgeblicher Ansatz einer Differenzierung der vorliegenden Konstellation zu jener, die der Entscheidung des Bundessozialgerichts zugrunde lag, kann dem nicht gefolgt werden. Die vom Beklagten angenommene Besonderheit findet insoweit im Gesetz keinen Anknüpfungspunkt. Gemäß § 9 Abs. 2 S. 1 SGB II hat vielmehr der mit dem Hilfebedürftigen in einer Bedarfsgemeinschaft lebende Partner in gleicher Weise mit seinem Einkommen und Vermögen für dessen Lebensunterhalt einzustehen, wie die Klägerin zu 1) im vom Bundessozialgericht entschie-denen Fall für ihren sanktionierten (unverheirateten) Sohn gem. § 9 Abs. 2 S. 2 SGB II. Wäre hingegen – entgegen der Auffassung der Kammer - das Maß des "Füreinandereinstehens" und der Übernahme der Verantwortung für den anderen zwischen der Klägerin zu 1) und Herrn N tatsächlich gegenüber dem Verhältnis einer Mutter zu dem bei ihr lebenden volljährigen, unter 25-jährigen Sohn tatsächlich ein gesteigertes, weil der Sohn aus der Bedarfsgemeinschaft ausschiede, soweit er seinen Lebensunterhalt aus eigenem Vermögen oder Einkommen beschaffen könnte, müsste doch erst Recht angenommen werden, dass die Klägerin zu 1) sich genötigt sähe, für das Verhalten und die Sanktionierung des Herrn N etwa mit ihren Regelbedarfsleitungen einzustehen. Die Verfehlung des personenbezogenen Charakters der Sanktion (vgl. Boerner in Löns/Herold-Tews, 3. Auflage 2011, § 22, Rn. 19; Sonnhoff in: jurisPK-SGB II, 3. Aufl. 2012, § 31a, Rn. 30) würde auf dieser Grundlage verschärft, bedenkt man, dass die Klägerin zu 1) auf das (Fehl)verhalten ihres Partners ebenso wenig einen rechtlich relevanten Einfluss hat, wie die Mutter bei ihrem volljährigen Sohn. Sofern der Beklagte in der Annahme einer "besonderen Einstehens- und Verantwortungsgemeinschaft" die Klä-gerin, um Folgen der Sanktionierung des Herrn N auf sie und ihren Sohn zu vermeiden, hiernach gleichzeitig auf einen Auszug aus der Bedarfsgemeinschaft verweisen will, liegt darin aus Sicht der Kammer ein Widerspruch.

Insbesondere hat der Beklagte in seiner Fokussierung auf das Verhältnis zwischen der Klägerin zu 1) und Herrn N aber deren Sohn, den Kläger zu 2) übersehen. Sofern er in der mündlichen Verhandlung insoweit ergänzt hat, für diesen müsse die Klägerin zu 1) durch einen gemeinsamen Auszug aus der Bedarfsgemeinschaft mit Herrn N ebenfalls Verant-wortung übernehmen, andernfalls sei eben auch dem Kläger zu 2) das Verhalten seines Vaters – vermittelt über die Klägerin zu 1) - zuzurechnen, braucht der Frage, ob die Klägerin zu 1) überhaupt das alleinige Aufenthaltsbestimmungsrecht für den Kläger zu 2) hat, nicht weiter nachgegangen zu werden. Die gegen eine (mittelbare) Zurechnung des Fehlverhaltens des Herrn N auf die Klägerin zu 1) dargelegten Einwände, gelten für den Kläger zu 2) in besonderem Maße. Über den Gesichtspunkt des personenbezogenen Charakters der Sanktion hinaus, wäre der Kläger zu 2) nicht einmal nach den Wertungen des § 9 Abs. 2 SGB II für einen dem Herrn N zugerechneten Bedarf einstandspflichtig.

Gehören minderjährige Kinder der Bedarfsgemeinschaft an, widerspricht die Unterde-ckung der KdU durch Anrechnung eines fiktiven Kopfanteils aber auch deren besonderem Bedarf (vgl. auch Wolf/Diehm SozSich 2006, 195) und dem in § 1 Abs. 1 S 4 Nr. 4 SGB II niedergelegten Grundsatz familiengerechter Hilfe (LSG NRW, a.a.O., Rn. 31). Danach sind die Leistungen insbesondere auf die Berücksichtigung der familienspezifischen Le-bensverhältnisse von erwerbsfähigen Hilfebedürftigen, die Kinder erziehen oder pflegebe-dürftige Angehörige betreuen, auszurichten. Obgleich mit dieser Regelung in erster Linie Rücksicht auf Verpflichtungen und Einschränkungen des Erwerbsfähigen wegen der Kin-dererziehung oder der Pflege von Angehörigen genommen werden soll (vgl. BT-Drucks. 15/1516, S. 50 zu § 1, letzter Satz) und eine dem § 25 Abs. 3 Bundesozialhilfegesetz (BSHG) über den Schutz der unterhaltsberechtigten Angehörigen und anderer Mitglieder der Haushaltsgemeinschaft bzw. dem § 16 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch – Sozialhilfe - SGB XII (vormals: § 7 BSHG) über familiengerechte Leistungen vergleichbare Regelung nicht ausdrücklich in das SGB II aufgenommen wurde, so erlaubt es der offene Wortlaut dennoch, die finalprogrammatische Zielsetzung in § 1 Abs. 1 Satz 4 Nr. Nr. 4 SGB II im Lichte des verfassungsrechtlich garantierten besonderen Schutzes der Familie (Art. 6 Abs. 1 Grundgesetz - vgl. zu einem Konflikt des Kopfteilprinzips mit Art, 6 GG: LSG NRW Be-schluss vom 22.05.2012 - L 19 AS 1855/11 B, juris, Rn. 13) auszulegen. Danach muss auch im Falle der rechtmäßigen Sanktionierung des Fehlverhaltens eines erwerbsfähigen Hilfebedürftigen nach § 31 Abs. 5 S. 2 SGB II der Wegfall des ihn betreffenden Mietan-teils über § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II (bei drohender Wohnungslosigkeit über § 22 Abs. 5 SGB II) korrigiert werden (so LSG Nds-Bremen Beschl. vom 08.07.2009 - L 6 AS 335/09 B ER – juris, Rn 11).

Für eine Abweichung vom Kopfteilprinzip bei der Betroffenheit minderjähriger Kinder durch eine vollständige Sanktion eines Mitgliedes der Bedarfsgemeinschaft spricht ferner die in § 31 a Abs. 3 SGB II zum Ausdruck gebrachte gesetzgeberische Wertung. Während der Leistungsträger grds. bei einer Minderung des Arbeitslosengeldes II um mehr als 30 Pro-zent des nach § 20 maßgeblichen Regelbedarfes - und nur auf Antrag – ergänzende Sachleistungen oder geldwerte Leistungen erbringen kann, hat er dies zu unternehmen, wenn der sanktionierte Leistungsberechtigte mit minderjährigen Kindern in einem Haushalt lebt. Die antragunabhängige Erbringung ergänzender Leistungen in Fällen, in denen minderjährige Kinder in der Bedarfs- oder auch nur Haushaltsgemeinschaft leben, greift den in § 1 Abs. 2 S. 4 SGB II normierten und in § 26 Abs. 1 S. 2 SGB XII ausgeformten Grundsatz familiengerechter Hilfe auf (dazu BVerwG, Urteil vom 31.01.1968 – V C 109.66). Durch das Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zwei-ten und des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (zum Teil rückwirkend zum 01.01.2011 in Kraft getreten) ist die bis anhin geltende Regelpflicht zur bindenden Verpflichtung ausge-staltet worden. Dieser Pflicht korrespondiert ein entsprechender Anspruch dem Grunde nach, der sich auf alle von § 19 Abs. 1 SGB II erfassten Leistungen erstreckt. Hierdurch soll gerade das Existenzminimum von minderjährigen Kindern besonders gesichert wer-den, die ohne ihr eigenes Zutun Gefahr laufen, von den Leistungskürzungen eines Mit-gliedes der Bedarfsgemeinschaft mitbetroffen zu werden (BT-Drs. 17/3404, S. 112). Der Vermeidung dieser Gefahr räumt der Gesetzgeber den Vorrang vor einer unausweichli-chen Abmilderung der Sanktionsfolgen für den Sanktionierten ein (vgl. Berlit, in: Münder, LPK-SGBII, 5. Aufl. 2013, § 31a, Rn. 50). Dies gilt in besonderem Maße auch für die Si-cherung des Grundbedürfnisses "Wohnen", dessen herausragende Bedeutung der Ge-setzgeber etwa in § 31a Abs. 1 S. 1, Abs. 3 S. 3 SGB II zum Ausdruck bringt. Die Vermei-dung eines Schuldenaufbaus im Bereich der Mietkosten als Sanktionsfolge zur Vermei-dung einer Obdachlosigkeit (BT-Drs. 17/3404, S. 112) ist dem Gesetzgeber ein klar er-kennbares Anliegen. Der Auffassung folgend, dass Ergänzungsleistungen auch dann zu gewähren sind, wenn nur ein minderjähriges Kind im Haushalt lebt (SG Berlin, Urteil vom 13.11.2012 - S 63 AS 2351/12; Sonnhoff in: jurisPK-SGB II, 3. Aufl. 2012, § 31a, Rn. 49.2; offenbar auch: BSG, Urteil vom 23. Mai 2013 – B 4 AS 67/12 R –, BSGE 113, 270-277, SozR 4-4200 § 22 Nr 68, SozR 4-4200 § 31 Nr. 7, Rn. 22), hat es der Beklagte rechtswidrig unterlassen, zugleich mit den bestandskräftigen Sanktionierungen des Herrn N eine Regelung nach § 31a Abs. 3 S. 2 SGB II zu treffen (vgl. BSG a.a.O; LSG NRW, Beschluss vom 22. August 2011 – L 19 AS 1299/11 B ER – juris Rn. 13; Knickrehm/Hahn, in: Eicher, SGB II, 3. Aufl. 2013, § 31a, Rn. 41) und dadurch die entstandene Gefährdung des existenzsichernden Minimums des Klägers zu 2) mitverursacht. Die Besonderheiten des vorliegenden Einzelfalles sprechen danach gerade für eine Abweichung vom Kopfteil-prinzip.

5. Hiernach haben die Kläger einen Anspruch auf Leistungen der Kosten der Unterkunft und Heizung für die im streitgegenständlichen Zeitraum bewohnte Wohnung in tatsächli-cher Höhe. Die Angemessenheit der Wohnkosten für einen drei Personen Haushalt ist nicht streitig. Die Bruttokaltmiete von 409,23 EUR monatlich wäre ohnedies sogar für einen Zwei-Personen Haushalt angemessen. In Ermangelung eines sog. "schlüssigen Konzep-tes" des Beklagten (vgl. SG Aachen, Urteil vom 24.06.2014 - S 14 AS 846/12) ist auf die Werte zu § 12 Wohngeldgesetz zurückzugreifen und auf diese ein Sicherheitsaufschlag von 10 % vorzunehmen (BSG, Urteil vom 12. Dezember 2013 – B 4 AS 87/12 R –, SozR 4-4200 § 22 Nr. 73). Ausgehend von Mietstufe 3 für Wegberg, läge schon bei einem Zwei-Personenhaushalt die Angemessenheitsgrenze bei 442,20 EUR. Für die Monate, in denen ein Drittel der Wohnkosten aufgrund der Sanktionierungen des Herrn N ungedeckt geblieben sind, ist bei der entsprechenden Erhöhung des Anspruches der Kläger nach Auffassung der Kammer wiederrum aus Gründen der Praktikabilität und zurückkehrend zu dem Grundsatzgedenken, dass in aller Regel eine an der unterschiedlichen Intensität der Nut-zung ausgerichtete Aufteilung der Aufwendungen für die Erfüllung des Grundbedürfnisses Wohnen nicht möglich ist, eine gleichmäßige Verteilung nach Kopfteilen vorzunehmen. Im Zeitraum von Januar bis Mai 2014 war zu berücksichtigen, dass Herrn N trotz vollständi-ger Sanktionierung (versehentlich) tatsächlich Leistungen bewilligt worden sind (vgl. zu-sammenfassend den Widerspruchsbescheid vom 30.09.2013 Nr. 625/14, S. 4). Es muss-te davon ausgegangen werden, dass die tatsächlich ausgezahlten Leistungen dem ent-sprachen. Dass diese Leistungen – trotz einer fehlenden Bedarfszuordnung - zu einer entsprechenden Verringerung des Nachzahlungsanspruches der Kläger führt bzw. im Mo-nat Februar 2014 einen Anspruch entfallen lässt, ist nicht weiter auszuführen. Die Kläger haben ihren Klageantrag nach den Darlegungen der Kammer in der mündlichen Verhand-lung entsprechend gefasst. Nach dem Grundsatz ne ultra petita kam das Zusprechen hö-herer Leistungen insofern ohnehin nicht in Betracht.

IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

V. Die Berufungsfähigkeit folgt aus 143, 144 Abs. 1 SGG.
Rechtskraft
Aus
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