S 11 AS 169/15 ER

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Aachen (NRW)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
11
1. Instanz
SG Aachen (NRW)
Aktenzeichen
S 11 AS 169/15 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, der Antragstellerin für den Zeitraum vom 04.03.2015 bis einschließlich 30.04.2015 den aktuellen Regelbedarfs zu bewilligen. Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt. Der Antragsgegner trägt die außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin dem Grunde nach zu ½.

Gründe:

I.

Die am 00.00.00 geborene Antragstellerin ist österreichische Staatsbürgerin. In der Vergangenheit hatte sie vom Antragsgegner bereits Leistungen nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuches – Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II) erhalten. Im April 2013 ist sie in das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland eingereist. Nach eigenen Angaben habe sie noch in Österreich eine Stelle bei einem Hotel in E. gefunden. Dort angekommen habe sich die Stelle nicht realisiert. Sie habe 18 Jahre Erfahrung in der Gastronomie.

Sie wohnte dann zunächst in einer Tagespension in der Ostraße in B. Von dort sei sie zu einer Bekannten nach V. gezogen, wo sie zwei Monate gewohnt habe. Nachdem sie dort ausgezogen sei habe sie bei Freunden in B. gewohnt. Einer habe ihr eine Wohnung auf dem Bweg vermittelt. Dort sei sie ausgezogen, weil sie von ihrem Vermieter mit einem Messer bedroht worden sei. Im Anschluss habe ihre Vermieterin, die sie bereits seit Längerem aus dem Internet kenne, eine Wohnung in der B Straße 00 in Be. angeboten. Die Vermieterin ist Frau D. N. Diese zeichnet auch verantwortlich für den Inhalt der Internetseite der "Bar Q" (http://www.bar-Q.de/impressum.htm). Ausweislich der entsprechenden Internetpräsens handelt es sich bei der "Bar Q" offensichtlich um ein Etablissement in dem gegen Entgelt auch sexuelle Dienstleistungen angeboten werden. Die Adresse der "Bar Q" lautet ebenfalls B. Straße 121 in Be. Im Rahmen des Verwaltungsverfahrens ging eine anonyme Anzeige bei dem Antragsgegner ein, wonach die Antragstellerin als Prostituierte arbeite und sich damit brüste, dass sie aus dieser Tätigkeit erhebliches Einkommen erziele und der Antragsgegner ihr nicht auf die Schliche kommen könne.

Nach eigenen Angaben arbeitete die Antragstellerin im Juni- Juli 2013 als Helferin in einer N.Filiale in B. Dort sei sie nach eigenen Angaben weder gemeldet gewesen, noch habe sie ihr Gehalt erhalten. Sie habe auch ein einer Frittenbude gearbeitet. Dort sei ihr gekündigt worden, nachdem sie ihre Chefin beschimpft habe, die ihr stets zu viele Aufgaben gleichzeitig übertragen habe, was nicht zu schaffen gewesen sei. Sie habe auch bei zwei Hotels probe gearbeitet, zum einen beim J-Hotel am Bahnhof in B., welches gegenüber der E. begelegen sei und beim J-Hotel am T. in B. Von dort habe aber auch auf Nachfragen keiner mehr reagiert. Zudem habe sie in einem "Döner-Imbiss" neben ihrer Wohnung auf dem Bweg drei Tage gearbeitet, sei dort von dem Inhaber aber unsittlich berührt worden. Die Ausländerbehörde habe ihr schriftlich eine Frist bis zum 22.1.2015 gesetzt, eine Arbeit nachzuweisen, anderenfalls würde sie ausgewiesen. Dorthin habe sie nun den Arbeitsvertrag mit der L GmbH zur Kenntnis gebracht. Das Ausländeramt habe sich bislang nicht mehr gemeldet. Sie habe nämlich am 01.01.2015 einen Vertrag über eine Tätigkeit bei der L angeschlossen. Die Firma gehöre dem Lebensgefährten ihrer Vermieterin, einem Herrn P. Herr P. und sie hätten den Arbeitsvertrag in ihrer Wohnung unterzeichnet. Die Vermieterin und Herr P. wohnten im selben Haus.

Am 30.01.2015 stellte die Klägerin einen Antrag auf Weiterbewilligung von Leistungen.

In diesem Rahmen legte die Antragstellerin auch den Arbeitsvertrag mit L vor, wonach sie wöchentlich 2,5 Stunden als Bürohilfe für einen Monatslohn von 95,00 EUR arbeitet. Nach Feststellungen in der Verwaltungsakte gab die Antragstellerin zudem telefonisch an, seit dem 18.04.2015 sei eine Erhöhung in Aussicht. Es gehe um 25 Stunden die Woche für 350,00 EUR netto.

Mit Bescheid vom 02.03.2015 lehnte der Antragsgegner die Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II mit der Begründung ab, die Klägerin habe ein Aufenthaltsrecht in der Bundesrepublik Deutschland allein zum Zwecke der Arbeitssuche. Vor diesem Hintergrund sei sie nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II vom Bezug von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen. Die Tätigkeit bei der Firma L GmbH mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 2,5 h begründe keine Arbeitnehmerstatus im Sinne des EU-Rechts.

Am 04.03.2015 hat die Antragstellerin einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt. Sie habe keine Mittel mehr. Die Angelegenheit sei dringend.

Sie beantragt sinngemäß,

den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihr Leistungen nach dem SGB II in gesetzlicher Höhe zu bewilligen.

Der Antragsgegner beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Das Gericht hat bei der Antragsstellerin hinsichtlich der Art und des Umfangs der Tätigkeit um Erläuterung gebeten. Darüber hinaus hat es um Vorlage des entsprechenden Arbeitsvertrags gebeten. Die Einkommensbescheinigungen hat die Antragstellerin am 09.03.2014 vorgelegt. Weitere Angaben hat sie zur Tätigkeit nicht gemacht.

Am 13.03.2015 hat der Ermittlungsdienst des Antragsgegners die Antragstellerin zu Hause aufgesucht und diese auch hinsichtlich des Verdachts befragt, dass diese in der Bar Q arbeite. Die Antragstellerin hat dies verneint, was von den Mitarbeitern des Antragsgegners als glaubwürdig eingestuft worden ist. Sie hat gegenüber den Mitarbeitern auch angegeben, dass sie als Bürohilfe bei L arbeite.

Am 20.03.2015 hat ein Erörterungstermin stattgefunden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands, insbesondere des Ergebnisses des Erörterungstermins, wird auf die Gerichtsakte sowie die beigezogene Verwaltungsakte Bezug genommen.

II.

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist teilweise begründet.

Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt das Bestehen eines Anordnungsanspruches (d. h. eines materiellen Anspruchs, für den vorläufiger Rechtsschutz begehrt wird) sowie das Vorliegen des Anordnungsgrundes (d.h. der Unzumutbarkeit, bei Abwägung aller betroffenen Interessen die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten) voraus. Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund bzw. die besondere Eilbedürftigkeit sind glaubhaft zu machen (§ 86 Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung - ZPO -). Zwar ist auch im einstweiligen Rechtsschutz die Sach- und Rechtslage durch die Gerichte grundsätzlich abschließend zu prüfen. Ist dies aber nicht abschließend möglich, ist - entsprechend der Maßgaben des Bundesverfassungsgerichts - auf der Grundlage einer Folgenabwägung zu entscheiden (Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 12.05.2005, 1 BvR 569/05, Breith. 2005, 803 ff. m.w.N.). Hierbei ist stets die prozessuale Funktion des einstweiligen Rechtsschutzes zu beachten, die vor dem Hintergrund des Artikels 19 Abs. 4 Grundgesetz (GG) darin besteht, in dringenden Fällen effektiven Rechtsschutz zu gewährleisten. Dies sind solche Fällen, in denen die Entscheidung im - grundsätzlich vorrangigen - Verfahren der Hauptsache zu spät käme, weil ohne sie schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Nachteile entstünden, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (Bundesverfassungsgericht, a.a.O.; Beschluss vom 22.11.2002, 1 BvR 1582/02; vgl. auch Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 30.04.2007, L 28 B 429/07 AS ER).

1. Die Antragstellerin hat einen Anordnungsgrund hinsichtlich der Übernahme der Kosten für Unterkunft und Heizung nach § 22 SGB II nicht glaubhaft gemacht. Ein solcher kann nur bejaht werden, wenn der Antragstellerin schwere und unzumutbare Nachteile drohen, die durch die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr revidiert werden können. Ein Anordnungsgrund für die einstweilige Verpflichtung des Antragsgegners zur Erbringung von Leistungen für Unterkunft und Heizung nach § 22 SGB II ist nicht glaubhaft gemacht, weil die Unterkunft der Antragstellerin aktuell nicht gefährdet ist. Eine solche Gefährdung ist in der Regel frühestens ab Zustellung einer Räumungsklage anzunehmen. Nach Erhebung und Zustellung der Räumungsklage bleiben noch zwei Monate Zeit, den Verlust der Wohnung abzuwenden. Nach § 569 Abs. 3 Nr. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) wird die auf Mietrückstände gestützte Kündigung unwirksam, wenn der Vermieter spätestens bis zum Ablauf von zwei Monaten nach Eintritt der Rechtshängigkeit des Räumungsanspruches hinsichtlich der fälligen Miete und der fälligen Entschädigung nach § 546a Abs. 1 BGB befriedigt wird oder sich eine öffentliche Stelle zur Befriedigung verpflichtet (vgl. LSG NRW Beschluss vom 19.07.2013 – L 19 AS 942/13 B ER = juris Rn. 17; LSG NRW, Beschluss vom 29.06.2012 - L 19 AS 973/12 B ER = juris Rn. 19; LSG NRW, Beschluss vom 02.03.2012 – L 19 AS 163/12 B ER = juris; LSG NRW, Beschluss vom 04.09.2009 – L 12 B 69/09 AS ER = juris Rn. 4 m.w.N.; LSG NRW Beschluss vom 17.02.2015 – L 12 AS 47/15 ER = juris; a.A. LSG NRW, Beschluss vom 29.01.2015 – L 6 AS 2085/14 B ER = juris, wo – in Abkehr von der früheren Rechtsprechung nunmehr eine Einzelfallbetrachtung gefordert; vgl. auch Piepenstock in: jurisPK-SGB II, 3. Aufl. 2012, § 22 Rn. 208). Im vorliegenden Fall ist eine Räumungsklage betreffend die Wohnung weder ersichtlich noch wird sie derzeit konkret behauptet. Es sind überdies auch keine besonderen Gründe des Einzelfalls ersichtlich, die hier einen Anordnungsgrund für die Übernahme der Kosten der Unterkunft darstellen könnten.

2. Hinsichtlich der Regelleistung hat die Antragstellerin demgegenüber einen – unter Berücksichtigung der geltenden Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Notwendigkeit einer Folgenabwägung in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes - Anordnungsgrund und einen Anordnungsanspruch ab dem 04.03.2015 glaubhaft gemacht.

Der Ablehnungsbescheid vom 02.03.2015 ist noch nicht bestandskräftig und damit für das Gericht und Beteiligten noch nicht bindend. Mit der Stellung des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung hat die Antragstellerin zum Ausdruck gebracht, dass sie mit der im Bescheid getroffenen Regelung nicht einverstanden ist. Der Antragsgegner dürfte vor diesem Hintergrund zu erwägen haben, ob er den Antrag vor diesem Hintergrund (auch) als Widerspruch gegen den Bescheid auffasst.

Eine Bewilligung von Leistungen im Wege der einstweiligen Anordnung für Zeiten vor Antragstellung bei Gericht scheidet vorliegend mangels Anordnungsgrundes aber aus (vgl. Bayerisches LSG, Beschluss vom 16.07.2012 - L 11 AS 323/12 B ER = juris Rn. 17; Sächsisches LSG, Beschluss vom 31.01.2008 - L 3 B 465/07 AS-ER = juris Rn. 29).

Im Übrigen erfüllt die 32jähirge Antragstellerin zweifellos die Altersgrenzen des § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB II. Darüber hinaus finden sich keine Anhaltspunkte dafür, dass sie gesundheitlich nicht erwerbsfähig im Sinne des § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 i.V.m. § 8 SGB II wäre. Der Antragstellerin ist als österreichischer Staatsbürgerin die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit in Deutschland auch grundsätzlich erlaubt. Das Gericht geht nach dem Vortrag der Antragstellerin zudem davon aus, dass sie nicht über Einkommen oder berücksichtigungsfähiges Vermögen verfügt. Die Antragsteller hat überdies auch ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland glaubhaft gemacht, vgl. § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB II. Nach im einstweiligen Rechtsschutz gebotener summarischer Prüfung ist fraglich, ob § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II der Gewährung von Leistungen entgegen steht. Die Regelung des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II scheidet tatbestandlich schon dann aus, wenn der Hilfebedürftige selbständig oder als Arbeitnehmerin tätig ist und vor diesem Hintergrund ein Aufenthaltsrecht aus § 2 Abs. 2 Nr. 1 des Gesetzes über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern (Freizügigkeitsgesetz/EU - FreizügG/EU) hat. Sie setzt vielmehr voraus. Dass er sich allein zum Zweck der Arbeitsuche im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland aufhält. Denn nur in diesem Fall greift der Tatbestand des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II ein.

Anhaltspunkte für eine Selbständigkeit sind nicht gegeben. Es fragt sich vor diesem Hintergrund, ob die Tätigkeit der Antragstellerin bei der MBO mit einem wöchentlichen Umfang von derzeit 2,5 Stunden und einem monatlichen Entgelt von 95,00 EUR, eine Arbeitnehmereigenschaft im gemeinschaftsrechtlichen Sinne begründen könnte.

Eine gelungene Übersicht zur Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshof zum Begriff der Arbeitnehmers enthält der Beschluss der 14. Kammer des Sozialgerichts Aachen vom 17.02.2015 (S 14 AS 85/15 ER). Darin heißt es:

"Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes, ist der insoweit maßgebliche Arbeitnehmerbegriff i.S. des Art. 45 AEUV (Arbeitnehmerfreizügigkeit) ein autonomer Begriff des Unionsrechts, der nicht eng ausgelegt werden darf (EuGH, Urteil vom 21. Februar 2014 - C-46/12 - Rechtssache L.N., juris Rn. 39 m.w.N.). Das wesentliche Merkmal des Arbeitsverhältnisses besteht darin, dass eine Person während einer bestimmten Zeit für eine andere nach deren Weisung Leistungen erbringt, für die sie als Gegenleistung eine Vergütung erhält. Die beschränkte Höhe dieser Vergütung oder der Umstand, dass sie nur eine geringe Anzahl von Wochenstunden Arbeit leistet, schließen es nicht aus, dass eine Person als Arbeitnehmer i.S. des Art. 45 AEUV anerkannt wird. Allerdings ist für die Qualifizierung als Arbeitnehmer erforderlich, dass eine Person eine tatsächliche und echte Tätigkeit ausübt, die keinen so geringen Umfang hat, dass sie sich als vollständig untergeordnet und unwesentlich darstellt (EuGH, a.a.O., Rn. 40-42). Die Prüfung der Arbeitnehmereigenschaft erfordert eine Gesamtbeurteilung aller Umstände des Einzelfalles (EuGH, a.a.O., Rn. 43). Das Bestehen von Urlaubsansprüchen und Regelungen zur Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall oder die Anwendung von Tarifverträgen sprechen allerdings für die Annahme der Arbeitnehmereigenschaft i.S. des Art. 45 AEUV (EuGH, Urteil vom 4. Februar 2010 - C-14/09 - Rechtssache Genc).

Diese Maßgaben konkretisierend muss die Vergütung in einem Arbeitsverhältnis nicht unterhaltssichernd sein (EuGH, Urteil vom 3. Juni 1986 - C-139/85 - Rechtssache Kempf; Urteil vom 4. Februar 2010 - C-14/09 - Rechtssache Genc), sie darf aber nicht nur symbolischen Charakter haben. Die Gewährung von Kost und Logis kann ausreichen, wenn dieses im Verhältnis zu Art und Umfang der Tätigkeit nicht völlig unangemessen ist (EuGH, Urteil vom 5. Oktober 1988 - C-196/87 - Rechtssache van State - Hausmeistertätigkeit; Urteil vom 24. Januar 2008 - C-294/06 - Au-Pair mit zusätzlicher Vergütung von ca. 103 EUR je Monat). Ein langjähriger Bestand des Arbeitsverhältnisses ist ein Indiz für die Annahme der Arbeitnehmereigenschaft (EuGH, Urteil vom 4. Februar 2010 - C-14/09 - Rechtssache Genc - Raumpflegerin über einen Zeitraum von fast vier Jahren), aber auch Beschäftigungen von kurzer Dauer unterfallen dem Anwendungsbereich des Art. 45 AEUV (vgl. EuGH, Urteil vom 4. Juni 2009 -C-22/08 und C-23/08 - Rechtssache Vatsouras/Koupatanze - sieben Wochen; EuGH, Urteil vom 6. November 2003 - C-413/01 - Rechtssache Ninni-Orasche - zweieinhalb Monate als Kellnerin). Ab einer Arbeitsstundenzahl von zehn Wochenstunden ist in aller Regel von einem Arbeitsverhältnis auszugehen (vgl. EuGH, Urteil vom 14. Dezember 1995 - C-444/93 - Rechtssache Mengner und Scheffel - Raumpflegerin mit bis zu zwei Stunden je Werktag; Urteil vom 13. Juli 1989 - C-171/88 - Rechtssache Rinner-Kühn; Urteil vom 3. Juni 1986 - C-139/85 - Rechtssache Kempf - Musiklehrer mit zwölf Wochenstunden; Urteil vom 3. Juli 1986 - C-66/85 - Rechtssache Lawrie-Blum - Studienreferendarin mit bis zu elf Wochenstunden). "Sehr wenige Stunden" sind ein Anhaltspunkt für eine nur untergeordnete und unwesentliche Tätigkeit (EuGH, Urteil vom 26. Februar 1992 - C-357/89 - Rechtssache Raulin), wobei auch bei 5,5 Wochenstunden und einem Monatslohn von 175,00 EUR im Rahmen einer Gesamtbetrachtung den nationalen Stellen möglich bleiben soll, dem Beschäftigten die Arbeitnehmerschaft zuzuerkennen (EuGH, Urteil vom 4. Februar 2010 - C-14/09 - Rechtssache Genc.)

Den Entscheidungen des Gerichtshofs der Europäischen Union lässt sich danach keine bestimmte Grenze in Bezug auf Einkommen und Arbeitszeit entnehmen, unterhalb derer die Arbeitnehmereigenschaft verneint werden muss. Der EuGH hat deutlich gemacht, dass eine vorzunehmende Würdigung der Gesamtumstände letztlich den Gerichten der Mitgliedstaaten vorbehalten bleibt (EuGH a.a.O.).

In der nationalen Rechtsprechung (bezugnehmend auf die Entscheidung des EuGH in der Rechtssache Genc: Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 22. Mai 2012 – L 6 AS 412/12 B ER, L 6 AS 413/12 B –, juris) finden sich einzelne Entscheidungen zu der Frage, unter welchen Voraussetzungen eine unionsrechtliche Arbeitnehmereigenschaft begründet wird. Das OVG Bremen hat zur Arbeitnehmerfreizügigkeit nach dem Gesetz über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern, allerdings ohne weitere Begründung oder Gesamtbetrachtung, eine geringfügige Beschäftigung als ausreichend angesehen, obwohl das Arbeitsverhältnis zunächst nur 5 ½ Wochenstunden, später 36 Monatsstunden, sowie ein Entgelt von erst 154 Euro und danach 252 Euro beinhaltete (OVG Bremen, Urteil vom 28. September 2010 – 1 A 116/09 -, juris Rn. 35 = InfAuslR 2011, 2 ff.). Das OVG Berlin-Brandenburg, (Urteil vom 30. März 2011 – OVG 12 B 15.10) hat eine Wochenarbeitszeit von 5,5 Stunden und einen Lohn von 175 EUR als gerade noch ausreichend angesehen. Das Bundessozialgericht hat einer Wochenarbeitszeit von 7,5 Stunden und einem Monatsverdienst von lediglich 100,- EUR keine der Arbeitnehmereigenschaft entgegenstehende Bedeutung beigemessen (BSG, Urteil vom 19. Oktober 2010 – B 14 AS 23/10 R; vgl. auch: SG Frankfurt, Beschluss vom 13. Juni 2014 – S 32 AS 620/14 ER –, Rn. 29, juris), das LSG Niedersachsen Bremen unter Gewichtung weiterer Einzelfallumstände eine tatsächliche Beschäftigung über drei Monate mit einer faktischen Arbeitszeit von 30 Stunden im ersten und jeweils rund 7 Stunden im zweiten und dritten Monat als ausreichend erachtet (Beschluss vom 11.11.2014 – L 8 SO 306/14 B ER, juris; ähnlich: Hessisches Landessozialgericht, Beschluss vom 07. Januar 2015 – L 6 AS 815/14 B ER –, Rn. 10, juris), eine wöchentliche Arbeitszeit von 2,95 Stunden an einem Tag in der Woche und einem Verdienst zwischen 110,88 EUR und 114,79 EUR monatlich begründe keine Arbeitnehmereigenschaft (Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 24. Juli 2014 – L 15 AS 202/14 B ER –, juris)".

Die Kammer nimmt auf diese Ausführungen Bezug und macht sie sich zu eigen. Sie verweist überdies auf die Entscheidung des LSG Berlin-Brandenburg vom 17.02.2015 (L 31 AS 3100/14 B ER, L 31 AS 60/15 B ER PKH), wonach eine Tätigkeit für 5 Stunden die Woche bei einem monatlichen Verdienst von 150,00 EUR brutto, keine freizügigkeitsrechtliche Arbeitnehmereigenschaft begründet (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, a.a.O = juris Rn. 9 f.).

Unter Berücksichtigung dieser Vorgaben geht auch die Kammer – zusammen mit dem Antragsgegner - davon aus, dass die von der Antragstellerin gegenüber dem Gericht angegebene Tätigkeit beim L eine Arbeitnehmereigenschaft nicht begründet. Die Kammer ist vielmehr nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme davon überzeugt, dass die derzeit ausgeübte Tätigkeit letztlich einer Verbindung zwischen der Vermieterin und der Antragstellerin geschuldet ist. Die Antragstellerin brauchte eine Arbeit, um der drohenden Abschiebung zu entgehen. In diesem Zusammenhang ist die Vermieterin, bzw. ihr Lebensgefährte, eingesprungen. Dass die Vermieterin mit der L – wie die Antragstellerin angibt – nichts zu tun hat, erscheint fraglich, wird doch ein D. N als Geschäftsführer im Schreiben der L an das Gericht genannt, Der Prokurist der Firma ist dann der von der Antragstellerin benannte Herr P, der von der Antragstellein auch als "der H" bezeichnet wird, woraus die Kammer schließt, dass auch insoweit durchaus eine nähere Bekanntschaft besteht.

Dass es sich hier eher um eine Gefälligkeit zwischen Bekannten handelt, schließt die Kammer aus Folgendem:

Die Antragstellerin hat selbst angegeben, von Computern keine Ahnung zu haben. Sie habe Erfahrung in der Gastronomie. Nach eigenem Bekunden übernehme sie alle 14 Tage 2 h Stunden die Pflege der Email-Korrespondenz. Sie schaue den Email Posteingang des Tages durch und schreibe dabei etwaige Anfragen mit dem Stift heraus und lege diese ihrem Chef, dem Herrn P, vor. Im Wechsel dazu putze sie dort. Die Kammer kann schon die angebliche Tätigkeit am Computer kaum glauben. Aus welchem Grund Emails abgeschrieben werden sollen, statt maßgebliche Emails einfach auszudrucken und vorzulegen, erschließt sich dem Kammervorsitzenden – auch nach mehrmaligen Versuchen, die Sinnhaftigkeit dieses Vorgehens von der Antragstellerin zu erfragen – nicht. Dass es hier tatsächlich zu den benannten Arbeiten kommt ist auch deshalb fraglich, weil sich die Angaben der Antragstellerin zu ihrer Tätigkeit (Putzen/Computer) und der Arbeitszeit (11.00 Uhr bis 13.30 Uhr) von der Bestätigung des Herrn P der L erheblich unterscheiden (einfache Ablage, 10.00 Uhr bis 12.30 Uhr). Für diese Tätigkeit soll die Antragstellerin 95,00 EUR bei 2,5 Stunden die Woche erhalten. Dies sind bei Monaten mit 4 Wochen also 10 Stunden im Monat, bei fünf Wochen 12,5 Stunden im Monat. Der Stundenlohn beläuft sich hierbei also auf mindestens 7,60 EUR/Stunde, in Monaten mit 4 Wochen gar 9,50 EUR, durchschnittlich 8,83 EUR. Hierbei ist freilich zu berücksichtigen, dass die Antragstellerin nach eigenen Angaben keinerlei Erfahrung im Büro, ja nicht einmal mit einem Computer hat. Die Antragstellerin ist – wie sie im Erörterungstermin zu verstehen gegeben hat - der Auffassung 100,00 EUR sei das, "was man dazuverdienen könne". Insofern passt die Höhe des Arbeitsentgelts auch gut. Dies erscheint der Kammer deshalb bemerkenswert, weil die Antragstellerin angibt, im April solle es – sofern sie sich bewähre – zu einer Aufstockung der Arbeitszeit kommen. Im Rahmen des Erörterungstermins sprach die Antragstellerin nunmehr von bis zu 15 Stunden die Wochen. Es solle aber bei einer geringfügigen Beschäftigung bleiben, da ihr Arbeitgeber nicht mehr sozialversicherungspflichtig einstellen könne. Im Gespräch gewesen sei ein Einkommen von 250,00 EUR. Dies ergäbe bei vier Wochen einen Stundenlohn von 4,17 EUR, selbst wenn 450,00 EUR gezahlt würden – was die Antragstellerin aber nicht angegeben hat – wäre der Stundenlohn bei vier Wochen 7,50 EUR. Unabhängig von der Frage eines Mindestlohns ist es für die Kammer nicht verständlich, aus welchen ökonomischen Gründen ein Arbeitgeber, einer Person, die keine Erfahrung hat, zum Einstieg einen höheren Stundenlohn zahlen sollte, als später, wenn sich diese bewährt hat und eingearbeitet ist. Dies macht für die Kammer zum einen vor dem Hintergrund der übrigen Gesamtumstände (nahe, nach eigenen Angaben länger bestehende, Bekanntschaft zur Vermieterin und auch zum Arbeitgeber, Frist zur Aufnahme einer Arbeit bei drohender Ausreisepflicht) deutlich, dass es sich hier um ein Gefälligkeitsverhältnis handelt, welchem faktisch kein wirtschaftliches Korrelat entgegensteht. Selbst wenn man davon ausginge, dass die Tätigkeit im vereinbarten Umfang erbracht wird, handelte es sich nach Auffassung der Kammer um eine völlig untergeordnete Tätigkeit, die auch nach der weiteren gemeinschaftsrechtlichen Auslegung des Arbeitnehmerbegriffs keine Arbeitnehmereigenschaft begründet. Nach alledem ist die Antragstellerin weder materiell als Arbeitnehmerin nach § 2 Abs. 2 Nr. 1 Alt. 1 FreizügG/EU noch als Selbständige nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 FreizügG/EU freizügigkeitsberechtigt. Sie ist auch nicht als Nicht-Erwerbstätiger nach § 2 Abs. 2 Nr. 5 iVm § 4 Satz 1 FreizügG/EU freizügigkeitsberechtigt, weil es ihr an ausreichenden Existenzmitteln fehlt. Ihr Aufenthaltsrecht kann sich damit allenfalls aus dem Zweck der Arbeitssuche (§ 2 Abs. 2 Nr. 1 Alt. 2 FreizügG/EU) ergeben. Damit kommt dem Grunde nach bei der Antragstellerin der Ausschluss nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II in Betracht. Die Frage, ob diese – vom nationalen Gesetzgeber erkennbar mit dem Willen, den dort genannten Personenkreis von Leistungen nach dem SGB II auszuschließen, eingefügte – Regelung nicht mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar ist, ist – auch nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshof in der Rechtssache Dano (EuGH, Urteil vom 11.11.2014 – C-333/13 =juris) weiter umstritten. Diese Entscheidung (Rechtssache Dano) betrifft nämlich im Tatsächlichen einen Fall, in dem die Antragstellerin nur eingeschränkt deutsch sprach, im Übrigen die Sprache nicht schreiben und auch nur eingeschränkt lesen konnte, keinen erlernten oder angelernten Beruf hat, weder in weder in Deutschland noch in Rumänien bislang erwerbsfähig war und überdies keinerlei Bemühungen um Arbeit entfaltet hatte (EuGH, a.a.O. = juris Rn. 39). Ganz so liegt der Fall hier nicht, da die Antragstellerin jedenfalls vorträgt, und – auch ausdrücklichen Hinweis, dass falsche Angaben gegenüber dem Gericht strafrechtlich relevant sein können – im Rahmen des Erörterungstermins wiederholt hat, dass sie in der Vergangenheit bereits immer wieder geringfügige Beschäftigungen ausgeübt hat, die auch über die nunmehr ausgeübte Tätigkeit hinausgingen. Ob dies tatsächlich der Fall war – Unterlagen darüber liegen, mit Ausnahme der Tätigkeit bei der Frittenbude, nicht vor – ist im einstweiligen Rechtsschutz nicht abschließend zu prüfen. Darüber hinaus behauptet die Antragstellerin auch, dass ihr eine Ausweitung der derzeitigen Tätigkeit in Aussicht gestellt worden sei. Ob dies tatsächlich der Fall ist, wird sich zeigen Derzeit scheint es nach obigen Ausführungen durchaus zweifelhaft. Insoweit kann und muss man vorliegend davon ausgehen, dass die Klägerin durchaus zum Zwecke der Arbeitssuche sich im Gebiet der Bundesrepublik aufhält, also genau der Tatbestand des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II erfüllt ist. Unter Berücksichtigung der Begründung im Urteil des EuGH vom 11.11.2014 (Rechtssache E) erscheint es der Kammer, dass der nationale Gesetzgeber gemeinschaftsrechtlich nicht an einem Leistungsausschluss in Gestalt des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II gehindert ist. Zwar betraf, wie oben dargelegt, der Fall eine andere Konstellation, es ist für die Kammer indes nicht erkennbar, aus welchem Grund die die Entscheidung tragenden Gründe im Fall einer Person, die sich nicht vollständig dem Arbeitsmarkt verschließt, aber lediglich solche Tätigkeiten ausübt, die den gemeinschaftsrechtlichen Arbeitnehmerstatus nicht begründen, nicht ebenfalls anwendbar sein sollten. In der Entscheidung heißt es:

"Nach Art. 24 Abs. 1 der Richtlinie 2004/38 genießt jeder Unionsbürger, der sich aufgrund dieser Richtlinie im Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaats aufhält, im Anwendungsbereich des Vertrags die gleiche Behandlung wie die Staatsangehörigen dieses Mitgliedstaats. Daraus folgt, dass ein Unionsbürger eine Gleichbehandlung mit den Staatsangehörigen des Aufnahmemitgliedstaats hinsichtlich des Zugangs zu Sozialleistungen wie den im Ausgangsverfahren in Rede stehenden nur verlangen kann, wenn sein Aufenthalt im Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaats die Voraussetzungen der Richtlinie 2004/38 erfüllt. Dabei beschränkt erstens Art. 6 der Richtlinie 2004/38 für Aufenthalte bis zu drei Monaten die für das Aufenthaltsrecht geltenden Bedingungen oder Formalitäten auf das Erfordernis des Besitzes eines gültigen Personalausweises oder Reisepasses, und nach Art. 14 Abs. 1 der Richtlinie besteht dieses Recht für Unionsbürger und ihre Familienangehörigen fort, solange sie die Sozialhilfeleistungen des Aufnahmemitgliedstaats nicht unangemessen in Anspruch nehmen (Urteil Ziolkowski und Szeja, C-424/10 und C-425/10, EU:C:2011:866, Rn. 39). Nach Art. 24 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38 ist der Aufnahmemitgliedstaat somit nicht verpflichtet, einem Staatsangehörigen eines anderen Mitgliedstaats oder seinen Familienangehörigen während des genannten Zeitraums einen Anspruch auf eine Sozialleistung einzuräumen. Zweitens ist bei einem Aufenthalt von mehr als drei Monaten die Ausübung des Aufenthaltsrechts von den in Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2004/38 genannten Voraussetzungen abhängig, und nach Art. 14 Abs. 2 der Richtlinie steht Unionsbürgern und ihren Familienangehörigen dieses Recht nur zu, solange sie diese Voraussetzungen erfüllen. Wie sich insbesondere aus dem zehnten Erwägungsgrund der Richtlinie ergibt, soll damit u. a. verhindert werden, dass diese Personen die Sozialhilfeleistungen des Aufnahmemitgliedstaats unangemessen in Anspruch nehmen (Urteil Ziolkowski und Szeja, EU:C:2011:866, Rn. 40). Drittens geht aus Art. 16 Abs. 1 der Richtlinie 2004/38 hervor, dass jeder Unionsbürger, der sich rechtmäßig fünf Jahre lang ununterbrochen im Aufnahmemitgliedstaat aufgehalten hat, das Recht hat, sich dort auf Dauer aufzuhalten, und dass dieses Recht nicht an die in der vorstehenden Randnummer genannten Voraussetzungen geknüpft ist. Wie im 18. Erwägungsgrund der Richtlinie ausgeführt wird, sollte das einmal erlangte Recht auf Daueraufenthalt, um ein wirksames Instrument für die Integration in die Gesellschaft dieses Staates darzustellen, keinen Bedingungen unterworfen werden (Urteil Ziolkowski und Szeja, EU:C:2011:866, Rn. 41).

Bei der Beurteilung, ob nicht erwerbstätige Unionsbürger in der Situation der Kläger des Ausgangsverfahrens, die sich länger als drei Monate, aber weniger als fünf Jahre im Aufnahmemitgliedstaat aufgehalten haben, hinsichtlich des Anspruchs auf Sozialleistungen eine Gleichbehandlung mit den Angehörigen des Aufnahmemitgliedstaats verlangen können, ist demnach zu prüfen, ob der Aufenthalt dieser Unionsbürger die Voraussetzungen des Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2004/38 erfüllt. Zu diesen Voraussetzungen gehört, dass der nicht erwerbstätige Unionsbürger für sich und seine Familienangehörigen über ausreichende Existenzmittel verfügt. Ließe man zu, dass Personen, denen kein Aufenthaltsrecht nach der Richtlinie 2004/38 zusteht, unter den gleichen Voraussetzungen wie Inländer Sozialleistungen beanspruchen könnten, liefe dies dem in ihrem zehnten Erwägungsgrund genannten Ziel zuwider, eine unangemessene Inanspruchnahme der Sozialhilfeleistungen des Aufnahmemitgliedstaats durch Unionsbürger, die Staatsangehörige anderer Mitgliedstaaten sind, zu verhindern. Überdies unterscheidet die Richtlinie 2004/38 hinsichtlich der Voraussetzung, über ausreichende Existenzmittel zu verfügen, zwischen erwerbstätigen und nicht erwerbstätigen Personen. Der erstgenannten Gruppe von Unionsbürgern, die sich im Aufnahmemitgliedstaat befinden, steht nach Art. 7 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2004/38 das Aufenthaltsrecht zu, ohne dass sie weitere Voraussetzungen erfüllen muss. Dagegen wird in Art. 7 Abs. 1 Buchst. b dieser Richtlinie von nicht erwerbstätigen Personen verlangt, dass sie über ausreichende eigene Existenzmittel verfügen. Somit ist festzustellen, dass Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2004/38 nicht erwerbstätige Unionsbürger daran hindern soll, das System der sozialen Sicherheit des Aufnahmemitgliedstaats zur Bestreitung ihres Lebensunterhalts in Anspruch zu nehmen.

Wie der Generalanwalt in den Nrn. 93 und 96 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, ist das eventuelle Vorliegen einer Ungleichbehandlung von Unionsbürgern, die von ihrem Recht auf Freizügigkeit und Aufenthalt Gebrauch gemacht haben, und Staatsangehörigen des Aufnahmemitgliedstaats bei der Gewährung von Sozialleistungen eine unvermeidliche Folge der Richtlinie 2004/38. Eine solche potenzielle Ungleichbehandlung beruht nämlich auf dem Verhältnis, das der Unionsgesetzgeber in Art. 7 dieser Richtlinie zwischen dem Erfordernis ausreichender Existenzmittel als Voraussetzung für den Aufenthalt und dem Bestreben, keine Belastung für die Sozialhilfesysteme der Mitgliedstaaten herbeizuführen, geschaffen hat. Ein Mitgliedstaat muss daher gemäß Art. 7 der Richtlinie 2004/38 die Möglichkeit haben, nicht erwerbstätigen Unionsbürgern, die von ihrer Freizügigkeit allein mit dem Ziel Gebrauch machen, in den Genuss der Sozialhilfe eines anderen Mitgliedstaats zu kommen, obwohl sie nicht über ausreichende Existenzmittel für die Beanspruchung eines Aufenthaltsrechts verfügen, Sozialleistungen zu versagen. Würde einem betroffenen Mitgliedstaat diese Möglichkeit genommen, hätte dies, wie der Generalanwalt in Nr. 106 seiner Schlussanträge festgestellt hat, zur Folge, dass Personen, die bei ihrer Ankunft im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats nicht über ausreichende Existenzmittel verfügen, um für ihren Lebensunterhalt aufzukommen, automatisch in den Genuss solcher Mittel kämen, und zwar durch die Gewährung einer besonderen beitragsunabhängigen Geldleistung, deren Ziel darin besteht, den Lebensunterhalt des Empfängers zu sichern. Folglich ist bei der Beurteilung, ob ein Unionsbürger über ausreichende Existenzmittel verfügt, um ein Aufenthaltsrecht nach Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2004/38 in Anspruch nehmen zu können, eine konkrete Prüfung der wirtschaftlichen Situation jedes Betroffenen vorzunehmen, ohne die beantragten Sozialleistungen zu berücksichtigen." Nach dem Verständnis der Kammer unterscheidet der EuGH mithin maßgeblich eben zwischen der – gemeinschaftsrechtlich zu bestimmenden – Erwerbstätigkeit bzw. nicht vorhandenen Erwerbstätigkeit. Wie oben ausgeführt ist die Antragstellerin vorliegend nicht erwerbstätig im Sinne des Gemeinschaftsrecht. Die Antragstellerin kann – dies ist bereits oben ebenfalls dargelegt worden – nicht in der Lage ihren Lebensunterhalt selbst sicherzustellen. Sie lebt auch nicht bereits mindestens fünf Jahre im Gebiet der Bundesrepublik. Nach dem Verständnis der Kammer dürfte vor diesem Hintergrund gemeinschaftsrechtlich die Vorschrift jedenfalls nicht zu beanstanden sein (in diesem Sinne auch LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 17.02.2015 – L 31 aS 3100/14 B ER, L 31 AS 60/15 B ER PKH = juris; LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 04.02.2015 – L 2 AS 14/15 B E = juris; Bayerisches LSG, Beschluss vom 14.01.2015 – L 11 AS 836/14 B ER = juris; LSG NRW, Beschluss vom 03.12.2014 – L 2 AS 1623/14 B ER = juris; L 12 AS 2209/14 B ER). Demgegenüber wird teilweise darauf verwiesen, die Entscheidung des EuGH in der Rechtssache Dano sei auf Fälle wie den vorliegenden nicht auszuweiten (in diesem Sinne wohl LSG NRW, Beschluss vom 29.01.2015 L 6 AS 2085/14 B ER, L 6 AS 2086/14 B = juris; LSG NRW, Beschluss vom 23.02.2015 – L 7 AS 29/15 B ER, L 7 AS 30/15 B = juris). In diesem Zusammenhang wird auf den Vorlagebeschluss des Bundessozialgerichts vom 12.12.2013 (B 4 AS 9/13 R) Bezug genommen. Das BSG hat zwischenzeitlich die Vorlagefrage 1 durch Beschluss vom 11.02.2015 (B 4 AS 9/13 R) für erledigt erklärt, da diese Frage durch das Urteil in der Rechtssache Dano entschieden sei. Die übrigen Fragen hält das Bundessozialgericht damit – anders als die derzeitige Sichtweise der Kammer (sowie der oben genannten Landessozialgerichte) offensichtlich noch für klärungsbedürftig. Schon vor dem Hintergrund dieser noch bestehenden rechtlichen Kontroverse erscheint fraglich, ob nach der oben genannten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum einstweiligen Rechtsschutz, nicht eine Folgenabwägung stattzufinden hat. Dies umso mehr, als ebenfalls umstritten ist, ob dem Ausschluss nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II im vorliegenden Fall nicht völkerrechtliche Verträge entgegenstehen. Das Europäische Fürsorgeabkommen steht hier schon nicht entgegen, da die Bundesrepublik Österreich dieses Abkommen nicht ratifiziert hat (vgl. http://conventions.coe.int/Treaty/Commun/ChercheSig.asp?NT=014&CM=8&DF=19/07/04&CL=GER). Es ist indes fraglich, ob die Antragstellerin sich auf Artikel 2 Abs. 1 des Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland über Fürsorge und Jugendwohlfahrtspflege vom 17.01.1966 (deutsch-österreichisches Fürsorgeabkommen) berufen (zur Fortgeltung dieses Abkommens auch nach dem Beitritt Österreichs zur Europäischen Union vgl. Art. 351 AEUV). Nach dieser Vorschrift wird Staatsangehörigen der einen Vertragspartei, die sich im Hoheitsgebiet der anderen Vertragspartei aufhalten, Fürsorge in gleicher Weise, in gleichem Umfang und unter den gleichen Bedingungen wie den Staatsangehörigen des Aufenthaltsstaates gewährt. Zwar folgt aus dieser Vorschrift ein Anspruch auf Gleichbehandlung österreichischer und deutscher Staatsangehöriger hinsichtlich der Leistungen der sozialen Fürsorge. Fraglich und umstritten ist allerdings, ob es sich bei den Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II um Fürsorgeleistungen i.S.d. Art. 2 Abs. 1 des Abkommens handelt. Nach Art. 1 Nr. 4 des Abkommens sind Fürsorgeleistungen nur Leistungen für Personen, die keine andere Voraussetzung als die der Hilfsbedürftigkeit zu erfüllen haben. Teilweise wird nun darauf abgestellt, dass § 7 Abs. 1 SGB II weitere Voraussetzungen für die Leistungsbewilligung (nämlich auch die Erwerbsfähigkeit) statuiert (vgl. LSG NRW, Urteil vom 22.06.2010 – L 1 AS 36/08 = juris). Darüber hinaus seien nach Art. 1 Nr. 8 des Abkommens Träger der öffentlichen Fürsorge in Bezug auf die Bundesrepublik die örtlichen und überörtlichen Träger der Sozialhilfe (vgl. dazu Thie, in: LPK-SGB II, 5. Aufl. 2013, § 7 Rn. 29). Schließlich seien auch nach dem deutsch-österreichischen Fürsorgeabkommen den vertragsschließenden Staaten Ausschlussregelungen wie § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II nicht untersagt. Nach dem Schlussprotokoll zum Abkommens, das gem. Art. 16 des Abkommens Bestandteil des Abkommens ist, haben die Bevollmächtigten der beiden Vertragsparteien übereinstimmend festgestellt, dass Vergünstigungen aus diesem Abkommen Personen nicht zugute kommen sollen, die das Hoheitsgebiet der anderen Vertragspartei aufsuchen, um diese Vergünstigungen in Anspruch zu nehmen. Gerade auf diese Personengruppe ziele § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II aber erkennbar ab (vgl. LSG NRW, Urteil vom 22. Juni 2010 – L 1 AS 36/08 =juris Rn. 30). Demgegenüber wird teilweise vertreten, die in § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB II normierte Voraussetzung der Erwerbsfähigkeit sei keine "weitere Voraussetzung" im Sinne des Art. 1 Nr. 4 Abkommens. Sie diene lediglich der mit dem Dritten Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23. Dezember 2003 neu geschaffenen Abgrenzung zum (Adressatenkreis des) wohl unzweifelhaft unter das Abkommen fallende SGB XII. Es sei davon auszugehen, dass die Vertragsschließenden Sozialleistungen nur dann vom Anwendungsbereich des Abkommens ausschließen wollten, wenn sie auf Beiträge oder sonstige Leistungen des Fürsorgebedürftigen zurückgingen. Das Arbeitslosengeld II sei jedoch eine steuerfinanzierte (nachrangige) Fürsorgeleistung und somit Geldleistung im Sinne des Abkommens. Anders als die Arbeitslosenhilfe und vergleichbar mit der Sozialhilfe im BSHG bzw. im SGB XII sei das SGB II ein bedarfsabhängiges Leistungssystem. Zudem fehlten dem SGB II der Sozialversicherungscharakter und der Beitragsbezug. Darüber hinaus sei die Fürsorgegesetzgebung in der Bundesrepublik nach dem Außerkrafttreten des BSHG zum 1. Januar 2005 nicht auf die Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Dritten Kapitel des SGB XII beschränkt. Sozialhilfe und Grundsicherung für Arbeitsuchende unterschieden sich zwar im Wesentlichen – bei der Erwerbsfähigkeit der Hilfebedürftigen - nach ihrem Adressatenkreis. Der Fürsorgecharakter des SGB II bleibe davon jedoch unberührt (LSG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 07.03.2012 – L 8 B 489/10 ER = juris). Nach Auffassung der Kammer ist der Auffassung der Vorzug zu geben, wonach das Abkommen nicht einer Anwendung des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II entgegensteht. Zum einen ist der Fürsorgebegriff des Abkommens nach hiesigem Verständnis enger als derjenige des Europäischen Fürsorgeabkommens. Das binationale Abkommen definiert Fürsorge eindeutig als Leistungen aus öffentlichen Mitteln, die keine andere Voraussetzung als die Hilfebedürftigkeit zu erfüllen habe. Nach Art. 2 lit.) a) i) des Europäischen Fürsorgeabkommens wird als "Fürsorge" jede Fürsorge bezeichnet, die jeder der Vertragschließenden nach den in dem jeweiligen Teile seines Gebietes geltenden Rechtsvorschriften gewährt und wonach Personen ohne ausreichende Mittel die Mittel für ihren Lebensbedarf sowie die Betreuung erhalten, die ihre Lage erfordert. Ausgenommen sind beitragsfreie Renten und Leistungen zugunsten der Kriegsopfer und der Besatzungsgeschädigten. Ob diese Mittel für den Lebensunterhalt neben ihrem Fehlen an weitere Voraussetzungen geknüpft sein können (wie etwa im SGB II) lässt das Europäische Fürsorgeabkommen damit - anders als das binationale Abkommen – ausdrücklich offen. Nach hiesigem Verständnis sind Leistungen nach dem SGB II vom Abkommen damit nicht umfasst. Eine erweiternde Auslegung ist – insbesondere vor dem Hintergrund der mit der Einführung des § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II auf das Hand liegenden gesetzgeberischen Intention (vgl. BT-Drucks. 224/07) und dem von der Bundesregierung im Rahmen des Europäischen Fürsorgeabkommens erklärten Vorbehalts (vgl. dazu BSG, EuGH-Vorlage vom 12.12.2013 – B 4 AS 9/13 R), wonach die Regierung der Bundesrepublik Deutschland keine Verpflichtung, die im Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - in der jeweils geltenden Fassung vorgesehenen Leistungen an Staatsangehörige der übrigen Vertragsstaaten in gleicher Weise und unter den gleichen Bedingungen wie den eigenen Staatsangehörigen zuzuwenden übernimmt (Bekanntmachung vom 31.1.2012 in BGBl II 144, berichtigt durch Bekanntmachung zum Europäischen Fürsorgeabkommen vom 3.4.2012 in BGBl II 470) – nach Auffassung der Kammer nicht möglich. Die hier vertretene Auffassung ist freilich – wie oben dargelegt – durchaus nicht unumstritten. Höchstrichterliche Rechtsprechung hierzu hat die Kammer derzeit noch nicht gefunden. Vor dem Hintergrund, dass zum einen die Frage eines völkerrechtlichen Ausschlusses der Anwendbarkeit des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II im Verhältnis zu österreichischen Staatsbürgern nicht abschließend geklärt ist und darüber hinaus jedenfalls bestimmte Senate des Landessozialgerichts NRW auch die europarechtliche Vereinbarkeit weiter für nicht geklärt halten, erscheint es – bis zu einer Entscheidung des EuGH im Vorlagebeschluss des BSG – derzeit, vor dem Hintergrund der fundamentalen Bedeutung existenzsichernder Leistungen gerechtfertigt, weiterhin eine Folgenabwägung vorzuenhmen (zur Zulässigkeit einer Folgenabwägung im Verfahren nach § 86b SGG, vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 06.02.2013 - 1 BvR 2366/12), zumal vorliegend – sofern tatsächlich ein weitergehendes Arbeitsverhältnis begründet wird – in Zukunft die Bewilligung von Leistungen auch wieder unstreitig werden könnte. Es ist somit, entsprechend obigen Grundsätzen, im Rahmen der einstweiligen Anordnung abzuwägen. Auf der einen Seite ist das Interesse des Antragsgegners zu berücksichtigen, Steuergelder nur in berechtigten Fällen zu verausgaben und nicht das Risiko der Uneinbringlichkeit zu tragen, sollte sich später herausstellen, dass ein Anspruch tatsächlich nicht bestanden hat. Auf der anderen Seite ist in jedem Fall das Existenzminimums (Art. 1, Art. 2, Art. 20 Grundgesetz - GG) der Antragstellerin zu wahren. Diese Abwägung geht im vorliegenden Fall zu Gunsten der Antragstellerin aus. Die kurze Befristung dient dazu, dem Antragsgegner die Möglichkeit zu geben, hinsichtlich des Arbeitsverhältnisses weiter zu ermitteln. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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