L 3 AS 80/12

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
3
1. Instanz
SG Leipzig (FSS)
Aktenzeichen
S 15 AS 2160/10
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 3 AS 80/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Ein privat genutzter Proberaum für elektronische Musik ist keine Unterkunft.
2. Die mit der Ausübung eines besonderen Hobbys verbundenen Kosten sind nicht über die Kosten der Unterkunft und Heizung zu bestreiten, sondern aus dem dafür vorgesehenen Regelsatzanteil des Regelbedarfs, insbesondere den Verbrauchsausgaben der Abteilung 9 (Freizeit, Unterhaltung, Kultur) im Sinne von § 5 Abs. 1 RBEG.
3. Artikel 5 Abs. 3 Satz 1 GG begründet keinen Anspruch eines Einzelnen auf die Gewährung bestimmter staatlicher Leistungen (vgl. Anschluss an BVerwG, Beschluss vom 16. August 1979 – 7 B 174/78NJW 1980, 718 = JURIS-Dokument Rdnr. 2 und BFH, Urteil vom 7. Mai 1987 – IV R 125/86BFHE 150, 22 [27] = JURIS-Dokument Rdnr. 24).
I. Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Leipzig vom 13. Dezember 2011 wird verworfen.

II. Außergerichtliche Kosten des Klägers sind in beiden Verfahrenszügen nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Übernahme weiterer Kosten der Unterkunft und Heizung im Rahmen eines Weiterbewilligungsantrages auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II).

Der 1980 geborene Kläger bewohnt gemeinsam mit einer Mitbewohnerin eine zirka 57 m² große 3-Zimmerwohnung in der M S , L , und steht seit Juli 2009 im Leistungsbezug beim Beklagten beziehungsweise dessen Rechtsvorgängerin.

Dem Kläger wurden auf Grund seines Weiterbewilligungsantrages vom 24. November 2009 mit Bewilligungsbescheid vom 30. November 2009 ab 1. Januar 2010 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes in Höhe von 359,00 EUR für den Regelbedarf sowie anteiliger Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von 177,07 EUR bewilligt.

Mit seiner Veränderungsmitteilung vom 19. Januar 2010 beantragte der Kläger ab Januar 2010 zugleich die Übernahme der Kosten für ein gemeinsam mit einem Bandkollegen benutztes 28 m² großes Arbeitszimmer in der L -H -S in L in Höhe von 100,00 EUR monatlich und gab zugleich an, dass die Nutzung des Raumes vorrangig im Rahmen des Nebengewerbes als Musiker, für Musikproduktionen und Instrumentenübungen erfolge. Ab Januar 2010 sei der Mietzins auf 200,00 EUR erhöht worden. Der Mitteilung war der Mietvertrag zwischen den Vermieter und dem Kläger sowie seinem Bandkollegen vom 27. Dezember 2009 beigefügt. Danach beträgt der Mietzins für den "Proberaum für elektronische Musik" 200,00 EUR. Der Proberaum darf nach § 1 des Mietvertrages lediglich in der Zeit ab 18 Uhr werktäglich und samstags, sonn- und feiertags ab 13 Uhr genutzt werden.

Dem Kläger wurden mit Änderungsbescheid vom 4. Februar 2010 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes ab März 2010 in Höhe von 359 EUR als Regelsatz sowie Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von 166,09 EUR bewilligt.

Den Antrag des Klägers auf Übernahme der Mietkosten für den Proberaum lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 25. Februar 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. Mai 2010 ab. Der Proberaum sei kein Wohnraum. Dem Antrag auf Übernahme dieser Sonderleistungen könne daher nicht entsprochen werden. Zwar könne grundsätzlich ein unabweisbarer Bedarf zur Sicherung des Lebensunterhaltes, welcher nicht gedeckt werde, bei entsprechendem Nachweis gemäß § 23 Abs. 1 SGB II als Sach- oder Geldleistung in Form eines Darlehens gewährt werden. Die beantragte Sonderleistung werde jedoch durch die gewährte Regelleistung abgedeckt und stelle somit keinen unabweisbaren Bedarf zur Sicherung des Lebensunterhaltes dar.

Hiergegen hat der Kläger am 8. Juni 2010 Klage erhoben und ausgeführt, dass sich die von ihm geltend gemachten Wohnflächenanteile (jeweils die Hälfte von 28 m² für das Arbeitszimmer sowie von 57 m² für die Mietwohnung) eine Unterkunft von zirka 42,5 m² entspräche. Sowohl die auf ihn entfallene Gesamtfläche als auch sein Mietanteil korrespondiere mit den Angemessenheitskriterien für den Raum L. Die beiden geltend gemachten Mietsachen in Einheit stellten somit eine Unterkunft im Sinne von § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II dar. Auf Grund der enormen Lautstärke seien ihm Proben in der M S nicht möglich.

Zugleich hat der Kläger einen Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz gestellt, welcher mit Beschluss des Sozialgerichts Leipzig vom 21. Juni 2010 (Az. S 15 AS 2125/10 ER) abgelehnt worden ist. Die hiergegen eingelegte Beschwerde (Az. L 2 AS 421/10 B ER) hat das Sächsische Landessozialgericht mit Beschluss vom 11. August 2010 zurückgewiesen. Der Wohnbedarf des Antragstellers sei mit der zu zweit genutzten 3-Zimmerwohnung von 57 m² gedeckt. Der Proberaum stelle keine Unterkunft im Sinne des § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II dar. Er diene der Ausübung von Musik und werde nicht zu Wohnzwecken benutzt.

Das Sozialgericht hat mit Gerichtsbescheid vom 13. Dezember 2011 die Klage abgewiesen. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Übernahme der Kosten für den Proberaum in der L -H -S in L nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II, da diese Regelung nur Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes für Unterkunft und Heizung, das heißt nach allgemeiner Terminologie Leistungen für Wohnraum (vgl. BSG, Urteil vom 23. November 2006 – B 11b AS 3/05 R; Sächs. LSG, Beschluss vom 11. August 2010 – L 2 AS 421/10 B ER) erfasse. Der Proberaum werde auch nicht als Lagerraum genutzt, sondern zur Ausübung der künstlerischen Tätigkeit des Klägers. Entgegen der Auffassung des Klägers befriedige er damit nicht seine Wohnbedürfnisse, sondern nutze dafür die angemietete Wohnung. Für diese erhalte er Leistungen des Beklagten. In dem zusätzlich angemieteten Musizierzimmer gehe der Kläger seinem Hobby nach. Der durch Mietvertrag vorgegebene Nutzungszweck als Proberaum, der nicht vom Kläger ohne Zustimmung des Vermieters geändert werden könne, verhindere die Nutzung des Raumes als Wohnraum. Die vom Kläger angeführten weiteren Nutzungsformen wie Gäste empfangen, "Rumhängen" oder Schreibverkehr erledigen mache den Raum noch nicht zu einem Wohnraum. Eine Zweckentfremdung habe jedenfalls der Kläger nicht behauptet. Die Aufenthaltsdauer des Klägers in dem Raum sei unbeachtlich.

Gegen den ihm am 19. Januar 2012 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 30. Januar 2012 Berufung eingelegt. Er begehre die Übernahme der Kosten der Unterkunft. Die Übernahme der Kosten des Proberaums sei angemessen. Auch aus dem Umstand der räumlichen Teilung der Unterkunft ergebe sich keine Rechtfertigung für eine Abkehr von der normal vorgesehenen Angemessenheitsprüfung der Kosten. Er benutze die Mietsache in der M S gemeinsam mit einem Dritten, ebenso die Mietsache in der L -H -S. Er verfüge daher rechnerisch über die Hälfe von 57 m² und die Hälfte von 29 m². Der von ihm begehrte Wohnraum sei daher nicht unangemessen. Er fühle sich in seinem Recht auf Kunstausübung beeinträchtigt.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Leipzig vom 13. Dezember 2011 aufzuheben sowie den Bescheid der Arbeitsgemeinschaft L vom 25. Februar 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. Juni 2010 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, ihm weitere Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von monatlich 100,00 EUR zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Übernahme der Mietkosten für ein Arbeitszimmer sei nicht möglich. Die angefochtenen Entscheidungen seien daher nicht zu beanstanden. Dem stünde auch nicht die Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 16. Dezember 2008 (Az. B 4 AS 1/08) entgegen. Der Kläger bewohne eine 57 m² große 3-Raumwohnung. Zweck des § 22 Abs. 1 SGB II bestünde darin, die existentiellen notwendigen Bedarfe der Unterkunft sicher zu stellen. Dieser Zweck werde bei einem Proberaum zum Musizieren nicht verfolgt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Beteiligtenvorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Gerichtsakte, die beigezogene Verwaltungsakte sowie die beigezogene Verfahrensakte Az. L 2 AS 421/10 B ER verwiesen.

Entscheidungsgründe:

I. Die Berufung ist nicht statthaft. Gemäß §§ 143, 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) findet gegen Urteile der Sozialgerichte die Berufung statt, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 750,00 EUR übersteigt. Dieser Wert wird vorliegend nicht erreicht.

Gegenstand des Berufungsverfahrens ist das Begehren des Klägers auf Übernahme von monatlich 100,00 EUR an Mietkosten für den Proberaum in der L -H -S als weitere Kosten für Unterkunft und Heizung. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts handelt es sich bei dem Anspruch auf Kosten für Unterkunft und Heizung um einen von den übrigen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (das heißt Regelbedarf und Mehrbedarfe, vgl. § 19 Abs. 1 Satz 3 SGB II) abtrennbaren Streitgegenstand, auf den die Beteiligten den Rechtsstreit begrenzen können (vgl. z. B. BSG, Urteil vom 7. November 2006 – B 7b AS 8/06 RBSGE 97, 217 ff. = SozR 4-4200 § 22 Nr. 1 = JURIS-Dokument Rdnr 18; zu der seit 1. Januar 2011 geltenden Rechtslage u. a. BSG, Urteil vom 5. Juni 2014 – B 4 AS 32/13 RBSGE 97, 217 ff. = SozR 4-4200 § 7 Nr. 36 = JURIS-Dokument, jeweils Rdnr. 12, m. w. N.). Eine Beschränkung des Streitgegenstands setzt jedoch aus Gründen der Rechtsklarheit und im Hinblick darauf, dass die Kläger im Zweifel das für sie Günstigste begehren, eine unzweifelhafte und ausdrückliche Erklärung der Kläger voraus (vgl. z. B. z. B. BSG, Urteil vom 7. November 2006, a. a. O., Rdnr 23; BSG, Urteil vom 6. April 2011 – B 4 AS 119/10 RBSGE 108, 86 ff. = SozR 4-1500 § 54 Nr. 21 = JURIS-Dokument, jeweils Rdnr. 32, m. w. N.). Eine solche ausdrückliche – konkludente – Erklärung des Klägers liegt vor. Spätestens seit dem Klageverfahren macht er geltend, dass es sich bei dem Proberaum in der L -H -S um einen Teil seiner aus zwei räumlich getrennten Einheiten bestehende Wohnung handle, und dass er einen Anspruch auf Übernahme des hierfür auf ihn entfallenden Mietanteils als Kosten für Unterkunft und Heizung im Sinne von § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II habe. Dieser Ansatz ist auf der Grundlage der Bescheidlage und der in Betracht kommenden Anspruchsgrundlagen konsequent. Denn dem Kläger wurde der monatliche Regelbedarf in vollem Umfang, das heißt ohne Anrechnung von Einkommen bewilligt. Eine andere Anspruchsgrundlage als die in § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II ist nicht zu erkennen. Es wäre allenfalls noch in Betracht zu ziehen gewesen, die Aufwendungen für den Proberaum als Aufwendungen zur Erzielung von Einkommen aus selbständiger Tätigkeit anzuerkennen. Der Kläger hat jedoch einer etwaigen selbständigen Tätigkeit als Musiker oder in der Musikbrache widersprochen. Zudem hätten Aufwendungen zur Erzielung von Einkommen aus selbständiger Tätigkeit bei der Berechnung des Anspruches auf Arbeitslosengeld II nur als Ausgabeposten berücksichtigt werden können, nicht aber als Bedarfsposten.

In zeitlicher Hinsicht umfasst das Berufungsbegehren den Zeitraum vom 1. Januar 2010 bis zum 30. Juni 2010. Ausweislich des Weiterbewilligungsantrages vom 24. November 2009 beantragte der Kläger ab Januar 2010 die Weiterbewilligung der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts, worüber für den Bewilligungsabschnitt vom 1. Januar 2010 bis 30. Juni 2010 mit Bewilligungsbescheid vom 30. November 2009 sowie Änderungsbescheiden vom 4. Februar 2010 und 29. März 2010 und Bescheid vom 25. Februar 2010 entschieden wurde. Die Bescheide betrafen den Bewilligungsabschnitt vom 1. Januar 2010 bis zum 30. Juni 2010. Die für den Folgezeitraum mit dem Weiterbewilligungsantrag vom 26. Mai 2010 geltend gemachten Leistungen auch in Bezug auf die Kosten für Unterkunft und Heizung und somit für den Proberaum, über die mit Bewilligungsbescheid vom 8. Juli 2010 entschieden wurden, sind nicht nach § 96 SGG Gegenstand des Gerichtsverfahrens geworden (so u. a. BSG, Urteil vom 7. November 2006 – B 7b AS 14/06 RBSGE 97, 242 = SozR 4-4200 § 20 Nr. 1 = JURIS-Dokument, jeweils Rdnr. 30; BSG, Urteil vom 25. Juni 2008 – B 11b AS 35/06 R – JURIS-Dokument, jeweils Rdnr. 15, m. w. N.).

Die mithin im streitbefangenen Zeitraum vom 1. Januar 2010 bis zum 30. Juni 2010 begehrten weiteren Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von 100,00 EUR monatlich, mithin insgesamt 600,00 EUR, erreichen somit nicht den Grenzwert aus § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG).

II. Im Übrigen wäre die Berufung aber auch unbegründet.

Das Sozialgericht hat mit Gerichtsbescheid vom 13. Dezember 2011 unter Bezugnahme auf die bereits im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ergangenen Entscheidungsgründe (Az. L 2 AS 421/10 B ER) die Klage zur Recht abgewiesen, weil der angefochtenen Bescheid des Beklagten vom 25. Februar 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. Mai 2010 rechtmäßig ist.

Es wird insoweit auf die zutreffenden Ausführungen in den Gründen der erstinstanzlichen Entscheidung verwiesen und von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe abgesehen (vgl. § 153 Abs. 2 SGG). Lediglich ergänzend wird angemerkt:

Zutreffend hat das Sozialgericht insbesondere ausgeführt, dass der vom Kläger und seinem Bandkollegen angemietete streitige Raum ausweislich des Mietvertrages als "Proberaum für elektronische Musik" genutzt wird und gerade nicht zur Verwirklichung privater Wohnbedürfnisse. Nach dem Vortrag des Klägers soll der Bedarf an dem Proberaum vorrangig deshalb bestehen, weil in der vorhandenen Mietwohnung in der M S Instrumentenproben ausgeschlossen sind und er in dem Proberaum, zumindest zu den im Mietvertrag vereinbarten Tageszeiten, seine musikalischen Aktivitäten verwirklichen kann. Das Bundessozialgericht hat aber bereits im Urteil vom 23. November 2006 ausgeführt, dass ein Künstleratelier nicht als Unterkunft verstanden werden kann. Denn die Übernahme von Leistungen für Unterkunft und Heizung ist nicht für Geschäftsräume, sondern ausschließlich für private Wohnräume vorgesehen (vgl. BSG, Urteil vom 23. November 2006 – B 11b AS 3/05 RSozR 4-4200 § 16 Nr. 1 = JURIS-Dokument Rdnr. 15, m. w. N.). Nichts anderes gilt für einen Proberaum, der nur privat und nicht geschäftlich genutzt wird. Die mit der Ausübung eines besonderen Hobbys verbundenen Kosten sind nicht über die Kosten der Unterkunft und Heizung zu bestreiten, sondern aus dem dafür vorgesehenen Regelsatzanteil des Regelbedarfs, insbesondere den Verbrauchsausgaben der Abteilung 9 (Freizeit, Unterhaltung, Kultur) im Sinne von § 5 Abs. 1 des Gesetzes zur Ermittlung der Regelbedarfe nach § 28 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (Regelbedarfs-Ermittlungsgesetz – RBEG).

Das Recht des Klägers auf Kunstausübung ist dadurch nicht eingeschränkt. Nach Artikel 5 Abs. 3 Satz 1 des Grundgesetzes (GG) sind Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre frei. Damit wird ein individuelles Freiheitsrecht gewährt, das als Abwehrrecht unter anderem die künstlerische Betätigung gegen staatliche Eingriffe schützt. Sinn und Aufgabe des Grundrechts ist es, so das Bundesverfassungsgericht, vor allem, "die auf der Eigengesetzlichkeit der Kunst beruhenden, von ästhetischen Rücksichten bestimmten Prozesse, Verhaltensweisen und Entscheidungen von jeglicher Ingerenz öffentlicher Gewalt freizuhalten" (vgl. BVerfG, Beschluss vom 24. Februar 1971 – 1 BvR 435/68 [Mephisto] – BVerfGE 30, 173 [190] = JURIS-Dokument Rdnr. 52). Das Grundrecht enthält daneben "eine objektive, das Verhältnis des Bereiches Kunst zum Staat regelnde wertentscheidende Grundsatznorm" (vgl. BVerfG, Beschluss vom 24. Februar 1971 – 1 BvR 435/68 [Mephisto] – BVerfGE 30, 173 [188] = JURIS-Dokument Rdnr. 47) und stellt dem Staat, der sich – im Sinne einer Staatszielbestimmung – auch als Kulturstaat versteht, die Aufgabe, ein freiheitliches Kunstleben zu erhalten und zu fördern (vgl. BVerfG, Urteil vom 5. März 1974 – 1 BvR 712/68 [Schallplattenumsatzsteuer] – BVerfGE 36, 321 [331] = JURIS-Dokument Rdnr. 40; BVerfG, Beschluss vom 29. November 1989 – 1 BvR 1402/87, 1 BvR 1528/87BVerfGE 81, 108 [116] = JURIS-Dokument Rdnr. 31, m. w. N.). Diese verfassungsrechtliche Grundsatzentscheidung schreibt dem Gesetzgeber jedoch nicht vor, in welchem Umfang und vor allem in welcher Form er seiner Förderungspflicht nachzukommen hat. Sie belässt ihm einen breiten Gestaltungsraum (vgl. BVerfG, Beschluss vom 29. November 1989 – 1 BvR 1402/87, 1 BvR 1528/87BVerfGE 81, 108 [116] = JURIS-Dokument Rdnr. 31, m. w. N.). Erst Recht begründet Artikel 5 Abs. 3 Satz 1 GG keinen Anspruch eines Einzelnen auf die Gewährung bestimmter staatlicher Leistungen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 16. August 1979 – 7 B 174/78NJW 1980, 718 = JURIS-Dokument Rdnr. 2; BFH, Urteil vom 7. Mai 1987 – IV R 125/86BFHE 150, 22 [27] = JURIS-Dokument Rdnr. 24).

Ein Anspruch auf eine finanzielle Grundsicherung für die nichtgewerbliche Kunstausübung ergibt sich allenfalls aus dem Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums. Dieses Grundrecht aus Artikel 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip des Artikel 20 Abs. 1 GG sichert jedem Hilfebedürftigen diejenigen materiellen Voraussetzungen zu, die für seine physische Existenz und für ein Mindestmaß an Teilhabe am gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben unerlässlich sind (vgl. (vgl. BVerfG, Urteil vom 9. Februar 2010 – 1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09 [Hartz IV-Regelsatz , Hartz IV-Gesetz] – BVerfGE 125, 175 [Leisatz 1]). In Umsetzungen dessen hat der Gesetzgeber in § 20 SGB II Regelungen über den Regelbedarf (bis zum 31. Dezember 2010: Regelleistung) geschaffen, die ein soziokulturelles Existenzminimum sichern sollen (vgl. § 20 Abs. 1 Satz 1 und 2 SGB II in der seit 1. Januar 2011 geltenden Fassung; vgl. Artikel 2 Nr. 31 des Gesetzes vom 24. März 2011 [BGBl. I S. 453]). Dort ist in Abteilung 9 (Freizeit, Unterhaltung, Kultur) ein Anteil zur Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben enthalten (vgl. § 5 Abs. 1 RBEG). Einen darüber hinausgehenden verfassungsrechtlichen Anspruch auf Übernahme höherer Aufwendungen mit dem Ziel, einem Leistungsberechtigten die finanziellen Grundlagen für die Ausübung einer bestimmten künstlerischen Aktivität zu verschaffen, gibt es nicht.

III. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.

IV. Die Revision ist nicht zuzulassen (§ 160 SGG).

Dr. Scheer Höhl Atanassov
Rechtskraft
Aus
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