S 3 AS 393/14

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
SG Augsburg (FSB)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
3
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 3 AS 393/14
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Der grundsicherungsrelevante Mietspiegel zur Ermittlung der angemessenen Kosten der Unterkunft für die Stadt Augsburg, gültig ab 1.11.2013, entspricht den Vorgaben des Bundessozialgerichts.
I. Die Klage gegen den Bescheid vom 24. Januar 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. März 2014 wird abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand:

Der am 1953 geborene Kläger bezieht seit 2005 Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II).

Streitig ist, ob dem Kläger höhere Leistungen nach dem SGB II zu gewähren sind.

Laut Mietvertrag bewohnt der Kläger seit 01.08.1994 eine 3-Zimmerwohnung in A-Stadt. Die Miete betrug zum Abschlusszeitpunkt des Mietvertrages für die Wohnung 940 DM plus Garage 50 DM plus Betriebskostenvorschuss 140 DM plus Heizkostenvorschuss 40 DM - Gesamt 1.170 DM. Ab dem 01.01.2003 beträgt die Miete für die Wohnung 522,60 EUR gegenüber bisher 480,61 EUR. Die Miete für die Garage erhöhte sich auf 30 EUR. Die Heizkostenvorauszahlung wurde auf 35 EUR erhöht, die Nebenkostenvorauszahlung auf 90 EUR. Vor dem Bezug von Leistungen nach dem SGB II bezog der Kläger Arbeitslosenhilfe.

Am 05.09.2005 wurde der Kläger zur Kostensenkung aufgefordert. Er erklärte ausdrücklich, dass er bereit sei, seine Unterkunftskosten auf die Höhe des Angemessenen zu senken. Dies schließe auch die Bereitschaft umzuziehen ein. Mit Bescheid vom 07.03.2006 wurden Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für die Zeit vom 01.04.2006 bis 30.09.2006 bewilligt. Ab 01.04.2006 wurden die Kosten für die Wohnung nur noch in Höhe der Angemessenheitsgrenze (335,64 EUR pro Monat) übernommen. Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein. Aus gesundheitlichen Gründen sei ihm ein Umzug derzeit nicht zumutbar. Grundsätzlich sei er jedoch bereit, die Wohnung zu wechseln. Laut Bescheid des Amtes für Versorgung und Familienförderung A-Stadt vom 10.11.2004 ist der Kläger zu 70 % schwerbehindert. Mit Widerspruchsbescheid vom 19.05.2006 wurde der Widerspruch wegen Absenkung der Kosten der Unterkunft als unbegründet zurückgewiesen. Die hiergegen eingelegte Klage blieb erfolglos (Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 21.08.2006, Aktenzeichen S 1 AS 459/06).

Mit Bescheid vom 26.09.2008 wurden die monatlichen Kosten der Unterkunft auf 301,64 EUR zuzüglich Heizkosten, mit Bescheid vom 19.03.2009 auf 335,40 EUR zuzüglich Heizkosten aufgrund neuer angemessener Obergrenzen angepasst. Der Kläger erhob gegen alle Bewilligungsbescheide bis zum 18.09.2013 keinen Widerspruch.

Am 16.01.2014 bestellte sich der Klägerbevollmächtigte und stellte den Antrag, alle Bescheide hinsichtlich der Leistungszeiträume seit 01.01.2013 gemäß § 44 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) zu überprüfen und erneut zu bescheiden. Gerügt würden zum einen die gewährten Kosten der Unterkunft (KdU), zum anderen der fehlende Mehrbedarf wegen Behinderung. Die Kosten der Unterkunft würden bis zum 31.10.2013 nach der geltenden Angemessenheitsgrenze des Beklagten erbracht. Bis zum 31.10.2013 habe jedoch keine rechtmäßige Angemessenheitsgrenze bestanden, so dass bis zu diesem Zeitpunkt der um einen Sicherheitszuschlag von 10 % erhöhte Wert gemäß § 12 Wohngeldgesetz (WoGG) zu gewähren sei. Ab dem 01.11.2013 sei jedenfalls die nunmehr geltende Angemessenheitsgrenze zu gewähren. Diese werde jedoch ebenfalls nicht für zutreffend erachtet, so dass auch hier Kosten der Unterkunft in Höhe des um einen Sicherheitszuschlag von 10 % erhöhten Werts gemäß § 12 WoGG zu gewähren seien. Des Weiteren werde ein Mehrbedarf gemäß § 21 Abs. 4 SGB II geltend gemacht.

Mit Bescheid vom 24.01.2014 gewährte der Beklagte für den Zeitraum 01.01.2013 bis 31.01.2014 insgesamt 1.741,25 EUR wegen Mehrbedarf. Für die Zeit ab dem 01.01.2013 bis 31.10.2013 wurde ein Betrag in Höhe von monatlich 394 EUR als Kosten der Unterkunft anerkannt. Mit weiterem Bescheid vom 24.01.2014 bewilligte der Beklagte als Bedarf für Unterkunft und Heizung ab 01.11.2013 bis 31.03.2014 380,80 EUR.

Für die Zeit ab dem 01.11.2013 existiere ein schlüssiges Konzept hinsichtlich der Kosten der Unterkunft seitens der Stadt A-Stadt, so dass insoweit nicht mehr auf das WoGG zurückzugreifen gewesen sei und daher die Angemessenheit für eine Person in Höhe von 347,05 EUR als Bedarf für Kosten der Unterkunft anzuerkennen gewesen sei.

Gegen den Bescheid vom 24.01.2014 erhob der Bevollmächtigte des Klägers für den Zeitraum 01.10.2013 bis 31.03.2014 Widerspruch. Die Stadt A-Stadt verfüge nicht über ein schlüssiges Konzept. Der Bevollmächtigte des Klägers bemängelte insbesondere eine fehlerhafte Verteilung im Vergleichsraum mit der Folge einer Ghettoisierung. Des Weiteren sei nur auf Wohnungen des einfachen Standards abgestellt und hieraus ein Spannoberwert gebildet worden. Im Konzept fehlten jedoch jegliche Angaben dazu, nach welchen Gesichtspunkten die Auswahl der Wohnungen einfachen Standards erfolgt sei.

Des Weiteren seien die kalten Betriebskosten falsch ermittelt worden. Diese dürften den durchschnittlichen kalten Betriebskosten entsprechen. Dies genüge jedoch nicht einer rechtmäßigen Angemessenheitsgrenze. Auch sei das Konzept nicht aktuell. Auch fehle es an einer konkreten Angemessenheit. Dies werde durch die WBG-Erhebungen bestätigt, auch durch die verschiedenen Wohnhilfeprojekte. Mit Widerspruchsbescheid vom 17.03.2014 wurde der Widerspruch zurückgewiesen.

Hiergegen legte der Bevollmächtigte des Klägers am 17.04.2014 Klage beim Sozialgericht Augsburg ein. Zur Begründung führte er aus, dass die Kosten der Unterkunft ab dem 01.11.2013 abgesenkt worden seien, ohne dass vorher eine Kostensenkungsaufforderung und Schonfrist festgesetzt worden sei. Außerdem liege kein schlüssiges Konzept vor. Die Klagebegründung entspricht im Wesentlichen der Begründung des Widerspruchs.

Mit Schreiben vom 07.08.2014 stellte der Bevollmächtigte des Klägers weiterhin diverse Beweisanträge zu der Beweisfrage, ob Wohnungen zu den Angemessenheitsgrenzen verfügbar seien. Des Weiteren stellte er den Antrag, das zugrunde liegende Datenmaterial überprüfen zu können. Deshalb sei ihm dieses zur Verfügung zu stellen, damit er prüfen könne, ob bei der Festlegung der Angemessenheitsgrenze ein mathematisch-statistisch korrektes Verfahren angewendet worden sei. Ferner verwies er auf den Geschäftsbericht für 2012 der Wohnungsbaugesellschaft (WBG) der Stadt A-Stadt. Zur Ermittlung der angemessenen Nettokaltmiete seien insgesamt 24.468 Wohnungen mit Bestandsmieten ausgewertet worden. Eine Einbeziehung von Angebotsmieten sei nicht erfolgt, weshalb der grundsicherungsrelevante Mietspiegel kein schlüssiges Konzept darstelle. Erfahrungsgemäß ergäben sich in größerem Umfang Nachzahlungen hinsichtlich der Betriebskosten. Es sei deshalb die Betriebskostenabrechnung heranzuziehen und nicht die Betriebskostenvorauszahlungen. Die Datenerhebung sei am 30.04.2013 erfolgt und damit vor nahezu eineinhalb Jahren.

Mit Beschluss vom 12.09.2014 wurde die Stadt A-Stadt beigeladen. Es wurde beigezogen der Geschäftsbericht der WBG. Die Beigeladene führte aus, dass der Geschäftsbericht der WBG nicht aussagekräftig sei. Dieser treffe keine Aussage, welcher Anteil von Wohnungen insgesamt oder wie viele Wohnungen konkret im Rahmen der Angemessenheitsgrenzen angeboten würden. Ein angemessener Quadratmeterpreis von 5,50 EUR, wie ihn der Klägerbevollmächtigte annehme, sei durch die festgelegte Angemessenheitsgrenze gar nicht bestimmt. Dem Bevollmächtigten des Klägers wurden die Datensätze in einem Umfang von 24.458 zur Prüfung zur Verfügung gestellt.

Im Beweisaufnahmetermin vom 18.12.2014 wurden die Zeugen C., D., E. und F. vernommen. Auf das Protokoll wird hinsichtlich der Zeugenaussagen im Einzelnen verwiesen.

Der Bevollmächtigte des Klägers verwies in einer Stellungnahme auf eine fehlende Validität der Daten sowie darauf, dass die angemessenen Betriebskosten nicht einem schlüssigen Konzept im Sinne der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) entsprächen. Des Weiteren zweifelte er die Aktualität des Konzeptes an. Aus den Zeugenaussagen entnahm er, dass kein ausreichender Wohnraum zu den sich aus dem grundsicherungsrechtlich relevanten Mietspiegel ergebenden Obergrenzen zur Verfügung stehe.

Die Beteiligten erklärten sich mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren einverstanden.

In seiner Klageschrift beantragte der Bevollmächtigte des Klägers,

den Bescheid des Beklagten vom 24.01.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.03.2014 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, dem Kläger Leistungen nach dem SGB II im gesetzlichen Umfang zu gewähren.

In der Klageerwiderung vom 04.06.2014 beantragte der Beklagte,

die Klage abzuweisen.

Auch die Beigeladene beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie die Verwaltungsakten des Beklagten verwiesen, des Weiteren auf den grundsicherungsrelevanten Mietspiegel zur Ermittlung der angemessenen Kosten der Unterkunft für die Stadt A-Stadt.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Klage ist zulässig, jedoch nicht begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf höhere Kosten der Unterkunft.

Streitgegenständlich ist der Zeitraum 01.11.2013 bis 31.03.2014. Für den Zeitraum 01.11.2013 bis 31.03.2014 wurden Kosten der Unterkunft in Höhe von 380,80 EUR vom Beklagten anerkannt. Der Beklagte ging von einer Angemessenheitsgrenze für eine Person in Höhe von 347,05 EUR als Kosten der Unterkunft aus.

Gemäß § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II sind Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anzuerkennen, soweit diese angemessen sind. Der Kläger wohnt seit Jahren in einer Wohnung, deren Kosten unangemessen sind. Bereits mit Bescheid vom 05.09.2005 wurde er zur Kostensenkung aufgefordert. Mit Bescheid vom 07.03.2006 wurden deshalb die Kosten der Unterkunft und Heizung auf die zu diesem Zeitpunkt geltende angemessene Obergrenze für eine Person von monatlich 335,64 EUR (inklusive Heizkosten) abgesenkt. Widerspruchsverfahren sowie Klageverfahren hiergegen blieben erfolglos (vgl. Urteil des SG A-Stadt vom 21.08.2006 - S 1 AS 459/06). Mit Bescheid vom 26.09.2008 wurden die monatlichen Kosten der Unterkunft auf 301,64 EUR zuzüglich Heizkosten und mit Bescheid vom 19.03.2009 auf 335,40 EUR zuzüglich Heizkosten aufgrund neuer angemessener Obergrenzen angepasst. Hiergegen hat der Kläger nie Widerspruch erhoben. Erst mit Bescheid vom 24.01.2014, der aufgrund eines Überprüfungsantrags vom 16.01.2014 ergangen ist, wurden Kosten der Unterkunft monatlich wie folgt gewährt: 01.01.2013 bis 31.10.2013 394 EUR und ab 01.11.2013 347,05 EUR. Die Kosten der Unterkunft wurden somit mit Bescheid vom 24.01.2014 ab dem 01.11.2013 von monatlich 335,40 EUR auf 347,05 EUR erhöht. Es war deshalb ein Kostensenkungs-Aufforderungs-verfahren gemäß § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II nicht mehr durchzuführen, da die vorhergehenden Bescheide bereits bestandskräftig geworden waren. Der Kläger wusste spätestens seit dem Bescheid vom 07.03.2006, dass seine Kosten der Unterkunft unangemessen sind, spätestens seit Bescheid vom 19.03.2009 kannte er die angemessene Obergrenze von 335,40 EUR. Auch dieser Bescheid wurde bestandskräftig. Bereits seit diesem Zeitpunkt wusste der Kläger, dass er unangemessen wohnt. Nachweise, dass er sich um angemessenen Wohnraum bemüht habe, sind trotz Aufforderung im Klageverfahren S 1 AS 459/06 zu keinem Zeitpunkt eingegangen. Es ist deshalb nicht glaubwürdig, dass der Kläger umzugswillig ist, jedoch seit dem 07.03.2006 keinen günstigeren Wohnraum gefunden hat. Es war dem Kläger im Laufe von sieben Jahren weder unzumutbar noch unmöglich, die Unterkunftskosten zu senken.

Die Kosten der Unterkunft werden seit dem 01.11.2013 nach dem grundsicherungsrelevanten Mietspiegel zur Ermittlung der angemessenen Kosten der Unterkunft für die Stadt A-Stadt vom August 2013 ermittelt. Dieser Mietspiegel ist ein schlüssiges Konzept, wie es von der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts - BSG - (zuletzt Urteil vom 18.11.2014, Aktenzeichen B 4 AS 9/14 R) gefordert wird. Das BSG hat am 18.11.2014 entschieden, dass bei dem Konzept der Landeshauptstadt Dresden keine unzutreffende Anwendung der vom BSG formulierten verallgemeinerbaren und entwicklungsoffenen Grundsätze bzw. Prüfungsmaßstäbe für schlüssige Konzepte zur Ermittlung der abstrakt angemessen Bruttokaltmiete erkennbar ist.

Das Konzept der Stadt A-Stadt ist ebenfalls schlüssig. Nach den Grundsätzen der Rechtsprechung des BSG hat die Angemessenheitsprüfung unter Berücksichtigung des allgemeinen Gleichheitssatzes nach einheitlichen Kriterien zu erfolgen, wobei zur Konkretisierung der Angemessenheitsgrenze auf einer ersten Stufe eine abstrakte und auf einer zweiten Stufe eine konkret-individuelle Prüfung vorzunehmen ist (vgl. BSG-Urteil vom 26.05.2011, B 14 AS 132/10 R und BSG-Urteil vom 10.09.2013, Aktenzeichen B 4 AS 77/12 R. Weiter müssen die Unterkunftsbedarfe als Teil eines menschenwürdigen Existenzminimums folgerichtig in einem transparenten und sachgerechten Verfahren, also realitätsgerecht berechnet werden (vgl. zuletzt BSG-Urteil vom 10.09.2013, a.a.O.). Um eine diesen Erfordernissen genügende Tatsachenfeststellung zu ermöglichen, haben die für die Grundsicherung zuständigen Senate verallgemeinerbare (d.h. nicht von den jeweiligen Wohnungsmärkten abhängige) und entwicklungsoffene Grundsätze bzw. Prüfungsmaßstäbe aufgestellt, die Raum für die Berücksichtigung von regionalen Bedingungen lassen. Insofern muss zunächst die abstrakt angemessene Wohnungsgröße und der Wohnungsstandard bestimmt sowie festgelegt werden, auf welchen räumlichen Vergleichsmaßstab für die weiteren Prüfungsschritte abzustellen ist. Im Anschluss ist unter Anwendung von verfahrens- und materiell-rechtlichen Kriterien nach einem revisionsrechtlich begrenzt überprüfbaren schlüssigen Konzept von dem Grundsicherungsträger und den Tatsacheninstanzen zu ermitteln, wie viel auf diesem Wohnungsmarkt für eine einfache Wohnung aufzuwenden ist (abstrakt angemessener Quadratmeterpreis).

Neben Bestandsmieten sind auch Angebotsmieten in die Ermittlung der Angemessenheitsgrenzen für die KdU nach einem schlüssigen Konzept einzubeziehen. Im Rahmen des schlüssigen Konzepts der Beigeladenen erfolgte entgegen der Behauptung des Klägerbevollmächtigten keine reine Konzentration auf Bestandsmieten. Ferner stellte das Heranziehen von Bestandsmieten zur Berechnung der Angemessenheitsgrenzen nach der im Projektbericht zum Konzept erläuterten Methodik einen von zwei wesentlichen Faktoren der Ermittlung der Angemessenheitsgrenzen dar. In einem weiteren Schritt wird durch Auswertung der ebenfalls erhobenen Angebotsmieten geprüft, ob zu den ermittelten Werten ein ausreichendes Wohnungsangebot auf dem Markt besteht. Ist dies nicht der Fall, werden die auf Basis der Bestandsmieten berechneten Angemessenheitsgrenzen gegebenenfalls durch Einbeziehung von Wohnungen höheren Standards (Anhebung der Punktegrenze) angepasst. Da sich somit letztendlich beide Schritte maßgeblich auf die Höhe der Angemessenheitsgrenzen auswirken, findet im Rahmen des schlüssigen Konzepts der Beigeladenen unbestreitbar eine Einbeziehung von Angebotsmieten in der Ermittlung statt. Dies ergibt sich aus Abschnitt 4 des Projektberichts zur Erstellung des schlüssigen Konzepts. Eine Vermischung von Bestands- und Angebotsmieten bereits bei der Berechnung der Angemessenheitsgrenzen würde hingegen keine valide Form der Datenauswertung darstellen. Es ist vielmehr notwendig, in dieser Hinsicht zwischen Bestands- und Angebots- bzw. Zugangsmieten zu unterscheiden. Aus diesem Grund erfolgt im Rahmen des schlüssigen Konzepts der Stadt A-Stadt die im Projektbericht beschriebene Unterscheidung zwischen Bestands- und Angebotsmieten. Auch das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (vormals Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung) bestätigt, dass es insbesondere sinnvoll ist, Angebotsmieten im Hinblick auf die Prüfung, ob angemessener Wohnraum vorhanden ist, einzubeziehen (vgl. BMVBS, "Arbeitshilfe zur Bestimmung der angemessenen Aufwendungen der Unterkunft im Rahmen kommunaler Satzungen", Seite 44).

Das Urteil des BSG vom 18.11.2014 zum Konzept der Stadt Dresden bestätigte die Vorgehensweise der Beigeladenen. Im benannten Urteil wird die Schlüssigkeit der vorliegend vorgenommenen Unterscheidung zwischen Bestands- und Angebotsmieten bestätigt. So bezieht sich auch das vom BSG als schlüssiges Konzept anerkannte Vorgehen der Stadt Dresden hinsichtlich der Erhebung von Bruttokaltmieten zunächst auf zwei zentrale Datenquellen, nämlich den "Datensatz des qualifizierten Mietspiegels der Stadt Dresden" sowie den "Bestandsdatensatz der Dresdner Bedarfs- bzw. Einstandsgemeinschaften mit Leistungsbezug nach dem SGB II bzw. dem SGB XII" (vgl. Institut Wohnen und Umwelt - IWU - "Methodenbericht zur Ermittlung von Richtwerten für angemessene Kosten der Unterkunft nach SGB II und SGB XII in der Landeshauptstadt Dresden 2015 und 2016", Seite 14 f.). Diese Datensätze werden zur Errechnung der relevanten Mieten herangezogen und bilden ausschließlich Bestandsmieten ab. Die Miethöhen ergeben sich allein aus diesen Datensätzen, nicht jedoch aus tatsächlichen Angebotsmieten. Letztere werden, ähnlich wie im Konzept der Beigeladenen, in einem zweiten Schritt genutzt, um die Schlussfolgerungen zu begründen (vgl. IWU, a.a.O., Seite 15).

Zusammenfassend ist also festzustellen, dass im Rahmen des schlüssigen Konzepts der Beigeladenen zum einen keine reine Beschränkung auf Bestandsmieten erfolgte, sondern sehr wohl Angebotsmieten in die Ermittlung der Angemessenheitsgrenzen eingeflossen sind. Das Argument des Klägerbevollmächtigten, eine Beschränkung auf Bestandsmieten könne nur bei der Nutzung von Daten eines qualifizierten Mietspiegels erfolgen, ist damit widerlegt.

Auch die Bedenken des Klägerbevollmächtigten bezüglich der Ermittlung der angemessenen kalten Neben- und Betriebskosten führen nicht zu einer Unschlüssigkeit des Konzepts. Richtig ist, dass bei der automatisierten Vorfilterung der Datensätze hinsichtlich der kalten Neben- und Betriebskosten je Quadratmeter keine Beschränkung "unrealistischer" Werte nach unten erfolgte. Das hat den Hintergrund, dass die in diesem Schritt eliminierten Datensätze grundsätzlich vollständig aus der Datengrundlage entfernt werden. Würde man hier bereits eine Untergrenze )0 Euro je Quadratmeter ansetzen, fielen sämtliche Datensätze ohne Angabe von Betriebskosten aus der Grundlage und könnten trotz korrekter Angabe der Nettokaltmiete auch zu deren Berechnung nicht mehr genutzt werden. Um einen derartigen Datenverlust zu vermeiden, wird an dieser Stelle zunächst auf eine automatisierte untere Kappungsgrenze verzichtet. Allerdings stellt der Ausschluss von Datensätzen anhand der benannten Kappungsgrenzen hinsichtlich Wohnungsgröße, Nettokaltmiete und kalten Betriebskosten nicht die einzige Bereinigung um Extremwerte im Rahmen der Berechnungsmethodik des schlüssigen Konzepts der Beigeladenen dar. Eine solche Bereinigung erfolgte vorliegend folgendermaßen: Für die Ermittlung der angemessenen Betriebskosten wurde zwar korrekterweise kein Spannoberwert, allerdings auch kein einfacher Durchschnittswert über alle nach Filterung verbleibenden Wohnungsdatensätze gebildet. Wie im Abschnitt 3.4 des Projektberichts der Firma Rödl & Partner dargestellt, wurde hinsichtlich der kalten Neben- und Betriebskosten, wie vom BSG gefordert (vgl. BSG-Urteil vom 19.10.2010, Aktenzeichen B 14 AS 50/10 R, Rn. 34) der Durchschnittswert der Daten, die sich innerhalb des 95-%-Konfidenzintervalls befinden, herangezogen. Dieses gibt an, dass 95 % aller Daten der Grundgesamtheit, also nicht nur die Daten aus der Stichprobe, sich nach statistischen Maßstäben innerhalb des Intervalls befinden. Das Konfidenzintervall definiert somit nicht nur die Wahrscheinlichkeit der Lage der Daten, sondern dient auch einer zusätzlichen Kappung von Ausreißern nach unten und nach oben, da sich diese Werte in der Regel außerhalb des Konfidenzintervalls befinden. Im Hinblick auf die Berechnung der Betriebskosten konnten im konkreten Fall der Stadt A-Stadt nach dezidierter Prüfung innerhalb der Berechnungsgrundlage insgesamt 116 Werte mit einem theoretisch unplausiblen Betriebskostenwert (( 0,80 EUR pro Quadratmeter) identifiziert werden. Dies macht bei einer gesamten Anzahl an berechnungsrelevanten Datensätzen von 23.914 einen Anteil von weniger als 0,5 % aus.

Selbst wenn ein einfacher Durchschnittswert über alle Datensätze gebildet worden wäre, würde ein solch geringer Anteil an zu niedrigen Datensätzen trotz Eingang in die Berechnung keinerlei statistische Signifikanz aufweisen und damit auch keine Auswirkungen auf das Ergebnis mit sich bringen. Durch die im vorliegenden Fall erfolgte Extremwertkappung mittelst des 95-%-Konfidenzintervalls wurden diese Werte jedoch zusätzlich noch einmal nach mathematisch statistischen Maßstäben ausgeschlossen.

Eine Aktualisierung des grundsicherungsrelevanten Mietspiegels ist für den streitgegenständlichen Zeitraum jedenfalls noch nicht erforderlich. Nach Maßgabe des § 558d Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) ist ein qualifizierter Mietspiegel im Abstand von zwei Jahren der Marktentwicklung anzupassen. Dabei kann die Entwicklung des vom statistischen Bundesamt ermittelten "Preisindex für die Lebenshaltung" aller privaten Haushalte in Deutschland zugrunde gelegt werden (so genannte Indexfortschreibung). Da hier zum Stichtag 30.04.2013 die Erhebung und zum 01.11.2013 die Einführung und Umstellung der neuen Richtwerte erfolgte, müsste zum 01.11.2015 eine Fortschreibung durchgeführt sein.

Auch die konkrete Angemessenheit ist gegeben. Der Zeuge E. hat im Beweisaufnahmetermin angegeben, dass es bei der WBG der Stadt A-Stadt möglich sei, eine Wohnung zu mieten, die den Angemessenheitsgrenzen entspricht. So erfolgten ca. 20 % der Neuvermietungen an Empfänger von Transferleistungen, wozu auch die Hartz-IV-Empfänger gehörten. Eine Warteliste gebe es nicht. Die Städtische Wohnungsbaugesellschaft vermietet nach wie vor zu den Angemessenheitsgrenzen. Der Anteil der Hartz-IV-Bezieher hat sich seit der Einführung des Konzeptes noch nicht verändert, dies gilt für Neuvermietungen. Es sei nach Zeugenaussage kein Problem, für zwei Personen bei der WBG eine 50-m²-Wohnung zu einem angemessenen Preis zu mieten. Schwierig wird es für eine Person bei einer 50-m²-Wohnung. Die WBG vermietet derzeit 9.600 Wohnungen in der Stadt A-Stadt in allen Größen. Sie ist nicht bereit, an einen Hartz-IV-Bezieher zu vermieten, wenn die Miete nicht angemessen ist, auch wenn dieser bereit ist, die Differenz aus seinem Geldbeutel zu bezahlen. Somit lässt sich aus der Aussage des Zeugen E. nicht verallgemeinern, dass es keine angemessenen Wohnungen gebe. Dieser verwaltet eben nur einen Teil der Wohnungen in der Stadt A-Stadt.

Auch die Beigeladene hat im Beweisaufnahmetermin vom 18.12.2014 eine Aufstellung aus Immobilienscout vorgelegt, aus der sich ergibt, dass ausreichend Wohnraum vorhanden ist, der den Vorgaben des schlüssigen Konzepts entspricht.

Der Bevollmächtigte hat in seiner Würdigung der Aussagen der von ihm benannten Zeugin am 27.01.2015 ausgeführt, dass "die Beweisaufnahme zumindest in großen Teilen den bisherigen Vortrag des Bevollmächtigten bestätigt habe bzw. diesen nicht widerlegen konnte". Allerdings diente der Beweisaufnahmetermin in erster Linie der Aufklärung der Frage, ob der Mietspiegel konkret angemessen ist. Die Zeugen sind sämtlich nicht mit der Aufgabe befasst, hier Statistiken zu führen. Sie sehen sich vielmehr im Alltag diversen Schwierigkeiten ausgesetzt, für ihr Klientel Wohnraum zu finden. Dies liegt jedoch nicht nur daran, dass hier potentielle Vermieter Einwände gegen Hartz-IV-Empfänger haben könnten. Der Zeuge E. von der WBG der Stadt A-Stadt hat ausgesagt, dass er nur wenig zur bestehenden Problematik beitragen könne. Zwar hat er weiter angegeben, dass nur wenige Interessenten innerhalb von sechs Monaten eine Wohnung erhalten. Allerdings blieb im Dunkeln, warum es gleichzeitig bei der WBG einen Leerstand geben kann. Es ist auch nicht nachvollziehbar, dass prinzipiell an Hartz-IV-Empfänger nicht vermietet wird, wenn die angebotene Wohnung nicht exakt den Angemessenheitsgrenzen entspricht. Es wird damit den Hartz-IV-Empfängern die Möglichkeit genommen, die Differenz selbst draufzulegen, wie es der hiesige Kläger seit Jahrzehnten macht. In der Regel wird vom Beklagten auch nicht nachgefragt, wie eine solche Differenz seit Jahrzehnten ausgeglichen werden kann, wenn gleichzeitig kein Einkommen außer den Transferleistungen bekannt ist. Die weiter von den Zeugen dargelegten Schwierigkeiten von persönlichen Vorbehalten der Vermieter lassen sich durch eine Anhebung der Angemessenheitsgrenzen jedenfalls nicht beheben. Wie sich die Lage auf dem Wohnungsmarkt im Zuständigkeitsbereich des Beklagten weiterentwickelt, bleibt abzuwarten. Jedenfalls bleibt der Bevollmächtigte des Klägers einen Nachweis über die von ihm vorgetragene angebliche Mietpreissteigerung von 7 bis 10 % innerhalb der vergangenen zwei Jahre schuldig. Auch der vom Klägerbevollmächtigten immer wieder in den Raum gestellte Quadratmeterpreis von 5,50 EUR, der nach seinen Angaben nicht mehr aktuell sein kann, ist wenig aussagefähig. Ein Quadratmeterpreis wird durch die festgelegte Angemessenheitsgrenze gar nicht bestimmt. Letztlich hat die Beweisaufnahme zu dem Ergebnis geführt, dass das Problem häufig ist, dass Vermieter nicht bereit sind, an Empfänger von Leistungen nach dem SGB II zu vermieten, unabhängig von der ermittelten Angemessenheitsgrenze.

Es ergeben sich demnach keine Zweifel, dass der grundsicherungsrelevante Mietspiegel zur Ermittlung der angemessenen Kosten der Unterkunft für die Stadt A-Stadt rechtmäßig ist. Aus Sicht des Gerichts wurden sämtliche Forderungen des BSG erfüllt. Im Wesentlichen stimmt das Konzept der Stadt Dresden mit dem hiesigen Konzept überein. Es wurden über 20.000 Datensätze erhoben. Die vier Pfeiler des Konzepts waren die Bestandsmieten (unterteilt in SGB II, Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - SGB XII -, die Daten von gelieferten Daten der Wohnungsunternehmen und Daten aus einer Mieterbefragung) und Angebotsmieten (aus Zeitungsanzeigen, Internetanzeigen, Leerstandsmeldungen von Wohnungsunternehmen). Die Anfrage an die Wohnungsunternehmen beinhaltete die Nachfrage, welche bezugsfertigen Leerstände vorhanden sind und welche Wohnungen vermietet sind.

Die Klage war deshalb mit der Kostenfolge des § 193 SGG abzuweisen.

Die Berufung war gemäß § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG zuzulassen.
Rechtskraft
Aus
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