S 35 AL 256/15 ER

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Dortmund (NRW)
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
35
1. Instanz
SG Dortmund (NRW)
Aktenzeichen
S 35 AL 256/15 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Anträge auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes werden abgelehnt. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes darum, ob die Antragsgegnerin dem Antragsteller trotz einer gegen ihn im August 2014 verhängten Bewährungsstrafe Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben in Gestalt eines Rehabilitationsvorbereitungslehrgangs vom 16.03.2015 bis zum 21.06.2015 und einer Umschulung zum Automobilkaufmann vom 22.06.2015 bis zum 21.06.2017 zu gewähren hat.

Der Antragsteller ist am 30.06.1989 geboren. Er absolvierte von 2007 bis 2011 eine Ausbildung zum Kraftfahrzeugmechaniker. Er steht nunmehr beim Jobcenter Kreis Unna im Leistungsbezug nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).

Die letzte in der vom Gericht beigezogenen Ermittlungsakte in der Sache 117 Js 248/12 der Staatsanwaltschaft Dortmund vom 31.05.2014 vorliegende Auskunft des Bundeszentralregisters enthält im Hinblick auf den Antragsteller folgende Eintragungen:

• Eine Eintragung aufgrund einer Verurteilung des Amtsgerichts Warendorf vom 03.05.2011 zu 50 Tagessätzen je EUR 15,- Geldstrafe (Az. 81 Js 2609/10 40 Cs 103/11) wegen Beleidigung und Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen (Datum der (letzten) Tat: 18.09.2010).

• Eine Eintragung aufgrund einer Verurteilung des Amtsgerichts Warendorf vom 29.06.2011 zu 30 Tagessätzen zu je EUR 10,- Geldstrafe (Az. 82 Js 244/11 40 Ds 10/11) wegen Sachbeschädigung (Datum der (letzten) Tat: 06.12.2010).

• Eine Eintragung aufgrund einer Entscheidung des Amtsgerichts Warendorf vom 23.09.2011 (Az. 81 Js 2609/10 40 Cs 103/11) im Hinblick auf die Bildung einer Gesamtstrafe (65 Tagessätze zu je EUR 15,- Geldstrafe) aufgrund der vorgenannten Verurteilungen.

• Eine Eintragung aufgrund einer Verurteilung des Amtsgerichts Warendorf vom 16.01.2012 zu 30 Tagessätzen zu je EUR 15,- Geldstrafe (Az. 82 Js 8830/11 40 Cs 289/11) wegen eines vorsätzlichen Verstoßes gegen das Pflichtversicherungsgesetz (Datum der (letzten) Tat: 25.08.2011).

Mit Urteil vom 05.08.2014 verurteilte das Amtsgericht Unna - Schöffengericht - (Az. 103 Ls - 117 Js 248/12 - 81/14) den Antragsteller darüberhinaus wegen gewerbsmäßigen Betruges zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten. Die Vollstreckung der Freiheitsstrafe wurde zur Bewährung ausgesetzt.

In dem Urteil heißt es:

"Der Angeklagte bot im Internet über die Verkaufsplattform "XXX" hochwertige Mobiltelefone und Kleidungsstücke zum Verkauf an, obwohl er von Anfang weder in der Lage war, die von den Käufern erworbenen Gegenstände zu liefern noch willens war, diese zu beschaffen. Die Käufer zahlten den Kaufpreis per Nachnahmeüberweisung auf sein Konto bei der XXX. Statt der erworbenen Gegenstände übersandte der Angeklagte an die Käufer Pakete, welche Erde, Steine oder alte Kleidungsstücke enthielten. Er wollte sich hierdurch eine nicht nur vorübergehende, erhebliche Einnahmequelle verschaffen, weil er anderweitig keinen Kredit bekommen konnte. Das erbeutete Geld verwendete er unter anderem für den Kauf eines PKWs."

In der Folge stellt das Urteil 15 einzelne Fallgestaltungen dar.

Weiter heißt es:

"Dieser Sachverhalt steht zur Überzeugung des Gerichts auf Grund der geständigen Einlassungen des Angeklagten, die sich auch mit dem Inhalt der Ermittlungsakte deckt, fest. Zweifel an der Richtigkeit der Angaben des Angeklagten bestehen nicht."

Das Urteil des Amtsgerichts Unna ist rechtskräftig. Mit Beschluss ebenfalls vom 05.08.2014 wurde die Bewährungszeit auf drei Jahre festgesetzt.

Am 23.08.2014 beantragte der Antragsteller bei der Antragsgegnerin Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben. Insbesondere aufgrund von Rückenbeschwerden nach einem Sportunfall und einer Allergie könne er seine Tätigkeit als Kraftfahrzeugmechaniker nicht mehr ausüben. Er begehre nunmehr eine Ausbildung zum Automobilkaufmann. Nach der Einholung ärztlicher und psychologischer Gutachten meldete die Antragsgegnerin den Antragsteller mit Schreiben vom 13.02.2015 für den Zeitraum vom 16.03.2015 bis zum 22.06.2015 für einen Rehabilitationsvorbereitungslehrgang und für den Zeitraum vom 21.06.2015 bis zum 21.06.2017 für eine Umschulung zum Automobilkaufmann beim XXX an.

Einen bereits vorbereiteten und auf den 04.03.2015 datierten "Grundsatzbescheid" über die Bewilligung der vorgenannten Leistungen händigte die Antragsgegnerin dem Antragsteller nicht aus. Mit Bescheid vom 05.03.2015 bewilligte die Antragsgegnerin dem Antragsteller Lehrgangskosten in Höhe von EUR 1634,70 monatlich für den Zeitraum vom 16.03.2015 bis zum 21.03.2015 ( Rehabilitationsvorbereitungslehrgang) und in Höhe von EUR 1729,20 monatlich für den Zeitraum vom 22.06.2015 bis zum 21.06.2017 (Umschulung zum Automobilkaufmann). Die Lehrgangskosten würden direkt an den Maßnahmeträger gezahlt. In der Folge brachte die Antragsgegnerin über das Jobcenter Kreis Unna in Erfahrung, dass der Antragsteller sich im Juni und August 2014 in Untersuchungshaft befunden hatte. Gemäß einem Verbis-Vermerk der Antragsgegnerin vom 10.03.2015 informierte der Antragsteller die Antragsgegnerin auf entsprechende Rückfrage über seine Verurteilung und erklärte, dass er nach seiner Auffassung einen diesbezüglichen Eintrag in seinem polizeilichen Führungszeugnis habe. Die Mitarbeiterin der Antragsgegnerin, Frau XXX, äußerte in der Folge gegenüber dem Antragsteller, dass er ihrer Auffassung nach in dem Zielberuf keine Integrationschance mehr habe, sofern die Eintragung noch zum Zeitpunkt des Abschlusses der Maßnahme vorliege. Der Antragsteller solle klären, welche Eintragungen im Führungszeugnis wie lange bestünden, und das Führungszeugnis vorlegen. Gemäß Verbis-Vermerk vom 13.03.2015 erklärte der Antragsteller, dass er das Führungszeugnis nicht vorlegen werde. Er zeigte das Führungszeugnis in der Folgezeit auch nicht vor.

Mit Schreiben vom 13.03.2015 erklärte die Antragsgegnerin gegenüber dem Berufsförderungswerk Dortmund, dass sie die Anmeldung des Antragstellers zu den vorgenannten Maßnahmen zurücknehme.

Mit Bescheid vom 16.03.2015 lehnte die Antragsgegnerin den Antrag des Antragstellers die von ihm begehrten Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben ab. Die Eignung für eine Schulung im kaufmännischen Bereich liege nicht vor. Eine berufliche Rehabilitation in diesem Bereich könne wegen fehlender Integrationschancen nicht erreicht werden. Ebenfalls mit Bescheid vom 16.03.2015 hob sie den Bescheid vom 16.03.2015 über die Bewilligung der Lehrgangsgebühren auf. Die Förderzusage sei wegen fehlender Eignung von der Rehaberatung zurückgezogen worden. Eine Auszahlung der Lehrgangsgebühren an den Maßnahmeträger war zuvor nach Stand der Akte nicht erfolgt. Gegen beide Bescheide erhob der Antragsteller am 18.03.2015 Widerspruch.

Am 20.03.2015 hat der Antragsteller einen Antrag auf die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes mit dem Ziel einer vorläufigen Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Bewilligung der Leistung für Rehabilitationsmaßnahmen - so wörtlich - "gemäß dem Bewilligungsbescheid vom 05.03.2015" - gestellt.

Er habe im Zusammenhang mit der Antragstellung alle Fragen wahrheitsgemäß beantwortet. Zu etwaigen Vorstrafen sei er nicht befragt worden. Er sei nicht davon ausgegangen, ungefragt Auskünfte geben zu müssen.

Der Antragsteller beantragt sinngemäß,

1.)

der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig im Hinblick auf die Entscheidung in einem möglichen Hauptsacheverfahren aufzugeben, ihm dem Grunde nach Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben gemäß den §§ 112 ff. SGB III für seine Teilnahme am Rehabilitationsvorbereitungslehrgang und die anschließende Umschulung zum Automobilkaufmann beim Berufsförderungswerk Dortmund zu gewähren.

2.)

die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs vom 18.03.2015 gegen den Aufhebungsbescheid vom 16.03.2015 anzuordnen.

Die Antragsgegnerin beantragt sinngemäß,

die Anträge abzulehnen.

Sie nimmt weiterhin Bezug auf die fehlende Eignung des Antragstellers für die Rehabilitationsmaßnahme. Bereits aufgrund der Länge der Bewährungszeit könne nicht davon ausgegangen werden, dass die Umschulung nach ihrem geplanten Ende zum Erfolg führe. Bei erstmaliger Förderung ergehe gemäß ihrer Verwaltungspraxis immer ein Grundsatzbescheid, mit dem der grundsätzliche Rehabilitationsbedarf festgestellt und die konkrete Maßnahme aufgeführt werde. Dieser Bescheid sei Grundlage für die einzelnen Leistungsbescheide. Zur Bewilligung der Lehrgangskosten sei es nur gekommen, weil die Rehabilitationsberaterin ihre positive Stellungnahme bereits zu einem Zeitpunkt an den Leistungsbereich übersandt habe, zu dem der "Grundsatzbescheid" nur vorbereitet war.

Die Staatsanwaltschaft Dortmund hat auf Anfrage des Gerichts dahingehend Stellung genommen, dass die Verurteilung des Amtsgerichts Unna in ein polizeiliches Führungszeugnis aufzunehmen sei. Aufgrund der Vorschrift des § 47 Abs.3 des Bundeszentralregistergesetzes (BZRG) könne nicht mit Bestimmtheit gesagt werden, welche Eintragungen am 21.06.2017 noch vorlägen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichts- und Verwaltungsakten sowie auf die beigezogenen Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft Dortmund Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Im vorliegenden Fall bedarf der Antrag des Antragstellers zunächst der Auslegung im Sinne von § 123 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG). Ausweislich der Antragstellung und der diese begründenden Schriftsätze ist das einstweilige Rechtsschutzverfahren auf die Förderung des Rehabilitationsvorbereitungslehrgangs und der Umschulung zum Automobilkaufmann gemäß den zwischen den Beteiligten ursprünglich anvisierten Planung gerichtet. Die vorzunehmende Auslegung führt dazu, dass das Begehren des Antragstellers durch zwei separate - in den Gründen zu 1.) dargestellte - Anträge zu verfolgen ist. In diesem Zusammenhang ist nämlich zu beachten, dass die gesetzliche Konzeption eine Abstufung zwischen einer "grundsätzlichen Entscheidung" über die Bewilligung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben (§§ 112 Abs.1 SGB III; 33 Abs.1 SGB IX) und die Bewilligung von gegebenenfalls periodisch neu zu beurteilenden Folgebewilligungen (so z.B. § 33 Abs.3 Nr. 3 SGB IX: Weiterbildungskosten; § 53 SGB IX: Reisekosten) nahelegt. Dies entspricht gemäß der Stellungnahme der Antragsgegnerin auch der dortigen Verwaltungspraxis. Im vorliegenden Fall liegt nunmehr eine noch nicht bestandskräftige ablehnende Entscheidung der Antragsgegnerin über die grundsätzliche Bewilligung der Leistungen für die Rehabilitationsmaßnahmen "Rehabilitationsvorbereitungslehrgang" und "Umschulung zum Automobilkaufmann" vor. Da dem Antragsteller in dieser Fallgestaltung die alleinige "Beseitigung" der ablehnenden Entscheidung nicht weiterhilft, kann er aufgrund der in § 86 b Abs.2 Satz 1 SGG getroffenen Abgrenzungsregelung sein Ziel im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nur über einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gemäß § 86 b Abs. 2 SGG erreichen. Auf der "zweiten Stufe" hatte die Antragsgegnerin im Hinblick auf die Lehrgangskosten mit dem Bescheid vom 05.03.2015 dagegen schon eine Bewilligung ausgesprochen, die sie nunmehr mit dem Bescheid vom 16.03.2015 aufgehoben hat. In einer möglichen Hauptsache ist das Begehren des Antragstellers damit auf das "Wiederaufleben" des Bewilligungsbescheides vom 05.03.2015 gerichtet, das er allein durch eine Kassation des Aufhebungsbescheides vom 16.03.2015 und damit über eine Anfechtungsklage gemäß § 54 Abs.1 Satz 1 1. Alt. SGG erreichen könnte. Aufgrund dieser Anfechtungssituation und der Tatsache, dass die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers aufgrund der Vorschriften der §§ 336 a Satz 2 SGB III, 86 b Abs.2 Nr.2 SGG entfällt, ist insoweit ein Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 86b Abs.1 Satz 1 Nr.2 SGG statthaft.

Die so verstandenen Anträge des Antragstellers waren abzulehnen.

Dies gilt zunächst im Hinblick auf den Antrag zu 1.).

Eine einstweilige Anordnung kann gemäß § 86b Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis ergehen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Gemäß § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG hat der Antragsteller im Sinne von § 920 der Zivilprozessordnung (ZPO) glaubhaft zu machen, dass ihm der umstrittene und zu sichernde Anspruch (Anordnungsanspruch) zusteht und die Regelung eines vorläufigen Zustands zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Anordnungsgrund).

Im vorliegenden Fall hat der Antragsteller aber bereits keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Der Antragsteller hat unter Berücksichtigung der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren gebotenen Prüfungsdichte keinen Anspruch gegen die Antragsgegnerin auf die Gewährung von Leistungen für die von ihm durch seinen Antrag ausdrücklich konkretisierten Rehabilitationsmaßnahmen beim Berufsförderungswerk Dortmund.

Gemäß § 112 Abs.1 SGB III können für behinderte Menschen Leistungen zur Förderung der Teilhabe am Arbeitsleben erbracht werden, um ihre Erwerbsfähigkeit zu erhalten, zu verbessern, herzustellen oder wiederherzustellen und ihre Teilhabe am Arbeitsleben zu sichern, soweit Art oder Schwere der Behinderung dies erfordern. Gemäß § 112 Abs.2 SGB III Satz 1 SGB III sind bei der Auswahl der Leistungen Eignung, Neigung, bisherige Tätigkeit sowie Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes angemessen zu berücksichtigen.

In diesem Zusammenhang steht der Antragsgegnerin insbesondere im Hinblick auf das "Wie" der Maßnahme ein Ermessensspielraum ("Auswahlermessen") zu, der nur in Ausnahmefällen auf Null reduziert ist und dem Leistungsbegehrenden nur dann das Recht auf eine ganz bestimmte Leistung vermitteln kann (vgl. hierzu nur Karmanski in Brand, SGB III, Sozialgesetzbuch - Arbeitsförderung, 6. Auflage, München 2012, - zu § 112 SGB III, Rn.5). Eine solche Ermessensreduzierung auf Null ist im Hinblick auf den vom Antragsteller verfolgten Anspruch aber bereits deshalb nicht gegeben, weil die Antragsgegnerin zur Überzeugung des Gerichts eine der gemäß der gesetzlichen Wertung des § 112 Abs.2 Satz 1 SGB III bei der Ermessensausübung zu berücksichtigenden Kriterien - nämlich die Eignung für die konkrete Maßnahme - zu Recht verneint hat. Der Rehabilitand ist für eine berufsfördernde Leistung nämlich nur geeignet, wenn er hierdurch auf Dauer beruflich eingegliedert werden kann (Karmanski in Brand, SGB III, Sozialgesetzbuch - Arbeitsförderung, 6. Auflage, München 2012, - zu § 112 SGB III, Rn.28).

Nach Auffassung des Gerichts ist aufgrund der Verurteilung des Antragstellers durch das Amtsgericht Unna am 05.08.2014 aber nicht davon auszugehen, dass der Antragsteller zeitnah nach dem anvisierten Abschluss der Umschulungsmaßnahme im Jahr 2017 eine dauerhafte Anstellung als Automobilkaufmann finden kann.

Bei der vom Amtsgericht Unna in diesem Urteil verhängte Strafe handelt es sich um eine solche, die der Antragsteller über das Jahr 2017 hinaus gegenüber einem potentiellen Arbeitgeber jedenfalls auf Nachfrage benennen muss. Der Arbeitgeber darf nämlich beim Arbeitnehmer bei der Anbahnung des Arbeitsverhältnisses Informationen zu Vorstrafen einholen, wenn und soweit die Art des zu besetzenden Arbeitsplatzes dies "erfordert", d.h. bei objektiver Betrachtung, berechtigt erscheinen lässt (BAG, Urteil vom 20. März 2014 – 2 AZR 1071/12 –, Rn. 29, juris). Dies gilt insbesondere, wenn die verübten Straftaten negative Rückschlüsse auf die Zuverlässigkeit für die Pflichterfüllung im einzugehenden Arbeitsverhältnis zulassen. Dies kann etwa bei Vermögensstraftaten des Bewerbers bei einer Einstellung als Bankangestellter oder bei Verkehrsstraftaten eines Berufskraftfahrers der Fall sein (Landesarbeitsgericht Hamm (Westfalen), Urteil vom 10. März 2011 – 11 Sa 2266/10 –, Rn. 49, juris). Die falsche Beantwortung einer dem Arbeitnehmer bei der Einstellung zulässigerweise gestellten Frage kann den Arbeitgeber in der Folge nach § 123 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) dazu berechtigen, den Arbeitsvertrag wegen arglistiger Täuschung anzufechten, wenn die Täuschung für dessen Abschluss ursächlich war (BAG, Urteil vom 20. März 2014 – 2 AZR 1071/12 –, Rn. 28, juris). Bei der Verurteilung des Antragstellers wegen gewerbsmäßigen Betruges als Vermögensdelikt handelt es sich nach Auffassung des Gerichts auch um eine solche, die negative Rückschlüsse auf die Zuverlässigkeit für die Pflichterfüllung im Arbeitsverhältnis als Automobilkaufmann zulässt. Die Tätigkeit als Automobilkaufmann ist nämlich sowohl durch einen Umgang mit nicht unerheblichen Vermögenswerten als auch durch beratende Funktionen gegenüber potentiellen Käufern von Kraftfahrzeugen geprägt. Insbesondere die letztgenannte Tätigkeit zeitigt ein gewisses Gefährdungspotential für die Begehung von Täuschungshandlungen. Das Gericht geht in diesem Zusammenhang auch davon aus, dass sich insbesondere eine Verurteilung wegen gewerbsmäßigen Betruges auf die Einstellungschancen des Antragstellers jedenfalls bei der großen Mehrheit der Kraftfahrzeughändler weit überwiegend negativ auswirkt.

Ein Recht des Antragstellers, sich als unbestraft zu bezeichnen, folgt jedenfalls im Jahr 2017 auch noch nicht aus dem Rehabilitationsgedanken. Hierbei ist an die Wertungen des Bundeszentralregistergesetzes (BZRG) anzuknüpfen (Landesarbeitsgericht Hamm (Westfalen), Urteil vom 10. März 2011 – 11 Sa 2266/10 –, Rn. 49, juris). Gemäß § 53 Abs.1 BZRG darf der Verurteilte sich als ungestraft bezeichnen und braucht den der Verurteilung zugrundeliegenden Sachverhalt nicht zu offenbaren, wenn die Verurteilung 1. nicht in das Führungszeugnis oder nur in ein Führungszeugnis nach § 32 Abs.3, 4 aufzunehmen oder 2. zu tilgen ist.

Die Verurteilung des Antragstellers ist aber gemäß § 32 Abs.1 Satz 1 BZRG in ein polizeiliches Führungszeugnis aufzunehmen. Das Vorliegen eines Ausnahmetatbestands gemäß § 32 Abs.2 BZRG ist nicht erkennbar. Dies entspricht auch der Einschätzung der Staatsanwaltschaft Dortmund in ihrer Stellungnahme vom 07.05.2015. Auch die Voraussetzungen des § 34 Abs.1 Satz 1 BZRG, wonach eine Verurteilung nach einer bestimmten Frist nicht mehr in ein Führungszeugnis aufzunehmen ist, sind hinsichtlich der hier in Rede stehenden Vorstrafe jedenfalls im Jahr 2017 noch nicht gegeben. Im vorliegenden Fall greift nämlich der Regelfall des § 34 Abs.1 Satz 1 Nr. 3 BZRG, wonach eine Strafe fünf Jahre nach dem Tag des ersten Urteils (§ 36 Abs.1 Satz1 BZRG) nicht mehr in das Führungszeugnis aufzunehmen ist. Dies wäre hier erst am 05.08.2019 der Fall. Zu beachten ist im vorliegenden Fall im Hinblick auf die weiteren Vorstrafen des Antragstellers auch, dass aufgrund der Vorschrift des § 47 Abs.3 BZRG bei mehreren Verurteilungen die Tilgung einer Verurteilung aus dem Bundeszentralregister erst möglich ist, wenn für alle Verurteilungen die Voraussetzungen einer Tilgung vorliegen. Gemäß § 38 Abs.1 BZRG sind bei mehreren im Bundeszentralregister eingetragenen Verurteilungen auch alle Verurteilungen in das Führungszeugnis aufzunehmen, solange eine von ihnen aufzunehmen ist.

Nach der Einschätzung des Gerichts ist die Anforderung eines polizeilichen Führungszeugnisses bei der Einstellung in kaufmännische Berufe auch durchaus üblich. Die Pflicht eines Arbeitnehmers zur Vorlage eines Führungszeugnisses kann sich auch aus § 241 Abs.2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ergeben (vgl. hierzu allgemein Landesarbeitsgericht Hamm (Westfalen), Urteil vom 04. Juli 2014 – 10 Sa 171/14 –, juris).

Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers vom 18.03.2015 gegen den Aufhebungsbescheid vom 16.03.2015 hat ebenfalls keinen Erfolg.

Bei der Entscheidung über einen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung nach § 86b Abs.1 Satz 1 Nr.2 SGG hat das Gericht eine Abwägung des Interesses des Antragstellers, die Wirkung des angefochtenen Bescheides (zunächst) zu unterbinden (Aussetzungsinteresse), mit dem Vollzugsinteresse des Antragsgegners vorzunehmen. Diese Abwägung gestaltet sich wie folgt: Ist der Verwaltungsakt offenbar rechtswidrig und der Betroffene durch ihn in seinen subjektiven Rechten verletzt, wird die aufschiebende Wirkung angeordnet, weil dann ein öffentliches Interesse oder Interesse eines Dritten an der Vollziehung nicht besteht (vgl. z. B. Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Auflage 2012, § 86b Rn. 12c ff.; Conrads in: LPK-SGB II, 4. Auflage 2012, § 39 Rn. 16). Ist der Hauptsacherechtsbehelf hingegen aussichtslos, wird die aufschiebende Wirkung nicht angeordnet. Dabei kann die Klage unter Umständen auch bei einem Verwaltungsakt, der unter Verletzung von Form- oder Verfahrensvorschriften zustande gekommen ist, ohne Erfolgsaussicht sein, wenn damit zu rechnen ist, dass dieser Fehler noch korrigiert (vgl. § 41 Abs.1, 2 SGB X) wird (vgl. Keller a. a. O. m. w. N.). Sind die Erfolgsaussichten nicht abschätzbar, bleibt eine allgemeine Interessenabwägung. Es gilt insoweit der Grundsatz: Je größer die Erfolgsaussichten sind, um so geringer sind die Anforderungen an das Aussetzungsinteresse des Antragstellers. Umgekehrt sind die Anforderungen an die Erfolgsaussichten umso geringer, je schwerer die Verwaltungsmaßnahme wirkt. Gegenüberzustellen sind die Folgen, die eintreten würden, wenn die Eilentscheidung nicht erginge, die Klage aber später Erfolg hätte, und die Nachteile, die entstünden, wenn die begehrte Eilentscheidung erlassen würde, der Klage aber der Erfolg zu versagen wäre (vgl. Keller a. a. O. m. w. N.). Sofern die vorgenannte Interessenabwägung nicht zu einem Ergebnis führt ("non liquet"), ist die gesetzliche Wertung zu beachten: Aus den im vorliegenden Fall einschlägigen §§ 336 a Satz 2 SGB III, 86a Abs.2 Nr.2 SGG ergibt sich, dass der Gesetzgeber aufgrund einer typisierenden Abwägung der Individualinteressen und der öffentlichen Interessen dem öffentlichen Interesse am Sofortvollzug prinzipiell Vorrang gegenüber entgegenstehenden privaten Interessen einräumt.

Nach diesen Maßgaben war die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs vom 18.03.2015 gegen den Aufhebungsbescheid vom 16.03.2015 nicht anzuordnen. Dieser erweist sich nach der im Rahmen eines Antrags auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung vorzunehmenden summarischen Prüfung nämlich als rechtmäßig, so dass einem möglichen Hauptsacherechtsbehelf keine Erfolgsaussicht zukommt. Ermächtigungsgrundlage für die Aufhebung des Bewilligungsbescheides ist § 45 Abs.1 SGB X. Danach darf ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), soweit er rechtswidrig ist, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Der Bescheid über die Bewilligung von Lehrgangskosten war nach der Einschätzung des Gerichts bereits ursprünglich rechtswidrig. In diesem Rahmen kann dahinstehen, inwiefern eine solche Rechtswidrigkeit bereits daraus resultiert, dass die Antragsgegnerin ohne das Vorliegen der "Grundsatzentscheidung" über die Bewilligung der Rehabilitationsmaßnahme die Bewilligung einer hierauf fußenden Einzelleistung vorgenommen hat. Jedenfalls schlägt die festgestellte fehlende Eignung des Antragstellers für die begehrte Maßnahme, die auch zur Rechtswidrigkeit einer "Grundsatzentscheidung" gemäß § 112 SGB IIIf führen würde, auch auf die Rechtmäßigkeit der Folgeentscheidung durch.

Auf Vertrauensschutz gemäß § 45 Abs. 2 Satz 1 SGB X kann der Antragsteller sich nicht berufen. Danach darf ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte erbrachte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Im vorliegenden Fall sind aber weder Lehrgangskosten an den Antragsteller noch an das Berufsförderungswerk Dortmund ausgezahlt worden. Auch ist in keiner Weise erkennbar, dass der Antragsteller im Hinblick auf die von ihm zum Zeitpunkt der Aufhebung noch nicht angetretene Maßnahme irgendwelche Vermögensdispositionen getroffen hat. Sind Leistungen nicht erbracht oder Vermögensdispositionen nicht getroffen worden, überwiegt aber stets das öffentliche Interesse an der Herstellung der wahren Rechtslage für die Zukunft (Padé in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, § 45 SGB X, Rn. 70; vgl. hierzu auch Schütze in Von Wulffen, SGB X, Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz, 6. Auflage zu § 45 SGB X, Rdnr.40).

Da bereits grundsätzlich kein Vertrauensschutz des Antragstellers anzunehmen ist, kann dahinstehen, ob ein vertrauensschutzausschließender Tatbestand gemäß § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X vorliegt, insbesondere ob der Antragsteller gehalten war, die Antragsgegnerin über seine Vorstrafe zu informieren.

Die Kostenentscheidung folgt aus einer analogen Anwendung von § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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