S 8 AS 167/15

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
SG Augsburg (FSB)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
8
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 8 AS 167/15
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Zur Schlüssigkeit des grundsicherungsrelevanten Mietspiegels in Augsburg
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
3. Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist ein Anspruch des Klägers auf höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts vom 1. November 2014 bis zum 30. April 2015.

Der 1952 geborene Kläger, der privat kranken- und pflegeversichert ist, bezieht seit Mai 2011 laufende Leistungen zum Lebensunterhalt vom Beklagten und ist seitdem auch arbeitsunfähig geschrieben. Er bewohnt seit Ende 2006 eine 3-Zimmer-Wohnung mit 58 qm, für die er monatlich 350 EUR Grundmiete, 50 EUR Betriebskosten und 60 EUR an Heizkostenvorauszahlung zu entrichten hat.

Ab Dezember 2012 berücksichtigte der Beklagte an Kosten der Unterkunft zunächst pro Monat nur mehr 395,40 EUR einschließlich Heizkostenvorauszahlung, auf den Widerspruch hin 393,80 EUR zuzüglich der Heizkosten.

Unter dem 17. April 2014 teilte das beklagte Jobcenter dem Kläger mit, dass an Kaltmiete und Betriebskosten nur 347,05 EUR angemessen seien und die Aufwendungen in bisheriger Höhe längstens noch für sechs Monate übernommen würden.

Auf den Weiterbewilligungsantrag des Klägers vom 30. September 2014 bewilligte der Beklagte mit Bescheid vom 22. Oktober 2014 vorläufig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts vom 1. November 2014 bis zum 30. April 2015. Dabei wurden für die Unterkunft 347,05 EUR und für Heizkosten 60 EUR monatlich berücksichtigt.

Gegen den Bescheid wurde Widerspruch eingelegt.

Die Regelsatzerhöhung ab 2015 wurde mit Bescheid vom 22. November 2014 umgesetzt.

Ferner wurde mit Änderungsbescheid vom 12. Januar 2015 für Januar bis April 2015 ein höherer Zuschuss zur privaten Krankenversicherung bewilligt.

Den Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 3. Februar 2015 zurück.

Dagegen hat der Kläger durch seinen Prozessbevollmächtigten am 16. Februar 2015 Klage zum Sozialgericht Augsburg erheben lassen. Die Kosten der Unterkunft seien zu niedrig angesetzt. Das zugrunde liegende Konzept sei nicht schlüssig, die von der Rechtsprechung aufgestellten Kriterien nicht eingehalten. Es werde allein auf Bestandsmieten abgestellt, Angebotsmieten seien nicht berücksichtigt worden. Bezüglich der kalten Betriebskosten sei unklar, ob aus den Bestandsmietverhältnissen die tatsächlichen Kosten oder die Vorauszahlungen eingeflossen seien. Außerdem müsse für die Obergrenze ein Wert oberhalb des Durchschnitts gewählt werden, weil diese Kosten unabhängig vom Wohnstandard anfielen. Zu kritisieren sei ferner, dass keine Aktualisierung oder Fortschreibung der Daten erfolgt sei, obschon diese mittlerweile zwei Jahre alt seien und die Mietpreise seit März/April 2013 zwischen 4 und 7% gestiegen seien. Schließlich seien auch keine konkreten Unterkunftsalternativen zu den ermittelten Referenzmieten tatsächlich verfügbar.

Der Beklagte hat seine Entscheidung, namentlich das Konzept als schlüssig verteidigt.

Mit Bescheid vom 12. Mai 2015 ist dem Kläger noch ein um 8,72 EUR höherer Zuschuss zur Krankenversicherung jeweils für November und Dezember 2014 bewilligt worden.

Für den Kläger wird beantragt:

Der Beklagte wird unter Abänderung seiner Bescheide vom 22. Oktober 2014, 22. November 2014 und 12. Januar 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 3. Februar 2015 und des Bescheids vom 12. Mai 2015 verpflichtet, dem Kläger für den Zeitraum 1. November 2014 bis 30. April 2015 höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts zu bewilligen, soweit Kosten der Unterkunft (ohne Heizkosten) von weniger als 393,80 EUR monatlich berücksichtigt wurden.

Für den Beklagten wird beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Ergänzung des Tatbestands wird auf den Inhalt der Gerichts- und Behördenakten sowie die Niederschrift Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg.

Die Bescheide des Beklagten vom 22. Oktober 2014, 22. November 2014 und 12. Januar 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 3. Februar 2015 und der Bescheid vom 12. Mai 2015 sind rechtmäßig und verletzten den Kläger nicht in seinen Rechten. Denn der Kläger hat im Zeitraum vom 1. November 2014 bis zum 30. April 2015 keinen höheren Anspruch auf Leistungen zum Lebensunterhalt als bereits vom Beklagten bewilligt.

Leistungen zum Lebensunterhalt nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) umfassen zum einen die Regelbedarfe nach § 20 SGB II, vornehmlich in Form eines altersabhängigen Regelbedarfs, und zum anderen die Bedarfe für Unterkunft und Heizung, § 22 SGB II. Hinzu kommen gegebenenfalls noch Mehrbedarfe oder unabweisbare Bedarfe.

Nach dem zuletzt gestellten Klageantrag ist das Klagebegehren auf die Höhe der Kosten der Unterkunft und Heizung beschränkt. Soweit dies nicht für zulässig gehalten wird, sieht das Gericht allerdings hinsichtlich der Höhe der bewilligten Regelbedarfe und des Zuschusses zur privaten Kranken- und Pflegeversicherung keine Fehlerhaftigkeit der Leistungsgewährung. Insbesondere ist mit Änderungsbescheid vom 12. Mai 2015 auch der Zuschuss zur privaten Krankenversicherung nach § 26 SGB II für November und Dezember 2014 in korrekter Höhe nachbewilligt worden. Ein Mehrbedarf oder ein unabweisbarer Bedarf ist weder beantragt worden noch haben sich dafür sonst Anhaltspunkte ergeben.

Was die Kosten für Unterkunft und Heizung anbelangt, schreibt § 22 Abs. 1 SGB II vor, dass diese in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt werden, soweit diese angemessen sind. Sie sind als Bedarf außerdem so lange anzuerkennen, als es dem Leistungsberechtigten bzw. der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate.

Die Prüfung der Angemessenheit unterliegt der vollen gerichtlichen Kontrolle, wobei die Kaltmiete und die Betriebs- bzw. Nebenkosten ohne die Heizkosten (sogenannte kalte Betriebskosten) auf der einen und die Heizkosten auf der anderen Seite gesondert zu betrachten sind.

Die Prüfung der Aufwendungen für die Unterkunft erfolgt unter Berücksichtigung des allgemeinen Gleichheitssatzes nach einheitlichen Kriterien in mehreren Stufen (vgl. zum Ganzen BSG, Urteile vom 18. November 2014, B 4 AS 9/14 R, und vom 10. September 2013, B 4 AS 77/12 R). Zunächst ist zu ermitteln, welche Wohnungsgröße für die Bedarfsgemeinschaft abstrakt angemessen ist. Dies orientiert sich an den jeweiligen landesrechtlichen Vorschriften zum sozialen Wohnungsbau, in Bayern den Verwaltungsvorschriften zum Vollzug des Wohnungsbindungsrechts (VVWOBindR - Bekanntmachung des Bayer. Staatsministeriums des Innern vom 27. Februar 2013, AllMBl. S. 133). Bei der folgenden Ermittlung des abstrakt angemessenen Wohnungsstandards im Vergleichsraum ist auf den unteren Bereich abzustellen. Die Wohnung muss nach Ausstattung, Lage und Bausubstanz einfachen und grundlegenden Anforderungen genügen und darf keinen gehobenen Wohnstandard aufweisen. Wohnungen gehobenen Standards gehören von vornherein nicht zu dem Wohnungsbestand, der überhaupt für die Bestimmung der Vergleichsmiete abzubilden ist. Die Merkmale Ausstattung, Lage und Bausubstanz müssen im Ergebnis (insofern besteht Methodenfreiheit) beachtet werden.

Der zu bildende Vergleichsraum muss genügend groß gewählt werden, aber aufgrund seiner räumlichen Nähe, seiner Infrastruktur und insbesondere seiner verkehrstechnischen Verbundenheit noch einen insgesamt betrachtet homogenen Lebens- und Wohnbereich bilden. Die demnach zu bildende Vergleichsmiete errechnet sich aus dem Produkt aus angemessener Wohnfläche und angemessenem Quadratmetermietzins. Letzterer wiederrum ist vorrangig durch das örtlich zuständige Jobcenter für seinen Bereich zu ermitteln. Falls diesbezügliche Erkenntnismöglichkeiten und -mittel fehlen, kann auf die Werte nach § 12 des Wohngeldgesetzes zuzüglich eines Zuschlages von 10% zurückgegriffen werden.

Bei der Ermittlung des angemessenen Wertes pro Quadratmeter muss das Jobcenter nach einem Konzept vorgehen, das die hinreichende Gewähr dafür bietet, dass es die aktuellen Verhältnisse auf dem relevanten (örtlichen) (Miet-)Wohnungsmarkt widerspiegelt, somit ein "schlüssiges Konzept" darstellt. Alle Leistungsberechtigten müssen danach in der Lage sein, eine zugleich bedarfsgerechte als auch kostenangemessene Wohnung zu finden.

Das Bundessozialgericht (BSG) hat folgende methodische wie inhaltliche Mindestvoraussetzungen für ein derartiges schlüssiges Konzept - bei Methodenfreiheit des Jobcenters - aufgestellt: - Die Datenerhebung darf ausschließlich in dem genau eingegrenzten und muss über den gesamten Vergleichsraum erfolgen, - es bedarf einer nachvollziehbaren Definition des Gegenstandes der Beobachtung, z.B. welche Art von Wohnungen - Differenzierung nach Standard der Wohnungen, Brutto- und Nettomiete (Vergleichbarkeit), Differenzierung nach Wohnungsgröße, - Angaben über den Beobachtungszeitraum, - Festlegung der Art und Weise der Datenerhebung (Erkenntnisquellen, z.B. Mietspiegel), - Repräsentativität des Umfangs der eingezogenen Daten, - Validität der Datenerhebung, - Einhaltung anerkannter mathematisch-statistischer Grundsätze der Datenaus-wertung und - Angaben über die gezogenen Schlüsse (z.B. Spannoberwert oder Kappungs-grenze).

In die Ermittlung des pro Quadratmeter anzusetzenden Betrages sind auch die kalten Betriebskosten einzubeziehen. Dazu sind zunächst örtliche Übersichten heranzuziehen, bei deren Fehlen auch auf bundesweite Übersichten abgestellt werden kann. Hieraus sind sodann Durchschnittswerte zu ermitteln.

Schließlich ist zu prüfen, ob eine nach den so ermittelten Werten eine angemessene Unterkunft auch konkret verfügbar ist. Allerdings ist davon auszugehen, dass hierzulande angemessener Wohnraum verfügbar ist, weil keine allgemeine Wohnungsnot herrscht. Der Leistungsberechtigte muss deshalb konkret darlegen, dass er sich intensiv, aber vergebens um eine Unterkunftsalternative bemüht hat.

Auf dieser Grundlage ergibt sich kein höherer Anspruch des Klägers betreffend die Kosten der Unterkunft und Heizung.

Die Kosten für Heizenergie wurden über den gesamten Bewilligungszeitraum in tatsächlicher Höhe der vom Kläger zu leistenden Vorauszahlungen von 60 EUR pro Monat angesetzt. Insofern besteht schon deswegen keine Basis für einen höheren Anspruch.

Bezüglich der Kosten der Unterkunft sieht das Gericht ebenso wenig eine Grundlage für höhere Leistungen als bislang. Es ist nicht zu beanstanden, dass der Beklagte monatlich an Kosten der Unterkunft (ohne die oben genannten Heizkosten) lediglich 347,05 EUR anstelle der tatsächlich anfallenden 400 EUR berücksichtigt.

Es gibt keine Gründe, die dem Kläger im streitigen Zeitraum eine Senkung seiner Unterkunftskosten unmöglich oder unzumutbar gemacht haben. Vor allem liegen keine gesundheitlichen Umstände vor, die ihn an einem Wechsel der Unterkunft gehindert haben oder sein Verbleiben in seiner bisherigen Wohnung erfordern. Dass ergibt sich weder mit Blick auf die psychotherapeutische Behandlung des Klägers noch auf seine Herzerkrankung.

Auch ist der Kläger wirksam unter dem 17. April 2014 zur Senkung seiner Unterkunftskosten aufgefordert und ihm Klarheit über die als angemessen erachtete Höhe verschafft worden.

Zutreffend ist der Beklagte davon ausgegangen, dass für den Kläger nach den für Bayern geltenden Richtwerten (VVWOBindR, siehe oben, dort Ziffer 5.8) für den Kläger 50qm als abstrakt angemessene Wohnfläche anzusetzen sind.

Der als Grundlage für die Ermittlung der Vergleichsmiete herangezogene "Grundsicherungsrelevante Mietspiegel zur Ermittlung der angemessenen Kosten der Unterkunft für die Stadt A-Stadt" (im Folgenden kurz: Konzept) erweist sich zudem als schlüssig nach den oben dargestellten Anforderungen.

Die Datenerhebung ist in einem genau eingegrenzten Vergleichsraum, nämlich dem gesamten Stadtgebiet von A-Stadt, durchgeführt worden (Konzept Ziffern 2.1, 2.3). Dieses ist zum einen ausreichend groß genug gewählt, zum anderen auch als homogen anzusehen, nachdem dies sogar bezüglich des deutlich größeren Stadtgebietes der Landeshauptstadt München bejaht wurde. Eine Ghettoisierung ist daher nicht zu befürchten.

Der Beobachtungsgegenstand ist nachvollziehbar definiert worden (Konzept Ziffer 2.2). Hinsichtlich der Festlegung des Wohnungsstandards ist zwar die einzige Abgrenzung des nicht mehr zumutbaren Wohnstandards dahin erfolgt, dass ein außerhalb der Wohnung liegendes WC zum Ausschluss führte. Hingegen ist über die Punktevergabe kein weiterer Ausschluss erfolgt, also auch nicht für Wohnungen mit der maximal denkbaren Minuspunktzahl von zehn, während Wohnungen mit mehr als vier Punkten als gehobener Wohnstandard keine Berücksichtigung fanden. Allerdings hält das Gericht dieses Vorgehen in Ansehung der Kriterien Lage, Ausstattung und Bausubstanz noch für zulässig. Denn nach den gewählten Merkmalen der Punktvergabe ist selbst eine Wohnung mit der theoretisch denkbar schlechtesten Bewertung von minus zehn Punkten noch als zumutbar anzusehen und nicht als unterster Standard auszuscheiden. Auf der anderen Seite erscheint die Einstufung als gehobener Wohnstandard ab einer Punktzahl von fünf und mehr als plausibel. Dass die Bausubstanz nur am Rande bzw. im Ergebnis berücksichtigt wurde, genügt und wird sich zugunsten der Leistungsberechtigung ausgewirkt haben.

Der Beobachtungszeitraum ist angegeben (Konzept Ziffer 2.3). Die Mieter- und Vermieterbefragung fand demnach im März und April 2013 statt und als Stichtag für die Datenerhebung wurde der 30. April 2013 festgelegt.

Die Art und Weise der Datenerhebung ist nachvollziehbar festgelegt worden (Konzept Ziffer 3.1). Als Erkenntnisquellen dienten eine Mieter- und Vermieterbefragung sowie die Mietangaben von Empfängern von Leistungen nach dem SGB II und von Sozialhilfe. Insgesamt standen damit etwa 24.000 Datensätze über Bestandsmietverhältnisse zur Verfügung. Dabei ist keine Beschränkung rein auf Bestandsmietverhältnisse erfolgt. Dies stellte lediglich den ersten Schritt dar, während die Angebotsmieten in einem weiteren Schritt im Rahmen der Auswertung (Konzept Ziffer 4.1) einbezogen worden sind, um zu ermitteln, ob tatsächlich ein ausreichendes Wohnangebot zu den errechneten Werten verfügbar ist. Gegebenenfalls ist insofern eine Anpassung durchgeführt worden (Konzept Ziffer 3.2). Der Rechtsprechung des BSG ist nach Ansicht des Gerichts außerdem nicht zu entnehmen, dass Angebots- oder Neuzugangsmieten zwingend bereits beim ersten Schritt, der Berechnung der Angemessenheitsgrenzen, berücksichtigt werden müssen. Das muss jedenfalls gelten, wenn sie in einem späteren Schritt, eventuell korrigierend, einfließen, wie vorliegend erfolgt. Dass ist für das Gericht auch in Anbetracht dessen noch akzeptabel, dass hier bei den Bestandsmieten keine Ausgrenzung dahin vorgenommen worden ist, dass nur Mietverhältnisse eingeflossen sind, die in den letzten vier Jahren vor Datenerhebung begründet oder die Miethöhe geändert wurde (so aber beim qualifizierten Mietspiegel nach § 558d Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches - BGB). Denn insoweit ist die Methodenfreiheit des Beklagten zu beachten. Allerdings ergeben sich nach Ansicht der Kammer aus diesem Vorgehen Konsequenzen für die Aktualisierung und Fortentwicklung des Konzepts dahin, dass besonderes Augenmerk auf eine rechtzeitige Überprüfung zu legen ist.

Das Gericht hat keine Zweifel, dass der Umfang der einbezogenen Daten (Konzept Ziffern 2.4, 3.1) ausreichend repräsentativ ist und dass die Datenerhebung valide ist. Auch in Bezug auf die Einhaltung mathematisch-statistischer Grundsätze der Datenauswertung hat sich kein Anlass für Bedenken ergeben. Soweit Kappungsgrenzen gebildet wurden (Konzept Ziffern 3.3, 3.4), ist das Vorgehen mittels eines 95prozentigen Konfidenzintervalls erfolgt. Das ist nicht zu beanstanden.

Schließlich sind auch die gezogenen Schlüsse hinreichend deutlich dargelegt, vor allem bezüglich der Spannoberwerte (Konzept Ziffer 3.3) und, wie bereits erwähnt, der Kappungsgrenzen.

Zutreffend erfolgt ist für das Gericht weiter die Ermittlung und Einbeziehung der kalten Betriebs- bzw. Nebenkosten. Hier hat der Beklagte keinen Spannoberwert wie zur Ermittlung der Grundmiete gebildet, sondern einen Durchschnittswert (Konzept Ziffer 3.4). Nach der bisher dazu ergangenen Entscheidung des BSG ist dieses Vorgehen nicht zu kritisieren. Dass hier kein Spannoberwert, sondern ein Durchschnittswert ermittelt wurde, ist nachvollziehbar. Das Gericht geht davon aus, dass in das Konzept Eingang gefunden haben Werte zwischen 0,80 EUR und drei Euro. Das folgt aus den Stellungnahmen der Stadt A-Stadt im Verfahren S 3 AS 393/14, auf die sich die Beteiligten beziehen, hinreichend deutlich. Damit sind nach unten unplausible bzw. unrealistische Werte ausgeschlossen und nach oben Werte, die auf einen zu hohen, d.h. nicht mehr nur einfachen und grundlegenden Bedürfnissen dienenden Wohnstandard zurückzuführen sind. Die Kappungsobergrenze konnte auch der Klägerbevollmächtigte in der mündlichen Verhandlung nachvollziehen. Wenn aber bei über drei Euro eine Kappung erfolgt, kann nicht ein Wert für kalte Betriebskosten von drei Euro oder knapp darunter herangezogen werden. Somit bleibt als methodisch schlüssig allein eine Durchschnittswertbildung. Dem ging hier außerdem voran, dass mittels eines 95prozentigen Konfidenzintervalls Extremwerte innerhalb der genannten Spanne eliminiert worden sind. Der Durchschnittswert für die einzelnen Haushalte im Konzept (Ziffer 3.4) bildet hinreichend schlüssig den Wert ab, zu dem noch von Betriebskosten in angemessener Größenordnung ausgegangen werden kann. Hinzu kommt, dass die aufgrund der Kappungsuntergrenze ausgeschlossenen Datensätze so wenige waren, dass sie das Ergebnis nicht in statistisch bedeutsamer Weise beeinflusst hätten.

Soweit der Klägerbevollmächtigte fehlende Aktualität und Fortschreibung des Konzepts geltend macht, greift dieser Einwand nach Auffassung der Kammer - noch - nicht durch. Auch wenn die Regelung in anderem Zusammenhang steht, bietet sich eine Orientierung an der zeitlichen Grenze von zwei Jahren nach § 558d Abs. 2 Satz 1 BGB an. Zu bedenken ist, dass auch ein qualifizierter Mietspiegel aktuelle Daten für einen gerade in letzter Zeit als angespannt bezeichneten Markt zur Verfügung stellen soll. Und ebenso wie im SGB II war es dem Gesetzgeber im BGB bewusst, dass die Regelung des existenziellen Bedürfnisses Wohnen im Raum steht, nicht zuletzt deswegen schuf der BGB-Gesetzgeber auch das sogenannte soziale Mietrecht. Hierzu kann auch § 558d BGB gezählt werden.

Nicht außer Acht gelassen werden kann zudem, dass eine laufende Fortschreibung bzw. Aktualisierung eines Konzepts an praktische Grenzen stößt, weil sie die laufende Datenerhebung erfordern würde. Das ist weder realistisch noch verwaltungspraktikabel. Außerdem wäre damit auch die Rechtssicherheit und Planungssicherheit für die Leistungsbezieher erheblich infrage gestellt, weil sie auch damit rechnen müssten, dass bislang angemessene Unterkünfte sich in kurzer Zeit als unangemessen erweisen könnten.

Für das Gericht ist auch ausreichend belegt, dass konkret Wohnalternativen zu den Vergleichsmieten verfügbar waren. Die Ausführungen des Konzepts sind dazu nach Meinung des Gerichts gerade noch tragfähig. Der durchgeführte Abgleich (Konzept Ziffer 4.4) legt nach dem ersten Eindruck nicht nahe, dass eine hinreichende Versorgung der unangemessen wohnenden Leistungsempfänger zeitnah sichergestellt ist. Insofern teilt das Gericht die Ansicht des Klägerbevollmächtigten, dass innerhalb von sechs Monaten - abgeleitet aus § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II - eine angemessene Wohnalternative verfügbar sein sollte. Das ist anhand der dargestellten Versorgungsgrade zwischen 10% und 20% nicht in allen Fällen zu erwarten. Andererseits ist zu sehen, dass beim Beklagten insgesamt rund 10.000 Bedarfsgemeinschaften im laufenden Leistungsbezug stehen. Die im Konzept genannten knapp 3.000 unangemessen wohnenden Bedarfsgemeinschaften sind um die Sozialhilfeempfänger zu bereinigen sowie um solche Bedarfsgemeinschaften, bei denen erhöhte Unterkunftskosten anzuerkennen sind. Wenn demnach bei konservativer Schätzung noch 2.000 Bedarfsgemeinschaften verbleiben, würde höchstens ein Fünftel unangemessen wohnen. Dass aber umgekehrt 80% angemessen wohnen, belegt in den Augen des Gerichts recht deutlich, dass sowohl die ermittelten Referenzmieten die tatsächlichen örtlichen Verhältnisse widerspiegeln als auch dass angemessener Wohnraum in ausreichender Zahl verfügbar ist. Demgegenüber lässt sich weder aus den vom Klägerbevollmächtigten vorgelegten Statistiken noch sonst etwas anderes folgern. Zum einen geben die vorgelegten Statistiken nicht den örtlichen Mietmarkt wieder. Zum anderen beziehen sie nicht nur das hier relevante untere Wohnungssegment ein, sondern den gesamten Mietmarkt. Dass aber seit der Datenerhebung relevante Steigerungen bzw. im genannten Umfang auch im unteren Wohnsegment stattgefunden haben, ist damit für den hier streitgegenständlichen Zeitraum noch nicht anzunehmen. Gleichwohl ist zu sehen, dass mit fortschreitendem Zeitabstand zur Datenerhebung Ende April 2013 dieser Punkt angesichts eines unbestreitbar dynamischen sich entwickelnden örtlichen Mietmarktes an Brisanz gewinnt.

Der Verweis auf die Beweisaufnahme im Verfahren S 3 AS 393/14 vor diesem Gericht ändert an dieser Beurteilung nichts. Der Klägerbevollmächtigte meint daraus ableiten zu können, dass konkret keine Unterkunftsalternativen verfügbar waren bzw. sind. Das ist aber durch die Beweisaufnahme gerade nicht belegt. Dazu kann zunächst auf die - veröffentlichte und den Beteiligten bekannte - Entscheidung vom 29. April 2015, S 3 AS 393/14, Bezug genommen werden. Die hiesige Kammer ist ebenfalls nicht zur Überzeugung gelangt, dass durch die vernommenen Zeugen der Nachweis mangelnder verfügbarer Wohnungen zu den Referenzmieten des Konzepts erbracht ist. Vielmehr hat die Beweisaufnahme allein gezeigt, dass die Leistungsempfänger oftmals eine Vielzahl von Umständen in sich vereinen, die sie als Mieter unattraktiv erscheinen lässt. Es ist nicht anzunehmen, dass maßgeblich eine zu niedrige Obergrenze der Unterkunftskosten das entscheidende Hemmnis darstellt. Die Zeuginnen H. und H. haben derartiges nicht angegeben. Hinzu kommt, dass weder diese beiden Zeuginnen noch der Zeuge S. allgemeine Aussagen über den örtlichen Mietwohnungsmarkt treffen können, weil ihnen dazu das notwendige Material bzw. die Übersicht fehlt und sie damit auch nicht befasst sind. Der Zeuge S. hat im Gegenteil sich dahin geäußert, dass es für einen Großteil von Leistungsempfängern kein Problem sei, bei seiner Genossenschaft eine nach den Maßstäben des Beklagten angemessene Wohnung in absehbarer Zeit zu erhalten. Aus der Belastung mit verschiedenen, von Mietobergrenzen unabhängigen nachteiligen Merkmalen folgt außerdem, dass von einer Anhebung der Grenzen - wie der Klägerbevollmächtigte meint - nicht zu erwarten ist, dass sie nennenswert die Chancen, eine günstige Wohnung zu finden, erhöht.

Anders mag die Beurteilung nach Meinung dieser Kammer voraussichtlich bei Bewilligungszeiträumen darstellen, die ab Mai 2015 beginnen. Denn angesichts dessen, dass das vorliegende Konzept auf der Bewertung von Bestandsmietverhältnissen beruht, die nicht zeitlich begrenzt sind, wie etwa von § 558d BGB vorgesehen, besteht Handlungsbedarf nach einer Überprüfung bzw. Fortschreibung des Konzepts mit Ablauf von zwei Jahren ab Datenerhebung Ende April 2013 und nicht erst - wie wohl vom Beklagten angedacht - ab Anwendung des Konzepts ab November 2013. Für zukünftige Hauptsacheverfahren betreffend Bewilligungszeiträume ab Mai 2015 wird daher intensiv zu prüfen sein, ob die derzeitigen Referenzwerte des Konzepts weiter aktuell sind und noch angewandt werden können.

Anhand des somit ermittelten Quadratmeterbetrages sind schließlich die Angemessenheitsgrenzen unter Einbeziehung der kalten Betriebskosten fehlerfrei errechnet worden (Konzept Ziffern 3.5 und 5). Im Fall des Klägers ergibt sich demnach eine Obergrenze für die Kosten der Unterkunft (ohne Heizkosten) von 347,05 EUR. Diese hat der Beklagte so im Bewilligungszeitraum der Leistungsbewilligung zugrunde gelegt.

Die Klage ist deshalb abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 183, 193 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG).

Die Berufung wird gemäß § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG zugelassen. Soweit ersichtlich, ist ober- oder höchstrichterlich über die Rechtmäßigkeit des vom Beklagten angewandten Konzepts bisher nicht entschieden.
Rechtskraft
Aus
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