S 14 AS 513/15 ER

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Aachen (NRW)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
14
1. Instanz
SG Aachen (NRW)
Aktenzeichen
S 14 AS 513/15 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz wird abgelehnt. Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I. Der Antragsteller wendet sich im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes gegen eine Sanktions- und Aufhebungsentscheidung in voller Leistungshöhe.

Der 26-jährige Antragsteller steht im laufenden Leistungsbezug beim Antragsgegner. Mit Bescheid vom 05.01.2015 bewilligte der Antragsgegner dem Antragsteller Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch – Grundsicherung für Arbeitssuchende (SGB II).

Nachdem der Antragsteller bereits mit Bescheiden vom 03.07.2014 (in Höhe von 60 Prozent des maßgebenden Regelbedarfes) und 15.09.2014 (vollständiger Leistungswegfall) wegen Pflichtverletzungen nach § 31 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB II – zuletzt bis Ende Dezember 2014 sanktioniert worden war, wurde zunächst ein weiterer Sanktionsbescheid vom 19.03.2015 verschickt. Nachdem der Antragsteller bei einer persönlichen Vorsprache beim Antragsgegner am 09.03.2015 erklärte, er habe den Bescheid nicht erhalten, wurde dieser (klarstellend) aufgehoben.

Am selben Tag schlossen der Antragsteller und der Antragsgegner eine Eingliederungsvereinbarung. Der Antragsteller verpflichtete sich u. a. zu monatlich sechs Initiativbewerbungen, die er mittels einer ihm ausgehändigten Liste bis zum Ende eines jeden Monates seinem persönlichen Ansprechpartner beim Antragsgegner gegenüber zu dokumentieren hat. Die Eingliederungsvereinbarung enthielt eine Rechtsfolgenbelehrung. Unter Bezugnahme auf eine Sanktionsentscheidung vom 02.03.2015 wurde der Antragsteller u. a. darauf hingewiesen, dass jeder Verstoß gegen seine Pflichten aus der Eingliederungsvereinbarung den vollständigen Wegfall seines Leistungsanspruches zur Folge haben werde. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Eingliederungsvereinbarung vom 09.03.2015 verweisen.

In der Folge erfüllte der Antragsteller seine Pflicht zum Beleg von sechs Initiativbewerbungen nicht nachweisbar. Am 09.04.2015 erklärte der Antragsteller im Rahmen eines persönlichen Kontaktes dem Antragsgegner, er habe den Nachweis über seine Bewerbungsbemühungen für den Monat März 2015 in den Briefkasten des Antragsgegners geworfen. Der Antragsgegner bat den Antragsteller, die nicht vorliegenden Nachweise bis zum 13.04.2015 nachzureichen. Dem folgte der Antragsteller nicht.

Mit Schreiben vom 14.04.2015 hörte der Antragsgegner den Antragsteller zu einer Sanktionierung seines Verhaltens an und wies auf die Möglichkeit der Beantragung ergänzender Sachleistungen hin. Der Antragsteller reagierte nicht.

Mit Bescheid vom 12.05.2015 setzte der Antragsgegner eine vollständige Leistungsminderung für die Zeit von Juni bis August 2015 fest und hob den Bewilligungsbescheid vom 05.01.2015 insoweit auf. Der Bescheid wurde dem Antragsteller am 18.05.2015 persönlich übergeben.

Am 03.06.2015 hat der Antragsteller bei Gericht um Eilrechtsschutz nachgesucht.

Er behauptet, die Nachweise für den Monat März 2015 Ende dieses Monates im Beisein einer Freundin persönlich in den Briefkasten des Antragsgegners eingeworfen zu haben. Er habe auch zwei Rückantworten auf seine Bewerbungen, die er vorlegen könne.

Er beantragt,

den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm Leistungen nach dem SGB II ohne Minderung zu zahlen.

Der Antragsgegner beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Auf gerichtlichen Hinweis vom 09.06.2015 hin, hat der Antragsteller am 15.06.2015 Widerspruch gegen den Bescheid vom 12.05.2015 eingelegt. Nachweise zu Bewerbungen hat er – auch nach gerichtlicher Aufforderung - nicht vorgelegt. Die ladungsfähige Anschrift der Freundin, die einen Einwurf der Nachweise zu Bewerbungsbemühungen in den Briefkasten des Antragsgegners belegen könne, hat er dem Gericht trotz Aufforderung nicht mitgeteilt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakte Bezug genommen.

GründeI:

II.

A. Die Kammer legt den Eilantrag des Klägers meistbegünstigend als Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruches vom 15.06.2015 gegen den Sanktions- und Aufhebungsbescheid vom 12.05.2015 aus.

B. Nur so verstanden ist der Antrag statthaft und damit zulässig.

Gemäß § 86b Abs. 1 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht der Hauptsache in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Soweit ein Fall des Absatzes 1 nicht vorliegt, kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers wesentlich erschwert werden könnte. Darin kommt eine Subsidiarität der einstweiligen Anordnung zum Ausdruck. Dort, wo in der Hauptsache eine Anfechtungsklage (§ 54 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 SGG) statthaft wäre, richtet sich das Begehr des einstweiligen Rechtsschutzes nach § 86 b Abs. 1 SGG.

Der Antragsteller wendet sich gegen einen Sanktions- und Aufhebungsbescheid. Gegen diese belastenden Verwaltungsakte wäre in der Hauptsache die Anfechtungsklage statthaft. Nach § 39 Nr. 1 SGB II in der ab 1. Januar 2009 gültigen Fassung hat der vom Antragsteller am 15.06.2015 binnen der Monatsfrist des § 84 Abs. 1 S. 1 SGG eingelegte Widerspruch gegen den ihm am 18.05.2015 bekannt gegebenen Sanktions- und Aufhebungsbescheid vom 12.05.2015 keine aufschiebende Wirkung, da dieser Leistungen der Grundsicherung herabsetzt.

C. Das Rechtsschutzbegehren des Antragstellers ist indes unbegründet.

1. Einen ausdrücklichen gesetzlichen Maßstab für die gerichtliche Anordnung der aufschiebenden Wirkung von Widerspruch und Klage sieht § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG nicht vor. Das Gericht entscheidet aufgrund einer Interessenabwägung (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl. 2014, § 86b, Rn. 12). Nach § 86a Abs. 2 Nr. 4 SGG entfällt die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs u.a. in anderen durch Bundesgesetz vorgeschriebenen Fällen. Das vom Gesetzgeber in § 39 SGB II (in der bis 31. Dezember 2010 gültigen Fassung) angeordnete vordringliche Vollzugsinteresse hat für das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes die Bedeutung, dass der Antragsgegner von der ihm nach § 86a Abs. 2 Nr. 5 SGG obliegenden Pflicht entbunden wird, das öffentliche Interesse der sofortigen Vollziehbarkeit gesondert zu begründen. Das Gesetz unterstellt aber den Sofortvollzug keineswegs als stets, sondern als nur im Regelfall geboten und verlagert somit die konkrete Interessenbewertung auf Antrag des Antragstellers hin in das gerichtliche Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes (vgl. Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Beschluss vom 17. September 2001, 4 VR 19/01, NZV 2002, 51, 52 unter Bezug auf BVerwG, Beschluss vom 21. Juli 1994, 4 VR 1/94, BVerwGE 96, 239 ff, jeweils zu § 80 Abs. 2 Nr. 3 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) in der bis 31. Dezember 1996 gültigen Fassung, der wortgleich zu § 86a Abs. 2 Nr. 4 SGG ist).

Abzuwägen sind das private Interesse des Antragstellers, vom Vollzug des Verwaltungsaktes bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens verschont zu bleiben und das öffentliche Interesse an der Vollziehung der behördlichen Entscheidung.

Im Rahmen dieser Interessenabwägung kommt den Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache eine wesentliche Bedeutung zu (Bayerisches Landessozialgericht, Beschluss vom 13. Februar 2015 – L 7 AS 23/15 B ER –, Rn. 18, juris). Ist der Verwaltungsakt offenbar rechtswidrig und der Betroffene dadurch in seinen subjektiven Rechten verletzt, oder wird sich der Verwaltungsakt jedenfalls in der Hauptsache voraussichtlich als rechtswidrig erweisen, wird die aufschiebende Wirkung angeordnet. Ein überwiegendes öffentliches Interesse oder Interesse eines Dritten an der Vollziehung ist dann nicht erkennbar. Ist die Klage aussichtslos, wird die aufschiebende Wirkung nicht angeordnet. Sind die Erfolgsaussichten nicht in dieser Weise abschätzbar, bleibt eine allgemeine Interessenabwägung, wobei auch die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens berücksichtigt werden können (vgl. zum Ganzen: Keller a.a.O. Rn. 12c; Krodel, Das sozialgerichtliche Eilverfahren, V. 2., 3.). Insbesondere sind jedoch grundrechtliche Belange des Antragstellers ein bestimmendes Kriterium. Sind existenzsichernde Leistungen als Ausfluss der grundrechtlich geschützten Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz [GG]) in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 1 GG) betroffen, so ist ein möglicherweise bestehender (Aufhebungs)anspruch in der Hauptsache in der Regel zugunsten des Aussetzungsinteresses ausschlaggebend, wenn sich die Sach- und - damit einhergehend - die Rechtslage im Eilverfahren nicht vollständig klären lässt (BVerfG, Beschluss vom 12.05.2005 – 1 BvR 569/05). Der Bedeutung des Sofortvollzuges für die Allgemeinheit kann auch in diesen Fällen durch das Versehen der Anordnung der aufschiebenden Wirkung mit Auflagen oder durch eine Befristung Rechnung getragen werden, § 86 b Ab. 1 S. 3 SGG. Lässt sich – kaum denkbar - auch auf der Ebene der Interessenabwägung weder ein Vorrang des Aussetzungsinteresses des Antragstellers noch des Vollzugsinteresses erkennen, bleibt die gesetzgeberische Grundentscheidung zugunsten eines Sofortvollzuges maßgeblich.

2. Im vorliegenden Fall überwiegt das öffentliche Vollzugsinteresse das Interesse des Antragstellers an einer Anordnung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruches gegen den Sanktions- und Aufhebungsbescheid vom 12.05.2015. Der Bescheid ist rechtmäßig.

a) Taugliche Ermächtigungsgrundlage sind §§ 31 Abs. 1 Nr. 1 in Verbindung mit 31a Abs. 1 Satz 3, 31 b Abs. 1 SGB II.

Nach § 31 Abs. 1 Nr. 1 SGB II verletzen erwerbsfähige Leistungsberechtigte ihre Pflichten, wenn sie trotz schriftlicher Belehrung über die Rechtsfolgen oder deren Kenntnis (1.) sich weigern, in einer Eingliederungsvereinbarung festgelegte Pflichten zu erfüllen ( ...), insbesondere im ausreichenden Umfang Eigenbemühungen nachzuweisen. Dies gilt nicht, wenn ein wichtiger Grund für das Verhalten dargelegt und nachgewiesen wird. Gem. § 31 a Abs. 1 S. 3-5 SGB II entfällt das Arbeitslosengeld II bei erwerbsfähigen Leistungsberechtigten die das 25. Lebensjahr bereits vollendet haben bei einer mindestens zweimalig widerholten Pflichtverletzung vollständig. Eine widerholte Pflichtverletzung liegt nur vor, wenn bereits zuvor eine Minderung festgestellt wurde. Sie liegt nicht vor, wenn der Beginn des vorangegangenen Minderungszeitraumes länger als ein Jahr zurückliegt.

Nach § 31 b Abs. 1 SGB II mindert sich der Auszahlungsanspruch mit Beginn des Kalendermonates, der auf das Wirksamwerden des Verwaltungsaktes folgt, der die Pflichtverletzung und den Umfang der Minderung feststellt. ( ) Der Minderungszeitraum beträgt drei Monate.

b) Von dieser Ermächtigungsgrundlage hat der Antragsgegner mit Bescheid vom 12.05.2015 formell ordnungsgemäß Gebrauch gemacht. Insbesondere hat er den Antragsteller unter dem 14.04.2015 ordnungsgemäß gem. § 24 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) zu den Voraussetzungen einer Sanktion angehört. Der Bescheid ist mit einer ordnungsgemäßen Begründung versehen (§ 35 SGB X).

c) Der Bescheid ist auch materiell rechtmäßig.

aa) Der Antragsteller ist Pflichten aus der am 09.03.2015 geschlossenen Eingliederungsvereinbarung nicht nachgekommen. Nach Ziffer 2. Der Eingliederungsvereinbarung hat sich der Antragsteller u. a. zu monatlich sechs Initiativbewerbungen, die er mittels einer ihm ausgehändigten Liste bis zum Ende eines jeden Monates seinem persönlichen Ansprechpartner beim Antragsgegner gegenüber zu dokumentieren hat, verpflichtet. Dieser Verpflichtung ist der Antragsteller bereits im Monat März nicht nachgekommen. Die persönliche Ansprechpartnerin des Antragstellers hat die geschuldete Dokumentation über Bewerbungsbemühungen im Monat März 2015 nicht erhalten. Soweit der Antragsteller bei einer persönlichen Meldung beim Antragsgegner am 09.04.2015 und in seinem Eilantrag behauptet, er habe die erforderlichen Nachweise – an einem dem Datum nach nicht erinnerlichen Tag Ende März - persönlich in den Briefkasten des Antragsgegners in I. eingeworfen, lässt sich ein Nachweis nicht erbringen. Gegen diese Behauptung spricht aus Sicht der Kammer vielmehr, dass der Antragsteller erstmals in seinem sozialgerichtlichen Eilantrag angegeben hat, er sei bei dem Einwurf der Unterlagen in den Briefkasten des Antragsgegners durch eine Freundin begleitet worden, den Namen und die ladungsfähige Anschrift dieser Freundin jedoch auch auf gerichtliche Aufforderung vom 03.06.2015 unter Fristsetzung bis zum 09.06.2015 bis zur Beschlussfassung nicht mitgeteilt hat. Diese Verletzung der Mitwirkungspflicht (vgl. § 106 a Abs. 2 Nr. 1 SGG), die eine Überprüfbarkeit der Angaben des Antragstellers im Rahmen des § 103 S. 1 SGG der Kammer unmöglich machen, spricht gegen die Behauptung des Antragstellers (vgl. Leitherer, in: Meyer-Ladewig/ Keller/ Leitherer, SGG, 11. Aufl. 2014, § 103, Rn. 18). Die Annahme der Unrichtigkeit gründet weiterhin in dem Umstand, dass auch in den Folgemonaten keinerlei Nachweise für Bewerbungsbemühungen erbracht worden sind. Zuletzt hat der Antragsteller auch zwei behauptete Rückantworten auf seine Bewerbungsbemühungen im Monat März trotz explizierter gerichtlicher Aufforderung nicht vorgelegt. Ungeachtet dessen trifft den Antragsteller auch die objektive Beweislast (dazu: Leitherer, a.a.O., Rn. 18 a ff.). Denn der Nachweis der Dokumentation von Initiativbewerbungen und des Zugangs dieser Dokumentation beim Antragsgegner ist der Sphäre des Antragstellers zuzuordnen. Schon nach der in der Eingliederungsvereinbarung übernommenen Pflicht, liegt der Zugang der Nachweise von Initiativbewerbungen im Verantwortungsbereich des Klägers. Die Eingliederungsvereinbarung begnügt sich nicht mit der Pflicht der Dokumentation. Vielmehr wird dem Antragsteller die personengebunden unaufgeforderte Vorlage bei seinem persönlichen Ansprechpartner nach § 14 S. 2 SGB II auferlegt.

bb) Der Inhalt dieser Pflicht begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Nach § 15 Abs. 1 Satz 2 SGB II soll die Eingliederungsvereinbarung, mit der die für die Eingliederung des erwerbsfähigen Hilfebedürftigen erforderlichen Leistungen vereinbart werden, insbesondere bestimmen, 1. welche Leistungen der Erwerbsfähige zur Eingliederung in Arbeit erhält, 2. welche Bemühungen der erwerbsfähige Hilfebedürftige in welcher Häufigkeit zur Eingliederung in Arbeit mindestens unternehmen muss und in welcher Form er die Bemühungen nachzuweisen hat

Die Verpflichtung des Klägers, monatlich mindestens sechs Bewerbungen um sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse zu tätigen und hierüber Nachweise in Form von tabellarischen Übersichten vorzulegen, erfüllt die Anforderungen, die an eine in der Eingliederungsvereinbarung enthaltene Verpflichtung des Hilfebedürftigen gestellt werden. Denn es wird konkret verlangt, sich sechs Mal monatlich zu bewerben und hierüber Nachweis zu führen. Vor dem Hintergrund, dass einem Arbeitslosen im Rahmen der Beschäftigungssuche nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch – Arbeitsförderung (SGB III) Eigenbemühungen in Form von zwei Bewerbungen pro Woche (für die Dauer von zwei Monaten) auferlegt werden können (BSG, Urteil vom 20. Oktober 2005 – B 7a AL 18/05 R – Rn. 29 juris; vgl. auch Landessozialgericht Sachsen-Anhalt, Urteil vom 18. April 2013 – L 5 AS 90/12 –, Rn. 29, juris) ist die Verpflichtung des Antragstellers, sich monatlich (über sechs Monate) bei sechs Arbeitgebern zu bewerben, nicht als unverhältnismäßig zu beanstanden. Für diese Wertung spricht, dass der Gesetzgeber die Anforderungen an den erwerbsfähigen Hilfebedürftigen im Rahmen der Zumutbarkeit nach § 10 SGB II bewusst schärfer geregelt hat als diejenigen im Versicherungssystem des Dritten Sozialgesetzbuches (§ 140) (vgl. BT-Drs. 15/1516 S. 53).

Die Verhältnismäßigkeit der von dem Antragsteller übernommenen Pflichten besteht auch die Anforderungen des § 55 Abs. 1 Satz 2 SGB X. Danach muss die Gegenleistung den gesamten Umständen nach angemessen (Verhältnismäßigkeit i. S. e. Ausgewogenheit der leistungen) sein und im Sachzusammenhang mit der Gegenleistung stehen (vgl. dazu: Engelmann, in: von Wulffen/ Schütze, SGB X, 8. Aufl. 2014, § 55, Rn. 11 f.). Als vereinbarungsfähige Leistungen zur Eingliederung kommen aufgrund von § 53 Abs. 2 SGB X nur solche in Betracht, die im Ermessen des Trägers stehen, auf die also kein Rechtsanspruch besteht (LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 14. Juli 2010 – L 3 AS 4018/09 – juris; Sächsisches Landessozialgericht, Urteil vom 27. Februar 2014 – L 3 AS 639/10 –, Rn. 50, juris; Berlit, in: Münder, SGB II, 5. Aufl. 2013, § 15 Rn. 22; vgl. Fuchsloch, in: Gagel, SGB II/SGB III [53. Erg.-Lfg., 2014], § 15 Rn ... 53). Die Leistungen, die der Hilfebedürftige nach § 16 SGB II zur Eingliederung in Arbeit vom Träger erhalten soll sind hinreichend verbindlich (vgl. BT-Drs. 15/1516, S. 54) und konkret zu bezeichnen (vgl. LSG Baden-Württemberg, a.a.O.; LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 4. April 2012 – L 15 AS 77/12 B ER – info also 2012, 220 = juris-Dokument RdNr. 6; Sonnhoff, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II, 3. Aufl., 2012, § 15 Rn. 92; großzügiger: Kador, in: Eicher, SGB II, 3. Aufl., 2013, § 15 Rn. 39). Die Anforderungen des § 55 Abs. 1 S. 2 SGB X sind i. d. R. dann nicht erfüllt, wenn der erwerbsfähige Hilfebedürftige verpflichtet ist, konkrete, der Zahl nach verbindliche festgelegte Bewerbungen nachzuweisen, die hierauf bezogene Finanzierungsregelung aber völlig im Vagen bleibt (Sächsisches Landessozialgericht, Urteil vom 27. Februar 2014 – L 3 AS 639/10 –, Rn. 50, juris) und auch nicht durch anderweitige Pflichten des Leistungsträgers kompensiert wird. Es kann jedoch andererseits ohne Verletzung der Ausgewogenheit beachtet werden, dass zum Zeitpunkt des Abschlusses die weitere Entwicklung für die nächsten sechs Monate noch nicht in allen Einzelheiten überblickt werden kann. Es besteht ein Bedürfnis, die Förderungsmaßnahmen zunächst allgemeiner zu formulieren (Landessozialgericht Sachsen-Anhalt, Urteil vom 18. April 2013 – L 5 AS 90/12 –, Rn. 27, juris; vgl. Kador, in: Eicher, SGB II, 3. Aufl., 2013, § 15 Rn. 39).

Die vereinbarten Leistungen sind unter Anwendung dieser Grundsätze nicht rechtswidrig. Konkret formuliert ist die der übernommenen Pflicht zu Initiativbewerbungen korrespondierende Übernahme einer Bewerbungskostenerstattung für fünf Euro für jede schriftliche, per Post mit Anlagen versandte und individuell auf den angeschriebenen Arbeitgeber/ die anvisierte Stelle bezogene Bewerbung auf sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse (vgl. Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 08. November 2013 – L 19 AS 1186/13 B –, Rn. 28, juris), wenngleich nicht unmittelbare Maßstäbe für die Voraussetzungen korrekter Formalien der Bewerbung aufgestellt werden. Diese Offenheit ist nötigenfalls mittels Auslegung (§§ 133,157 BGB analog) schließbar. Soweit der Antragsgegner daneben nur allgemein eine Unterstützung der Bewerbungsaktivitäten durch Übernahme von Fahrtkosten auf vorherige Antragstellungen in Aussicht stellt, ist dies (noch) nicht zu beanstanden. Da zum Zeitpunkt der Eingliederungsvereinbarung die weitere Entwicklung für den geregelten Zeitraum nicht in allen Einzelheiten überblickt werden kann, ist es regelmäßig ausreichend, die Förderungsmaßnahmen – wie hier – zunächst allgemeiner zu formulieren (LSG Baden-Württemberg, a.a.O., Rn. 26; vgl. zur Grenze: Sächs. LSG, Urteil vom 27. Februar 2014 – L 3 AS 639/10 –, Rn. 52-54, juris). Dabei ist auch zu vergegenwärtigen, dass eine konkrete Pflicht des Antragstellers in Bezug auf die Wahrnehmung von Bewerbungsgesprächen nicht vereinbart worden ist. Hier ist es daher ebenfalls nicht rechtswidrig, dass allgemein ausgeführt wird, der Antragsgegner unterbreite Vermittlungsvorschläge, soweit möglich (vgl. LSG Sach.- Anh. a.a.O.). Der Antragsgegner hat auch insgesamt nur Leistungen zugesagt, die in seinem Ermessen stehen und nicht bereits Pflichtleistungen sind (vgl. § 16 Abs. 1 Satz 2 SGB II i.V,m. §§ 44, 45 SGB III).

cc) Die Verletzung seiner hiernach zu befolgenden Pflicht aus Ziff. 2 der Eingliederungsvereinbarung hat der Antragsteller trotz vorheriger schriftlicher Belehrung über die Rechtsfolgen begangen. Er ist mit derselben Eingliederungsvereinbarung, die die durch ihn verletzten Pflichten statuiert hat konkret, verständlich, richtig, vollständig und zeitnah über die drohenden Rechtsfolgen einer Verletzung der konkret vereinbarten Bemühungen belehrt worden. Der formelhafte Vorspann, dass bei einem erstmaligen bzw. bei einem zweiten Verstoß gegen die vereinbarten Bemühungen das Arbeitslosengeld II um einen Betrag in Höhe von 30 bzw. 60 Prozent des maßgebenden Regelbedarfes gemindert werde ( ) verfehlt zwar – aufgrund der vorangegangenen 100igen Sanktion mit Bescheid vom 15.09.2014 für den Zeitraum Oktober 2014 bis Dezember 2014 – einen Sinn, ist aber dennoch nicht geeignet, den Antragsgegner irregeführt zu haben. Denn im nächten Absatz wird unmissverständlich angesprochen, dass bereits eine Sanktionierung vorangegangen ist und ein Verstoß gegen die statuierten Pflichten daher den vollständigen Wegfall der Leistungen zur Folge haben wird. Eine Widersprüchlichkeit der Belehrung ist daher nicht festzustellen. Die Verständlichkeit der Belehrung wird insofern auch nicht durch die folgenden Ausführungen zu den rechtlichen Voraussetzungen eines wiederholten Pflichtverstoßes (mit Angabe des Ablaufes einer Jahresfrist Ende März 2016) basierend auf der fehlerhaften Annahme einer letzten Sanktionsentscheidung vom 02.03.2015 beeinträchtigt. (zu den Voraussetzungen einer wirksamen Rechtsfolgenbelehrung: Herold-Tews, in Löns/dies., SGB II, 3. Auflage 2011, § 31, Rn. 5 ff.; Sonnhoff in: jurisPK-SGB II, 3. Aufl. 2012, § 31a; Rn. 42 ff. mit zahlr. Nachw. aus der Rechtspr.). Warnfunktion und Steuerungs-/ Erziehungsfunktion der Rechtsfolgenbelehrung (vgl. BSG, Urteil vom 17.12.2009 – B 4 AS 30/09 R – juirs; BSG, Urteil vom 15. Dezember 2010 – B 14 AS 92/09 R –, Rn. 24, juris) werden dadurch vorliegend nicht beeinträchtigt. Zwar ist der Bescheid vom 02.03.2015 (klarstellend) in der Folge der persönlichen Vorsprache des Antragstellers beim Antragsgegner zurück genommen worden. Der Antragsteller hat diesen Sachverhalt allerdings ebenso gekannt, wie die vorangegangene 100%ige Sanktionierung vom 15.09.2014. Nach dem maßgeblichen objektiven Erklärungswert der Belehrung (vgl. BSG a.a.O.) war unter der Darlegung des Begriffes der wiederholten Pflichtverletzung klar erkennbar, dass eine Nichterfüllung seiner Pflichten aus der Eingliederungsvereinbarung vom 09.03.2015 einen erneuten vollständigen Leistungswegfall zur Folge haben würde. Ein Hinweis, dass und unter welchen Voraussetzungen auf Antrag Sachleistungen oder geldwerte Leistungen erbracht werden können ist ebenso erfolgt wie ein Hinweis auf den Wegfall der Abführung von Pflege- und Krankenversicherungsbeiträgen und einen nicht bestehenden Anspruch auf Leistungen nach dem SGB XII (Sozialhilfe). Beginn und Dauer der Leistungsbeschränkung sind ebenso zutreffend mitgeteilt worden (vgl. dazu: BSG, Urteil vom 18. Februar 2010 – B 14 AS 53/08 R –, SozR 4-4200 § 31 Nr 5, BSGE 105, 297-304, Rn. 22; Berlit, in: LPK-SGB II, 5. Aufl. 2013, § 31, Rn. 79).

dd) Aufgrund der bereits zuvor verwirkten 100%igen Leistungskürzung von September bis Dezember 2014 wegen einer identischen Pflichtverletzung und aufgrund des dem Antragsteller bekannten Umstandes, dass eine vollständige Leistungskürzung mit Bescheid vom 19.03.2015 nur deshalb nicht zur Umsetzung gelangte, weil der Kläger den Zugang der Entscheidung bestritt, geht die Kammer ohnehin von einer Kenntnis des Antragstellers hinsichtlich der Rechtsfolgen zum Zeitpunkt seines Pflichtverstoßes aus.

ee) Der Antragsteller hat einen wichtigen Grund für seine Pflichtverletzung – wie ihm dies gem. § 31 Abs. 1 S. 2 SGB II obliegt – nicht dargelegt und nachgewiesen. Anhaltspunkte für einen solchen Grund werden auch aus dem Akteninhalt nicht erkennbar.

ff) Dies hat nach §§ 31 a Abs. 1, Abs. 1 S. 3, 4 SGB II den vollständigen Wegfall des Arbeitslosengeldes II zur Folge. Denn der Antragsteller hat eine wiederholte – d. h. zur vorangegangenen gleichartige (vgl. Herold-Tews, in Löns/dies., SGB II, 3. Auflage 2011, § 31, Rn. 4) - Pflichtverletzung in dem in § 31 a Ans. 1 S. 5 SGB II gennanten Zeitraum begangen. Der Kläger war bereits zuletzt mit Bescheid vom 15.09.2014 bestandskräftig für einen mit dem 31.12.2014 endenden Zeitraum mit einer Sanktion in vollständigen Leistungshöhe belegt worden, weil er der bereits seinerzeit vereinbarten Pflicht einer Dokumentation von sechs Bewerbungen monatlich nicht nachgekommen war.

gg) Zutreffend ist der Sanktionsbeginn zum 01.06.2015, das Sanktionsende zum 31.08.2015 festgesetzt, vgl. § 31 b Abs. 1 S. 1, 3 SGB II.

3. a) Nach Ansicht der Kammer verstößt das derzeit geltende Sanktionsrecht nach den § 31 ff. SGB II auch nicht gegen das aus Art. 1 Grundgesetz i. V. m. dem Sozialstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 1 GG) hergeleitete menschenwürdige Existenzminimum (vgl. dazu BVerfG v. 09.02.2010 - 1 BvL 1/09). Auch das Grundrecht auf ein menschenwürdiges Existenzminimum gewährleistet keinen von Mitwirkungsobliegenheiten und Eigenaktivitäten unabhängigen Anspruch auf Sicherung eines Leistungsniveaus. In der rechtswissenschaftlichen Literatur überwiegt daher die Auffassung, dass Sanktionen grundsätzlich zulässig sind (vgl. Davilla, Die schärferen Sanktionen im SGB II für Hilfebedürftige unter 25 Jahren - ein Plädoyer für ihre Abschaffung, in: SGb 2010, 557,559; Burkiczak - BeckOK, SGB II, § 31a Rn. 12 f.; Berlit, Uwe, Änderungen im Sanktionsrecht des SGB II zum 01. April 2011, info als 2011 Heft 2, 53, 54 f.; Lauterbach, ZFSH/SGB 2011, 584, 585; Stellungnahme des DRB zur öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Arbeit und Soziales des Deutschen Bundestages vom 06.06.2011, Nr. 3; a. A. und für eine Verfassungswidrigkeit des Sanktionsrechts Neskovic/erdem SGb 2012, S. 134 ff.). Auch in der Rechtsprechung wurde die Verfassungsmäßigkeit des Sanktionsrechts bisher nicht durchschlagend in Frage gestellt (vgl. BSG, Urteil vom 29.04.2015 -B 14 AS 19/14 R; BSG v. 09.11.2010 - B 4 AS 27/10 R; Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 09. September 2009 – L 7 B 211/09 AS ER –, Rn. 14, juris ; LSG Berlin-Brandenburg v. 08.10.2010 - L 29 AS 1420/10 B, juris Rn. 13; LSG Niedersachsen-Bremen v. 21.04.2010 - L 13 AS 100/10 B ER, juris Rn. 6 f.; Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 16. Dezember 2008 – L 10 B 2154/08 AS ER –, Rn. 13, juris).

Das Grundgesetz gebietet nicht die Gewährung bedarfsunabhängiger, voraussetzungsloser Sozialleistungen (BVerfG - vom 7. Juli 2010 - 1 BvR 2556/09). Das Grundrecht aus Artikel 1 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 20 Absatz 1 GG greift nur dann ein, wenn und soweit andere Mittel zur Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums nicht zur Verfügung stehen. Wenn einem Menschen die zur Gewährleistung eines menschenwürdigen Daseins notwendigen materiellen Mittel fehlen, weil er sie weder aus seiner Erwerbstätigkeit noch aus eigenem Vermögen noch durch Zuwendungen Dritter erhalten kann, ist der Staat im Rahmen seines Auftrages zum Schutz der Menschenwürde und in Ausfüllung seines sozialstaatlichen Gestaltungsauftrages verpflichtet, die Menschenwürde positiv zu schützen. Er muss dafür Sorge tragen, dass einem hilfebedürftigen Menschen die materiellen Voraussetzungen dafür zur Verfügung stehen, um seine Würde in solchen Notlagen, die nicht durch eigene Anstrengung und aus eigenen Kräften überwunden werden können, durch materielle Unterstützung zu sichern. Das daran knüpfende Prinzip des Förderns und Forderns beeinhaltet, dass eine Person, die mit dem Geld der Steuerzahler in einer Notsituation unterstützt wird, mithelfen muss, ihre Situation zu verbessern. Eine erwerbsfähige Person, die hilfebedürftig ist, weil sie keine Arbeit findet, kann mit der Unterstützung der Gemeinschaft rechnen. Im Gegenzug muss sie alles unternehmen, um ihren Lebensunterhalt wieder selbst zu verdienen.

Die Mitwirkung des Leistungsberechtigten entspricht darüber hinaus einem allgemeinen Prinzip im Sozialleistungsrecht. Mitwirkungsverpflichtungen treffen den Leistungsberechtigten grundsätzlich - nicht nur im Zweiten und Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB II, SGB XII) - z. B. im Hinblick auf die Antragstellung, die wahrheitsgemäße Angabe von Tatsachen, die Erreichbarkeit, das persönliche Erscheinen bis hin zur Duldung von und zur Mitwirkung an Untersuchungen. Es entspricht daher dem Grundprinzip, wenn in der Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) und in der Sozialhilfe (SGB XII) an der Mitwirkungsverpflichtung der Leistungsberechtigten festgehalten wird. Dies gilt insbesondere für erwerbsfähige Leistungsberechtigte in der Grundsicherung für Arbeitsuchende (vgl. § 2 SGB II).

Mit den Regelungen des § 31 ff. SGB II existiert ein Mechanismus, um auf Pflichtverletzungen von Leistungsberechtigten nach dem SGB II zu reagieren. Pflichtverletzungen sind z. B. die Nichtaufnahme einer zumutbaren Arbeit, Ausbildung oder Arbeitsgelegenheit, der Nichtantritt oder Abbruch einer Eingliederungsmaßnahme sowie das Nichterscheinen nach einer Meldeaufforderung der Grundsicherungsstelle. Eine Pflichtverletzung ohne Rechtfertigung aus wichtigem Grund führt zu einer Minderung bzw. kann im Wiederholungsfalle zu einem Wegfall des Arbeitslosengeldes II (Regelbedarf, Mehrbedarfe, Leistungen für Unterkunft und Heizung) führen. Die oben genannten Grundsätze gelten erst Recht, wenn sich der Leistungsberechtigte dauerhaft weigert seinen Mitwirkungsobliegenheiten nachzukommen und er deshalb über einen langen Zeitraum vollständig bzw. teilweise sanktioniert wird.

Der Verfassungsmäßigkeit genügt das geltende Sanktionsrechts (§§ 31 ff. SGB II) in einem solchen Falle dadurch, dass der Gesetzgeber selbst bei einem vollständigen Wegfall der Leistungen eine "letzte Grundversorgung" (zur Abgrenzung zum soziokulturellen Minimum vgl. Soria, JZ 2005, S. 644 ff.) sicherstellt. Durch ein differenziertes Regelungssystem wahrt der Gesetzgeber das physische Existenzminimum (neben Obdach und ausreichender medizinischer Versorgung auch ausreichende Nahrung und Kleidung - BSG, Urteil vom 22.04.2008, B 1 KR 10/07 R, juris).

Bei einer Minderung des Arbeitslosengeldes II um mehr als 30 Prozent des nach § 20 maßgebenden Regelbedarfs kann der Träger nach § 31a Abs. 3 Satz 1 SGB II auf Antrag in angemessenem Umfang ergänzende Sachleistungen oder geldwerte Leistungen erbringen. Nach § 31a Abs. 3 Satz 2 SGB II hat der Träger Leistungen nach Satz 1 zu erbringen, wenn Leistungsberechtigte mit minderjährigen Kindern in einem Haushalt leben. Nach § 31a Abs. 3 Satz 1 SGB II soll bei einer Minderung des Arbeitslosengeldes II um mindestens 60 Prozent des für den erwerbsfähigen Leistungsberechtigten nach § 20 maßgebenden Regelbedarfs das Arbeitslosengeld II, soweit es für den Bedarf für Unterkunft und Heizung nach § 22 Absatz 1 erbracht wird, an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte gezahlt werden. Ferner kann der vollständige Wegfall der Leistungen in eine nur noch 60-prozentige Minderung abgemildert werden, wenn sich der der Leistungsberechtigte nach § 31a Abs. 1 Satz 5 SGB II nachträglich bereit erklärt, seinen Pflichten nachzukommen. Damit hat es der erwerbsfähige Leistungsberechtigte wiederrum maßgeblich selbst in der Hand, durch seine Bereitschaft zur aktiven Mitarbeit im Eingliederungsprozess seine finanzielle Situation zu verbessern und insbesondere Wohnungslosigkeit zu vermeiden. Unabhängig davon ist die Übernahme von Mietschulden in der Grundsicherung für Arbeitsuchende in § 22 Absatz 8 SGB II geregelt (so zutreffend SG Landshut, Beschluss vom 07. Mai 2012 – S 10 AS 259/12 ER –, Rn. 31, juris).

b) Soweit vor dem Jahr 2011 in der Rechtsprechung zum Teil die Auffassung vertreten worden ist, eine verfassungskonforme Auslegung verpflichte den Grundsicherungsträger bei einer Entscheidung über eine Sanktion, die zum vollständigen Wegfall des Arbeitslosengeld II führt, mit der Sanktionsentscheidung zeitgleich auch über die Erbringung ergänzender Sachleistungen oder geldwerter Leistungen im konkreten Fall zu entscheiden und ohne eine diesbezügliche ermessensfehlerfreie Entscheidung über die ergänzenden Leistungen sei die Minderung selbst rechtswidrig (Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 18. Oktober 2012 – L 7 AS 998/11 –, Rn. 40, juris, vgl. LSG NRW, Beschluss vom 09. September 2009 – L 7 B 211/09 AS ER –, Rn. 16, juris; LSG NRW, Beschluss vom 30. Oktober 2009 – L 20 B 135/09 AS –, Rn. 9, juris; Landessozialgericht Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 05. Januar 2011 – L 2 AS 428/10 B ER –, Rn. 36, juris) hat der Gesetzgeber dem mit ausdrücksicher Statuierung des Antragserfordernisses durch das Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 24. März 2011 (BGBl. I S. 453) jedenfalls für den – hier einschlägigen Fall – des § 31 a Abs. 3 S. 1 SGB II die Grundlage entzogen (zum Ganzen mit w. Nachw. aus der Rspr.: Berlit in LPK-SGB II, 5. Aufl. 2013, § 31 a, Rn. 42 f.) ohne dass dies zu einer weitergehenden Annahme der Verfassungswidrigkeit in der Rechtsprechung geführt hätte.

Offen blieben kann vorliegend, ob die aus Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG folgende verfassungsrechtliche Schutzpflicht für Bedürftige jedenfalls das zur physischen Existenz Unerlässliche zu gewähren den Grundsicherungsträger verpflichtet, vor Ausspruch der (vollständigen) Sanktion den Hilfebedürftigen - z. B. im Rahmen der Anhörung gemäß § 24 Abs. 1 SGB X - über die Möglichkeit zu informieren, ergänzende Sachleistungen oder geldwerte Leistungen erhalten zu können, weil erst diese Information den Grundsicherungsträger in die Lage versetzt, das ihm insoweit durch § 31 Abs. 3 Satz 1 SGB II grundsätzlich eröffnete Ermessen fehlerfrei und kurzfristig gemäß § 39 Abs. 1 i.V.m. § 37 Satz 1 Sozialgesetzbuch Erstes Buch – Allgemeiner Teil (SGB I) auszuüben. (so Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 09. September 2009 – L 7 B 211/09 AS ER –, Rn. 14, juris). Denn der Antragsgegner hat den Antragsteller mit der Anhörung vom 14.04.2015 zur Sanktionsentscheidung vom 12.05.2015 auf die Möglichkeit der Inanspruchnahme von ergänzenden Sachleistungen oder geldwerten Leistungen hingewiesen. Ein solcher Hinweis war auch bereits in der Eingliederungsvereinbarung vom 09.03.2015 und dem Bescheid vom 12.05.2015 enthalten. Das Gericht hat den Hinweis nochmals aufgegriffen. Sowohl die Eingliederungsvereinbarung als auch der Bescheid vom 12.05.2015 enthielten zudem den Hinweis, dass eine Herabsetzung der Sanktion auf 60 Prozent des maßgebenden Regelbedarfes in Betracht kommt, wenn der Antragsteller sich nachträglich bereit erklärt, seinen Pflichten nachzukommen.

4. Ebenfalls offen bleiben kann die umstrittene Frage, ob bei bereits bewilligten Leistungen im Rahmen der Sanktionsentscheidung auch eine Aufhebung der ursprünglichen Bewilligungsentscheidung erforderlich ist. Einer Auffassung nach ist eine Aufhebung des Bewilligungsbescheides nicht erforderlich, weil der Wortlaut des § 31b Abs. 1 S. 1 SGB II dafür spricht, dass die Bewilligung dem Grunde nach bestehen bleibt und die lediglich die Auszahlung betroffen ist, so dass die Minderung kraft Gesetzes eintritt. Einer anderen Auffassung nach bedarf es dagegen der Aufhebung des formalrechtlichen Anspruchs aus dem Bewilligungsbescheid. Der Absenkungsbescheid kann danach nicht als konkludente Aufhebung des Bewilligungsbescheides angesehen werden (zum Streitstand und der verfahrensrechtlichen Einkleidung im einstweiligen Rechtsschutzverfahren: Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 17. Oktober 2014 – L 2 AS 1460/14 B ER –, Rn. 9 f. juris m. Nachw. für beide Ansichten). Mit dem Sanktionsbescheid vom 12.05.2015 hat der Antragsgegner zugleich die entsprechende vollständige Aufhebung des Bewilligungsbescheides vom 05.01.2015 für die Monate Juni bis August 2015 verfügt.

D. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG
Rechtskraft
Aus
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