L 25 AS 1219/14

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
25
1. Instanz
SG Cottbus (BRB)
Aktenzeichen
S 23 AS 1936/10
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 25 AS 1219/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung des Klägers werden das Urteil des Sozialgerichts Cottbus vom 28. August 2013 und der Bescheid des Beklagten vom 16. September 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. September 2010 aufgehoben. Der Beklagte hat dem Kläger die Kosten für die Teilnahme an der Kursfahrt "" vom 15. bis 21. Januar 2011 in Höhe von 340,50 Euro zu erstatten. Der Beklagte hat dem Kläger dessen außergerichtliche Kosten für den gesamten Rechtsstreit einschließlich der Kosten für das Beschwerdeverfahren L 25 AS 3038/13 NZB zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig sind die Kosten für eine Skifahrt.

Der 1993 geborene Kläger war Schüler des H-Gymnasium , besuchte im Schuljahr 2010/2011 die 11. Jahrgangsstufe und lebte mit seiner 1969 geborenen Mutter in einer Bedarfsgemeinschaft und bezog zusammen mit ihr von dem Beklagten Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Mit Bescheid vom 29. April 2010 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 3. Juni 2010 und vom 9. Juli 2010 bewilligte der Beklagte dem Kläger Leistungen für Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von monatlich 109,85 Euro für den Zeitraum vom 1. Mai bis 31. Oktober 2010 und einmalig 100,- Euro als zusätzliche Leistung für die Schule für das Schuljahr 2010/2011. Mit Bescheid vom 6. Oktober 2010 bewilligte der Beklagte dem Kläger Leistungen für Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von monatlich 109,85 Euro für den Zeitraum vom 1. November 2010 bis 30. April 2011.

Am 9. September 2010 beantragte die Mutter des Klägers für diesen die Kostenübernahme für eine Kursfahrt "" nach Südtirol. Die Kursfahrt "" wurde von der Schule des Klägers gemeinsam mit dem S-Gymnasium ausgeführt. Sie fand vom 15. bis 21. Januar 2011 statt (der 21. Januar 2011 war der Abreisetag). Die Kosten hierfür beliefen sich für den Kläger auf 340,50 Euro (Fahrt-, Übernachtungs-, Verpflegungskosten, Ski-Pass 289,- Euro; Skiverleih inklusive Schuhe 35,- Euro; Helm 7,50 Euro, Versicherungspaket 9,- Euro). Die Genehmigung der Kursfahrt "" wurde von dem H-Gymnasium bei dem staatlichen Schulamt C – Haushalt - als Klassen-, Kurs- oder Jahrgangsstufenfahrt beantragt. Letzteres bescheinigte am 6. Januar 2011, dass Mittel für die Fahrt vorhanden seien. Die Schulleiter des H-Gymnasiums und des S-Gymnasiums genehmigten jeweils die Fahrt als Schulfahrt am 11. und am 4. Januar 2011.

Mit Bescheid vom 16. September 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. September 2010 lehnte der Beklagte den Antrag auf Kostenübernahme für die Skifahrt ab, da es sich hierbei nicht um eine Klassenfahrt im schulrechtlichen Sinne handele, welche im Rahmen des Lehrplanes durchgeführt werde.

Hiergegen hat die Mutter des Klägers, an die Bescheid und Widerspruchsbescheid des Beklagten adressiert waren, am 13. Oktober 2010 Klage erhoben. Ihrer Klageschrift hat sie eine Bescheinigung des Schulleiters des H-Gymnasiums beigefügt, nach der die mehrtägige Klassenfahrt den schulrechtlichen Bestimmungen entspreche und im Rahmen des Lehrplanes stattfinde.

Am 18. November 2010 hat die Mutter des Klägers die Kosten für die streitige Skifahrt in Höhe von 340,50 Euro vorfinanziert. Auf Anregung des Klägers hat das Sozialgericht mit Beschluss vom 6. August 2013 das Rubrum dahingehend berichtigt, dass der Kläger anstelle seiner Mutter ins Rubrum aufgenommen worden ist. Mit Urteil vom 28. August 2013 hat das Sozialgericht die auf Übernahme von 340,50 Euro für die Teilnahme an der Skifahrt gerichtete Klage abgewiesen und die Berufung nicht zugelassen. Nach § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 SGB II seien abweichend von der Regelleistung und Kosten für Unterkunft und Heizung Leistungen für mehrtägige Klassenfahrten im Rahmen der schulrechtlichen Bestimmungen zu erbringen. Voraussetzung sei also, dass es sich hier um eine mehrtägige Fahrt im Klassenverband handele. In den Verwaltungsvorschriften über schulische Veranstaltungen außerhalb von Schulen (VV-Schulfahrten – VV-Schulf) vom 31. Juli 1999 werde ausgeführt, dass als Schulfahrten Klassen-, Kurs- und Jahrgangsstufenfahrten zu definieren seien. Neben der Vertiefung, Veranschaulichung, Erweiterung und Ergänzung von Unterrichtsinhalten dienten sie partnerschaftlichem Zusammenwirken der beteiligten Schülerinnen und Schüler sowie der Lehrkräfte. Eine Klassen-, Kurs- oder Jahrgangsstufenfahrt im Sinne der schulrechtlichen Bestimmungen liege hier nicht vor. Denn die Skifahrt richte sich nicht an Schüler einer Klasse, einer Jahrgangsstufe oder eines Kurses, der im Zusammenhang mit dem Unterricht stehe. Denn das Erlernen des Skifahrens sei nicht Inhalt des Sportunterrichts an einem Gymnasium im Land Brandenburg. Zudem richte sich das Angebot zur Teilnahme an der Skifahrt an Schüler auch des S-Gymnasiums in C, sei also schul- und jahrgangsübergreifend.

Gegen die Nichtzulassung der Berufung in dem ihm am 19. Oktober 2013 zugestellten Urteil hat der Kläger am 19. November 2013 Beschwerde eingelegt. Mit Beschluss vom 17. April 2014 hat der Senat die Berufung nach § 144 Abs. 2 Nr. 3 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zugelassen (L 25 AS 3038/13 NZB).

Im Berufungsverfahren hat der Senat schriftliche Auskünfte über die streitgegenständliche Skifahrt bei dem H-Gymnasium vom 30. Januar 2015 sowie bei dem Landesamt für Schule und Lehrerbildung vom 10. Februar 2015 eingeholt. Auf die ausführlichen Schreiben nebst Anlagen nimmt der Senat Bezug.

Der Kläger beantragt schriftlich,

das Urteil des Sozialgerichts Cottbus vom 28. August 2013 aufzuheben und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 16. September 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. September 2010 zu verurteilen, dem Kläger die Kosten für die Teilnahme an der Kursfahrt "" vom 15. bis 21. Januar 2011 in Höhe von 340,50 Euro zu erstatten.

Der Beklagte beantragt schriftlich,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG; Urteil vom 22. November 2011 – B 4 AS 204/10 R) müsse die durchgeführte Veranstaltung regional üblich sein, wobei sich dies auf das Land Brandenburg beziehe. Eine Ausgrenzung des Klägers aus finanziellen Gründen habe hier nicht in Rede gestanden, weil es sich um ein freiwilliges Angebot gehandelt habe.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie die den Kläger betreffenden Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat kann ohne mündliche Verhandlung durch den Berichterstatter entscheiden, weil die Beteiligten zu dieser Entscheidungsform ihr Einverständnis erklärt haben, § 124 Abs. 2 SGG i. V. m. § 155 Abs. 4 und Abs. 3 SGG.

Die nach Zulassung des Senats zulässige Berufung ist begründet. Das Urteil des Sozialgerichts vom 28. August 2013 ist unzutreffend. Die zulässige Klage ist begründet. Der Bescheid des Beklagten vom 16. September 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. September 2010 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Ihm stehen 340,50 Euro für die Teilnahme an der Kursfahrt "" vom 15. bis 21. Januar 2011 zu.

Der Kläger verfolgt sein Begehren als allein anspruchsberechtigte Person als Kostenerstattungsanspruch gegen den Beklagten im Wege der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage. Nur dieser Kostenerstattungsanspruch ist hier streitgegenständlich (vgl. dazu und auch zum Folgenden grundlegend BSG, Urteil vom 22. November 2011 – B 4 AS 204/10 R – juris).

Der Kläger ist leistungsberechtigt im Sinne des § 7 Abs. 1 SGB II. Er hat - von dem Beklagten bestandskräftig beschieden - zum Zeitpunkt der Entstehung des Bedarfs, als auch der Durchführung der Skifahrt Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts bezogen. Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger gleichwohl insbesondere nicht hilfebedürftig gewesen sein könnte, sind nicht ersichtlich.

Der Beklagte ist verpflichtet, dem Kläger den Betrag von 340,50 Euro für die Teilnahme an der Kursfahrt "" vom 15. bis 21. Januar 2011 nach § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 SGB II zu erstatten. Nach § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 SGB II (in der hier anzuwendenden Fassung des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24. Dezember 2003, BGBl I S. 2954) sind Leistungen für mehrtägige Klassenfahrten im Rahmen der schulrechtlichen Bestimmungen nicht von der Regelleistung umfasst. Sie werden gesondert erbracht (§ 23 Abs. 3 Satz 2 SGB II). Die hier streitige Skifahrt ist eine mehrtägige Klassenfahrt im Rahmen der schulrechtlichen Bestimmungen des Landes Brandenburg im Sinne des § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 SGB II.

Nach dem bereits genannten Urteil des BSG vom 22. November 2011 gilt im Wesentlichen Folgendes: Die bundesrechtliche Regelung des § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 SGB II bestimmt den abstrakten Rahmen dafür, wann Leistungen für eine mehrtägige Klassenfahrt zu erbringen sind. Gleichwohl ist der Rechtsbegriff der "Klassenfahrt" innerhalb dieses Rahmens durch die landesschulrechtlichen Vorschriften auszufüllen und zwar auch dann, wenn der Begriff der "Klassenfahrt" im Landesrecht nicht verwendet oder ausdrücklich definiert wird. Die Leistung wird durch den bundesrechtlichen Rahmen begrenzt und durch das Landesschulrecht ausgefüllt. Der bundesrechtliche Rahmen darf zwar nicht überschritten werden, das Landesrecht regelt jedoch, welche Veranstaltungen dem Grunde nach üblich sind und in welcher Höhe Aufwendungen hierfür regional übernommen werden.

Nach dem Wortlaut des § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 SGB II sind die dortigen Leistungen unter den Bedingungen zu übernehmen, dass es sich um Aufwendungen für eine mehrtägige Klassenfahrt im Rahmen der schulrechtlichen Bestimmungen handelt. Die Verbindung der Begriffe mehrtägige Klassenfahrt und schulrechtliche Bestimmungen gibt damit einerseits bundesrechtlich vor, dass nur Leistungen zu erbringen sind für Kosten, die durch eine schulische Veranstaltung entstanden sind, die mit mehr als nur einem Schüler und für mehr als einen Tag durchgeführt wird und einer "Fahrt", also einer Veranstaltung, die außerhalb der Schule stattfindet. Andererseits folgt aus der Wortlautverbindung zu dem "schulrechtlichen Rahmen", dass nach schulrechtlichen Vorschriften des jeweiligen Bundeslandes zu bestimmen ist, ob die konkret durchgeführte Veranstaltung im Rahmen des § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 SGB II regional "üblich" ist. Nur wenn die schulrechtlichen Bestimmungen keine Rechtsgrundlage für die Durchführung der Veranstaltung und die Höhe der Aufwendungen hierfür bieten oder ihre Durchführung (dem Grunde nach) den bundesrechtlichen Rahmen überschreitet, lösen die dadurch entstehenden Kosten keinen Leistungsanspruch nach dem SGB II aus. Die Aufwendungen sind vom Grundsicherungsträger mithin nur dann zu übernehmen, wenn die Veranstaltung den Vorgaben entspricht, die die bundesrechtliche Rahmenbestimmung vorgibt und für die im Landesrecht eine Grundlage vorhanden ist. Im Übrigen sind die Worte "mehrtägige Klassenfahrt" im bundesrechtlichen Rahmen ein Synonym für eine mehr als einen Tag dauernde schulische Veranstaltung, die näher durch die schulrechtlichen Vorschriften bestimmt werden soll. Weder erfolgt danach mit der Formulierung im Normtext eine Begrenzung der Leistungen für solche Aufwendungen, die der "Klasse auf Fahrt" entstehen, noch darf das Landesrecht bei der konkreten Bestimmung des Inhalts der Leistung außer Betracht gelassen werden.

Der bundesrechtliche Rahmen kann nur durch die jeweiligen schulrechtlichen Vorschriften ausgefüllt werden. Die Leistung ist regional determiniert. Die Kosten der mehrtägigen Klassenfahrt sind anders als solche für Erstausstattungen nach § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 und 2 SGB II in tatsächlich entstandener Höhe zu übernehmen. Nur durch die Zugrundelegung der schulrechtlichen Regelungen als Maßstab für die Legitimation des Bedarfs für die mehrtägige Klassenfahrt kann folglich auch dem Sinn und Zweck des § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 SGB II Rechnung getragen werden. Durch die Übernahme der Aufwendungen für die Teilnahme an einer "Klassenfahrt" sollen negative Auswirkungen auf die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen in der Phase des Schulbesuchs durch das Fernbleiben von schulischen Gemeinschaftsveranstaltungen vermieden werden. Ihre Teilhabe soll auch insoweit gewährleistet sein. Welche schulischen Veranstaltungen es sind, deren Besuch zu gewährleisten ist, um die beschriebenen negativen Auswirkungen zu vermeiden, bestimmt sich jedoch nach dem jeweiligen Landesschulrecht. Allein die durch die schulrechtlichen Bestimmungen geprägte Realität des Schulalltags rechtfertigt daher die Übernahme der tatsächlichen Kosten durch staatliche Transferleistungen, also derjenigen, die nach den jeweiligen pädagogischen Vorstellungen in den einzelnen Bundesländern "üblich" sind.

Aus Vorstehendem ergibt sich, dass der Anspruch des Klägers auf Kostenerstattung hier spätestens nach Kenntnisnahme von den schriftlichen Auskünften über die streitgegenständliche Skifahrt des H-Gymnasiums vom 30. Januar 2015 sowie des Landesamts für Schule und Lehrerbildung vom 10. Februar 2015 nicht ernsthaft zu bestreiten ist. Der bundesrechtliche Rahmen des § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 SGB II ist hier nicht überschritten worden. Die Skifahrt war eine mehrtägige von der Schule organisierte und durchgeführte Veranstaltung, an der mehrere Schüler teilgenommen haben. Dass sich das Angebot zur Teilnahme an der Skifahrt an Schüler von zwei Schulen gerichtet hat, demgemäß die Veranstaltung auch von zwei Schulen organisiert und durchgeführt worden ist, überschreitet den bundesrechtlichen Rahmen ersichtlich nicht. Nach dem bereits mehrfach genannten Urteil des BSG stellt unter Berücksichtigung des Teilhabeziels der Regelung des § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 SGB II ein Ausschluss von der Teilnahme an einem Schüleraustausch, selbst wenn nicht die gesamte Klassen- oder Jahrgangsstufe die Möglichkeit zur Teilnahme erhalten hat, auch eine Ausgrenzung aus finanziellen Gründen dar. Nichts anderes kann dann hier gelten, selbst wenn nicht alle Schüler der jeweils angesprochenen Jahrgangsstufen 10 und 11 der beiden Schulen an der Skifahrt teilgenommen haben. Dass die Höhe der streitigen Aufwendungen von 340,50 Euro für die Skifahrt den bundesrechtlichen Rahmen nicht überschreitet, ist unzweifelhaft, da nach der Rechtsprechung des BSG der Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende die tatsächlichen Kosten einer mehrtägigen Klassenfahrt ohne Beschränkung auf einen Höchstbetrag zu übernehmen hat, wenn die Veranstaltung im Rahmen der schulrechtlichen Bestimmungen stattfindet und das Schulrecht selbst keine Kostenobergrenze vorsieht.

Die Skifahrt entspricht auch im schulrechtlichen Rahmen des Landes Brandenburg einer mehrtägigen Klassenfahrt. Dabei enthielt und enthält das Brandenburgische Schulgesetz (BbgSchulG) selbst keine Bestimmungen zu Klassenfahrten. Allerdings hat die Ministerin für Bildung, Jugend und Sport des Landes Brandenburg auf der Grundlage des § 146 BbgSchulG die VVSchulf vom 31. Juli 1999 (ABl. MBJS S. 465) erlassen, die in der Fassung der Zweiten Verwaltungsvorschriften zur Änderung der VV-Schulfahrten vom 9. Juni 2009 (Abl. MBJS/09 S. 162) auch hier einschlägig ist (mit Wirkung seit dem 1. August 2014 gilt die VVSchulf in der hier nicht einschlägigen Fassung vom 13. Januar 2014 (Abl. MBJS/01 S. 8 ff.)).

Nach Nr. 1 Abs. 1 Satz 1 Buchstabe d VVSchulf gelten als Schulfahrten unter anderem Klassen-, Kurs- und Jahrgangsstufenfahrten. Nach Nr. 1 Abs. 2 VVSchulf dienen Schulfahrten dem besseren gegenseitigen Kennen lernen und sollen die Formen des miteinander Lernens und Lebens erweitern. Sie sind unter Berücksichtigung des Rahmenlehrplanes und des Unterrichts durchzuführen, wobei nach Möglichkeit ein Reisecurriculum entwickelt werden soll. Klassen-, Kurs- und Jahrgangsstufenfahrten sind in Nr. 5 VVSchulf näher geregelt. Nach dessen Absatz 1 sind Klassen-, Kurs- und Jahrgangsstufenfahrten von mehrtägiger Dauer. Neben der Vertiefung, Veranschaulichung, Erweiterung und Ergänzung von Unterrichtsinhalten dienen sie partnerschaftlichem Zusammenwirken der beteiligten Schülerinnen und Schüler sowie der Lehrkräfte. Nach Nr. 5 Abs. 2 VVSchulf dürfen Klassen-, Kurs- oder Jahrgangsstufenfahrten innerhalb der Bundesrepublik Deutschland in allen Bildungsgängen ab Jahrgangsstufe 3, in Ausnahmefällen in den Jahrgangsstufen 1 und 2 möglichst in der Nähe des Schulortes, durchgeführt werden. In das europäische Ausland sind sie in der Sekundarstufe I und den Bildungsgängen der Förderschule ab Jahrgangsstufe 7 sowie in allen Bildungsgängen der Sekundarstufe II, des Zweiten Bildungsweges und der Fachschule zugelassen. Die Schulleitung darf Ausnahmen zulassen. Nach Nr. 10 Abs. 1 VVSchulf sind Schulfahrten bei der Schulleitung zu beantragen.

Die hier streitige Skifahrt entsprach den schulrechtlichen Bestimmungen des Landes Brandenburg. Sie richtete sich an Schüler der Jahrgangsstufen 10 und 11 und war mithin entgegen der Einschätzung des Sozialgerichts eine Jahrgangsstufenfahrt. Raum für die Annahme, dass nur Jahrgangsstufen einer Schule gemeint sind, bieten die schulrechtlichen Bestimmungen des Landes Brandenburg jedenfalls nicht. Ungeachtet dessen, dass die Skifahrt von den Schulleitern beider betroffenen Schulen nach Nr. 10 Abs. 1 VVSchulf genehmigt worden ist, hat der Senat keine Zweifel, dass sie auch den schulrechtlichen Bestimmungen entsprach. Sie war nach Nr. 5 Abs. 1 VVSchulf von mehrtägiger Dauer und diente neben der Vertiefung, Veranschaulichung, Erweiterung und Ergänzung von Unterrichtsinhalten dem partnerschaftlichen Zusammenwirken der beteiligten Schülerinnen und Schüler sowie der Lehrkräfte. Letzteres ergibt sich aus dem in der Anlage der Auskunft des Landesamts für Schule und Lehrerbildung beigefügten "Pädagogische[n] Hintergrund und Programm zur "Ski-Kursfahrt H-Gymnasium und -S-Gymnasium". Der pädagogische Hintergrund besteht knapp zusammengefasst im gegenseitigen Kennenlernen der Schüler zweier Schulen verbunden mit einer Erhöhung der sozialen Kompetenz, in der Vermittlung von Natur- und Umweltschutz, in der Pflege sozialer Kontakte und Beziehungen, in der Erhöhung der körperlichen Leistungsfähigkeit und in der Verbesserung der allgemeinen Motivation für das Lernen. Vor diesem Hintergrund vermögen die Ausführungen des Sozialgerichts, Skifahren stehe nicht im Zusammenhang mit dem (Sport)Unterricht, nicht zu überzeugen. Selbst wenn dies zutreffen sollte, bieten die schulrechtlichen Bestimmungen des Landes Brandenburg keinen Raum für ein derart verengtes Verständnis von Zwecken einer Jahrgangsstufenfahrt, was sich im Übrigen auch aus Nr. 8 Abs. 3 VVSchulf ergibt, der besondere Vorhaben wie Baden, Rad- und Bergwandern, Zelten oder Bootsfahrten, ausdrücklich vorsieht, obwohl etwa das Bergwandern – zumal in Brandenburg – kaum Gegenstand des Schulunterrichts sein dürfte. Anhaltspunkte dafür, dass die Höhe der streitigen Aufwendungen den schulrechtlichen Bestimmungen nicht entsprechen würde, hat der Senat nicht.

Der Hinweis des Beklagten, eine Klassenfahrt müsse regional üblich sein, verfängt nicht. Denn das von dem Beklagten zitierte Urteil des BSG bietet keinen Raum für die Annahme, Grundsicherungsträger und Gerichte müssten die regionale Üblichkeit – nach welchen Kriterien (?) – klären. Das BSG hat vielmehr ausgeführt, es sei nach den schulrechtlichen Vorschriften des jeweiligen Bundeslandes zu bestimmen, ob die konkret durchgeführte Veranstaltung regional "üblich" ist. Da die Bestimmungen der VVSchulf keinen Katalog dazu enthalten, was regional üblich ist und was nicht, ist das regional üblich, was den schulrechtlichen Bestimmungen des Landes Brandenburg entspricht.

Der weitere Hinweis des Beklagten, es wäre hier, da das Angebot zur Teilnahme an der Skifahrt freiwillig gewesen sei, zu keiner Ausgrenzung des Klägers gekommen, greift nicht durch, weil die Teilnahme an Klassenfahrten im Regelfall freiwillig ist (wäre die Teilnahme verpflichtend, wäre ein Streit um den Anspruch nach § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 SGB II a. F. auch kaum denkbar). Der Senat weist auch darauf hin, dass das BSG in seinem Urteil vom 22. November 2011 dem Ansatz des Beklagten nicht gefolgt ist, zumal dort die Teilnahme an einem Schüleraustausch streitig war, für den nur ein Teil der Schüler der Klasse des Klägers an dem Schüleraustausch ausgewählt wurde, während die Mehrheit der Schüler hiervon ausgeschlossen war.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil hierfür Gründe nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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