L 8 AL 2364/14

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 7 AL 2320/12
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 AL 2364/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Durch Abschluss einer Eingliederungsvereinbarung mit Festlegung eines Eingliederungsziels auf eine zukünftige Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit können grundsätzlich ermessenslenkende Festlegungen für die Gewährung eines Gründungszuschusses erfolgen. Enthält dagegen die Eingliederungsvereinbarung mit entsprechender Zielsetzung keine verbindlichen vertraglichen Verpflichtungen, ist aus der nur der Form nach bestehenden Eingliederungsvereinbarung (vorliegend Abschluss der Eingliederungsvereinbarung nach Aufnahme der selbständigen Tätigkeit) keine Ermessensbindung abzuleiten.
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 11.04.2014 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung eines Gründungszuschusses zur Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit als Zahnärztin streitig.

Die 1964 geborene Klägerin ist Mutter von drei 1993, 1996 und 2000 geborenen Kindern. Die Klägerin studierte von 1984 bis 1989 Zahnmedizin und erhielt im Dezember 1989 die Approbation als Zahnärztin. Anschließend promovierte sie bis 1991. Von August 1990 bis Dezember 1992 war die Klägerin als angestellte Assistenzärztin in zahnärztlichen Praxen in M. und S.-W. beschäftigt. Anschließend war sie von Februar 1993 bis Dezember 1996 in einer zahnärztlichen Gemeinschaftspraxis in W. im S. selbständig tätig. Von Januar 1997 bis November 2004 war sie Hausfrau und Mutter. Von Dezember 2004 bis August 2008 war sie als Entlastungsassistentin bei Zahnärzten in G. und S. tätig. Von November 2007 bis August 2008 übernahm sie die zahnärztliche Betreuung eines Alten- und Pflegeheimes in S.-R ... Im September 2008 war sie wieder als angestellte Zahnärztin beschäftigt. Von Oktober 2008 bis März 2011 war sie selbständig in einer zahnärztlichen Gemeinschaftspraxis in G. tätig. Schließlich war sie von April 2011 bis zum 31.03.2012 als angestellte Zahnärztin in verschiedenen Praxen beschäftigt.

Die Klägerin meldete sich am 30.01.2012 bei der Beklagten mit Wirkung zum 01.04.2012 arbeitslos und beantragte Arbeitslosengeld. Dabei erklärte die Klägerin, sie plane, mit Hilfe eines Gründungszuschusses eine selbständige Tätigkeit aufzunehmen. Bei einem Erstgespräch mit der zuständigen Arbeitsvermittlerin am 27.02.2012 erklärte die Klägerin, sie habe ab dem 03.04.2012 eine selbständige Tätigkeit als Zahnärztin fest geplant und werde in den Räumen der Praxis, in der sie derzeit als angestellte Zahnärztin arbeite, im Rahmen einer Praxisgemeinschaft die selbständige Tätigkeit ausüben (Bl. 59 bis 63 der Verwaltungsakte Gründungszuschuss).

Die Klägerin nahm die selbständige Tätigkeit als Zahnärztin zum 03.04.2012 in den Praxisräumen in N. auf, in denen sie zuvor als angestellte Zahnärztin tätig gewesen war. Die Beklagte bewilligte der Klägerin mit Bescheid vom 18.04.2012 Arbeitslosengeld ab dem 01.04.2012 mit einer Anspruchsdauer von 180 Tagen. Die Bewilligung wurde wegen der Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit zum 03.04.2012 auf zwei Tage vom 01.04.2012 bis 02.04.2012 befristet (Bl. 64 der Verwaltungsakte Gründungszuschuss).

Die Klägerin beantragte bei der Beklagten am 13.03.2012 die Gewährung eines Gründungszuschusses für die Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit als Zahnärztin in N. zum 03.04.2012. Dem Antrag fügte sie folgende Unterlagen bei: eine Bescheinigung des Finanzamtes N. vom 05.03.2012 über die Anzeige der Aufnahme der selbständigen Tätigkeit als Zahnärztin zum 03.04.2012, eine Begründung zum Antrag auf Gewährung des Gründungszuschusses vom 08. und 09.03.2012, eine Stellungnahme einer fachkundigen Stelle (Steuerberatungsgesellschaft B. und H. GmbH und Co. KG) zur Tragfähigkeit der Existenzgründung vom 08.03.2012, in der die Tragfähigkeit der Existenzgründung bescheinigt wurde, einen Businessplan vom 02.04.2012, eine Begründung zur Aufgabe ihrer früheren selbständigen Tätigkeiten vom 02.04.2012, einen Lebenslauf vom 27.03.2012 und die Approbationsurkunde des Landes Baden-Württemberg - Regierungspräsidium S. - über die Approbation als Zahnärztin vom 22.12.1989 (Bl. 1 bis 26 der Verwaltungsakte Gründungszuschuss).

Die Beklagte schloss mit der Klägerin am 12.04.2012 eine bis 26.08.2012 gültige "Eingliederungsvereinbarung" ab. Als Zielsetzung wurde die "Aufnahme der Selbständigkeit zum 03.04.2012 als Zahnärztin" vereinbart. Unter dem Punkt Leistungen der Agentur für Arbeit U. war festgehalten: "Gewährung des Gründungszuschusses bei Vorliegen aller Voraussetzungen. Die Voraussetzungen können Sie den Antragsunterlagen entnehmen. Ob im Zusammenhang mit der Existenzgründung die Gewährung eines Gründungszuschusses möglich ist, kann erst beurteilt werden, wenn sämtliche Unterlagen zur Prüfung eingereicht wurden. Die Entscheidung, ob ein Gründungszuschuss gezahlt werden kann, ist eine Ermessensentscheidung." Unter dem Punkt Bemühungen der Klägerin war die Abgabe des Antrags auf Gründungszuschuss nebst vollständigen Unterlagen vereinbart (Bl. 47/48 der Senatsakte).

Mit Bescheid vom 02.05.2012 lehnte die Beklagte die Gewährung eines Gründungszuschusses ab. Zur Begründung führte sie aus, auf dem für die Klägerin fachlich und persönlich in Betracht kommenden Arbeitsmarkt bestünden ausreichende Integrationsmöglichkeiten in eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung. So seien der Beklagten am 03.04.2012 mehrere Stellen für Zahnärzte im Tagespendelbereich gemeldet gewesen. Stellenangebote in diesem Umfang bestünden bereits seit geraumer Zeit und es sei nicht davon auszugehen, dass sich dieses Volumen in absehbarer Zeit nennenswert ändere. Darüber hinaus bestünden weitere Beschäftigungsmöglichkeiten, da viele Stellen den Arbeitsagenturen nicht gemeldet seien. Im Falle der Klägerin bestehe ein Vermittlungsvorrang. Im Ergebnis einer im Rahmen der Ermessenausübung sorgfältigen Abwägung der unterschiedlichen Gesichtspunkte müssten vorliegend die persönlichen Interessen der Klägerin gegenüber denen der Beitragszahler zurücktreten (Bl. 46 der Verwaltungsakte Gründungszuschuss).

Hiergegen legte die Klägerin mit Schreiben vom 21.05.2012 Widerspruch ein, zu dessen Begründung sie mit Schreiben vom 31.05.2012 im Wesentlichen vortrug, es sei zwar richtig, dass es einen Markt für angestellte Zahnärzte gebe. Allerdings seien diese Angebote nicht ehrlich. Zunächst würden die für Zahnärzte üblichen und notwendigen Gehälter de facto nicht bezahlt, da es nur umsatzbezogene Abrechnungen mit Kostenbeteiligung gebe. Die angestellten Zahnärzte müssten auf Honorarumsatzbasis arbeiten und bekämen lediglich die wenig umsatzstarken Patienten zugewiesen. Sie habe von ihrem Gehalt als alleinerziehende Mutter drei Kinder und sich selbst zu unterhalten und darüber hinaus verpflichtende Fortbildungen zu bezahlen. Ferner würden von angestellten Zahnärzten Arbeitszeiten gefordert, die sie als alleinerziehende Mutter nicht leisten könne. Die meisten Stellenangebote kämen von riesigen zentralisierten Großpraxen, in denen man sich ohne Rücksicht auf die persönlichen Lebensumstände den Arbeitsbedingungen unterzuordnen habe. Zudem verwies sie auf ihre persönlichen finanziellen Umstände mit Steuerlasten, fehlenden Unterhaltszahlungen des Ex-Mannes und Kosten durch das Studium der Kinder. Schließlich habe die Entscheidung der Beklagten über den Gründungszuschuss so lange gedauert, dass sie sich für die Selbständigkeit habe entscheiden müssen. Sie habe bereits Verpflichtungen wie beispielsweise eine Kreditaufnahme zur Anschaffung von Kleingeräten eingehen müssen, die sie nicht mehr korrigieren könne, so dass eine Ablehnung durch die Beklagte nach dieser langen Bearbeitungszeit nicht vertretbar sei (Bl. 47 und 49 bis 51 der Verwaltungsakte Gründungszuschuss).

Die Beklagte wies den Widerspruch der Klägerin mit Widerspruchsbescheid vom 22.06.2012 als unbegründet zurück. Zur Begründung führte sie aus, im Rahmen der Ermessenausübung habe sie nicht nur die jeweiligen Umstände des Einzelfalles, sondern auch die generellen Rahmenbedingungen wie beispielsweise den Umfang der im Rahmen des Haushaltsplanes der Bundesagentur für Arbeit zugewiesenen und damit verfügbaren Haushaltsmittel sowie die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit zu berücksichtigen. Nach den ermessenslenkenden Weisungen der Agentur für Arbeit sei bei der Ausübung des Ermessens u.a. der sog. Vermittlungsvorrang zu berücksichtigen (§ 4 Abs. 2 SGB III). Aufgrund der langjährigen Berufserfahrung der Klägerin sowohl als selbständig wie auch abhängig beschäftigte Zahnärztin bestünden ausreichende Integrationsmöglichkeiten in eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung. Bei der Beklagten und in einschlägigen Stellenbörsen seien Stellen gemeldet, welche für die Klägerin in Betracht kämen. Die Beklagte habe der Klägerin deswegen keine Vermittlungsvorschläge unterbreitet, da die Klägerin bereits bei ihrer Arbeitslosmeldung erklärt habe, sich selbständig machen zu wollen. Es lägen keine Umstände vor, aufgrund derer eine Förderung der Klägerin trotz bestehender anderweitiger Integrationsmöglichkeiten geboten wäre. Das Vorbringen der Klägerin, als angestellte Zahnärztin kein ausreichendes Einkommen erzielen zu können, vermöge keine andere Entscheidung zu begründen. Bei der Beurteilung der Zumutbarkeit einer abhängigen Beschäftigung werde auf das Arbeitsentgelt abgestellt, das Grundlage für die Bemessung des Arbeitslosengeldes sei. Die Klägerin habe hier ein durchschnittliches monatliches Bruttoarbeitsentgelt von 3.447,04 EUR erzielt. Es sei nicht ersichtlich, dass bei den in Betracht kommenden Stellen ein § 140 Abs. 3 SGB III entsprechendes Entgelt nicht hätte erzielt werden können. Weiter seien im Rahmen einer abhängigen Beschäftigung auch nicht ausschließlich Arbeitszeiten in Schichten bis 21.30 Uhr und samstags gefordert. Dass die Klägerin im Rahmen ihrer selbständigen Tätigkeit ein höheres Arbeitsentgelt erzielen könne und hinsichtlich der Arbeitszeit möglicherweise größere Flexibilität genieße, rechtfertige es nicht, von dem Grundsatz des Vermittlungsvorrangs abzuweichen. Auch die von der Klägerin vorgetragenen finanziellen Verhältnisse wie Unterhalts- und Steuerschulden könnten zu keiner anderen Entscheidung führen (Bl. 68 bis 72 der Verwaltungsakte Gründungszuschuss).

Dagegen erhob die Klägerin am 19.07.2012 Klage zum Sozialgericht Ulm (SG). Zur Begründung wiederholte sie im Wesentlichen ihr Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren und machte geltend, die Beklagte habe das ihr zustehende Ermessen nicht mit der gebotenen Sorgfalt ausgeübt. Die Beklagte verweise lediglich auf gemeldete Stellen, ohne die jeweiligen Beschäftigungsbedingungen im Einzelfall zu hinterfragen. Die Beklagte habe nicht geprüft, ob es sich bei den genannten Stellen jeweils um eine auf die fachliche Qualifikation der Klägerin zugeschnittene langfristige Beschäftigung mit auskömmlichem Einkommen handele. Weiter ließ die Klägerin durch ihren Prozessbevollmächtigten vortragen, es liege eine Ermessensreduzierung auf Null vor, da der Vermittlungsvorrang vorliegend nicht gelte, da eine Vermittlung der Klägerin in ein Angestelltenverhältnis auf Dauer nicht möglich sei. Der Arbeitsmarkt für Zahnärzte sei so gestaltet, dass mehr als 85 % aller Zahnärzte selbständig tätig seien. Im Grunde genommen gebe es keine nachhaltig in den Arbeitsmarkt integrierten angestellten Zahnärzte. Dies habe sich durch die Bewerbung der Klägerin auf drei Stellen bestätigt. Die Bewilligung des Gründungszuschusses biete die besten Aussichten für eine dauerhafte Integration der Klägerin in den Arbeitsmarkt.

Mit Urteil vom 11.04.2014 wies das SG die Klage als unbegründet ab. Zur Begründung führte das SG aus, Ermessenfehler seien nicht erkennbar. Die Ablehnung durch die Beklagte aufgrund des Vermittlungsvorrangs begegne keinen Bedenken. Wie sich aus den Stellenangeboten in der Verwaltungsakte und dem klägerischen Vortrag selbst ergebe (Eingeständnis der Existenz eines Arbeitsmarktes für angestellte Zahnärzte, Ablehnung einer Stelle wegen Ablehnung des dortigen Behandlungskonzepts), hätte die Klägerin auch im Rahmen einer abhängigen Beschäftigung in den Arbeitsmarkt integriert werden können. Die vorliegenden Stellenangebote seien größtenteils unbefristet. Die Bedarfssituation der Klägerin spiele keine Rolle. Der Beschreibung des Arbeitsmarktes für angestellte Zahnärzte durch die Klägerin sei nicht zu folgen. Die Klägerin habe bei ihrer vorletzten Arbeitsstelle ausweislich der Lohnbescheinigung ein gleichbleibendes Gehalt bezogen. Eine der angebotenen Stellen habe eine Bezahlung nach einem öffentlich-rechtlichen Tarifvertrag vorgesehen. Ferner zeigten die Statistiken der Beklagten eine überwiegende Vermittlung von Zahnärzten in eine abhängige Beschäftigung. Wie die Biographie der Klägerin mit zwei aufgegebenen selbständigen Tätigkeiten zeige, garantiere eine solche keine nachhaltigere Integration der Klägerin in den Arbeitsmarkt als eine abhängige Beschäftigung. Zwar sei der Wunsch der Klägerin nach einer selbstbestimmten Arbeit mit höherem Gehalt nachvollziehbar, jedoch sei es nicht Sinn und Zweck des Arbeitsförderungsrechts, auf Kosten der Versichertengemeinschaft die persönliche Situation gut ausgebildeter Versicherter zu optimieren, welche aus persönlichen Gründen nicht mehr abhängig beschäftigt tätig sein wollten. Eine Ermessenreduzierung auf Null liege nicht vor.

Gegen das ihrem Prozessbevollmächtigten am 05.05.2014 zugestellte Urteil des SG hat dieser am 27.05.2014 Berufung zum Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) eingelegt, zu deren Begründung er vorträgt, die Entscheidung der Beklagten leide an gravierenden Ermessenfehlern. Die Beklagte könne ihre Entscheidung nicht auf den Vermittlungsvorrang stützen, da der Arbeitsmarkt für angestellte Zahnärzte derart ausgestaltet sei, dass eine nachhaltige dauerhafte Vermittlung der Klägerin in eine angestellte Tätigkeit nicht möglich sei. Die Klägerin habe eine Vermittlung zwar nicht generell ausgeschlossen, sie sehe jedoch aufgrund ihrer jahrelangen Erfahrung keine Möglichkeit, nachhaltig in den Arbeitsmarkt als angestellte Zahnärztin integriert zu werden, weil alle angebotenen Stellen von vorneherein darauf ausgerichtet seien, kurzfristige Lücken zu schließen bzw. die Arbeitskraft angestellter Zahnärzte kurzfristig gewissermaßen "auszubeuten", weil die Vergütungssysteme so gestrickt seien, dass einerseits Umsatzbeteiligungen angeboten würden, die Praxisinhaber jedoch dafür sorgten, dass umsatzträchtige Behandlungen nicht von den angestellten Zahnärzten durchgeführt werden. Es seien in der Praxis fast keine nachhaltig in den Arbeitsmarkt integrierten angestellten Zahnärzte zu finden. Die Beklagte habe die Vorschrift des § 140 SGB III außer Acht gelassen. Ferner habe die Beklagte selbst in ihrer schriftlichen Stellungnahme zur öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Arbeit und Soziales des Deutschen Bundestages zu Recht darauf hingewiesen, dass der Gründungszuschuss bei Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen des § 93 Abs. 2 SGB III eine Quasi-Pflichtleistung darstelle und eine Ablehnung wenig realistisch sei. Es gebe keine Ermessenserwägungen, welche die Ablehnung rechtfertigen könnten. Daher stehe der Klägerin ein Anspruch auf den begehrten Gründungszuschuss im Sinne einer Ermessensreduzierung auf Null zu.

Die Berichterstatterin hat mit den Beteiligen am 19.03.2015 einen Erörterungstermin durchgeführt. Auf die Niederschrift wird verwiesen (Bl. 39 bis 42 der Senatsakte).

Im Nachgang zum Erörterungstermin hat der Klägervertreter mit Schriftsatz vom 22.04.2015 den von der Klägerin am 20.12.2011 mit der F. S. für Zahngesundheit mbH in N. abgeschlossenen Servicevertrag vorgelegt, welcher im Wesentlichen die Bereitstellung von Räumlichkeiten, Einrichtungen, Geräten u.ä. sowie Dienstleistungen durch die Servicegesellschaft zum Gegenstand hat. In dem Vertrag sei eine kurze Kündigungsfrist von einem Monat zum Monatsende vereinbart worden, um sicherzustellen, dass die Klägerin sich im Falle einer Vermittlung in ein Angestelltenverhältnis jederzeit vom Servicevertrag lösen könne (Bl. 49/64 der Senatsakte). Schließlich hat der Klägervertreter eine Aufstellung über die Einnahmen und Ausgaben der Klägerin im Zeitraum April 2012 bis September 2012 vorgelegt (Bl. 65/69 der Senatsakte).

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 11.04.2014 sowie den Bescheid der Agentur für Arbeit U. vom 02.05.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.06.2012 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin einen Gründungszuschuss zur Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit ab 03.04.2012 zu gewähren, hilfsweise den Antrag der Klägerin vom 11.03.2012 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu verbescheiden.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verweist zur Begründung auf die Ausführungen im erstinstanzlichen Urteil und trägt darüber hinaus vor, indem sie darauf abgestellt habe, ob die Klägerin voraussichtlich auch ohne die Förderung einer selbständigen Tätigkeit in absehbarer Zeit in den Arbeitsmarkt integriert worden wäre, habe sie einen legitimen, der Teleologie des § 93 SGB III entsprechenden Zweck verfolgt und ihr Ermessen entsprechend dem Zweck der gesetzlichen Ermächtigung ausgeübt. Schließlich bestünden auch Bedenken, ob die Klägerin überhaupt einen Anspruch auf Arbeitslosengeld gehabt habe. Zum Einen erhalte der Internetauftritt der Klägerin in deren Vita keinen Hinweis auf abhängige Beschäftigungen in demjenigen Zeitraum, der dem Erwerb des Anspruchs auf Arbeitslosengeld durch sozialversicherungspflichtige Beschäftigungen gedient habe. Zum Anderen bestünden Zweifel an der subjektiven Verfügbarkeit der Klägerin.

Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt (Bl. 78 und 80 der Senatsakte.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Akten der Beklagten (Gründungszuschuss und Arbeitslosengeld) sowie die Prozessakten des SG und des Senats verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß §§ 143, 144 Abs. 1 SGG statthafte und nach § 151 SGG auch insgesamt zulässige Berufung der Klägerin, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten durch Urteil ohne mündliche Verhandlung hat entscheiden können (§ 124 Abs. 2 SGG), ist im Haupt- (1), wie auch im Hilfsantrag (2) nicht begründet. Das angefochtene Urteil des SG Ulm vom 11.04.2014 ist nicht zu beanstanden. Der streitgegenständliche Bescheid der Beklagten vom 02.05.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22.06.2012 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.

Nach § 93 Abs. 1 SGB III (in der hier anzuwendenden seit 01.04.2012 geltenden Fassung; vgl. § 422 Abs. 1 SGB III) können Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die durch Aufnahme einer selbständigen, hauptberuflichen Tätigkeit die Arbeitslosigkeit beenden, zur Sicherung des Lebensunterhalts und zur sozialen Sicherung in der Zeit nach der Existenzgründung einen Gründungszuschuss erhalten. Ein Gründungszuschuss kann nach § 93 Abs. 2 S. 1 SGB III geleistet werden, wenn die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer (1.) bis zur Aufnahme der selbständigen Tätigkeit einen Anspruch auf Arbeitslosengeld hat, dessen Dauer bei Aufnahme der selbständigen Tätigkeit noch mindestens 150 Tage beträgt und nicht allein auf § 147 Abs. 3 SGB III beruht, (2.) der Agentur für Arbeit die Tragfähigkeit der Existenzgründung nachweist und (3.) ihre oder seine Kenntnisse und Fähigkeiten zur Ausübung der selbständigen Tätigkeit darlegt. Nach § 93 Abs. 2 S. 2 SGB III ist zum Nachweis der Tragfähigkeit der Existenzgründung der Agentur für Arbeit die Stellungnahme einer fachkundigen Stelle vorzulegen; fachkundige Stellen sind insbesondere die Industrie- und Handelskammern, Handwerkskammern, berufsständische Kammern, Fachverbände und Kreditinstitute. Gemäß § 93 Abs. 3 SGB III wird der Gründungszuschuss nicht geleistet, solange Ruhenstatbestände nach den §§ 156 bis 159 SGB III vorliegen oder vorgelegen hätten. Die Förderung ist ausgeschlossen (§ 93 Abs. 4 SGB III), wenn nach Beendigung einer Förderung der Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit nach diesem Buch noch nicht 24 Monate vergangen sind; von dieser Frist kann wegen besonderer in der Person der Arbeitnehmerin oder des Arbeitnehmers liegender Gründe abgesehen werden.

(1) Die Berufung ist im Hauptantrag unbegründet, da kein Anspruch der Klägerin auf Gewährung des begehrten Gründungszuschusses besteht.

Der Senat hat bereits erhebliche Zweifel daran, dass die Klägerin entsprechend § 93 Abs. 1 Satz 1 SGB III durch die Aufnahme ihrer selbständigen Tätigkeit als Zahnärztin zum 03.04.2012 ihre Arbeitslosigkeit beendet hat. Insoweit ist es mangels einer entsprechenden gesetzlichen Begrenzung grundsätzlich zwar ausreichend, wenn die Voraussetzungen der Arbeitslosigkeit (nur) an einem Tag gegeben sind. Es bestehen jedoch erhebliche Zweifel daran, ob die Klägerin diese Mindestvoraussetzungen erfüllt und wenigstens an einem Tag in dem zur Verfügung stehenden Zeitraum von ihrer Arbeitslosmeldung am 30.01.2012 mit Wirkung zum 01.04.2012 bis zur Aufnahme ihrer selbständigen Tätigkeit am 03.04.2012 bereit war, eine versicherungspflichtige, mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende zumutbare Beschäftigung unter den üblichen Bedingungen des für sie in Betracht kommenden Arbeitsmarktes anzunehmen und auszuüben (vgl. § 138 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 5 Nr. 1 und 3 SGB III; sog. subjektive Verfügbarkeit). Weiter würde es dann an der Tatbestandsvoraussetzung des § 93 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB III (bis zur Aufnahme der selbständigen Tätigkeit Anspruch auf Arbeitslosengeld, dessen Dauer bei Aufnahme der selbständigen Tätigkeit noch mindestens 150 Tage beträgt und nicht allein auf § 147 Abs. 3 SGB III beruht) fehlen.

Dies kann der Senat jedoch dahinstehen lassen, da der Klägerin ein durch bestandskräftigen Bescheid vom 18.04.2012 begründeter Anspruch auf Arbeitslosengeld von 180 Tagen zusteht, wobei die Beklagte zu Gunsten der Klägerin deren subjektive Verfügbarkeit bejaht hat, so dass im Ergebnis die ermessenseröffnenden Tatbestandsvoraussetzungen bei der Klägerin als erfüllt anzusehen sind.

Ein Anspruch der Klägerin auf Gewährung des begehrten Gründungszuschusses besteht indes nicht, weil keine Ermessensreduzierung auf Null vorliegt. Die Beklagte hat das ihr nach § 93 Abs. 1 SGB III zustehende Ermessen auch rechtmäßig ausgeübt (§ 39 Abs. 1 S. 1 SGB III) (dazu unter (2)).

Zwar war der Gründungszuschuss gemäß § 57 Abs. 1 SGB III zunächst als Anspruchsleistung ausgestaltet (vgl. § 57 SGB III in der bis 27.12.2011 geltenden Fassung). Jedoch wurde er bereits vor dem 01.04.2012, nämlich zum 28.12.2011 § 57 SGB III als reine Ermessensleistung ausgestaltet (vgl. Art 1 Nr. 3 des Gesetzes zur Verbesserung der Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt vom 20.12.2011, BGBl I S. 2854; ebenso Hassel in Brand, SGB III, 6. Auflage, § 93 Rdnr. 6). Diese Ausgestaltung hat der Gründungszuschuss auch nach dem 01.04.2012 beibehalten (vgl. § 93 SGB III; Hassel a.a.O.; Jüttner in Mutschler/Schmidt-De Caluwe/Coseriu, SGB III, 5. Auflage, § 93 Rdnr. 66; so jedenfalls für die Zeit ab 01.04.2012 auch BSG 17.08.2012 - B 11 AL 40/12 B -, juris Rdnr. 5).

Vorliegend sind Anhaltspunkte für eine Ermessensreduzierung einzig auf die beantragte Bewilligung eines Gründungszuschusses (Ermessensreduzierung auf Null) nicht ersichtlich. Weder hat sich die Beklagte gegenüber der Klägerin etwa durch eine mündliche Zusage eines Gründungszuschusses (vgl. zu dieser Konstellation BSG, SozR 4-4300 § 415 Nr. 1) oder durch eine Eingliederungsvereinbarung mit Festlegung eines Eingliederungsziels auf eine zukünftige Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit der Klägerin gebunden (vgl. zu dieser Konstellation Urteil des Senats vom 28.02.2014 - L 8 AL 1515/13; juris). Zwar hat die Klägerin am 12.04.2012 mit der Beklagten eine als "Eingliederungsvereinbarung" bezeichnete Vereinbarung abgeschlossen, in der als Zielsetzung die "Aufnahme der Selbständigkeit zum 03.04.2012 als Zahnärztin" festgehalten ist. Jedoch ist der Abschluss der Vereinbarung erst nach Aufnahme der selbständigen Tätigkeit durch die Klägerin am 03.04.2012 erfolgt, so dass diese Vereinbarung in der Sache keine "echte Eingliederungsvereinbarung" mit einer entsprechenden Begründung von vertraglichen Verpflichtungen der Klägerin (vgl. zur Rechtsnatur der Eingliederungsvereinbarung ausführlich BSG, Urteil vom 02.04.2014 - B 4 AS 26/13 R - juris, Rdnr.: 33) darstellt, welche eine Ermessensreduzierung auf Null zur Folge haben könnte. Vielmehr handelt es sich bei der vorliegenden "Eingliederungsvereinbarung" lediglich um eine deklaratorische Auflistung der bereits vor Abschluss der Vereinbarung aufgenommenen selbständigen Tätigkeit als Zahnärztin. Auch unter dem Punkt Leistungen der Agentur für Arbeit U. hat sich die Beklagte nicht zur Gewährung eines Gründungszuschusses verpflichtet. Vielmehr verdeutlicht die dort festgehaltene Formulierung ("Gewährung des Gründungszuschusses bei Vorliegen aller Voraussetzungen. Die Voraussetzungen können Sie den Antragsunterlagen entnehmen. Ob im Zusammenhang mit der Existenzgründung die Gewährung eines Gründungszuschusses möglich ist, kann erst beurteilt werden, wenn sämtliche Unterlagen zur Prüfung eingereicht wurden. Die Entscheidung, ob ein Gründungszuschuss gezahlt werden kann, ist eine Ermessensentscheidung."), dass es sich gerade nicht um eine Anspruchs-, sondern um eine Ermessensleistung der Beklagten handelt. Damit führt die Vereinbarung vom 12.04.2012 nach Auffassung des Senats nicht zu einer Ermessensreduzierung auf Null (vgl. zu dem Fall, in dem bei Abschluss einer Eingliederungsvereinbarung allgemein als Ziel eine Selbständigkeit genannt war, ein Existenzgründungszuschuss hingegen ausdrücklich nicht zugesagt war, die Entscheidung des 13. Senats des Landessozialgerichts-Baden-Württemberg, welcher die Eingliederungsvereinbarung als für die Ermessensentscheidung irrelevant angesehen hat; Urteil vom 24.02.2015 - L 13 AL 1924/14 -; juris Rn. 26).

Weiter war die Aufnahme der selbständigen Tätigkeit entgegen der Auffassung der Klägerin nicht alternativlos, es hat sich also nicht um die einzige Maßnahme gehandelt, mit der eine dauerhafte Eingliederung der Klägerin in den Arbeitsmarkt erreicht werden konnte. Dem Vortrag der Klägerin, eine dauerhafte Vermittlung in den Arbeitsmarkt als angestellte Zahnärztin sei mangels geeigneter Stellen als angestellte Zahnärztin nicht möglich gewesen, vermochte der Senat sich nicht anzuschließen. Zwar ist der Klägerin insoweit Recht zu geben, dass bei Zahnärzten ein hoher Anteil an selbständig tätigen Zahnärzten auf dem Arbeitsmarkt vorhanden ist. Dies lässt jedoch nicht den Schluss zu, dass es keine nachhaltig in den Arbeitsmarkt integrierten angestellten Zahnärzte gibt. Nach den von der Beklagten dem SG vorgelegten Statistiken waren im Jahr 2011 bundesweit über 12.000 Zahnärzte sozialversicherungspflichtig beschäftigt (Bl. 32 der SG-Akte). Auch nach dem eigenen Vortrag der Klägerin existiert ein Arbeitsmarkt für angestellte Zahnärzte. Ferner zeigt der Werdegang der Klägerin mit mehreren abhängigen Beschäftigungen, dass ein Arbeitsmarkt für angestellte Zahnärzte existiert. Eine Vermittlung der Klägerin in eine abhängige Beschäftigung wäre nach Auffassung des Senats durchaus möglich gewesen (siehe unten).

Schließlich rechtfertigt das vom Klägervertreter im Erörterungstermin vom 19.03.2012 angeführte Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 22.01.2014 (- S 33 AL 239/13 -; juris) keine andere Beurteilung im Sinne einer Ermessenreduzierung auf Null. Mit diesem Urteil hat das Sozialgericht Duisburg gefordert, dass die Beklagte in Bezug auf den Vermittlungsvorrang des § 4 Abs. 2 SGB III stets individuell zu prüfen habe, ob eine möglichst nachhaltige Integration innerhalb des Bezugszeitraums realistisch sei, ob sofort oder in absehbarer Zeit Stellenangebote unterbreitet werden können und ob individuelle Hemmnisse bestehen, die den Integrationserfolg behindern. Es habe nach Auffassung des Sozialgerichts Duisburg eine entsprechende Dokumentation der Prüfung des Vermittlungsvorrangs im Beratungsvermerk zu erfolgen. Eine Berufung auf den Vermittlungsvorrang verbiete sich, wenn die Beklagte nicht hinreichend dokumentiere, dass tatsächlich eine positive und gute Arbeitsmarktlage bestehe und von welchen Zeiträumen sie bei ihrer Prognose hinsichtlich der Integration ausgegangen sei. Das Sozialgericht Duisburg hat neun Stellen, welche unbefristet ausgeschrieben worden sind, als nicht ausreichend erachtet, um eine gute Arbeitsmarktlage zu dokumentieren. In der Folge hat es die Beklagte zur Neubescheidung des Antrags auf Gründungszuschuss verurteilt. Diese vom Klägervertreter zitierte Entscheidung des Sozialgerichts Duisburg führt indes auch nicht zu einem Anspruch auf den von der Klägerin begehrten Gründungszuschuss. Vielmehr würde sich daraus allenfalls wie im dortigen Fall ein Anspruch auf Neubescheidung des Antrags auf Gründungszuschuss ergeben. Vorliegend hat die Beklagte nach Auffassung des Senats aber den Vermittlungsvorrang ausreichend geprüft und dies auch entsprechend dokumentiert, was im Zusammenhang mit dem beruflichen Werdegang der Klägerin, die selbst mehrere angestellte Beschäftigungen ausgeübt hatte, ausreichend ist. Der Umfang der hinreichend überzeugenden Dokumentation der Arbeitsmarktlage hängt vom jeweiligen Einzelfall ab, da die spezifische berufliche Tätigkeit, der örtliche Einzugsbereich und die persönlichen Voraussetzungen des Stellensuchenden die Einschätzung der Vermittlungschancen maßgebend bestimmen. Vorliegend sind der Ballungsraum U. und eine zahnärztliche Tätigkeit zu berücksichtigen. So finden sich auf Bl. 29 bis 36 der Verwaltungsakte Gründungszuschuss acht Stellenangebote im Zeitraum Februar bis April 2012. Nach Auffassung des Senats dürfen die Dokumentationspflichten der Beklagten im vorliegenden Fall nicht überspannt werden, da die Klägerin bereits bei ihrer Arbeitslosmeldung am 30.01.2012 und wiederholt am 27.02.2012 erklärt hat, sie wolle sich mit der Gewährung eines Gründungszuschusses zum 03.04.2012 selbständig machen. Daher hat die Beklagte in der Folge auch keine "echte Eingliederungsvereinbarung" mit der Klägerin abgeschlossen und ihr keine Vermittlungsangebote unterbreitet.

Soweit der Klägervertreter weiter darauf verweist, dass die Beklagte in ihrer schriftlichen Stellungnahme zur öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Arbeit und Soziales des Deutschen Bundestages davon ausgegangen ist, dass der Gründungszuschuss bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen auch nach der Neuregelung eine Quasi- Pflichtleistung darstelle und eine Ablehnung wenig realistisch sei, ist auszuführen, dass es sich hierbei lediglich um eine Stellungnahme einer Fachbehörde im Rahmen eines Gesetzgebungsverfahrens handelt, aus der die Klägerin keine Rechte herleiten kann. Im Übrigen hat die Auffassung der Arbeitsagentur in der zitierten Stellungnahme durch den Gesetzgeber keinen Niederschlag gefunden, da der Gesetzestext nunmehr von einer Kann-Leistung spricht und der Gründungszuschuss wie oben ausgeführt somit als Ermessenleistung ausgestaltet worden ist.

Damit sind keine Gründe ersichtlich, die das Ermessen der Beklagten auf Null dahingehend reduzieren könnten, den beantragten Gründungszuschuss zu bewilligen.

Die Berufung der Klägerin war deshalb im Hauptantrag zurückzuweisen.

(2) Die Berufung ist auch im Hilfsantrag unbegründet, denn die Beklagte hat ihr Ermessen pflichtgemäß ausgeübt. Ein Ermessenfehler, der es im Sinne des Hilfsantrags rechtfertigt, die Beklage zu verurteilen, den Antrag der Klägerin vom 11.03.2012 auf Gewährung eines Gründungszuschusses unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu verbescheiden, liegt nicht vor.

Die Beklagte hat ihr Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einzuhalten. Es besteht ein Anspruch auf pflichtgemäße Ermessensausübung (§ 39 Abs. 1 SGB I). Die Ermessenausübung unterliegt, wie das SG zutreffend ausgeführt hat, nur einer eingeschränkten gerichtlichen Kontrolle (§ 54 Abs. 2 Satz 2 SGG). Das SG hat die dabei anzuwendenden Prüfkriterien in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils ausführlich und zutreffend dargelegt, worauf der Senat nach eigener Überprüfung zur Begründung seiner Entscheidung zwecks Vermeidung von Wiederholungen Bezug nimmt (§ 153 Abs. 2 SGG). Danach sind die im angefochtenen Ausgangsbescheid vom 02.05.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22.06.2012 berücksichtigten Ermessengesichtspunkte, nämlich der Vermittlungsvorrang und die Abwägung des Individualinteresses mit dem hier vorzugswürdigen öffentlichen Interesse an einer sparsamen Mittelverwendung im gerichtlich prüfbaren Rahmen rechtsfehlerfrei gewürdigt worden.

Insbesondere konnte der Senat keinen Ermessenfehlgebrauch hinsichtlich der Ermessenserwägung der Beklagten zum Vorrang der Vermittlung nach § 4 Abs. 2 SGB III erkennen. Entgegen der Auffassung der Klägerin bestand die Möglichkeit, die Klägerin zeitnah in eine ihr zumutbare versicherungspflichtige Beschäftigung als Zahnärztin zu vermitteln. Die Klägerin war bereits jahrelang sowohl als angestellte als auch als selbständige Zahnärztin berufstätig. Nach § 140 Abs. 1 SGB III sind einer arbeitslosen Person alle ihrer Arbeitsfähigkeit entsprechenden Beschäftigungen zumutbar, soweit allgemeine oder personenbezogene Gründe der Zumutbarkeit einer Beschäftigung nicht entgegenstehen. Aus personenbezogenen Gründen ist eine Beschäftigung einer arbeitslosen Person insbesondere dann nicht zumutbar, wenn das daraus erzielbare Arbeitsentgelt erheblich niedriger ist als das der Bemessung des Arbeitslosengeldes zugrunde liegende Arbeitsentgelt (§ 140 Abs. 3 Satz 1 SGB III). Weiter ist einer arbeitslosen Person eine Beschäftigung aus personenbezogenen Gründen auch nicht zumutbar, wenn die täglichen Pendelzeiten zwischen ihrer Wohnung und der Arbeitsstätte im Vergleich zur Arbeitszeit unverhältnismäßig lang sind (vgl. § 140 Abs. 4 Satz 1 SGB III). Vorliegend ist für den Senat nicht ersichtlich, dass personenbezogene Gründe der Zumutbarkeit einer Beschäftigung als angestellte Zahnärztin entgegen stehen. Entgegen der Ansicht der Klägerin bestanden genügend offene Stellen als Zahnärztin, in die die Klägerin zumutbar hätte vermittelt werden können. So finden sich allein in der Verwaltungsakte Gründungszuschuss (Bl. 29 bis 36) acht Stellenangebote als Zahnärztin im Tagespendelbereich der Klägerin. Dabei geht der Senat davon aus, dass der Klägerin auf Grund des Alters ihrer drei Kinder im Jahre 2012 (18, 16 und 12 Jahre) eine Vollzeitbeschäftigung zumutbar ist. Die von der Beklagten dokumentierten Stellenangebote weisen überwiegend ein Vergütungsangebot nach Vereinbarung bzw. eine leistungsgerechte oder leistungsbezogene Bezahlung aus. Eine Stelle weist eine Vergütung nach BAT aus. Die Klägerin hat zuletzt als angestellte Zahnärztin ein monatliches Arbeitsentgelt zwischen 3.360 EUR und 3.712,50 EUR brutto verdient. Anhaltspunkte für eine unzumutbare Bezahlung liegen nicht vor. Im Übrigen schätzte auch die zuständige Arbeitsvermittlerin der Klägerin eine Vermittlung der Klägerin in eine versicherungspflichtige Tätigkeit als gut ein (vgl. die von der Beklagten vor dem SG vorgelegte Stellungnahme der Frau Nachtigall vom 03.09.2012; Bl. 13 der SG-Akte). Der Wunsch der Klägerin nach einer selbstbestimmten Tätigkeit mit einem höheren Gehalt, um auch mehr Zeit mit ihren Kindern verbringen zu können, ist zwar durchaus nachvollziehbar, führt jedoch nicht zu einem Anspruch auf Gründungszuschuss zu Lasten der Versichertengemeinschaft.

Schließlich ist die Abwägung des persönlichen Interesses der Klägerin an einer Förderung mit dem Interesse der Versichertengemeinschaft an einer zweckentsprechenden, bedarfsorientierten und sparsamen Verwendung der Beitragsmittel durch die Beklagte nicht zu beanstanden.

Die von der Klägerin in Bezug genommene persönliche Bedarfssituation wie beispielsweise Steuerschulden und fehlende Unterhaltszahlungen durch den Ex-Mann spielt bei der Bewilligung eines Gründungszuschusses keine Rolle.

Schließlich legt die vom Klägervertreter im Nachgang zum Erörterungstermin vorgelegte Aufstellung über die Einnahmen und Ausgaben der Klägerin im Zeitraum vom 03.04.2012 bis zum 30.09.2012 eine eigene Leistungsfähigkeit der Klägerin nahe. Dieser Ermessensgesichtspunkt der eigenen Leistungsfähigkeit kann zwar grundsätzlich die Ablehnung des Gründungszuschusses (wegen einer besonderen Tragfähigkeit des Unternehmens) im Rahmen der Ermessensentscheidung rechtfertigen (vgl. hierzu das Urteil des Senats vom 28.02.2014 - L 8 AL 1515/13 - ; juris Rdnr. 35). Er berücksichtigt den Zweck der Vorschrift des § 93 SGB III der Sicherung des Lebensunterhalts und der sozialen Sicherung, der sich aus Absatz 1 dieser Vorschrift ergibt (vgl. zum Zweck auch Link in Eicher/Schlegel, SGB III nF, § 93 RdNr. 7). Damit wird mit dem Ermessensgesichtspunkt der eigenen Leistungsfähigkeit in einer dem Zweck der Ermächtigung entsprechenden Weise Gebrauch gemacht, jedenfalls dann, wenn (ausnahmsweise) konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die geplante selbständige Tätigkeit bereits in der Anlaufphase der ersten sechs Monate so erfolgreich sein wird, dass der Existenzgründer seinen Lebensunterhalt selbst erwirtschaften und damit auch seine soziale Absicherung vornehmen kann. Denn in einem solchen Fall ist die Förderung mit dem Gründungszuschuss nicht gerechtfertigt, da der eigentliche Sicherungszweck des § 93 SGB III verfehlt würde (vgl. auch Link in Eicher / Schlegel, a.a.O., § 93 RdNr. 137; Mutschler/Schmidt-De Caluwe/Coseriu, SGB III, 5. Auflage, § 93 RdNr. 68). Diesen Gesichtspunkt hat die Beklagte aber nicht im Rahmen ihrer Ermessenserwägungen herangezogen, so dass er auch nicht mehr zulässigerweise berücksichtigt werden kann (grundlegend zum Nachschieben von Ermessenserwägungen: BVerwG, Urteil vom 20.06.2013 - 8 C 46/12 -; juris Rdnr.: 31 ff).

Nach alledem war die Berufung der Klägerin auch im Hilfsantrag zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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