L 1 AS 2015/14

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
1
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 6 AS 2440/12
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 1 AS 2015/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Für einen Anspruch auf Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitsuchende ist als verwertbares Vermögen auch ein nach Ausreise aus der Schweiz bar auszahlbares Guthaben auf einem Freizügigkeitskonto zu berücksichtigen.

Irreführende Angaben zu Vermögen im Ausland sind bei der Prüfung der Rechtmäßigkeit der Rücknahme einer Leistungsbewilligung für die Vergangenheit unrichtigen Angaben gleichzusetzen.
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 02.04.2014 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich gegen die Aufhebung der Bewilligung von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) für den Zeitraum vom 01.07.2011 bis zum 31.12.2011 und eine Rückforderung von im Zeitraum vom 01.07.2011 bis zum 30.11.2011 gezahlten Leistungen in Höhe von insgesamt 3.791,18 Euro.

Der 1956 geborene Kläger bewohnte im streitgegenständlichen Zeitraum (seit 01.11.2009) eine mit Öl-Zentralheizung beheizte 2-Raum-Wohnung mit Küche und Bad mit einer Größe von 55qm in Ü ... Die vertraglich vereinbarte Kaltmiete betrug monatlich 253,00 Euro (vgl. Mietvertrag vom 08.10.2009, Bl. 609 ff. VA, i.V.m. der Änderungsvereinbarung vom 20.02.2010, Bl. 741 VA), die Nebenkosten für die mit Öl-Zentralheizung beheizte Wohnung betrugen insgesamt 110,00 Euro, davon entfallend auf die Heizkostenvorauszahlung 40,00 Euro, Kosten für Warmwasser 20,00 Euro, Wasser- und Abwasserabschlag 35,00 Euro, Grundsteuer und Versicherung 10,00 Euro, sowie auf Treppenhausbeleuchtung, Antennengebühr und Hausreinigung 5,00 Euro (vgl. Mietbescheinigung vom 15.10.2009, Bl. 623 VA). Im Juli 2011 teilte der Kläger mit, aufgrund von geltend gemachten Mietminderungen an die Hauseigentümerin ab dem 01.07.2011 nur monatlich 224,00 EUR zu überweisen (vgl. Schreiben des Klägers vom 27.07.2011, Bl. 1199 ff. VA, insb. Bl. 1219, 1221).

Die 1992 geschlossene Ehe des Klägers wurde mit Urteil des Amtsgerichts W ... vom 18.11.2003 geschieden. In dem Urteil wurde die geschiedene Ehefrau des Klägers auf einen schuldrechtlichen Versorgungsausgleich verwiesen. Das Urteil wurde hinsichtlich der Scheidung am 18.11.2003 rechtskräftig, hinsichtlich des Verweises auf einen schuldrechtlichen Versorgungsausgleich am 30.12.2003 (Bl. 1643 VA). In den Gründen des Urteils wird zum Versorgungsausgleich ausgeführt, der Kläger habe neben einer Anwartschaft im Rahmen der schweizerischen gesetzlichen Rentenversicherung (AHV) gegenüber der ... Lebensversicherungs-Gesellschaft ein Anrecht der betrieblichen Altersversorgung i.H.v. 334,49 DM erlangt. Diese Ansprüche könnten nicht ausgeglichen werden, weil ausländische Versorgungsträger nicht der deutschen Jurisdiktion unterlägen. Die geschiedene Ehefrau des Klägers sei daher auf den schuldrechtlichen Versorgungsausgleich zu verweisen (Bl. 33 ff. der Akte L 3 AS 698/12 ER-B). Im Mai 2005 beantragte die geschiedene Ehefrau des Klägers die Durchführung des schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs beim Amtsgericht W ... Das hierauf eingeleitete Verfahren 6 F 123/05 wurde am 16.01.2007 durch Vergleich erledigt, in welchem sich der Kläger verpflichtete, die Stiftung ... anzuweisen, von seinem dort geführten Freizügigkeitskonto auf ein von seiner geschiedenen Ehefrau in der Schweiz noch einzurichtendes Freizügigkeitskonto den Betrag von 23.772,00 Schweizer Franken (CHF) zu zahlen (Bl. 31./32 a.a.O.). Die Ausführung dieses Vergleichs scheiterte allerdings an der Weigerung der Stiftung ... (Schreiben vom 20.03.2007, Bl. 29 a.a.O.).

Der Kläger stand vom 29.04.2003 bis zum 23.05.2004 im Bezug von Arbeitslosengeld (Leistungsnachweis des Arbeitsamts L. vom 24.05.2004, Bl. 23 der Verwaltungsakte des Beklagten – VA). Anschließend bezog er bis zum 31.12.2004 Arbeitslosenhilfe (Leistungsnachweis der Agentur für Arbeit L. vom 27.12.2004, Bl. 21 VA). Danach stand er ab dem 04.01.2005 bis zum 30.11.2011 fortlaufend im Bezug von Leistungen nach dem SGB II, welche von dem Beklagten erbracht wurden.

Seinem erstmaligen Antrag auf Leistungen nach dem SGB II, welcher dem Beklagten am 12.05.2005 zuging, war auch ein Zusatzblatt zur Feststellung des zu berücksichtigenden Vermögens beigefügt, welches der Kläger am 28.04.2005 unterschrieben hatte (Bl. 27-30 VA). Dort wurde in einem eingerahmten Textfeld auf dem ersten Blatt direkt unter dem Namen des Antragstellers der Begriff des Vermögens definiert wie folgt: "Vermögen ist die Gesamtheit der in Geld messbaren Güter einer Person, bewertet zum Zeitpunkt der Antragstellung, soweit das Vermögen nicht später erworben wurde. Zum Vermögen gehören – unabhängig davon, ob es im In- oder Ausland vorhanden ist – insbesondere Bargeld, Bank- und Sparguthaben, Wertpapiere, Bausparguthaben, Aktien und Fondsanteile ebenso wie Forderungen, bewegliches Vermögen, Haus- und Grundeigentum sowie dingliche Rechte an Grundstücken. Von Bedeutung sind Ihr eigenes Vermögen und das Vermögen der mit Ihnen im Haushalt lebenden Angehörigen. Alle Angaben über vorhandenes Vermögen und Belastungen sind grundsätzlich durch geeignete Nachweise zu belegen. Fügen Sie bitte ggf. auch eine Bescheinigung Ihres Kreditinstitutes über Gebühren und Beleihungszinsen bei." In dem Formular gab der Kläger an, über ein Girokonto mit einem Saldo von -688,21 Euro zu verfügen, über ca. 30 Euro Bargeld, über ein Sparbuch mit einem Guthaben von 6,18 Euro und eine gepfändete Lebensversicherung bei der X-Lebensversicherungs ..., ferner über eine Eigentumswohnung gemeinsam mit seiner geschiedenen Ehefrau. Die Frage nach sonstigem Vermögen verneinte der Kläger.

In den darauffolgenden Anträgen auf Fortzahlung der Leistungen nach dem SGB II verneinte der Kläger jeweils die Frage nach dem Eintritt von Änderungen in seinen Vermögensverhältnissen, zuletzt im Antrag vom 14.06.2011 (Bl. 1889 VA). Auf diesen Fortzahlungsantrag bewilligte der Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 24.06.2011 (Bl. 1917 VA) für den Bewilligungszeitraum vom 01.07.2011 bis zum 31.12.2011 Leistungen nach dem SGB II in Höhe von monatlich 692,28 Euro, davon 364,00 Euro Regelleistungen und 328,28 Euro Leistungen für Unterkunft und Heizung. Hiergegen erhob der Kläger mit Schreiben vom 25.07.2011 Widerspruch. Mit Bescheid vom 25.07.2011 (Bl. 1191 VA) hob der Beklagte den Bescheid vom 24.06.2011 teilweise auf und setzte die Kosten der Unterkunft ab dem 01.08.2011 wegen einer Mietminderung des Klägers auf 176,00 Euro herab (Minderung des Gesamtbetrages der Leistungen sich auf 540,00 Euro monatlich). Diesen Bescheid hob die Beklagte auf einen weiteren Widerspruch des Klägers vom 27.07.2011 (Bl. 1199 VA) mit Bescheid vom 09.08.2011 (Bl. 1237 VA) wieder auf und erhöhte die Leistungen für Unterkunft und Heizung aufgrund der Angaben des Klägers, wonach die geminderte Miete 224,00 Euro betrage, auf diesen Betrag, weshalb sie für den Zeitraum vom 01.08.2011 bis zum 31.12.2011 dem Kläger monatlich 588,00 Euro SGB II-Leistungen bewilligte. Auf Antrag des Klägers mit Schreiben vom 26.08.2011 (Bl. 1245 VA) stellte die Beklagte das Widerspruchsverfahren gegen den Bescheid vom 24.06.2011 ruhend (Bl. 1253 VA).

In einem Ermittlungsverfahren wegen Verletzung der Unterhaltspflicht und Betruges gegen den Kläger (25 Js 5382/10) ermittelte die Staatsanwaltschaft W ..., dass dieser bei der "Stiftung ..." (Schweizerische Sozialpartner-Stiftung für die Auffangeinrichtung gemäß Art. 60 B. – im Folgenden: B.), einer von den Spitzenorganisationen der Arbeitnehmer und Arbeitgeber nach Art. 80-89 des Schweizerischen Zivilgesetzbuches errichteten Einrichtung mit Sitz in B., über ein aus obligatorischer betrieblicher Altersversorgung des Kläger während seiner Berufstätigkeit in der Schweiz stammendes sogenanntes "Austrittsguthaben" verfügte, welches auf Einzahlungen der W. (1.644,90 CHF am 23.05.2000) und – insbesondere – der Y. Lebens-Versicherung (98.935,20 CHF am 22.04.2003) beruhte und am 01.01.2011 aufgrund zwischenzeitlich erzielter Zinsgewinne 111.805,78 CHF betrug (Kontoauszug vom 17.05.2011, Bl. 1279 ff. VA). Die B. teilte der Staatsanwaltschaft mit, dass der Kläger über das Altersvorsorgevermögen unter bestimmten, einzeln genannten Bedingungen verfügen könne. Auf das Schreiben vom 17.05.2011 (Bl. 1267 VA) und das diesem beigefügte Reglement über die Führung von Freizügigkeitskonten (Bl. 1287 VA) wird verwiesen.

Anfang November 2011 erfuhr der Beklagte von dem ermittelnden Hauptzollamt S. von dem Verfahren gegen den Kläger und dessen Altersvorsorgevermögen in der Schweiz. Mit Bescheid vom 30.12.2011 (Bl. 1325 VA) hob er die Leistungsbewilligung für den Zeitraum vom 01.07.2011 bis 31.12.2011 mit Bescheid vom 24.06.2011 und den Änderungsbescheid vom 09.08.2011 auf und forderte für den Zeitraum vom 01.07.2011 bis zum 30.11.2011 insgesamt 3.987,98 Euro gezahlte Leistungen zurück. Hierbei handele es sich um an den Kläger ausgezahlte Leistungen nach dem SGB II von 692,28 Euro für Juli 2011 und monatlich 588,00 Euro im Zeitraum vom 01.08.2011 bis 30.11.2011, ferner monatlich 149,38 Euro Beiträge zur Kranken-und Pflegeversicherung. Zusätzlich forderte der Beklagte für Juli 177,12 Euro und für August 19,68 Euro Leistungen zur Eingliederung in Arbeit zurück und stützte sich auf § 40 Abs. 2 Nr. 3 SGB II in Verbindung mit § 330 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) in Verbindung mit § 45 Abs. 1, 2 S. 3 Nr. 2 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X). Der Kläger habe ein Guthaben auf dem Freizügigkeitskonto, welches im Jahr 2005 103.274,15 CHF und im Jahr 2011 ca. 111.805,78 CHF betragen habe, und bei dem es sich bis auf einen abzusetzenden Betrag von insgesamt 9.000,00 Euro um verwertbares Vermögen handele, weder bei der erstmaligen Antragstellung noch in den Folgeanträgen angegeben. Nachdem er im Zusatzblatt 3 zum Erstantrag darüber informiert worden sei, was zum Vermögen gehöre, hätte es zu einer naheliegenden Überlegung gehört, die anwartschaftliche Leistung im Antrag anzugeben. Dabei habe er auf jeden Fall grob fahrlässig gehandelt, der Beklagte gehe im vorliegenden Fall auch von vorsätzlichem Handeln aus.

Im Fortzahlungsantrag vom 30.11.2011 (Bl. 1299 VA) gab der Kläger wiederum an, in seinen Vermögensverhältnissen seien keine Änderungen eingetreten. Auf einen telefonischen Hinweis des Beklagten, wonach dem Kläger wegen seiner Pensionskasse in der Schweiz keine Leistungen mehr überwiesen werden würden, beantragte er mit Schreiben vom 02.12.2011 (Bl. 1307) die Gewährung von Leistungen nach dem SGB II für Dezember 2011 und Januar 2012 als Darlehen. Mit Schreiben vom 07.12.2011 teilte der Kläger dem Beklagten mit, dass es bis zu einer Auszahlung des Freizügigkeitskontos, wenn alles normal laufe, mindestens vier Wochen dauere. Mit Bescheid vom 02.01.2012 (Bl. 1335 VA), welcher hier nicht streitgegenständlich ist, sondern Gegenstand des parallel anhängigen Berufungsverfahrens L1 AS 2017/14, gewährte der Beklagte dem Kläger ein Darlehen über 1.394,76 Euro für Dezember 2011 und Januar 2012 und erstattete am selben Tag Strafanzeige wegen des Verdachts auf Sozialleistungsbetrug gegen den Kläger.

Am 19.01.2012 erhob der Kläger Widerspruch gegen den Bescheid vom 30.12.2011, welcher nicht begründet wurde.

Am 30.01.2012 beantragte der Kläger beim Sozialgericht Freiburg (SG) den Erlass einer einstweiligen Anordnung (S 6 AS 438/12 ER) und trug vor, er könne über das Freizügigkeitskonto in der Schweiz gegenwärtig nicht verfügen. Mündlich sei ihm mitgeteilt worden, dass ein Antragsverfahren mindestens vier Wochen dauere. Außerdem sei zu berücksichtigen, dass ein Anteil am Freizügigkeitskonto seiner geschiedenen Ehefrau zustehe und die Frage der Aufteilung zunächst gerichtlich in der Schweiz geklärt werden müsse. Ein entsprechendes Verfahren sei indes noch nicht anhängig. Schließlich sei zu berücksichtigen, dass Voraussetzung der Auszahlung auch die Abgabe der Erklärung sei, nicht mehr in der Schweiz beruflich tätig sein zu wollen. Eine solche Erklärung könne aber vom Antragsteller, der bereits längere Zeit arbeitssuchend sei, nicht abgegeben werden, da er im Falle eines für ihn passenden Jobangebotes wieder in der Schweiz arbeiten wolle. Er übersandte die (unbenutzten) Formulare der B. und eine eidesstattliche Versicherung vom 26.01.2012 (Bl. 1427 VA), in welcher er u.a. erklärte, nach telefonischer Auskunft von Herrn J. (B.) dauere der administrative Vorgang einer Auszahlung, wenn überhaupt möglich, 4 Monate. Er beabsichtige, wieder in der Schweiz zu arbeiten. Deshalb könne er die Erklärung, die Schweiz definitiv zu verlassen, nicht unterzeichnen. Er legte die Kopie eines formlosen Schreibens an die B. vom 03.02.2012 (Bl. 1639 VA) vor, mit welchem er ohne Nutzung der dafür vorgesehenen Formulare die Auszahlung des Freizügigkeitskontos beantragte. Der Beklagte ist dem Antrag entgegen getreten.

Das SG wies den Antrag mit Beschluss vom 17.02.2012 zurück. Das Guthaben auf dem schweizerischen Freizügigkeitskonto in Höhe von rund 92.600,00 Euro stelle zu berücksichtigendes Vermögen dar, dessen Verwertung dem Kläger möglich und zumutbar sei. Insbesondere bedeute es keine besondere Härte i.S.v. § 12 Abs. 3 Nr. 6 SGB II, dass er erklären müsse, dass er die Schweiz endgültig verlassen habe, damit ihm die Austrittsleistung auf seinem Freizügigkeitskonto ausgezahlt werde. Er beziehe seit über sieben Jahren steuerfinanzierte Leistungen aus Deutschland. Angesichts dieser langen Zeit der erfolglosen Arbeitssuche könne er sich nicht mit Erfolg darauf berufen, sein Vermögen in der Schweiz von rund 92.600,00 Euro unangetastet zu lassen, um in weiterer ungewisser Zukunft eventuell doch noch wieder in der Schweiz zu arbeiten. Die Zustimmung der Ehegattin sei nicht erforderlich, da die Ehe geschieden sei. Ob die geschiedene Ehefrau Ansprüche geltend mache, bleibe abzuwarten, nachdem sie im Scheidungsurteil auf den schuldrechtlichen Versorgungsausgleich verwiesen worden sei, und dieser nur auf Antrag durchgeführt werde. Außerdem sei jedenfalls der Anspruch nur teilweise davon betroffen. Schließlich sei der Schweizer Versorgungsträger unabhängig von dem deutschen Scheidungsurteil zur Bearbeitung bereit; ein Verfahren vor einem Schweizer Gericht sei nach dem Vortrag des Klägers nicht anhängig. Auch ein Darlehen sei dem Kläger, der zwar einen Antrag auf Auszahlung gestellt, aber die vorgesehenen Formulare nicht benutzt habe, nicht zu gewähren.

Hiergegen erhob der Kläger Beschwerde zum Landessozialgericht (LSG) (L 3 AS 698/12 ER-B). In einem Erörterungstermin vom 12.03.2012 gab er an, die Anwartschaften bei der Y. Lebensversicherungsgesellschaft seien diejenigen gewesen, die sein damaliger Schweizer Arbeitgeber für ihn angesammelt habe. Nachdem er die Schweiz verlassen habe, seien diese Anwartschaften auf die B. übertragen worden. Er selbst habe nach der Rückkehr aus der Schweiz in Deutschland nicht wieder beitragspflichtig gearbeitet. Nach der Scheidung habe seine Ehefrau Klage vor dem Amtsgericht W ... auf Durchführung des schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs erhoben; dieses Verfahren sei durch gerichtlichen Vergleich beendet worden, in welchem er sich zur Zahlung von 23.772 CHF auf ein in der Schweiz für seine geschiedene Ehefrau einzurichtendes Freizügigkeitskonto verpflichtet habe. Das habe jedoch nicht funktioniert; die B. habe mitgeteilt, dass dies nicht möglich sei. Er suche nach wie vor eine Beschäftigung, auch in der Schweiz, im Bereich Technik/Informatik, in welchen er früher gearbeitet habe. Es gehe um Supportleistungen, Kundenbetreuung, Projektleitung und dergleichen. In der Schweiz habe er Bewerbungen laufen. Nachweise könne er nicht vorlegen.

Zur Akte des Eilverfahrens reichte der Kläger eine Kopie des Scheidungsurteils des Amtsgerichts W ... vom 18.11.2003 (Bl. 33 LSG-Akte), den Antrag seiner geschiedenen Ehefrau auf Durchführung des Versorgungsausgleichs, eine Kopie des am 16.01.2007 geschlossenen gerichtlichen Vergleichs, mit welchem dieses Verfahren (Az. 6 F 123/05) erledigt wurde, und eine Kopie eines Schreibens der B. vom 20.03.2007 (Bl. 29 LSG-Akte), wonach diese dem in der Scheidungssache gestellten gerichtlichen Begehren nicht entsprechen könne und nur gegenüber Schweizer Gerichtsinstanzen nach schweizerischem Recht verpflichtet sei. Aktenkundig ist ferner ein Schreiben der geschiedenen Ehefrau des Klägers vom 26.09.2007 (Bl. 30 LSG-Akte), in welchem sie ankündigt, ihre Versorgungsansprüche aus deutschem Scheidungsurteil von einem Schweizer Gericht bestätigen zu lassen. Bevor ihre Versorgungsansprüche geklärt seien, solle keine Auszahlung an den Kläger erfolgen. Die Deutsche Rentenversicherung Bund bestätigte schriftlich, dass weder aus dem ihr vorliegenden Vorgang noch aus dem maschinell geführten Versichertenkonto eine Befreiung von der Versicherungspflicht hervorgehe.

Mit Beschluss vom 03.04.2012 wies das LSG die Beschwerde des Klägers zurück. Das Guthaben auf dem Freizügigkeitskonto sei verwertbares Vermögen; der Kläger könne es sich jederzeit auszahlen lassen. Nach Art. 5 Satz 1 lit. a Halbsatz 1 des Schweizer Bundesgesetzes über die Freizügigkeit in der beruflichen Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge (FZG) könne der Versicherte eine Barauszahlung der Austrittsleistung verlangen, wenn er die Schweiz endgültig verlasse. Ein solches Verlassen sei bei dem Kläger anzunehmen, nachdem dieser seit mindestens sieben Jahren nicht mehr in der Schweiz gewohnt oder gearbeitet habe, sondern seitdem in Deutschland Leistungen beziehe. Der Kläger sei als SGB II-Leistungsbezieher nach seit dem 01.01.2011 geltendem Recht in Deutschland nicht gegen die Risiken Alter, Tod und Individualität obligatorisch pflichtversichert, weshalb Art. 25f Satz 1 lit. a 1 FZG einer Barauszahlung nicht entgegenstehe; zudem könne diese Regelung nach telefonischer Auskunft des zuständigen Mitarbeiters der B., Herrn J., solchen Versicherten, die die Schweiz vor dem 01.06.2007 verlassen hätten, ohnehin nicht entgegen gehalten werden. Auch eine Zustimmung der geschiedenen Ehefrau sei entgegen dem Vorbringen des Klägers keine Voraussetzung für eine Auszahlung. Das Guthaben von etwa 92.000,00 Euro übersteige die dem Kläger zustehenden Freibeträge nach § 12 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB II von zusammen 9.000,00 Euro. Es handele sich bei dem Guthaben auf dem Freizügigkeitskonto nicht um sonstiges Altersvorsorgevermögen (Schonvermögen) i.S.v. § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 SGB II, da der Kläger, wie die Deutsche Rentenversicherung Bund bestätigt habe, nicht von der Versicherungspflicht befreit sei. Eine analoge Anwendung dieser Regelung komme mangels planwidriger Regelungslücke nicht in Betracht. Auch eine besondere Härte im Sinne von § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 6 SGB II liege nicht vor. Zwar sei Voraussetzung für die Barauszahlung die Abgabe der Erklärung, nicht wieder in die Schweiz zurückkehren zu wollen und dort auch nicht mehr erwerbstätig zu werden. Diese Erklärung abzugeben sei jedoch nicht unzumutbar, nachdem der Kläger seit sieben Jahren keine Anschlussbeschäftigung als Techniker/Informatiker in der Schweiz gefunden habe. Zu berücksichtigen sei auch, dass dem Kläger nach § 10 Abs. 1 SGB II jede Arbeit zumutbar sei. Schließlich liege in dem Umstand, dass ihm mittelbar über das SGB II diese Erklärung abverlangt werde, kein Verstoß gegen europäische Rechte.

Mit Widerspruchsbescheid vom 02.04.2012 (Bl. 1717 VA) gab der Beklagte dem Widerspruch des Klägers insoweit statt, als sie von der Rückforderung der erbrachten Leistungen zur Eingliederung in Arbeit i.H.v. 196,80 Euro absah und den Rückforderungsbetrag auf 3791,18 Euro absenkte. Im Übrigen wies er den Widerspruch zurück und führte in den Gründen aus, das Guthaben auf dem Freizügigkeitskonto sei verwertbares Vermögen im Sinne des SGB II; die Verwertung des Vermögens stelle keine besondere Härte dar. Der Kläger, der seit sieben Jahren arbeitslos sei und steuerfinanzierte Leistungen erhalte, habe in dieser Zeit kein ernsthaftes Einstellungsangebot aus Deutschland oder der Schweiz vorgelegt und habe auch nicht mit Bemühungen des Jobcenters in Arbeit vermittelt werden können. Er könne sich nicht darauf berufen, in ungewisser Zukunft eventuell doch eine Arbeitsstelle in der Schweiz zu finden, zumal er selbst vortrage, dass sich seine Bemühungen auf den recht schnelllebigen Informatik- und Technikbereich beschränkten. Er habe das Guthaben auf dem Freizügigkeitskonto nicht angegeben, obwohl er hierzu verpflichtet gewesen und auch auf diese Pflicht hingewiesen worden sei. Er habe insofern zumindest grob fahrlässig unvollständige Angaben über seine Vermögensverhältnisse gemacht. Die Aufhebung der Bewilligung und Rückforderung stehe nicht im Ermessen der Behörde (§ 40 Abs. 1 SGB II i.V.m. § 330 Abs. 2 und 3 SGB III i.V.m. § 45 Abs. 2 Nr. 2 SGB X, § 50 SGB X). Der Widerspruchsbescheid wurde dem Kläger am 05.04.2012 mit Postzustellungsurkunde zugestellt.

Hiergegen hat der Kläger am 03.05.2012 per Fax Klage beim SG erhoben und vorgetragen, eine Rücknahme der Leistungsbewilligung nach § 45 SGB X komme nicht in Betracht, da er Vertrauensschutz genieße; eine vorsätzlich oder grob fahrlässig unrichtige oder unvollständige Angabe wesentlicher Tatsachen liege nicht vor. Der Kläger habe in seinem Erstantrag das Vorhandensein eines Auslandskontos angegeben. Der Beklagte habe dann diese Angaben rechtlich nicht zutreffend gewürdigt. Im Übrigen handele es sich bei dem Freizügigkeitskonto nicht um berücksichtigungsfähiges Vermögen. Dessen Verwertung wäre offensichtlich unwirtschaftlich (§ 12 Abs. 3 Nr. 6 SGB II): Es wäre nicht lediglich der Rückkaufwert geringer als der aktuelle Ansparbetrag, vielmehr würde bei Auflösung des Freizügigkeitskontos und Transfer des Geldes nach Deutschland, da es sich um nicht versteuertes Einkommen aus nichtselbständiger Tätigkeit handele, die Einkommenssteuer den Wert des Vermögens schmälern. Die Verwertung des Freizügigkeitskontos sei daher unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten offensichtlich unsinnig. Der Beklagte ist der Klage unter Berufung auf die angefochtenen Bescheide und den Beschluss des SG vom 17.02.2012 entgegen getreten.

Das SG hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 02.04.2014 abgewiesen. In den Gründen hat es auf die Gründe des angefochtenen Widerspruchsbescheides verwiesen und ergänzend ausgeführt, der Kläger habe, obwohl er mit dem Schweizer Freizügigkeitskonto über ein erhebliches Vermögens von rund 92.600,00 Euro verfügt habe, dieses bei der Leistungsbeantragung nicht angegeben. Bei einem derart hohen Vermögen könne nicht davon ausgegangen werden, dass er dieses vergessen habe; naheliegend sei vielmehr ein bewusstes Verschweigen. Das Guthaben stelle zu berücksichtigendes Vermögen dar, dessen Verwertung möglich und dem Kläger zumutbar, insbesondere keine besondere Härte (§ 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 6 SGB II), sei. Ihm sei es während des sieben Jahre währenden Bezuges steuerfinanzierter Leistungen nicht gelungen, Arbeit zu finden. Vor diesem Hintergrund könne er sich nicht darauf berufen, sein Vermögen in der Schweiz unangetastet zu lassen, um in weiterer ungewisser Zukunft eventuell doch noch wieder in der Schweiz zu arbeiten. Die Anforderung, seine zukünftigen Bemühungen um Arbeit auf Arbeitsstellen außerhalb der Schweiz zu richten, sei weder unverhältnismäßig, noch stünden ihr europarechtliche Grundsätze entgegen. Die Verwertung des Vermögens sei auch nicht offensichtlich unwirtschaftlich. Von einer offensichtlichen Unwirtschaftlichkeit sei nur auszugehen, wenn der auf dem Markt erzielbare Gegenwert in einem deutlichen Missverhältnis zum "wirklichen Wert" stehe. Vorliegend würde das Guthaben auf dem Freizügigkeitskonto schlicht ausgezahlt werden, so dass der "wirkliche Wert" dem tatsächlichen Wert entspreche. Eine Unwirtschaftlichkeit durch eine Besteuerung, welche jeden Steuerpflichtigen gleichermaßen treffe, sei nicht nachvollziehbar.

Gegen diesen am 10.04.2014 gegen Empfangsbekenntnis zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 06.05.2015 Berufung beim LSG eingelegt. Die Berufung wurde auch nach mehrfacher Erinnerung nicht schriftlich begründet.

Der Kläger beantragt, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 02.04.2014 und den Bescheid des Beklagten vom 30.12.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.04.2012 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt, die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Der Senat hat mit Beschluss vom 19.02.2015 die Beschwerde des Klägers gegen die Ablehnung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe (Beschluss des SG vom 02.04.2014) zurückgewiesen; auf die Gründe wird Bezug genommen.

Der Senat hat die Akten des parallel anhängigen Strafprozesses beim Landgericht W ... (Az. 7 Ns 12 Js 7272/10) und des vorangegangenen Verfahrens beim Amtsgereicht W ... (Az. 1 Ds 12 Js 7272/10) beigezogen und die Beteiligten davon unterrichtet.

Ein Mitarbeiter der Stiftung ... in Z., J., hat im Rahmen seiner Vernehmung durch die Staatsanwaltschaft I des Kantons Z. im Rahmen der Rechtshilfe auf Veranlassung des Landgerichts W ... am 15.01.2015 angegeben, dass der Kläger wegen fehlender Unterlagen den Barauszahlungstatbestand aufgrund fehlender Unterlagen nie erfüllt habe. Auf die Frage, wie bei einer beantragten Barauszahlung die von der Ehefrau des Beschuldigten erhobenen Ansprüche sichergestellt worden wären, hat er angegeben, dass eine Sicherung zugunsten der Ehefrau nicht erfolgt wäre.

Im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 11.05.2015 wurde der Kläger persönlich angehört. In der mündlichen Verhandlung vom 20.07.2015 hat der Senat den Kläger erneut ausführlich angehört und dessen Halbbruder, F., als Zeugen gehört. Hinsichtlich der Angaben des Klägers der Einzelheiten der Aussage des Zeugen F. wird auf die Niederschrift und deren Anlagen verwiesen.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten und der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten, die beigezogenen Akten der Strafprozesse vor dem Amtsgericht und Landgericht W ..., die SG-Akten (S 6 AS 2440/12 und S 6 AS 2308/12) und die LSG-Akten des Eilverfahrens (L 3 AS 698/12 ER-B) sowie des Parallelverfahrens L 1 AS 2017/14 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die nach den §§ 143, 144 und 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist statthaft und zulässig.

Gegenstand des Verfahrens ist die zulässige Anfechtungsklage nach § 54 Abs. 1 SGG gegen den Bescheid der Beklagten vom 30.12.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.04.2012.

Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Die Voraussetzungen für eine rückwirkende Aufhebung der Bewilligung von SGB II-Leistungen für den Zeitraum vom 01.07.2011 bis 31.12.2011 mit Bewilligungsbescheid vom 24.06.2011 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 09.08.2011 und eine Rückforderung überzahlter Leistungen für den Zeitraum vom 01.07.2011 bis zum 30.11.2011 in Höhe von insgesamt 3.791,18 Euro sind erfüllt. Der Kläger hatte im genannten Bewilligungszeitraum keinen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II, weil er seinen Lebensunterhalt aus verfügbarem Vermögen bestreiten konnte (dazu unten I.). Fest steht für den Senat darüber hinaus ebenfalls, dass der Kläger sein auf einem sog. Freizügigkeitskonto liegendes Schweizer Vermögen in dem am 28.04.2005 unterschriebenen und dem Beklagten am 12.05.2005 vorgelegten Erstantrag und bei allen Folgeanträgen, somit auch im Antrag vom 14.06.2011, nicht hinreichend konkret angegeben hat. Dabei hat er zumindest grob fahrlässig gehandelt (§ 45 Abs. 1 und 2 Satz 3 Nr. 2 und 3 SGB X i.V.m. § 40 Abs. 2 Nr. 3 SGB II und § 330 Abs. 2 SGB III, dazu unten II.).

Der Verfahrensfehler einer vor Erlass des Bescheides vom 30.12.2011 unterlassenen Anhörung (§ 24 Abs. 1 SGB X) ist vorliegend geheilt (§ 41 Abs. 1 Nr. 3 SGB X). Der Kläger konnte sich im anschließenden Widerspruchsverfahren zu dem von dem Beklagten erhobenen Vorwurf, im Hinblick auf die erhebliche Kapitalsumme auf seinem Freizügigkeitskonto in der Schweiz zumindest grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unvollständige Angaben im Sinne des § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X gemacht zu haben, einlassen (vgl. BSG Urteil vom 19.10.2011, B 13 R 9/11 R, juris, Rn. 14).

I. Der Kläger war im streitigen Zeitraum vom 01.07.2011 bis 31.12.2011 nicht hilfebedürftig. Er konnte seinen Bedarf aus verfügbarem Vermögen decken. Der Kläger hatte in diesem Zeitraum Kapitalvermögen in Höhe von mehr als 111.805,78 CHF (Stand 01.01.2011 gemäß Kontoauszug der Stiftung ..., Bl. 1283 VA). Dies entsprach bei im streitigen Zeitraum zwischen 1,257 (Tageshöchststand am 19.10.2011) und 1,0070 (Tagestiefststand am 09.08.2011) liegenden Wechselkursen (Euro – CHF) je nach Tageskurs einem Eurobetrag zwischen 89.638,24 und 111.028,58. Im streitigen Zeitraum war dem Kläger sowohl möglich als auch zumutbar, sich dieses Guthaben auszahlen zu lassen und seinen Lebensunterhalt davon zu bestreiten.

Voraussetzung für einen Anspruch auf Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende ist - neben weiteren, hier erfüllten - Voraussetzungen (§ 7 Abs. 1 Nr. 1, 2 und 4 SGB II) insbesondere Hilfebedürftigkeit (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB II i.V.m. § 9 Abs. 1, und 4 SGB II). Nach § 9 Abs. 1 SGB II ist hilfebedürftig, wer seinen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder Trägern anderer Sozialleistungen, erhalten kann. Für die Prüfung der Hilfebedürftigkeit des alleinstehenden Klägers sind seinem nach dem SGB II in Betracht kommenden Bedarf die zu dessen Sicherung zu berücksichtigenden und zur Verfügung stehenden Bedarfsdeckungsmöglichkeiten gegenüberzustellen (Urteil des BSG vom 20.02.2014, B 14 AS 10/13 R – SozR 4-4200 § 12 Nr. 23, juris, Rn. 13).

Der monatliche Gesamtbedarf des Klägers hat im streitigen Zeitraum 588,00 Euro betragen. Zum Bedarf des Klägers gehört zunächst die Regelleistung zur Sicherung des Lebensunterhalts von 364,00 Euro monatlich. Anhaltspunkte dafür, dass beim Kläger auch Mehrbedarfe beim Lebensunterhalt in Betracht gekommen sind, bestehen nicht. Darüber hinaus sind Kosten der Unterkunft und Heizung (§ 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II) in Höhe von monatlich 224,00 Euro angefallen. Die vertraglich vereinbarten Gesamtmietkosten für die Wohnung haben im streitgegenständlichen Zeitraum zwar 363,00 Euro monatlich betragen, davon 253,00 Euro Nettokaltmiete und 110,00 Euro Nebenkosten (im Einzelnen 40,00 Euro Heizkostenvorauszahlung, Abschlag für Warmwasser 20,00 Euro, Wasser- und Abwasserabschlag 35,00 Euro, Grundsteuer und Versicherung 10,00 Euro, sowie auf Treppenhausbeleuchtung, Antennengebühr und Hausreinigung 5,00 Euro). Gestützt auf die Angaben im Schreiben des Klägers vom 27.07.2011 ist der Senat aber davon überzeugt, dass er die Miete im streitigen Zeitraum ab dem 01.07.2011 auf monatlich 224,00 Euro (Mietzins einschließlich Nebenkosten) gemindert hat, so dass als Bedarf für Unterkunft und Heizung nur dieser Betrag zugrunde zu legen ist, denn Leistungen für Unterkunft und Heizung werden nur in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht (vgl. Luik in: Eicher, SGB II, Kommentar, 3. Auflage 2013, § 22 Rn. 45).

Der Kläger war im streitigen Zeitraum in der Lage, seinen Gesamtbedarf aus verfügbarem Vermögen zu decken. Als Vermögen sind grundsätzlich alle verwertbaren Vermögensgegenstände zu berücksichtigen (§ 12 Abs. 1 SGB II). Als Einkommen zu berücksichtigen sind Einnahmen in Geld oder Geldeswert abzüglich der nach § 11b abzusetzenden Beträge mit Ausnahme der in § 11a genannten Einnahmen (§ 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II). Laufende Einnahmen sind für den Monat zu berücksichtigen, in dem sie zufließen (§ 11 Abs. 3 SGB II). Zur Abgrenzung zwischen Einkommen und Vermögen ist nach gefestigter Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 22.08.2013 – B 14 AS 78/12 RSozR 4-4200 § 11 Nr. 6, juris, Rn. 27 m.w.N.) von Folgendem auszugehen: Einkommen i.S. des § 11 Abs. 1 SGB II ist grundsätzlich alles, was jemand nach Antragstellung wertmäßig dazu erhält, und Vermögen das, was er vor Antragstellung bereits hatte (modifizierte Zuflusstheorie, grundlegend BSG Urteile vom 30.7.2008 - B 14 AS 26/07 R - SozR 4-4200 § 11 Nr. 17 Rn. 23 und vom 30.9.2008 - B 4 AS 29/07 R - BSGE 101, 291 = SozR 4-4200 § 11 Nr. 15, Rn. 18; vgl. ferner BSG Urteile vom 17.6.2010 - B 14 AS 46/09 R - BSGE 106, 185 = SozR 4-4200 § 11 Nr. 30, Rn. 15 und vom 23.8.2011 - B 14 AS 185/10 R - SozR 4-4200 § 11 Nr. 42 Rn. 10). Auch wenn eine auf Geld oder Geldeswert gerichtete (noch nicht erfüllte) Forderung (z.B. Gehaltsforderung) einen wirtschaftlichen Wert darstellt und zum Vermögen des Forderungsinhabers gehört und eine Einnahme aus dieser bereits bestehenden Rechtsposition erzielt wird, führt dies nicht zu einer "Konkurrenz" dergestalt, dass die Forderung als Vermögen und daneben die Leistung aus der Forderung (z.B. Gehaltszahlung) als Einkommen zu berücksichtigen wären. Vielmehr ist nach § 11 SGB II im Falle der Erfüllung einer (Geld-)Forderung grundsätzlich nicht das Schicksal der Forderung von Bedeutung, sondern das Gesetz stellt insofern allein auf die Erzielung von Einnahmen in Geld oder Geldeswert als Einkommen ab. Eine Ausnahme ist allerdings dann zu machen, wenn mit früherem Einkommen Vermögen angespart wurde, z.B. bei Banken, Sparkassen oder Versicherungen, weil andernfalls der Rückgriff auf das Ersparte bei dessen Auszahlung eine unzulässige erneute Bewertung als Einkommen wäre (BSG Urteil vom 30.9.2008 - B 4 AS 57/07 R - SozR 4-4200 § 11 Nr. 16 Rn. 17 zu einer Zinsgutschrift; Gegenbeispiel: Einkommensteuererstattung: BSG Urteil vom 30.9.2008 - B 4 AS 29/07 R - BSGE 101, 291 = SozR 4-4200 § 11 Nr. 15, Rn. 18).

Hiernach hat die gegenüber der Stiftung ... bestehende Forderung von mehr als 111.805,78 CHF (entsprechend rund 92.000,00 EUR) sowohl bei dem Antrag des Klägers auf SGB II-Leistungen am 14.06.2011 als auch während des gesamten streitigen Zeitraums zum Vermögen des Klägers gezählt.

Dieses Vermögen war auch verwertbar. Das ist dann der Fall, wenn seine Gegenstände verbraucht, übertragen oder belastet werden können (sog "VersilB."; st. Rspr., BSG Urteil vom 06.12.2007 - B 14/7b AS 46/06 R - BSGE 99, 248 = SozR 4-4200 § 12 Nr. 6 Rn. 11, BSG Urteil vom 12.07.2012 - B 14 AS 158/11 R - SozR 4-4200 § 12 Nr. 20 Rn 15, und Urteil vom 18.09.2014 – B 14 AS 58/13 R – SozR 4-4200 § 12 Nr. 24 –, juris, Rn. 15 jeweils m.w.N., auch zum Folgenden). Der Begriff "Verwertbarkeit" enthält eine tatsächliche Komponente, weil solche Vermögensgegenstände nicht verwertbar sind, für die in absehbarer Zeit kein Käufer zu finden sein wird, etwa weil Gegenstände dieser Art nicht (mehr) marktgängig sind oder sie, wie Grundstücke infolge sinkender Immobilienpreise, über den Marktwert hinaus belastet sind (BSG Urteil vom 06.12.2007, a.a.O., Rn. 12: Belastung eines Erbbaurechts mit einem Nießbrauchsrecht), und auch keine andere Verwertungsmöglichkeit ersichtlich ist. Ein Aspekt dieser tatsächlichen Verwertbarkeit ist die für sie benötigte Zeit, hinsichtlich der ggf eine Prognose erforderlich ist. Für diese Prognose ist auf den bevorstehenden Bewilligungszeitraum abzustellen; eine Festlegung für darüber hinausgehende Zeiträume ist demgegenüber nicht erforderlich und wegen der Unsicherheiten, die mit einer langfristigen Prognose verbunden sind, auch nicht geboten (st. Rspr. seit BSG Urteil vom 06.12.2007, a.a.O., Rn. 15; BSG Urteil vom 27.01.2009 - B 14 AS 42/07 R - SozR 4-4200 § 12 Nr. 12 Rn. 23; BSG Urteil vom 06.05.2010 - B 14 AS 2/09 R - SozR 4-4200 § 12 Nr. 15 Rn. 19). Rechtlich nicht verwertbar ist ein Vermögensgegenstand, für den Verfügungsbeschränkungen bestehen, deren Aufhebung der Inhaber nicht erreichen kann (st. Rspr., BSG Urteil vom 20.02.2014 – B 14 AS 10/13 R – SozR 4-420 § 12 Nr. 23, NZS 2014, 388,393, juris, Rn. 22 m.w.N.).

Einer Verwertbarkeit des Guthabens auf dem Freizügigkeitskonto standen vorliegend weder tatsächliche noch rechtliche Hindernisse entgegen. Der Senat ist aufgrund des Vorbringens des Klägers in seinem Schreiben an den Beklagten vom 07.12.2011 und seinem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung vom 30.01.2012 gegenüber dem SG, in welchen er den Zeitraum von der Antragstellung bis zur Auszahlung auf ca. vier Wochen beziffert hatte, davon überzeugt, dass es dem Kläger möglich gewesen wäre, innerhalb dieses Zeitraumes eine Auszahlung des auf dem Freizügigkeitskonto liegenden Guthabens zu erwirken. Die Einlassung des Klägers in der eidesstattlichen Versicherung vom 26.01.2012 (Bl. 1427 VA), wonach der administrative Vorgang einer Auszahlung in seinem Fall – wenn überhaupt möglich – vier Monate dauern würde, hat sich ausweislich der Gründe des Beschlusses des 3. Senats des LSG vom 03.04.2012 (L 3 AS 698/12 ER-B), welchen der erkennende Senat vorliegend ebenfalls für seine Überzeugungsbildung herangezogen hat, nicht bestätigt. Auch gegenüber dem 3. Senat hatte die Schweizer B. bestätigt, dass mit vier Wochen zu rechnen sei. Schließlich enthält Art. 2 Abs. 4 FZG eine gesetzliche Regelung, wonach Verzugszinsen zu entrichten sind, wenn eine Vorsorgeeinrichtung die fällige Austrittsleistung nicht innerhalb von 30 Tagen überweist, nachdem sie die notwendigen Angaben erhalten hat. Tatsächlich war der Kläger an der Auszahlung ohnehin nicht interessiert, denn er hat zwar am 03.02.2012 einen formlosen Antrag an die B. gerichtet, aber dafür die ihm vorliegenden Antragsformulare nicht benutzt und gleichzeitig erklärt, die Erklärung über das definitive Verlassen der Schweiz nicht unterzeichnen zu wollen.

Das Freizügigkeitskonto findet seine Rechtsgrundlage in Art. 27 des Schweizer Bundesgesetzes über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge (B. vom 25. Juni 1982) i.V.m. dem FZG. Nach Art. 4 Satz 2 FZG hat die Vorsorgeeinrichtung (vgl. Art. 48 B.) spätestens zwei Jahre nach ihrem Verlassen vor Eintritt des Vorsorgefalls (sog. Freizügigkeitsfall, Art. 2 Satz 1 FZG), die sog. Austrittsleistung, d.h. zumindest die Eintrittsleistungen samt Zinsen und geleisteter Beiträge samt Zuschlag von 4 Prozent pro Altersjahr ab dem 20. Altersjahr, höchstens von 100 Prozent (Art. 17 FZG), an die Auffangeinrichtung nach Art. 60 B., hier die kontoführende Stiftung ..., zu überweisen. Bei den Leistungen nach dem B. handelt sich um die zweite Säule der Schweizer Altersversorgung – eine kapitalgedeckte obligatorische Versicherung (vgl. Art. 10 B.) für in der Schweiz Berufstätige.

Nach Art. 5 Abs. 1 lit. a Halbsatz 1 FZG kann der Versicherte eine Barauszahlung der Austrittsleistung verlangen, wenn er die Schweiz endgültig verlässt. Der Senat ist davon überzeugt, dass der Kläger die Schweiz spätestens im April 2003 endgültig verlassen hat. Er hat im Erörterungstermin vom 12.03.2012 im Verfahren L 3 AS 698/12 erklärt, nicht wieder beitragspflichtig gearbeitet zu haben, als er "aus der Schweiz zurückgekehrt" war. Am 22.04.2003 war von der Y. Lebens-Versicherung die Einzahlung von 98.935,20 CHF auf das Konto des Klägers bei der Stiftung ...bewirkt worden; vom 29.04.2003 bis zum 23.05.2004 hatte der in Deutschland wohnhafte Kläger Arbeitslosengeld bezogen, danach bis zum 31.12.2004 Arbeitslosenhilfe (Bl. 21, 23 VA), anschließend durchgehend SGB II-Leistungen. Er ist in L. geboren, besitzt die deutsche Staatsangehörigkeit und hat seit April 2003 weder seinen Wohnsitz in der Schweiz gehabt, noch bestehen Anhaltspunkte für fortbestehende Bindungen in die Schweiz. Einer versicherungspflichtigen Arbeitstätigkeit ist er nach dem Verlassen der Schweiz bis zum Ende des streitigen Zeitraums weder in der Schweiz noch in der Bundesrepublik Deutschland nachgegangen. Auch die Wortwahl im Erörterungstermin vom 12.03.2012 "aus der Schweiz zurückgekehrt" spricht für ein endgültiges Verlassen der Schweiz. Die unsubstantiierten Einlassungen des Klägers im selben Termin, wonach er auch weiterhin eine Beschäftigung auch in der Schweiz suche, wertet der Senat vor dem Hintergrund, dass der Kläger keinerlei Belege für seine Bewerbungsbemühungen vorlegen konnte und er substantiierte Angaben, wann und wo er sich jeweils auf welche Stelle beworben hat, nicht einmal exemplarisch machen konnte, nicht als Indiz gegen ein endgültiges Verlassen der Schweiz.

Ein Verwertungshindernis folgt nicht aus Art. 5 Abs. 1 lit. a Halbsatz 2 i.V.m. Art. 25f Abs. 1 lit. a FZG. Hiernach können Versicherte die Barauszahlung nach Art. 5 Absatz 1 lit. a FZG im Umfang des bis zum Austritt aus der Vorsorgeeinrichtung erworbenen Altersguthabens nicht verlangen, wenn sie nach den Rechtsvorschriften eines Mitgliedsstaats der Europäischen Gemeinschaft für die Risiken Alter, Tod und Invalidität weiterhin obligatorisch versichert sind. Da der Kläger im hier streitgegenständlichen Zeitraum beschäftigungslos war und SGB II-Leistungen bezog und seit dem 01.01.2011 während der Zeiten des Bezuges von Arbeitslosengeld II keine Versicherungspflicht mehr in der gesetzlichen Rentenversicherung besteht (vgl. § 3 Satz 1 Nr. 3a Sozialgesetzbuch Sechstes Buch – SGB VI – in der bis zum 31.12.2010 geltenden Fassung), sondern diese Zeiten nach § 58 Abs. 1 Nr. 6 SGB VI nur noch als Anrechnungszeiten erfasst werden, war dies im streitgegenständlichen Zeitraum nicht der Fall. Hinzu kommt, dass bei einem endgültigen Verlassen der Schweiz vor dem 01.06.2007 – wie hier erfolgt (s.o.) – nach Art. 25f Abs. 2 die Regelung des Art. 25f Abs. 1 lit. a nicht eingreift. Dies stellt eine Umsetzung der Regelungen im Protokoll zu Anhang II (dort III. Berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge) des am 01.06.2002 in Kraft getretenen Abkommens zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft einerseits und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten andererseits über die Freizügigkeit vom 21.06.1999 dar, wo geregelt ist, dass ungeachtet des Artikels 10 Abs. 2 der Verordnung (EWG) 1408/71 die Austrittsleistung nach dem FZG ausgezahlt wird, "sofern diese Person die Schweiz innerhalb von fünf Jahren nach Inkrafttreten dieses Abkommens verlässt". Dem entspricht auch die dem ermittelnden Staatsanwalt am 23.05.2011 seitens der B. telefonisch erteilte Auskunft, wonach der Kläger bei einem Auszug aus der Schweiz vor dem 31.05.2007 (richtig wohl: vor dem 01.06.2007) unabhängig von einer sozialversicherungspflichtigen Tätigkeit den gesamten Betrag des Freizügigkeitskontos verlangen könnte.

Auch Art. 5 Satz 2 FZG begründet, anders als der Kläger gemeint hat, kein Verwertungshindernis. Zwar normiert dieser als Bedingung für eine Barauszahlung an Anspruchsberechtigte, die verheiratet sind oder in eingetragener Partnerschaft leben, dass der Ehegatte oder die eingetragene Partnerin/der eingetragene Partner der Barauszahlung schriftlich zustimmt. Der Kläger ist aber seit dem 18.11.2003 rechtskräftig geschieden und war im streitigen Zeitraum weder verheiratet noch verpartnert, so dass diese Regelung hier nicht eingreift.

Ebenfalls stehen weder Ansprüche der geschiedenen Ehefrau des Klägers aus dem schuldrechtlichen Versorgungsausgleich noch aus dem familiengerichtlichen Vergleich vom 16.01.2007 der Auszahlung des Freizügigkeitsguthabens entgegen. Als nicht Verfahrensbeteiligte ist die B. an etwaige Vereinbarungen zwischen dem Kläger und seiner geschiedenen Ehefrau nicht gebunden. Zudem hat die B. der geschiedenen Ehefrau des Klägers mitgeteilt, dass sie allein Urteilen von Schweizer Gerichten folgt – ein entsprechendes Verfahren war aber bis zum Ablauf des streitigen Zeitraums nicht anhängig. Das ergibt sich nicht nur aus den Feststellungen des 3. Senats in seiner Entscheidung über die Beschwerde im Eilverfahren mit Beschluss vom 03.04.2012. Auch der Mitarbeiter der B., J., hat dies in seiner staatsanwaltlichen Vernehmung vom 15.01.2015 nochmals bestätigt und angegeben, von der geschiedenen Ehefrau des Klägers nie mehr etwas gehört zu haben. Aus seiner Aussage ergibt sich darüber hinaus eindeutig, dass eine Sicherung zugunsten der geschiedenen Ehefrau des Klägers durch die B. im Auszahlungsfall nicht erfolgt, sondern nach Antragstellung und Vorlage aller erforderlichen Unterlagen eine Auszahlung an den Kläger erfolgt wäre. Zwar vermittelt der familiengerichtliche Vergleich der Ehefrau dieser evtl. einen schuldrechtlichen Anspruch auf Auszahlung von 23.772,00 CHF gegen den Kläger. Nachdem es sich dabei allerdings um einen bloß schuldrechtlichen Anspruch handelt, gilt § 9 Abs. 1 SGB II, wonach der Kläger gehalten ist, vorhandenes Einkommen und Vermögen vorrangig vor einer Befriedigung schuldrechtlicher Gläubigeransprüche für den Lebensunterhalt zu verwenden.

Das Guthaben von 91.681,66 Euro (Wert am 01.07.2011) hat die Vermögensfreibeträge des Klägers erheblich überstiegen. Der Vermögensfreibetrag nach § 12 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 4 SGB II (Grundfreibetrag von 150,00 Euro pro vollendetem Lebensjahr zuzüglich 750,00 Euro Freibetrag für notwendige Anschaffungen) hat am 01.07.2011 8.850,00 Euro betragen und ist mit Vollendung des 55. Lebensjahres am 27.09.2011 auf 9.000,00 Euro angestiegen.

Bei dem auf dem Freizügigkeitskonto vorhandenen Guthaben handelt es sich nicht um Altersvorsorgevermögen, welches nach § 12 Abs. 2 Nr. 2 SGB II von der Verwertung ausgeschlossen ist. Der dort normierte Ausschlusstatbestand betrifft ausschließlich nach Bundesrecht ausdrücklich als Altersvorsorge gefördertes Vermögen einschließlich der Erträge und geförderter laufender Altersvorsorgebeiträge; an einer Förderung nach (deutschem) Bundesrecht aber fehlt es vorliegend.

Auch § 12 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGB II greift vorliegend nicht zugunsten des Klägers ein. Hiernach sind geschützt geldwerte Ansprüche, die der Altersvorsorge dienen, soweit d. Inhaber/in sie vor Eintritt in den Ruhestand aufgrund einer unwiderruflichen vertraglichen Vereinbarung nicht verwerten kann. Hier fehlt es jedenfalls an einem unwiderruflichen Verwertungsausschluss, besteht doch für das auf einem Freizügigkeitskonto liegende Guthaben nach Schweizer Recht ein Barauszahlungsanspruch nicht nur bei einem endgültigen Verlassen der Schweiz, sondern auch bei Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit (Art. 5 Abs. 1 lit. b FZG).

Das Vermögen ist ebenfalls nicht nach § 12 Abs. 3 Nr. 3 SGB II geschützt. Sonstiges, nicht durch Bundesrecht gefördertes, Altersvorsorgevermögen ist nach dieser Regelung dann nicht als Vermögen zu berücksichtigen, wenn es sich um vom Inhaber als für die Altersvorsorge bestimmte Vermögensgegenstände in angemessenem Umfang handelt. Weitere Voraussetzung, welche hier im streitgegenständlichen Zeitraum ausweislich der im Verfahren L 3 AS 698/12 ER-B erteilten Auskunft der Deutschen Rentenversicherung Bund vom 13.03.2012 vom Kläger nicht erfüllt wird, ist die Befreiung von der Versicherungspflicht in der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung.

Der 3. Senat hat in seinem Beschluss vom 03.04.2012 im Einzelnen dargelegt, warum § 12 Abs. 3 Nr. 3 SGB II vorliegend auch analog keine Anwendung finden kann. Der Senat schließt sich den zutreffenden Erwägungen an. Zwar verlöre der Kläger durch die Verwertung des Guthabens auf dem Freizügigkeitskonto einen Teil seiner im Ausland erworbenen Altersabsicherung. Es fehlt aber, nachdem der Gesetzgeber in § 12 Abs.2 Nrn. 2 und 3 und § 12 Abs. 3 Satz Nr. 3 SGB II durch ein ausdifferenziertes Regelungssystem definiert hat, welches Altersvorsorgevermögen – als Ausnahme – als sog. Schonvermögen einem Verwertungsschutz untersteht, an einer unbewussten Regelungslücke. Überdies ist im konkreten Fall des Klägers zu berücksichtigen, dass ihm in jedem Fall die Leistungen der umlagefinanzierten Schweizer Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHV) verbleiben und er ausweislich der Gründe des Beschlusses vom 03.04.2012 auch eine Anwartschaft bei der Deutschen Rentenversicherung Bund mit einem zu erwartenden Rentenanspruch von ca. 400,00 Euro monatlich hat.

Die vorgenannten Erwägungen stehen auch einer analogen Anwendung des § 12 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGB II entgegen. Zwar bestand für den Kläger hinsichtlich des auf dem Freizügigkeitskonto enthaltenen Guthabens zu keinem Zeitpunkt die Möglichkeit, es entsprechend den Vorgaben des § 12 Abs. 2 Satz 1 Nrn. 2 und 3 SGB II anzulegen und damit einer Anrechnung nach dem SGB II potentiell zu entziehen. Auch hier fehlt es aber aus den genannten Gründen an einer unbewussten Regelungslücke (offen gelassen vom BSG im Urteil vom 04.03.2009 – B 11 AL 2/07 RSozR 4-4300 § 193 Nr. 12, juris, Rn. 17).

Schließlich schließt hier auch § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 6 SGB II eine Verwertung des Kapitalvermögens auf dem Freizügigkeitskonto nicht aus. Hiernach sind nicht zu berücksichtigen Sachen und Rechte, soweit ihre Verwertung offensichtlich unwirtschaftlich ist oder für den Betroffenen eine besondere Härte bedeuten würde.

Die Verwertung der auf dem Freizügigkeitskonto liegenden rund 92.000,00 Euro war im streitigen Zeitraum nicht offensichtlich unwirtschaftlich. Die Wirtschaftlichkeit der Verwertung eines bestimmten Vermögensgegenstands ist ausschließlich nach objektiven Kriterien zu bestimmen. Eine offensichtliche Unwirtschaftlichkeit liegt nach der Rechtsprechung des BSG dann vor, wenn der (aktuell) auf dem Markt zu erzielende Gegenwert in einem deutlichen Missverhältnis zum wirklichen Wert (zumeist als Substanzwert bezeichnet) des zu verwertenden Vermögensgegenstands steht (st. Rspr., vgl. – auch zum Folgenden – BSG Urteil vom 23.05.2012 – B 14 AS 100/11 R – SozR 4-4200 § 12 Nr. 19, juris, Rn. 23 f. m.w.N.). Dabei knüpft das Tatbestandsmerkmal der Unwirtschaftlichkeit im Sinne des § 12 Abs. 3 Nr. 6 SGB II an § 193 SGB III i.V.m. § 1 AlhiVO 2002 an. Die Unwirtschaftlichkeit kann danach nach der ständigen Rechtsprechung des BSG nicht durch einen strikt monetären Vergleich des aktuell erzielbaren Verkaufserlöses mit den Erwerbskosten ermittelt werden (BSG Urteil vom 27.8.2008 - B 11 AL 9/07 R – m.w.N.). Hinsichtlich der Bedeutung des Anschaffungswertes für den Substanzwert ist nach Vermögensgegenständen zu differenzieren. Bei fest kalkulierbaren Wertanlagen spielt der Anschaffungswert eine entscheidende Rolle, so z.B. bei der Bewertung einer Kapitallebensversicherung, deren Rückkauf dann als unwirtschaftlich qualifiziert wird, wenn der Rückkaufswert die Summe der eingezahlten Beträge (Substanzwert) um eine bestimmte Marge unterschreitet (BSG Urteil vom 6.9.2007 - B 14/7b AS 66/06 R - BSGE 99, 77 = SozR 4-4200 § 12 Nr. 5, bestätigt im Urteil vom 20.02.2014 – B 14 AS 10/13 R – a.a.O., juris, Rn. 36 m.w.N).

Nach einer Antragstellung wäre dem Kläger der gesamte auf dem Freizügigkeitskonto angesammelte Geldbetrag samt erzielter Zinsgewinne ohne Abzüge ausbezahlt worden. Zwar bestand ein gewisses Währungsrisiko bei etwas schwankendem Wechselkurs (s.o.), jedoch wäre die Auszahlung in Schweizer Franken in der Schweiz erfolgt, so dass der Kläger nicht gehindert gewesen wäre, zunächst zur Deckung des unmittelbaren Lebensunterhalts kleinere Beträge umzutauschen und auf diese Weise für den Umtausch des überwiegenden Teils der Kapitalsumme einen möglichst günstigen Zeitpunkt abzuwarten. Ob eine Besteuerung von Einkünften nach nationalem Recht überhaupt einen geeigneten Umstand darstellt, um die Unwirtschaftlichkeit einer Verwertung zu begründen, kann hier offen bleiben. Jedenfalls im vorliegenden Fall vermag der steuerrechtliche Grundsatz, dass bislang noch nicht versteuerte Einkünfte der Einkommensbesteuerung unterliegen, keine offensichtliche Unwirtschaftlichkeit der Verwertung zu begründen.

Die Verwertung des Guthabens auf dem Freizügigkeitskonto stellt für den Kläger auch keine besondere Härte i.S. von § 12 Abs. 3 Nr. 6 Halbs. 2 SGB II dar. Der Begriff der "Härte" war bereits unter Geltung des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG), dort in § 88 Abs. 3 BSHG, verankert. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) wurde eine Härte im wirtschaftlichen Ausverkauf des Hilfebedürftigen gesehen (vgl. BVerwGE 106, 105, 110; 121, 34, 35 ff). Im Rahmen des § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 6 SGB II ist die "besondere Härte" in ständiger Rechtsprechung des BSG dahingehend definiert worden, dass maßgebend nur außergewöhnliche Umstände sein können, die nicht durch die ausdrücklichen Freistellungen über das Schonvermögen oder die Absetzbeträge nach § 12 Abs. 2 SGB II erfasst werden (BSG Urteil vom 16.5.2007 - B 11b AS 37/06 R – m.w.N.). Aus der vom Gesetzgeber gegebenen Begründung, die als Beispiel für eine besondere Härte den Fall aufführt, dass ein erwerbsfähiger Hilfebedürftiger, der kurz vor dem Renteneintritt seine Ersparnisse für die Altersversorgung einsetzen muss, obwohl seine Rentenversicherung Lücken wegen selbstständiger Tätigkeit aufweist (vgl. BT-Drucks 15/1749 S 32), ist ersichtlich, dass eine besondere Härte nur dann angenommen werden kann, wenn dem Betroffenen ein deutlich größeres Opfer abverlangt wird als eine einfache Härte und erst recht als die mit der Vermögensverwertung stets verbundenen Einschnitte (BSG Urteil vom 23.05.2012 – B 14 AS 100/11 R – , a.a.O., Rn. 27, unter Verweis auf BSG Urteil vom 16.5.2007 - B 11b AS 37/06 R).

Vorliegend fehlt es an einem Zusammenwirken verschiedener eine Härte enthaltender Umstände, die insgesamt eine "besondere Härte" ausmachen können. Dem Kläger wäre durch seine Berufstätigkeit in der Schweiz auch dann keine Lücke in der Rentenversicherung entstanden, wenn er das auf dem Freizügigkeitskonto liegende Kapital zur Deckung des Lebensunterhalts verwertet hätte. Nachdem er während seiner Berufstätigkeit in der Schweiz nach den Bestimmungen des Bundesgesetzes über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge vom 25.06.1982 (als sog. "zweite Säule" der Schweizer Alterssicherung) versichert war, war er zugleich auch bei der eidgenössischen Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHV – die sog. "erste Säule" der Schweizer Alterssicherung) versichert, vgl. Art. 5 Abs. 1 des genannten Gesetzes. Rechtsgrundlage für die AHV ist das Bundesgesetz über die Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHVG) vom 20.12.1946. Diese Versicherung ist für Erwerbstätige obligatorisch (Art. 3 Abs. 1 Satz 1 AHVG); es handelt sich um eine umlagefinanzierte Versicherung ähnlich der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung. Auch für in Deutschland lebende Personen ohne Schweizer Staatsbürgerschaft besteht bei Erfüllung der Voraussetzungen hinsichtlich der Anwartschaften bzw. Beitragsjahre ein Anspruch auf Rentenleistungen aus der AHV: Bis zum 31.03.2012 verwies Anhang II des Abkommens zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft einerseits und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten andererseits über die Freizügigkeit vom 21.06.1999 auf die VO (EWG) 1408/71; dieser Verweis wurde gemäß dem Beschluss des Gemischten Ausschusses Nr. 1/2012 vom 31.03.2012 zur Ersetzung des Anhangs II des Abkommens über die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit (AS 2012 2345) ersetzt durch den Verweis auf die VO (EG) 883/2004. Es handelt sich dabei um zwischenstaatliche Vereinbarungen im Sinne von Art. 18 Abs. 2 Satz 3 des Schweizer AHVG, so dass der Kläger einen Anspruch auf AHV-Rente aus in der Schweiz zurückgelegten Beitragszeiten auch dann erwirbt, wenn er in Deutschland wohnhaft ist. Hinzu kommt, dass der Kläger weitere Rentenanwartschaften bei der Deutschen Rentenversicherung Bund besitzt, welche er selbst mit ca. 400,00 Euro monatlich beziffert hat. Schließlich stand er im streitgegenständlichen Zeitraum nicht unmittelbar vor dem Rentenbezug, sondern war erst 54 bzw. 55 Jahre alt. Schließlich war im 2. Halbjahr 2011 und 1. Halbjahr 2012 nicht absehbar, ob überhaupt bzw. wann der Kläger wieder eine Arbeit aufnehmen würde, weshalb eine besondere Härte vorliegend auch nicht aus einer absehbar nur kurzen (Rest-)Leistungsdauer (vgl. dazu BSG Urteil vom 20.02.2014 – B 14 AS 10/13 R –, a.a.O., Rn. 46) resultieren konnte.

Die Berücksichtigung des Guthabens auf dem Freizügigkeitskonto als Vermögen verstößt nicht gegen Verfassungsrecht. Es handelt sich nicht um eine gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) verstoßende Benachteiligung. Zurückzugreifen ist vorliegend auf die von der Rechtsprechung zur Privilegierung der sog. "Riester-Rente" gegenüber privaten Lebensversicherungsverträgen entwickelten Grundsätze. Da "Riester-Produkte" im Gegensatz zu privaten Lebensversicherungsverträgen grundsätzlich nach dem Altersvermögensgesetz zertifiziert sind, und ihre Zweckbestimmung zur Altersvorsorge öffentlich-rechtlich überwacht wird, bestehen nach ständiger BSG-Rechtsprechung (vgl. zur Arbeitslosenhilfe Urteil vom 04.03.2009 – B 11 AL 2/07 R – SozR 4-4300 § 193 Rn. 12, juris, Rn. 20 m.w.N.) hinreichende Unterschiede für eine nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstoßende Differenzierung zwischen beiden Formen der Alterssicherung. Diese Grundsätze sind auch auf die bar auszahlbare Austrittsleistung auf einem Freizügigkeitskonto anwendbar.

Auch die Eigentumsgarantie des Art. 14 GG gebietet nicht, ein Vermögen bei der Bedürftigkeitsprüfung unberücksichtigt zu lassen, welches auf Beiträgen beruht, die während früherer Arbeitsverhältnisse im Rahmen einer vom Arbeitgeber mitfinanzierten Altersversorgung erworben wurden. Art. 14 GG schützt nicht das Vermögen als solches, sondern setzt Beeinträchtigungen im Sinne einer Entziehung der Eigentumsposition oder einer rechtlichen Beschränkung der Nutzung, Verfügung oder Verwertung voraus. Die Nichtgewährung einer bedürftigkeitsabhängigen Leistung allein unterfällt daher nicht dem Schutzbereich des Art. 14 GG, selbst wenn damit der Zwang zur Verwertung von Eigentum und Vermögen verbunden ist (zur Arbeitslosenhilfe BSG, 04.03.2009, a.a.O., Rn. 21, zur Grundsicherung BSG 15.04.2008 – B 14/7b AS 68/06 R –, juris).

Ebenfalls steht europäisches Recht der Berücksichtigung des Guthabens auf dem Freizügigkeitskonto als Vermögen nicht entgegen. Hinsichtlich der aus dem Abkommen zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft einerseits und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten andererseits über die Freizügigkeit vom 21.06.1999 erwachsenden Verpflichtung, die jeweiligen Systeme der sozialen Sicherheit durch Anwendung der VO (EWG) 1408/71 bzw. (ab dem 01.04.2012) der VO (EG) 883/2004 zu koordinieren, sind die Erwägungen des BSG im Urteil vom 04.03.2009 (B 11 AL 2/07 R, a.a.O., Rn. 23), auf welche inhaltlich Bezug genommen wird, auf den vorliegenden Fall übertragbar. Der Kläger, der die Schweiz spätestens im April 2003 verlassen hat, unterfällt der Übergangsregelung im Protokoll zu Anhang II (dort III. Berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge) des Freizügigkeitsabkommens Schweiz/EU vom 21.06.1999, so dass nach Art. 25f Abs. 2 FZG für ihn die Regelung des Art. 25f Abs. 1 lit. a FZG ohnehin nicht eingreift. Außerdem unterlag er im hier streitigen Zeitraum nicht (mehr) der Versicherungspflicht in der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung.

Auch gegen die Freizügigkeitsregelungen des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft verstößt die Berücksichtigung des Guthabens auf dem Freizügigkeitskonto als Vermögen bei der Bedarfsermittlung nach dem SGB II nicht (vgl. BSG vom 04.03.2009, a.a.O., Rn. 24). Denn eine Diskriminierung beim Zugang zu Sozialleistungen im Vergleich zu Arbeitslosen mit (nur) inländischen Rentenanwartschaften scheidet schon deshalb aus, weil die Einrichtung eines Freizügigkeitskontos auf dem eigenen Gestaltungsrecht des Klägers beruht und die Form des Vorsorgeschutzes nach schweizerischem Recht jederzeit vom Kläger geändert werden konnte. Dies ergibt sich mittelbar aus Art. 4 FZG, wonach Versicherte, die nicht in eine neue Vorsorgeeinrichtung eintreten, ihrer Vorsorgeeinrichtung mitzuteilen haben, in welcher zulässigen Form sie den Versicherungsschutz erhalten wollen. Mögliche Formen sind ein Freizügigkeitskonto oder eine Freizügigkeitspolice.

II. Rechtsgrundlage für die Aufhebung der für den streitigen Zeitraum bewilligten und an den Kläger ausgezahlten SGB II-Leistungen sind § 45 Abs. 1 und 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X i.V.m. § 40 Abs. 2 Nr. 3 SGB II und § 330 Abs. 2 SGB III. Die dort aufgestellten Voraussetzungen sind erfüllt. Der Beklagte hat dem Kläger mit Bescheid vom 24.06.2011 in der Gestalt des Änderungsbescheides vom 09.08.2011 für den Zeitraum vom 01.07.2011 bis 31.12.2011 rechtswidrig SGB II-Leistungen bewilligt, ohne dass dieser hilfebedürftig war, weil er es unterlassen hat, sein in der Schweiz vorhandenes Kapitalvermögens von rund 92.000,00 Euro im Erstantrag auf Leistungen nach dem SGB II vom 12.05.2005 schriftlich anzugeben und mündlich diesbezüglich unzureichende sowie auch unzutreffende Angaben gemacht hat. Dabei handelte der Kläger wenig-stens grob fahrlässig.

Nach § 60 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) hat, wer Sozialleistungen beantragt oder erhält, (1.) alle Tatsachen anzugeben, die für die Leistung erheblich sind, und auf Verlangen des zuständigen Leistungsträgers der Erteilung der erforderlichen Auskünfte durch Dritte zuzustimmen, (2.) Änderungen in den Verhältnissen, die für die Leistung erheblich sind oder über die im Zusammenhang mit der Leistung Erklärungen abgegeben worden sind, unverzüglich mitzuteilen, (3.) Beweismittel zu bezeichnen und auf Verlangen des zuständigen Leistungsträgers Beweisurkunden vorzulegen oder ihrer Vorlage zuzustimmen.

Nach § 45 Abs. 1 SGB X darf ein Verwaltungsakt der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), soweit er rechtswidrig ist, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur unter den Einschränkungen der Abs. 2 - 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Nach Abs. 2 der Regelung darf ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte erbrachte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte nicht berufen, soweit 1. er den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat, 2. der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat, oder 3. er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte; grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat.

Grundsätzlich kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt mit Dauerwirkung nach Abs. 2 der Regelung nur bis zum Ablauf von zwei Jahren nach seiner Bekanntgabe zurückgenommen werden. Liegen die Voraussetzungen des Abs. 2 S. 3 Nr. 2 oder 3 vor, kann jedoch der rechtswidrige begünstigende Verwaltungsakt mit Dauerwirkung bis zum Ablauf von 10 Jahren nach seiner Bekanntgabe zurückgenommen werden (§ 45 Abs. 3 S. 3 Nr. 1 SGB X). Eine Rücknahme für die Vergangenheit gemäß den vorbenannten Vorschriften ist von der Behörde innerhalb eines Jahres seit Kenntnis der Tatsachen, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes für die Vergangenheit rechtfertigen, zu bewirken (§ 45 Abs. 4 SGB X).

Hiernach bedarf es bei einer Aufhebungsentscheidung, die auf § 45 SGB X gestützt wird, grundsätzlich der Ausübung von Ermessen. Abweichend hiervon ordnet der im vorliegenden Fall über § 40 Abs. 2 Nr. 3 SGB II anwendbare § 330 Abs. 2 SGB III an, dass bei Vorliegen der in § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 und 3 SGB X genannten Voraussetzungen für die Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes dieser - im Wege einer gebundenen Entscheidung, also ohne Ermessen - auch mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen ist. Auch bezüglich des Monats Dezember 2011 handelt es sich um eine Rücknahme mit Wirkung für die Vergangenheit in diesem Sinne, obwohl der Beklagte seine Leistungen ab dem 30.11.2011 vorsorglich eingestellt hatte (vgl. BSG Urteil vom 24.04.1997 – 13 RJ 23/96 –, BSGE 80, 186, 196 f., juris, Rn. 50), denn den Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 30.12.2011 hat der Kläger erst nach Ablauf des Bewilligungszeitraumes erhalten.

Die in § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X genannten Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. Die Bescheide vom 24.06.2011 und 09.08.2011 waren bereits bei ihrem Erlass rechtswidrig, da der Kläger tatsächlich nicht hilfebedürftig war (siehe oben I.). Er kann sich auch nicht auf Vertrauensschutz berufen, denn die Leistungsbewilligung beruhte auf dem in wesentlicher Beziehung unvollständigen schriftlichen Antrag, den der Kläger am 12.05.2005 bei dem Beklagten abgegeben hat, und seinen sowohl unvollständigen als auch unrichtigen mündlichen Angaben vom 12.05.2005. Schriftliche Angaben über sein in der Schweiz vorhandenes Kapitalvermögen hat der Kläger weder in dem am 12.05.2005 abgegebenen Erstantrag gemacht, noch im Folgeantrag vom 14.06.2011, in welchem er die Richtigkeit und Vollständigkeit der Angaben im Erstantrag mit der Erklärung, es seien keine Änderungen eingetreten – wie auch bei allen Folgeanträgen zuvor – konkludent bestätigt hat. Mündlich hat er die Sachbearbeiterin des Beklagten R. am 12.05.2005 lediglich darüber informiert, dass er in der Schweiz gearbeitet und deshalb dort Rentenanwartschaften bei einer Pensionskasse erworben hat. Davon ist der Senat gestützt auf die Einlassungen des Klägers in den Terminen vom 11.05.2015 und vom 20.07.2015 sowie die Angaben des Zeugen F. überzeugt. Diese Bezeichnung ist allerdings irreführend, nachdem die Y. Lebens-Versicherung das dort eingezahlte Kapital vom 98.935,20 CHF bereits am 22.04.2003 der B. überwiesen hatte. Das entnimmt der Senat der Aussage des Zeugen J. vom 15.01.2015 gegenüber der Staatsanwaltschaft I des Kantons Z., die der Senat im Urkundsbeweis verwertet hat. Die B. verwaltet hiernach als Stiftung Freizügigkeitskonten von Personen, die aufgrund einer Arbeitsaufgabe oder eines Stellenwechsels aus der Pensionskasse ausgetreten und ihre Pensionskasse – wie der Kläger – nicht innerhalb von sechs Monaten angewiesen haben, das Guthaben auf eine neue Pensionskasse zu übertragen oder eine andere Vorsorgelösung präsentiert haben. Die Verwaltung von Kapital auf einem Freizügigkeitskonto durch die B. ist daher mit einer in einer Pensionskasse gebundenen Rentenanwartschaft nicht vergleichbar. Der Kläger hat, legt man seinen eigenen Vortrag und die Angaben des Zeugen F. zugrunde, weder konkrete Angaben zur Höhe des in der Schweiz vorhandenen Kapitalvermögens gemacht, noch die Sachbearbeiterin darüber informiert, dass es sich nicht um in einer Pensionskasse gebundenes Kapital als "Rentenanwartschaften" im eigentlichen Sinne handelt, sondern um einen größeren Geldbetrag auf einem Schweizer Freizügigkeitskonto, welcher auf Antrag jederzeit auszahlbar (Art. 25f Abs. 1 lit. a FZG ist erst am 01.06.2007 in Kraft getreten, s.o.) war. Ohne diese fehlenden Angaben war es aber der Sachbearbeiterin R. nicht möglich zu erfassen, dass es sich nicht um bloße Rentenanwartschaften im engeren Sinne, sondern um verfügbares Kapitalvermögen gehandelt hat. Dies hat die Sachbearbeiterin durch ihre Erwiderung, dass es sich um die Rente des Klägers handele und dieser seine deutsche Rente auch nicht anzugeben brauche, auch klar erkennen lassen. So erklärt sich auch, dass die Sachbearbeiterin R. in ihrem ergänzenden Vermerk vom 12.05.2005 nur die Themen "Eigentumswohnung" und "Lebensversicherung" erwähnt hat, nicht aber das vom Kläger unzutreffend als Rentenanwartschaften bei einer Pensionskasse bezeichnete Kapitalvermögen auf dessen Freizügigkeitskonto.

Indem der Kläger die Angabe des auf dem Freizügigkeitskonto vorhandenen – auf Antrag jederzeit auszahlbaren – Kapitalvermögens unterlassen hat, sowohl bei erstmaliger Antragstellung (Antragsabgabe vom 12.05.2005) als auch bei der zur Bewilligung der Leistung im streitigen Zeitraum führenden Folgeantragstellung vom 14.06.2011, ist ihm nach seinen individuellen Möglichkeiten und seiner persönlichen Einsichtsfähigkeit auch grobe Fahrlässigkeit anzulasten. Grobe Fahrlässigkeit ist gegeben, wenn die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt wird (§ 45 Abs. 2 S. 3 Nr. 3 SGB X). Dies ist dann der Fall, wenn der Betroffene schon einfachste, ganz naheliegende Überlegungen nicht anstellt und daher nicht beachtet, was im gegebenen Fall jedem einleuchten muss (st. Rspr., vgl. bereits BSG Urteil vom 31.08.1976 – 7 RAr 112/74BSGE 42, 184, 187 = SozR 4100 § 152 Nr. 3; ebenfalls BSGE 62, 32, 35 = SozR 4100 § 71 Nr. 2 und Urteil vom 08.02.2001 – B 11 AL 21/00 RSozR 3-1300 § 45 Nr. 45). Dabei ist das Maß der Fahrlässigkeit insbesondere nach der persönlichen Urteils- und Kritikfähigkeit, dem Einsichtsvermögen des Beteiligten sowie der besonderen Umstände des Falles zu beurteilen (subjektiver Fahrlässigkeitsbegriff: BSGE 35, 108, 112; 44, 264, 273 = SozR 5870 § 13 Nr. 20). In dem "Zusatzblatt 3 zur Feststellung des zu berücksichtigenden Vermögens", welches der Kläger dem am 12.05.2005 vorgelegten Erstantrag beigefügt hatte, war dieser von dem Beklagten konkret und in verständlicher Form darüber informiert worden, dass zum Vermögen unabhängig davon, ob es im In- oder Ausland vorhanden ist, nicht nur Bank- oder Sparguthaben gehören, sondern auch sämtliche Forderungen. Zwar war auf dem Formular kein Feld für eine Forderung gegen einen im Ausland ansässigen Rentenversicherungsträger auf Auszahlung der eingezahlten Beiträge vorgesehen. Aufgrund des klaren Hinweises auf Blatt 1 des Zusatzblattes 3 lag jedoch für den Kläger auf der Hand, dass er verpflichtet gewesen wäre, bei Antragstellung das auf dem Freizügigkeitskonto vorhandene erhebliche Guthaben von 103.274,15 CHF (Stand 01.01.2005) anzugeben, ggf. in freier Form. Der Kläger, der nach seinen Angaben im Erörterungstermin vom 12.03.2012 in der Schweiz und in Deutschland im Bereich Technik und Informatik gearbeitet hat (Support, Betreuung, Projektleitung), ist nach seinen persönlichen Fähigkeiten in der Lage, solche Hinweise zu verstehen. Auch sein Vortrag während der mündlichen Verhandlung vom 20.07.2015 belegt dies. Ihm war bekannt, dass das Guthaben auf dem Freizügigkeitskonto der B. existierte: Seine Anwartschaften in der Schweiz waren bereits Gegenstand des Scheidungsverfahrens, was aus dem am 18.11.2003 verkündetem Urteil des Amtsgerichts (Familingericht) W ... hervorgeht. Nachdem seine geschiedene Frau nach seinen eigenen Einlassungen im Verfahren L 3 AS 698/12 ER-B (Schreiben vom 11.03.2012, Bl. 25 der Akte) am 09.05.2005 auf seine "Pensionskasse" Ansprüche angemeldet hat (Antrag auf Durchführung des schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs vom 09.05.2005, Bl. 27 der Akte L 3 AS 698/12 ER-B), hat es sich um einen ständigen Streitpunkt zwischen den geschiedenen Eheleuten gehandelt, weshalb der Senat davon überzeugt ist, dass der Kläger über Art und Höhe seiner diesbezüglichen Ansprüche in Einzelnen orientiert gewesen ist. Er hat es gleichwohl unterlassen, schriftliche Angaben zu seinem Freizügigkeitskonto zu machen und stattdessen mündlich nicht nur unvollständige, sondern sogar irreführende Angaben gemacht (s.o.). Zugleich hat er mit seiner Unterschrift die Richtigkeit – und damit konkludent auch die Vollständigkeit – seiner schriftlichen Angaben bestätigt.

Die Aufhebung der mit Bescheid vom 14.06.2011 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 09.08.2011 bewilligten SGB II-Leistungen erfolgte gemäß § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X innerhalb eines Jahres ab Kenntnis der Beklagten von den die teilweise Aufhebung rechtfertigenden Umständen, nachdem der Beklagte erst durch einen Hinweis des Hauptzollamts im November 2011 von dem Kapitalvermögen auf dem Schweizer Freizügigkeitskonto erfahren hat, und der Aufhebungsbescheid vom 30.12.2011 datiert. Die Zehnjahresfrist des § 45 Abs. 3 Satz 3 Nr. 1 SGB X ist ebenfalls gewahrt.

Soweit ein Verwaltungsakt nach § 45 SGB X aufgehoben worden ist, sind die zu Unrecht erbrachten Leistungen, hier also insgesamt 3.791,18 Euro für den Bewilligungszeitraum vom 01.07.2011 bis 30.11.2011, zu erstatten (§ 50 Abs. 1 SGB X). Anhaltspunkte für eine Unrichtigkeit der im Widerspruchsbescheid vom 02.04.2012 von dem Beklagten vorgenommenen Berechnung der Rückforderungssumme sind weder vorgetragen noch ersichtlich.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision bestehen nicht.
Rechtskraft
Aus
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