S 36 AS 4722/13

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Duisburg (NRW)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
36
1. Instanz
SG Duisburg (NRW)
Aktenzeichen
S 36 AS 4722/13
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Bescheide vom 26.08.2013 und 24.09.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.11.2013 werden abgeändert.

Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin für den Zeitraum Januar 2013 bis einschließlich September 2014 weitere Leistungen für die Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von monatlich 0,16 EUR/m² zu gewähren.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Höhe der zu gewährenden Bedarfe für Unterkunft und Heizung gem. § 22 Abs. 1 Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Die 1962 geborene Klägerin bezieht laufend Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II.
Der Ehemann der Klägerin ist nicht leistungsberechtigt und bezieht eine Erwerbsminderungsrente.

Die Klägerin und ihr Ehemann haben zum 01.11.2011 die Wohnung H.-B.-Platz 9, M., angemietet. Gemäß Mietvertrag vom 16.08.2011 beträgt die Grundmiete 312,97 EUR zzgl. Betriebs- und Heizkostenvorauszahlungen.

Mit Bescheiden vom 26.08.2013 und 24.09.2013 erkannte die Beklagte die hälftigen Kosten für Unterkunft und Heizung für den Zeitraum 01.01.2013 bis zum 30.09.2014 in Höhe von monatlich 273,53 EUR an. Dabei wurden die tatsächlichen Kosten für Unterkunft (312,97 EUR (Grundmiete), zzgl. 214,00 EUR (Betriebskosten) = 526,97 EUR) um 84,92 EUR gekürzt. Die Heizkosten wurden in tatsächlicher Höhe (105,00 EUR) berücksichtigt.

Hiergegen erhob die Prozessbevollmächtigte der Klägerin am 10.09.2013 und 17.10.2013 Widerspruch. Zur Begründung trägt sie vor, dass die fehlende Zustimmung zum Umzug in die streitgegenständliche Wohnung kein Grund für die Minderung der tatsächlichen Kosten für Unterkunft und Heizung darstelle. Der Umzug sei erforderlich und notwendig gewesen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 28.11.2013 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin als unbegründet zurück. Zur Begründung wird ausgeführt, dass die Kosten für Unterkunft und Heizung nicht gem. § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II wegen eines nicht erforderlichen oder notwendigen Umzugs auf die bisherigen Kosten begrenzt worden seien.
Vielmehr würden die gem. § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II angemessenen Kosten übernommen. Dabei habe die Beklagte eine angemessene Grundmiete in Höhe von 344,50 EUR (5,30 EUR/m²) und angemessene Betriebskosten in Höhe von 97,50 EUR (1,50 EUR/m²) zu Grunde gelegt. Die Heizkosten seien in tatsächlicher Höhe übernommen worden.

Gegen diese Entscheidung hat die Klägerin durch ihre Prozessbevollmächtigte mit Schriftsatz vom 02.12.2013, eingegangen am 18.12.2013, Klage vor dem Sozialgericht Duisburg erhoben.

Zur Begründung trägt sie vor, dass die Beklagte nicht berechtigt sei, die Grundmiete und die Betriebskosten zu kürzen. Bei den Betriebskosten sei zumindest der Wert aus dem Betriebskostenspiegel NRW zu Grunde zu legen. Danach seien Betriebskosten in Höhe von 1,94 EUR zu gewähren.

Die Prozessbevollmächtigte der Klägerin beantragt,

die Bescheide der Beklagten vom 26.08.2013 und 24.09.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.11.2013 abzuändern und der Klägerin für den Zeitraum Januar 2013 bis September 2014 weitere Leistungen für die Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von monatlich 42,06 EUR zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte macht geltend, dass in ihrem Zuständigkeitsbereich eine Bruttokaltmiete in Höhe von 6,80 EUR/m² zu Grunde zu legen sei. Diese setze sich aus einer Grundmiete in Höhe von 5,30 EUR/m² zzgl. Betriebskosten in Höhe von 1,50 EUR/m² zusammen.
Dieser Betrag ergebe sich auch aus dem Gutachten des Instituts für Wohnungswesen, Immobilienwirtschaft, Stadt und Regionalentwicklung an der EBZ Business School und der Ruhr-Universität Bochum (InWIS) von Oktober 2012. Dieses Gutachten entspreche den vom Bundessozialgericht zum sog. "schlüssigen Konzept" entwickelten Anforderungen. Nach dem Gutachten sei eine angemessene Grundmiete auf 5,20 EUR/m² festzusetzen.

Wegen der bisherigen Verwaltungspraxis habe man sich jedoch dazu entschlossen, die Angemessenheitsgrenze bei 5,30 EUR/m² zu belassen. Die Betriebskosten seien nach dem Gutachten auf 1,66 EUR/m² festzusetzen. Der Wert sei jedoch um die Kosten für die Aufzugswartung und Kabelfernsehen zu bereinigen, so dass lediglich ein Betrag in Höhe von 1,50 EUR/m² anzuerkennen sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichts- und Verwaltungsakten Bezug genommen. Diese haben vorgelegen und sind Gegenstand der Entscheidung gewesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist im tenorierten Umfang begründet.
Die Klägerin hat einen Anspruch auf Gewährung weiterer Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von 0,16 EUR/m², mithin 10,40 EUR monatlich (65m² x 0,16 EUR). Insgesamt hat die Klägerin somit Anspruch auf Gewährung weiterer Betriebskosten für den Zeitraum vom 01.01.2013 bis zum 30.09.2014 in Höhe von 218,40 EUR. Der Streitgegenstand wurde von der Klägerin zulässigerweise auf die Prüfung der Rechtmäßigkeit der bewilligten Bedarfe für Unterkunft und Heizung beschränkt (BSG, Urteil vom 20.12.2011, Az.: B 4 AS 19/11 R).

Zutreffend geht die Beklagte zunächst davon aus, dass der Klägerin nur die hälftigen Kosten für Unterkunft und Heizung zu gewähren waren. Die andere Hälfte der Kosten entfällt dem Grunde nach auf den nicht im Leistungsbezug nach dem SGB II stehenden Ehemann der Klägerin. Die Bedarfe für Unterkunft und Heizung sind im Regelfall unabhängig von Alter und Nutzungsintensität anteilig pro Kopf aufzuteilen, wenn Hilfebedürftige eine Unterkunft gemeinsam mit anderen Personen, insbesondere anderen Familienangehörigen, nutzen.

Dies gilt unabhängig davon, ob die Personen Mitglieder einer Bedarfsgemeinschaft sind oder nicht (BSG, Urteil vom 23.11.2006, Az.: B 11b AS 1/06 R; BSG, Urteil vom 27.02.2008, Az.: B 14/11b AS 55/06 R; BSG, Urteil vom 29.11.2012, Az.: B 14 AS 36/12 R). Nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II werden Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind. Der Begriff der "Angemessenheit" unterliegt als unbestimmter Rechtsbegriff der uneingeschränkten richterlichen Kontrolle (BSG, Urteil vom 19.10.2010, Az.: B 14 AS 50/10 R). Angemessen sind die Kosten nur dann, wenn eine Wohnung nach Ausstattung, Lage und Bausubstanz einfachen und grundlegenden Bedürfnissen entspricht und keinen gehobenen Wohnstandard aufweist (BSG, Urteil vom 11.12.2012, Az.: B 4 AS 44/12 R). Die Ermittlung der Angemessenheitsgrenze (Referenzmiete) ist nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts mit Hilfe der Produkttheorie zu ermitteln. Danach ist die Referenzmiete das Produkt aus der abstrakt angemessenen Quadratmeterzahl (dazu A) und dem abstrakt angemessenen Quadratmeterpreis (Referenzmiete) (dazu B) (BSG, Urteil vom 07.11.2006, Az.: B 7b AS 18/06 R; BSG, Urteil vom 27.02.2008, Az.: B 14/7b AS 70/06 R; BSG, Urteil vom 02.07.2009, Az.: B 14 AS 36/08 R; BSG, Urteil vom 20.08.2009, Az.: B 14 AS 41/08 R). Die Referenzmiete ist dabei auf Grund des räumlichen Vergleichsmaßstabes zu bestimmen (BSG, Urteil vom 19.02.2009, Az.: B 4 AS 30/08 R; BSG, Urteil vom 20.08.2009, Az.: B 14 AS 41/08 R.

(A) Die Klägerin hat Anspruch auf eine Wohnungsgröße von 65 m². Sie lebt mit ihrem nicht leistungsberechtigten Ehemann in einer Haushaltsgemeinschaft. Zur Festlegung der angemessenen Wohnfläche ist nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts auf die Wohnraumgrößen für Wohnberechtigte im sozialen Mietwohnungsbau abzustellen (BGS, Urteil vom 16.04.2013, Az.: B 14 AS 28/12 R; BSG, Urteil vom 16.05.2012, Az.: B 4 As 109/11 R). Maßgeblich ist in Nordrhein-Westfalen insoweit § 18 des Gesetzes zur Förderung und Nutzung von Wohnraum für das Land Nordrhein-Westfalen (WVNG NRW) in Verbindung mit Ziffer 8.2 des Runderlasses des Ministeriums für Bauen und Verkehr (Az.: IV.5-619-1665/09) vom 12.12.2009 (Wohnraumnutzungsbestimmungen - WNB). Nach diesen Vorschriften sind für zwei Personen 65 qm angemessen.

(B) Die Klägerin hat Anspruch auf Berücksichtigung einer Grundmiete in Höhe von 5,30 EUR/m² zzgl. kalter Betriebskosten in Höhe von 1,66 EUR/m². Somit ergibt sich eine berücksichtigungsfähige und angemessene Bruttokaltmiete in Höhe von 6,96 EUR/m². Die Referenzmiete ist so festzulegen, dass es dem Leistungsberechtigten grundsätzlich möglich ist, im konkret maßgeblichen räumlichen Vergleichsraum eine angemessene Wohnung anzumieten (BSG, Urteil vom 16.05.2012, Az.: B 4 As 109/11 R). Bei der Beurteilung der Angemessenheit von Mietaufwendungen für eine Unterkunft ist im Hinblick auf den Zweck der Leistungen nach dem SGB II – nur den notwendigen Bedarf sicherzustellen – nicht auf den jeweiligen örtlichen Durchschnitt aller gezahlten Mietpreise, sondern auf die im unteren Bereich der für vergleichbare Wohnungen am Wohnort des Leistungsberechtigten marktüblichen Wohnungsmieten abzustellen und auf dieser tatsächlichen Grundlage eine Referenzmiete zu ermitteln. Dabei ist u.U. auch der Umzug innerhalb des gesamten räumlichen Vergleichsmaßstabes zumutbar (LSG NRW, Urteil vom 16.02.2009, Az.: L 19 AS 62/08). Die Ermittlung einer solchen (regionalen) Angemessenheitsgrenze (Referenzmiete) muss dabei auf der Grundlage eines sog. "schlüssigen Konzeptes" erfolgen.
Dieses soll hinreichende Gewähr dafür bieten, dass die aktuellen Verhältnisse des örtlichen Mietwohnungsmarktes wiedergegeben werden (BSG, Urteil vom 18.06.2008, Az.: B 14/7b AS 44/06 R; BSG, Urteil vom 02.07.2009, Az.: B 14 AS 33/08 R; BSG, Urteil vom 17.12.2009, Az.: B 4 AS 50/09 R; BSG, Urteil vom 18.02.2010, Az.: B 14 AS 73/08 R; BSG, Urteil vom 19.10.2010, Az.: B 14 AS 50/10 R; BSG, Urteil vom 13.04.2011, Az.: B 14 AS 106/10 R; BSG, Urteil vom 23.08.2011, Az.: B 14 AS 91/10 R; BSG, Urteil vom 06.10.2011, Az.: B 14 AS 131/10 R; BSG, Urteil vom 20.12.2011, Az.: B 4 AS 19/11 R; BSG, Urteil vom 22.03.2012, Az.: B 4 AS 16/11 R).

Nach dieser Rechtsprechung ist von einem "schlüssigen Konzept" auszugehen, wenn der Grundsicherungsträger planmäßig im Sinne eines systematischen Vorgehens generelle, wenngleich orts- und zeitbedingte Umstände des maßgeblichen Vergleichszeitraumes in seine Ermittlungen einbezieht und kein punktuelles Vorgehen von Fall zu Fall vorliegt. Dabei sind grundsätzlich alle erforderlichen Tatsachen für sämtliche Anwendungsfälle im maßgeblichen Vergleichsraum heranzuziehen.

Folgende Voraussetzungen müssen hierbei nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts mindestens erfüllt sein: - Die Datenerhebung darf ausschließlich in dem genau eingegrenzten und muss über den gesamten Vergleichsraum erfolgen, - es bedarf einer nachvollziehbaren Definition des Gegenstands der Beobachtung und des Beobachtungszeitraums, - Festlegung der Art und Weise der Datenerhebung, - Repräsentativität der einbezogenen Daten, - Validität der Datenerhebung, - Einhaltung anerkannter mathematisch-statistischer Grundsätze der Datenauswertung und - Angaben über die gezogenen Schlüsse. Für die Entwicklung zuständig sind die Träger der Grundsicherungsleistungen.
Den Gerichten obliegt lediglich die Prüfung, ob die so ermittelte Referenzmiete angemessen im Sinne des § 22 Abs. 1 SGB II ist. Diese Prüfung hat anhand der von dem Grundsicherungsträger gelieferten Daten bzw. der zusätzlich im Rahmen der Amtsermittlungspflicht von ihm angeforderten und zur Verfügung zu stellenden Daten und Unterlagen zu erfolgen.

Die von der Beklagten mit Gutachten des Instituts für Wohnungswesen, Immobilienwirtschaft, Stadt und Regionalentwicklung an der EBZ Business School und der Ruhr-Universität Bochum (InWIS) von Oktober 2012 entwickelten Richtlinien entsprechen nach Überzeugung der erkennenden Kammer den o.g. Anforderungen an ein "schlüssiges Konzept".
Zutreffend wurde als maßgeblicher Vergleichsraum von der Beklagten das gesamte Gebiet der Stadt M. festgelegt.

Bei der Festlegung sind diejenigen ausreichend großen Räume der Wohnbebauung heranzuziehen (nicht bloße Orts- oder Stadtteile), die auf Grund ihrer räumlichen Nähe zueinander, ihrer Infrastruktur und insbesondere ihrer verkehrstechnischen Verbundenheit einen insgesamt betrachtet homogenen Lebens- und Wohnbereich bilden (BSG, Urteil vom 19.02.2009, Az.: B 4 AS 30/08 R).
Die Beklagte hat als maßgeblichen Vergleichsraum das gesamte Gebiet der Stadt M. festgelegt. Dies ist nach Auffassung der erkennenden Kammer unter Berücksichtigung der genannten Grundsätze nicht zu beanstanden. Die Stadt M. bildet mit ihrer Infrastruktur und der verkehrstechnischen Verbundenheit einen homogenen Lebens- und Wohnbereich. Daher war als Vergleichsraum das gesamte Stadtgebiet heranzuziehen. Auch die Datenerhebung ist im Rahmen der Erstellung des Gutachtens nach Auffassung der erkennenden Kammer ordnungsgemäß erfolgt. Grundlage für die Erstellung des Gutachtens war zunächst der mietspiegelrelevante Datensatz, der den Berechnungen zum qualifizierten Mülheimer Mietspiegel 2012 zugrunde lag. Stichtag für die Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmieten war für den M. Mietspiegel 2012 der Monat Juni 2011.

Da zur Erstellung eines qualifizierten Mietspiegels nur freifinanzierte Wohnungen berücksichtigt werden, erfolgte für die Erstellung des Gutachtens eine Nacherhebung des preisgebundenen, geförderten Mietwohnungsbestandes in M ... Insgesamt wurden Angaben zu 1.186 Wohnungen geförderten bzw. noch in der Mietpreisbildung begrenzten Wohnungen erhoben, die innerhalb des bei der Mietspiegel-Erstellung zugrunde gelegten 4-Jahreszeitraumes (Juli 2007 bis Juni 2011) neu vermietet wurden oder einer Miethöhenanpassung im Bestand unterlagen. Aus der Mietspiegel-Erhebung konnten zudem 22 Datensätze zu Wohnungen übernommen werden, die für den qualifizierten Mietspiegel aufgrund ihres Status als geförderte Wohnung nicht berücksichtigt werden konnten. Somit flossen 1.186 Datensätze aus der Nacherhebung für den geförderten Wohnraum und 1.594 Datensätze aus der Mietspiegelerhebung in das Gutachten ein. Mit Hilfe eines sog. Gewichtungsfaktors wurde zudem das Verhältnis zwischen freifinanzierten und geförderten Wohnungen so modelliert, dass der Anteil der geförderten Wohnungen im für den Vergleichsraum auszuwertenden Datensatz genau dem Verhältnis entspricht, das sich ergeben hätte, wenn die geförderten Wohnungen bereits in der Erhebung zum Mietspiegel mit berücksichtigt worden wären.

Zur Überzeugung der erkennenden Kammer wurden die ermittelten Datenbestände auch nach wissenschaftlich mathematisch-statistischen Grundsätzen erfasst. Anschließend wurde ein Marktmodell mit den wesentlichen Merkmalen aus den Kategorien Größe, Ausstattung und Beschaffenheit erstellt. Die ermittelten Daten wiesen Mietspannen von 1,80 EUR/m² bis hin zu 12,89 EUR/m² (Nettokaltmiete) aus. Die Verteilung folgte dabei im Wesentlichen einer Normalverteilung (vgl. Gutachten des InWIS; Seite 32). Es ergibt sich eine obere Spannengrenze nach der Zwei-Drittel-Spanne von 5,20 Euro/m² (Nettokaltmiete). Das arithmetische Mittel liegt bei 4,70 Euro/m² und der Median bei 4,79 Euro/m² (jeweils Nettokaltmiete). Zur Definition des unteren Preissegments, wurde eine sog. "Clusterzentrenanalyse" anhand vorher definierter Ausstattungs- und Beschaffenheitsmerkmalen (auf Grundlage zuvor regressionsanalytisch ermittelter Koeffizienten) durchgeführt.

Der Wohnraum der Stadt M. wurde infolgedessen in fünf Clusternummer aufgeteilt:
1. Weniger gut bzw. vergleichsweise einfach ausgestattete Wohnungen mit unterdurchschnittlicher Miete
2. Leicht überdurchschnittlich ausgestattete, häufiger modernisierte Wohnungen mit höherer Miete
3. Sehr einfach ausgestattete Wohnungen mit niedriger Miete
4. Durchschnittlich ausgestattete, leicht modernisierte Wohnungen mit höherer Miete
5. Sehr gut ausgestattete, leicht modernisierte Wohnungen mit hoher Miete

Zutreffend wurden nach der Definition des unteren Preissegmentes Wohnungen des Clusters 5 nicht mit in die weiteren Auswertungen einbezogen, da sie entweder aufgrund ihrer Ausstattung bereits dem mittleren Preissegment zuzuordnen sind bzw. für das untere Preissegment deutlich zu gut ausgestattet sind. Ebenfalls zutreffend wurden Wohnungen der Cluster 3 und 1 ausgeschlossen, da diese aufgrund ihrer Ausstattung eher dem untersten Segment zuzuordnen sind. Unter Berücksichtigung der tatsächlich auf dem Markt verfügbaren Wohnungen und der Spannenobergrenze ergab sich folgendes Bild:

Wohnfläche bis 50m²: 5,19 EUR/m²
51-65m²: 5,21 EUR/m²
66-80m²: 5,17 EUR/m²
81-95m²: 5,25 EUR/m²
96-110m²: 5,13 EUR/m²
ab 110m²: 5,29 EUR/m²
Durchschnitt: 5,20 EUR/m²

Im Sinne einer einheitlichen Handhabung wurde im Rahmen des Gutachtens vorgeschlagen, bei einer Zwei-Drittel-Spanne die Obergrenze für das untere Preissegment insgesamt und damit die angemessenen Kosten der Unterkunft auf 5,20 Euro/m² festzulegen. Bereits dieser Wert wäre nach Auffassung der erkennenden Kammer nicht zu beanstanden. Die Beklagte hat aber auf Grund der bisherigen Verwaltungspraxis den Wert für die Nettokaltmiete auf 5,30 EUR/m² festgesetzt.
Eine Erhöhung der als angemessen ermittelten Nettokaltmiete begegnet keinerlei rechtlicher Bedenken. Zudem liegt der so festgesetzte Wert oberhalb der Zwei-Drittel-Spanne für sämtliche Wohnungsgrößen. Es wird dadurch sichergestellt, dass eine Anmietung in jedem Größentyp möglich ist, obwohl keine explizite Aufteilung nach Wohnungsgröße erfolgt. Somit geht die Beklagte zutreffend von einer abstrakt angemessenen Nettokaltmiete in Höhe von 5,30 EUR/m² aus.

Darüber hinaus hat die Klägerin Anspruch auf Gewährung von Nebenkosten (kalter Betriebskosten) in Höhe von 1,66 EUR/m². Die Beklagte hat durch das InWIS auch die im unteren Marktsegment durchschnittlich zu zahlenden Nebenkosten ermitteln lassen. Dabei wurden folgende Werte ermittelt: Wasser: 0,23 EUR/m², Entwässerung: 0,19 EUR/m², Straßenreinigung: 0,02 EUR/m², Allgemeinstrom: 0,05 EUR/m², Müllabfuhr: 0,22 EUR/m², Grundsteuer: 0,21 EUR/m², Hausversicherungen: 0,11 EUR/m², Gartenpflege: 0,12 EUR/m², Gebäudereinigung: 0,10 EUR/m², Aufzugswartung: 0,14 EUR/m², Hauswart: 0,16 EUR/m², Kabel/Sat/Antenne/Breitband: 0,11 EUR/m². Dies ergibt eine Gesamtsumme von 1,66 EUR/m² an kalten Betriebskosten. Diese Werte wurden durch das InWIS im Rahmen einer Abfrage bei den Wohnungsbaugesellschaften SWB und MWB ermittelt.

Mit Stand Juli 2012 wurden auf Basis von Betriebskosten aus dem Abrechnungsjahr 2011 zu rund 8.000 Wohneinheiten die o.g. kalten Betriebskosten ermittelt. Allerdings wurden von Seiten der Beklagten aus dem Gesamtwert von 1,66 EUR/m² die Kosten für die Aufzugswartung und die zum Teil die Kosten für den Kabelanschluss in Höhe von insgesamt 0,16 EUR/m² heraus gerechnet, so dass die Beklagte lediglich einen abstrakt angemessenen Wert von 1,50 EUR/m² berücksichtigt hat.

Dieses Vorgehen ist nach Überzeugung der erkennenden Kammer rechtswidrig.
Neben der Nettokaltmiete sind auch die angemessenen Betriebskosten im Sinne des § 556 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) - mit Ausnahme der Heizkosten - abstrakt zu bestimmen und als Faktor in das Produkt mit einzubeziehen (BSG, Urteil vom 19.10.2010, Az.: B 14 AS 50/10 R). Dies ergibt sich bereits aus dem Wortlaut des § 22 SGB II, der lediglich zwischen Kosten der Unterkunft und Heizung unterscheidet. Bei den Kosten der Unterkunft ist es, bei der Frage der Betriebskosten nach Auffassung des Bundessozialgericht zulässig, zu Erstellung eines Konzepts auf bereits vorliegende Daten aus Betriebskostenübersichten zurückzugreifen, im Ausgangspunkt allerdings auf örtliche Übersichten und insoweit auf die sich daraus ergebenden Durchschnittswerte.

Der Beklagten ist es jedoch verwehrt, aus den ermittelten kalten Betriebskosten einzelne Werte heraus zu rechnen. Auch die Kosten für einen Aufzug und Kabel sind nach der Verordnung über die Aufstellung von Betriebskosten (Betriebskostenverordnung) als kalte Betriebskosten anzuerkennen. Dies gilt unabhängig davon, ob entsprechende Kosten tatsächlich anfallen. Daher war die Beklagte dazu zu verpflichten, den vom InWIS ermittelten Wert für die abstrakt angemessenen Betriebskosten in Höhe von 1,66 EUR/m² auch tatsächlich anzuwenden und diesen Betrag nicht auf 1,50 EUR/m² zu beschränken. Der Klägerin waren daher weitere Betriebskosten in Höhe von 0,16 EUR/m² (bei einer Wohnfläche von 65m²) anzuerkennen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193. Eine Quotelung der Kosten war im vorliegenden Fall nicht geboten, da die Klägerin im weit überwiegenden Teil unterlegen war.
Rechtskraft
Aus
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