L 8 SO 24/15 B ER

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
8
1. Instanz
SG Halle (Saale) (SAN)
Aktenzeichen
S 13 SO 19/15 ER
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 8 SO 24/15 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Der Antragsteller und Beschwerdeführer (im weiteren Bf.) begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes gemäß § 86b Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) die Verpflichtung des Antrags- und Beschwerdegegners (im weiteren Bg.) zur Bewilligung von Hilfe zur Pflege und Eingliederungshilfe in Form eines Persönlichen Budgets (PB) im Rahmen eines Assistenzmodells nach dem Zwölften Buch Sozialgesetz (Sozialhilfe - SGB XII).

Der am ... 1968 geborene Bf. ist seit dem 18. Mai 2002 auf Grund eines häuslichen Unfalls (Absturz aus vier Metern Höhe bei Dacharbeiten) vom vierten Halswirbel an abwärts gelähmt. Er kann nur noch seinen Kopf bewegen und den Rollstuhl über den Mund steuern. Bei ihm sind ein Grad der Behinderung (GdB) von 100 sowie die Merkzeichen "G, B, aG, H" anerkannt. Er erhält Pflegegeld nach der Pflegestufe III in Höhe von 728,00 EUR monatlich (Zahlbetrag ab dem 1. Januar 2015). Weiter bezieht er Rente wegen voller Erwerbsminderung in Höhe von 919,18 EUR monatlich (Zahlbetrag seit dem 1. Juli 2014). Er erhält für die am ... 2009 geborene Tochter 184,00 EUR Kindergeld. Der Bf. ist seit Juli 2014 Alleineigentümer des im Grundbuch des Amtsgerichts Z. von M. (Bl. 592 lf. Nr. 2, Flur 6, Flurstück 2/32) eingetragenen Grundstücks mit der Grundstücksgröße 2.167 qm, das seit Juli 2004 in den Abteilungen II und III lastenfrei ist. Das Grundstück ist mit einem Wohnhaus nebst Garage bebaut. Nach den Angaben des Klägers betragen die Grundfläche des Hauses 95,95 qm und die Wohnfläche 120 qm; ausweislich des Versicherungsscheins der öffentlichen Versicherung in Sachsen-Anhalt (ÖSA) vom 6. Dezember 2013 beträgt die Wohnfläche 130 qm. Das Wohnhaus ist behindertengerecht umgebaut. Der Bf. verfügt ferner über einen behindertengerecht umgebauten am 17. Juli 2012 erstmals zugelassenen Ford Galaxy (Kilometerstand 48.120 Kilometer im Oktober 2014).

Der Bf. wurde ausweislich des Pflegegutachtens vom 25. November 2009 zunächst von seiner Ehefrau (29 Stunden pro Woche) und seiner Mutter (sieben Stunden pro Woche) zu Hause gepflegt. Im November 2013 zogen die Ehefrau und die gemeinsame Tochter in eine eigene Wohnung. Der Bf. wurde von seinen Eltern und Bekannten versorgt und beschäftigte ausweislich des Teilzeit-Arbeitsvertrages vom 18. August 2013 seit dem eine Pflegekraft für 17,5 Stunden wöchentlich; das Arbeitsverhältnis wurde im Sommer 2015 von der Pflegekraft aufgrund einer eigenen Erkrankung gekündigt.

Am 23. Juli 2014 beantragte der Bf. formlos Hilfe zur Pflege und Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft in Form eines PB im Rahmen eines Assistenzmodells. Am 7. August 2014 übersandte er den Formularantrag zur Eingliederungshilfe für behinderte Menschen und Unterlagen zu seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen sowie eine Schweigepflichtentbindungserklärung.

Der Bg. bat als Beauftragter i.S. von § 17 Abs. 4 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen - SGB IX) unter dem 14. August 2014 die Salus BKK - Gesetzliche Krankenversicherung und Pflegekasse - um Stellungnahme gemäß § 3 Abs. 1 der Verordnung zur Durchführung des § 17 Abs. 2 und 4 SGB IX (Budgetverordnung (BudgetV)). Unter dem 14. August und dem 29. Oktober 2014 forderte sie den Bf. u.a. auf, Angaben zum Verkehrswert des Hausgrundstücks zu machen oder eine Einverständniserklärung zur Beauftragung eines Verkehrswertgutachtens durch den Sozialhilfeträger zu erteilen. Weder Angaben des Bf. zum Verkehrswert noch eine Einverständniserklärung liegen bis heute vor.

Der Bg. führte am 22. Dezember 2014 einen Hausbesuch durch, zog u.a. das für die Salus BKK - Pflegekasse - erstellte Pflegegutachten vom 25. November 2009 bei und ermittelte den Hilfebedarf des Bf.

Der Bf. legte sodann ein Angebot für einen Assistenzdienst der "Lebenswerte - sozialtherapeutisches Betreuungszentrum ambulante, individuelle Angebote und Wohnbegleitung" vom 2. Januar 2015 vor, wonach monatliche Kosten in Höhe von 9.032,93 EUR für den Assistenzdienst als Hilfe zur Pflege bei ihm - dem Bf. - entstünden.

Mit Schriftsatz vom 9. Januar 2015 hörte der Bg. den Bf. an und teilte ihm mit, dass beabsichtigt sei, den monatlich ermittelten sozialhilferechtlichen Bedarf in Höhe von 7.155,91 EUR als Darlehen vorerst für einen Zeitraum von sechs Monaten zu gewähren. Die Ausreichung des Darlehens werde von der Eintragung einer Sicherhypothek im Grundbuch abhängig gemacht. Zur Begründung ist ausgeführt, die Leistungen der Sozialhilfe würden grundsätzlich einkommens- und vermögensabhängig gewährt. In Bezug auf das Hausgrundstück, über das der Bf. verfüge, sei eine bedarfsdeckende Verwertung geboten.

Hierzu wies der Bf. unter dem 22. Januar 2015 darauf hin, dass der Sozialhilfebedarf zu niedrig angesetzt worden sei; er bedürfe einer monatlichen Unterstützung in Höhe von 8.500,00 EUR. Zudem sei das Hausgrundstück als unverwertbar im Sinne von § 90 SGB XII anzusehen. Er bewohne das Hausgrundstück zwar primär allein, habe aber regelmäßigen Besuch von seiner Tochter, die bei ihm auch übernachte, und benötige Rückzugsmöglichkeiten für die Helfer, die in Zukunft im Rahmen des Arbeitgeberassistenzmodells bei ihm beschäftigt werden sollten. Insoweit handele es sich um einen Härtefall, da das Hausgrundstück vollständig und in erheblichem Umfang auf seine Behinderung hin umgebaut worden sei; insoweit verweise er auf das Urteil des Landessozialgerichts (LSG) Nordrhein-Westfahlen (NRW) vom 25. März 2010 (L 9 SO 43/08, juris).

Mit Bescheid vom 9. Februar 2015 lehnte der Bg. den Antrag auf Gewährung von Leistungen der Hilfe zur Pflege und Eingliederungshilfe im Rahmen des Arbeitgeberassistenzmodells aus Mitteln der Sozialhilfe in Form eines PB ab. Die Zugehörigkeit des Bf. zum Personenkreis der §§ 53, 61 SGB XII sei unstreitig. Im Rahmen der Hilfe zur Pflege werde deshalb ein Betreuungsbedarf von 24 Stunden täglich anerkannt. Zur Absicherung dieser täglichen 24-stündigen-Versorgung werde zum einen ein Bedarf von 8.452,05 EUR berücksichtigt. Zum anderen werde ein Bedarf von Leistungen zur Teilhabe in der Gemeinschaft in Höhe von 390,90 EUR anerkannt. Diese Bedarfe würden aus Mitteln der Sozialhilfe nur geleistet, soweit dem Leistungsberechtigten die Aufbringung der Mittel aus dem Einkommen und Vermögen nach den Vorschriften des Elften Kapitels des SGB XII nicht zuzumuten sei. Zum Vermögen gehöre das gesamte verwertbare Vermögen. Der Bf. verfüge über ein Hausgrundstück, einen Personenkraftwagen (Pkw) und Sparguthaben (Guthaben des Girokontos, Rückkaufswert aus der Unfall-Prämien-Rückgewährversicherung bei der A. AG und FörderRente PRÄMIUM bei der Z. Dt. H. Leben AG sowie Guthaben bei der D. B.). Nach den vorliegenden Auskünften betrügen die Wohnfläche 120 qm und die Grundstückgröße 2.167 qm. Unter Beachtung der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) seien das Hausgrundstück und der Wohnraum nicht als angemessen im Sinne von § 90 Abs. 2 Nr. 8 SGB XII zu bewerten. Nach Würdigung der Gesamtumstände bedeute der Einsatz des Hausgrundstücks keine Härte im Sinne des § 90 Abs. 3 SGB XII. Der Einsatz des Pkw nach § 90 Abs. 3 SGB XII werde nicht gefordert. Das Vermögen in Form von Sparguthaben sei, soweit es über den Schonbetrag in Höhe von 2.600,00 EUR hinausgehe, einsetzbar. Insoweit sei von dem Nachrang der Sozialhilfe vor dem Bezug der begehrten Leistungen auszugehen, mit der Folge, dass Vermögen in Form des Hausgrundstücks und des Sparguthabens in Höhe von 3.142,98 EUR einzusetzen seien. Gemäß § 91 SGB XII solle, soweit nach § 90 SGB XII für den Bedarf der nachfragenden Person Vermögen einzusetzen sei, jedoch der sofortige Verbrauch oder die sofortige Verwertung des Vermögens nicht möglich sei oder für die, die es einzusetzen hätten, eine Härte bedeuten würde, die Sozialhilfe als Darlehen geleistet werden. Die Leistungserbringung könne davon abhängig gemacht werden, dass der Anspruch auf Rückzahlung dinglich oder in anderer Weise gesichert werde. Mit Schreiben vom 9. Januar 2015 sei dem Bf. die darlehensweise Gewährung der Sozialhilfe in Höhe von monatlich 7.155,91 EUR (nunmehr 8.842,58 EUR unter Berücksichtigung des Mindestlohns ab Januar 2015) vorerst für einen Zeitraum von sechs Monaten angeboten worden, sofern die Eintragung einer Sicherungshypothek im Grundbuch veranlasst worden wäre. Dies habe der Bf. abgelehnt. Die Sicherung des Rückzahlungsanspruchs stehe im pflichtgemäßen Ermessen des Sozialhilfeträgers. Im vorliegenden Fall handele es sich um eine Darlehenssumme von insgesamt 53.055,48 EUR. Der Betrag sei für den Bf. nicht anderweitig rückzahlbar. Es könne von der Gemeinschaft nicht verlangt werden, dass sie für dieses Darlehen hafte. In Ausübung des Ermessens werde deshalb die Auszahlung der darlehensweise zu gewährenden Sozialhilfeleistung für die 24-stündige Pflege und Betreuung im Rahmen eines Assistenzmodells von der Eintragung einer Sicherungshypothek im Grundbuch abhängig gemacht. Auf Grund der Ablehnung der Eintragung der verlangten Sicherungshypothek werde die Auszahlung des Darlehens verwehrt. Die Auszahlung des Darlehens könne jederzeit erwirkt werden, wenn die Verweigerung bezüglich der dinglichen Sicherung aufgegeben werde.

Hiergegen legte der Bf. am 9. März 2015 Widerspruch ein. Ebenfalls am 9. März 2015 hat er beim Sozialgericht Halle den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt. Der Bf. hat daran festgehalten, dass aus seiner Sicht das Hausgrundstück nicht als verwertbares Vermögen zu berücksichtigen sei. Er hat insbesondere auf die Ehescheidungsfolgevereinbarung hingewiesen, nach der ihm die Möglichkeit verbleiben sollte, das Hausgrundstück weiter zu halten und zu finanzieren. Seine Tochter besuche ihn mindestens dreimal in der Woche und bleibe zum Teil auch über Nacht. Sowohl sie als auch er selbst könne in der vertrauten Umgebung soziale Kontakte pflegen. Dies sei für ihn die wesentliche Quelle seiner Kraft.

Mit Beschluss vom 21. April 2015 hat das Sozialgericht den Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes abgelehnt. Das Vorliegen eines Anordnungsgrundes sei nicht überwiegend wahrscheinlich. Der Bf. habe das Angebot des Bg., Leistungen vorerst für sechs Monate als dinglich gesichertes Darlehen nach § 91 SGB XII zu gewähren, abgelehnt. Dabei sei nicht ersichtlich, aus welchen Gründen ihm bis zur Klärung der Frage im Hauptsacheverfahren, ob er Anspruch auf darlehensfreie Leistungen habe, die Inanspruchnahme der Darlehensleistung zur Abwendung der von ihm vorgetragenen Notlage nicht zumutbar sei. Nach § 91 SGB XII solle Sozialhilfe als Darlehen geleistet werden, soweit für den Bedarf der Nachfragenden Vermögen einzusetzen und der sofortige Verbrauch oder die sofortige Verwertung des Vermögens nicht möglich sei. Die Vorschrift biete dem Hilfeträger die Möglichkeit, trotz vorhandenen Einkommens und Vermögens flexibel auf einen Hilfefall zu reagieren. Werde eine darlehensweise Gewährung angeboten, so sei der Hilfebedürftige bei der Beurteilung der Frage, ob ein die Annahme eines Anordnungsgrundes begründender Nachteil im Sinne von § 86b Abs. 2 SGG vorliege, zur Abwendung der Notlage vorrangig auf die Inanspruchnahme der darlehensweisen Gewährung zu verweisen (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 5. April 2006 - L 23 B 19/06 SO ER - und LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 22. Februar 2008 - L 2 SO 233/08 ER - , beide juris).

Gegen den ihm am 28. April 2015 zugestellten Beschluss hat der Bf. am 12. Mai 2015 Beschwerde beim Sozialgericht Halle eingelegt, das diese an das LSG Sachsen-Anhalt weitergeleitet hat. Zur Begründung hat er darauf hingewiesen, dass die zeitliche Begrenzung der angebotenen Sozialhilfeleistung auf sechs Monate bei gleichzeitiger Festschreibung der Verwertung nicht zumutbar sei. Er habe mit rund 20.000,00 EUR den Umbau des Hauses selbst finanziert und von der Kranken- und Pflegeversicherung seien weitere Installationen von Heil- und Hilfsmitteln in Höhe von rund 8.000,00 EUR getragen worden. Bei dem von ihm bewohnten Haus handele es sich um ein angemessenes Hausgrundstück, das dem Verwertungsverbot unterliege. Die Wohnfläche des Hauses, zu der keine genauen Zahlen vorhanden seien, sei keinesfalls unangemessen groß, da die ihn durchgängig pflegenden und betreuenden Personen über Rückzugsmöglichkeiten verfügen müssten. Aufgrund seiner Behinderung bestehe großer Platzbedarf für das Pflegebett, die Therapieliege, den Personenlifter und den elektrischen Rollstuhl. Schließlich solle nach seinem Tod das Haus an seine Tochter übergehen.

Der Bf. beantragt,

den Beschluss des Sozialgerichts Halle vom 21. April 2015 aufzuheben und den Bg. zu verurteilen, ihm vorläufig bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache Leistungen zur Pflege und Eingliederungshilfe aus Mitteln der Sozialhilfe in Form eines persönlichen Budgets entsprechend des bestehenden Bedarfs, hilfsweise als Darlehen, zu gewähren.

Der Bg. beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Er hält den angefochtenen Beschluss für zutreffend.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte des Beklagten, die Gegenstand der Entscheidung des Senats gewesen sind, Bezug genommen.

II.

Die zulässige, insbesondere statthafte sowie form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§§ 172 Abs. 1, 173 SGG) ist unbegründet.

Der Bf. hat keinen Anspruch auf Erlass einer einstweiligen Anordnung über die vorläufige Übernahme von Leistungen zur Pflege und Eingliederungshilfe aus Mitteln der Sozialhilfe in Form eines PB entsprechend des bestehenden Bedarfs, hilfsweise als Darlehen.

Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt das Bestehen eines Anordnungsanspruchs, d.h. des materiellen Anspruchs, für den vorläufiger Rechtsschutz begehrt wird, sowie das Vorliegen eines Anordnungsgrundes, d.h. die Unzumutbarkeit voraus, bei Abwägung aller betroffenen Interessen die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten. Der geltend gemachte Hilfeanspruch (Anordnungsanspruch) und die besonderen Gründe für die Notwendigkeit der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes (Anordnungsgrund), die Eilbedürftigkeit, sind glaubhaft zu machen (§ 86 Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO)). Die Glaubhaftmachung bezieht sich auf die reduzierte Prüfungsdichte und die nur eine überwiegende Wahrscheinlichkeit erfordernde Überzeugungsgewissheit für die tatsächlichen Voraussetzungen des Anordnungsanspruchs und des Anordnungsgrundes im summarischen Verfahren (Bundesverfassungsgericht (BVerfG) Beschluss vom 29. Juli 2003 - 2 BvR 311/03 - NVwZ 2004, 95, 96). Können ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Beeinträchtigungen entstehen, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären, sind die Erfolgsaussichten der Hauptsache nicht nur summarisch, sondern abschließend zu prüfen. Scheidet eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren aus, ist auf der Grundlage einer an der Gewährleistung eines effektiven Rechtsschutzes orientierten Folgenabwägung zu entscheiden (BVerfG, Beschluss vom 12. Mai 2005 - 1 BvR 569/05 - NVwZ 2005, 927 ff.).

Bereits ein Anordnungsgrund ist für den Senat nicht erkennbar. Insoweit wird auf die zutreffenden Gründe der angefochtenen Entscheidung, die der Senat sich nach eigener Prüfung der Sach- und Rechtslage zu eigen macht, verwiesen. Soweit der Bf. einwendet, dass aus seiner Sicht das Hausgrundstück keinesfalls als verwertbares Vermögen zu berücksichtigen sei, und auf die Entscheidung des LSG NRW vom 25. März 2010 (L 9 SO 43/08) verweist, führt dies zu keiner anderen Beurteilung. Denn der vom Bf. zitierten Entscheidung lag ein anderer Sachverhalt zugrunde. Dort stand die ggfs. zu verwertende Wohnung im Miteigentum des Anspruchstellers und die Verwertung dieses Miteigentumsanteils hätte in keinem wirtschaftlich sinnvollen Verhältnis zu den bereits finanzierten und bei einem Umzug neuerlich notwendig werdenden Umbaumaßnahmen gestanden. Hier steht das über 2.000 qm große Hausgrundstück, das mit einem mindestens 120 qm großen Einfamilienhaus bebaut ist, im Alleineigentum des Bf. Zur Überzeugung des Senats ist davon auszugehen, dass im Hinblick auf die erhebliche Größe des Grundstücks und der Wohnfläche ein Erlös zu erzielen wäre, der keinesfalls außer Verhältnis zu den bislang aufgewendeten Kosten des behindertengerechten Umbaus in Höhe von rund 30.000,00 EUR stehen und die Kosten der notwendigen Pflege ggfs. über mehrere Jahre sicherstellen würde.

Auch das Angebot des Bg., vorerst (nur) für einen Zeitraum für sechs Monate den sozialhilferechtlichen Bedarf durch ein Darlehen zu decken, begründet keinen Anordnungsgrund. Denn der Bg. hat mit der Formulierung "vorerst" eine Verlängerung der Zeitspanne in Aussicht gestellt. Anlass, das Hauptsacheverfahren darüber, ob der Bf. Anspruch auf eine darlehensfreie Leistungsgewährung hat, nicht zumutbar abwarten zu können, besteht deshalb nicht. Schließlich stellt die Eintragung einer Sicherungshypothek, anders als der Bf. meint, keine Festschreibung der Verwertung dar. Sollte das Hauptsacheverfahren ergeben, dass dem Bf. ein Anspruch auf eine darlehensfreie Leistungsgewährung zusteht, kann die Sicherungshypothek wieder gelöscht werden.

Ein Anordnungsanspruch für die begehrte Regelungsanordnung in Bezug auf Leistungen zur Pflege und Eingliederungshilfe in Form eines PB - auch entsprechend dem Hilfsantrag als Darlehen - besteht ebenfalls nicht.

Der Bg. ist sachlich und örtlich zuständig für Leistungen der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen nach dem SGB XII (§ 97 Abs. 2 SGB XII i.V.m. § 3 Nr. 1 des Gesetzes zur Ausführung des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch - Sozialhilfe - AG SGB XII - vom 11. Januar 2005, GVBl. LSA 2005, S. 8; § 98 Abs. 1 Satz 1 SGB XII).

Grundsätzlich können Leistungen der Eingliederungshilfe nach § 57 SGB XII im Rahmen eines PB bewilligt werden. Das PB wird nach Inhalt und Umfang durch die entsprechende Dienst- bzw. Sachleistung begrenzt, § 17 Abs. 3 Satz 4 SGB IX. Hier steht einem Anordnungsanspruch auf Erlass einer einstweiligen Anordnung bereits das Fehlen einer Zielvereinbarung nach § 4 i.V.m. § 3 Abs. 4 BudgetV entgegen. Dies begründet sich bereits aus der allgemeinen Notwendigkeit der Zielvereinbarung für das PB (vgl. Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 31. Januar 2012 - B 2 U 1/11 R - juris, RdNr. 36). Eine Zielvereinbarung als öffentlich-rechtlicher Vertrag kann im einstweiligen Rechtsschutz nicht durch Verpflichtung eines Antragsgegners erreicht werden. Ein solcher Vertrag wäre einer gerichtlichen Überprüfung im Hauptsacheverfahren entzogen. Durch dieses Rechtsverständnis wird der Hilfebedürftige auch nicht schutzlos gestellt, da er von dem Sozialhilfeträger zunächst die Leistungserbringung im Rahmen einer Dienst- oder Sachleistung verlangen und auch gerichtlich durchsetzen kann. Die gegenteilige Auffassung würde entweder bedeuten, dass dem Hilfebedürftigen - über ein mögliches Obsiegen in der Hauptsache hinausgehend - die Zahlungen aus dem PB ohne Zweckbindung zu leisten wären oder das Gericht eine Zielvereinbarung formuliert. Beide Lösungsansätze sind mit grundlegenden Rechtsprinzipien nicht vereinbar.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG und folgt der Entscheidung in der Sache.

Dieser Beschluss ist mit der Beschwerde nicht anfechtbar, § 177 SGG.

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Rechtskraft
Aus
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