L 12 AS 1180/15 B ER

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
12
1. Instanz
SG Köln (NRW)
Aktenzeichen
S 30 AS 1821/15 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 12 AS 1180/15 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde der Beigeladenen wird der Beschluss des Sozialgerichts Köln vom 03.07.2015 geändert. Der Antrag der Antragstellerinnen auf den Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt. Die Beschwerde der Antragstellerinnen gegen den Beschluss des Sozialgerichts Köln vom 03.07.2015 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten. Der Antrag der Antragstellerinnen, ihnen für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe zu gewähren, wird abgelehnt.

Gründe:

I.

Im Rahmen eines Verfahrens auf die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes begehren die Antragstellerinnen die Übernahme von Mietschulden und die Gewährung von Leistungen zur Deckung ihrer laufenden Bedarfe für Unterkunft und Heizung.

Die 1988 geborene Antragstellerin zu 1) und ihre am 00.00.2014 geborene Tochter, die Antragstellerin zu 2), sind italienische Staatsangehörige. Die Antragstellerin zu 1) beendete im Juni 2007 eine einjährige, in Italien absolvierte Ausbildung zur Friseurin und war in der Folge unregelmäßig als Aushilfe in verschiedenen Berufsfeldern beschäftigt. Im Jahr 2011 reiste sie erstmals in die Bundesrepublik ein und ging von September 2011 bis Februar 2012 einer Erwerbstätigkeit als Reinigungskraft nach. Danach kehrte sie nach Italien zurück.

Nicht vor 2013 reiste sie erneut in die Bundesrepublik ein. Die Antragstellerin zu 1) wurde schließlich wohnungslos. Ab 01.08.2014 mietete sie ein Apartment bei dem interkulturellen Zentrum I in L zu einer Warmmiete von insgesamt 395,00 EUR monatlich an. Ihrer Mietzahlungsverpflichtung ist sie seitdem nicht nachgekommen. Es ist ein entsprechender Rückstand aufgelaufen. Eine Räumungsklage ist Antragstellerin zu 1) zugestellt.

Im Juli 2014 beantragte die zu dem Zeitpunkt bereits schwangere Antragstellerin zu 1) bei dem Antragsgegner erstmals Leistungen nach dem SGB II, die ihr versagt wurden. Auch ein Weiterbewilligungsantrag aus Dezember 2014 wurde negativ beschieden. Hinsichtlich der ablehnenden Entscheidungen sind Klageverfahren bei dem Sozialgericht Köln anhängig.

Der Antragsgegner wurde hierzu parallel im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes u.a. verpflichtet, den Antragstellerinnen vorläufig ab dem 26.02.2015 bis längstens 26.08.2015 Regelleistungen nach dem SGB II nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren (LSG NRW, Beschluss vom 24.04.2015, L 19 AS 539/15 B ER). Die Verpflichtung erfolgte aufgrund einer Folgenabwägung, weil nach Ansicht des 19. Senats ein Obsiegen der Antragstellerinnen in der Hauptsache offen sei. Es könne nicht abschließend geklärt werden, ob die Ausschlussregelung des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II im Falle der Antragstellerinnen einschlägig sei. Zwar müsse nach summarischer Prüfung davon ausgegangen werden, dass den Antragstellerinnen ein Aufenthaltsrecht in der Bundesrepublik nicht zustünde. Insbesondere könnten sie sich nicht auf das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht zur Arbeitsplatzsuche berufen, da die Antragstellerin zu 1) weder ernsthafte Bewerbungsbemühungen dargestellt habe, noch eine begründete Erfolgsaussicht bei einer möglichen Arbeitssuche anzunehmen sei. Die Ausschlussvorschrift des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II sei jedoch nicht auf solche Personen anwendbar, die gänzlich ohne materielles Aufenthaltsrecht handelten. Sie beziehe sich nur auf solche, deren Recht zum Aufenthalt sich allein aus dem Zweck der Arbeitssuche ableite. Ein Erst-Recht-Schluss sei nicht zulässig. Selbst wenn angenommen werde, dass die Antragstellerin zu 1) ein Aufenthaltsrecht zur Arbeitssuche innehabe, sei offen, ob der Leistungsausschluss mit den unionsrechtlichen Vorschriften vereinbar sei. Darüber hinaus sei umstritten, ob das europäische Fürsorgeabkommen die Anwendbarkeit der Vorschrift des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II im Falle der Antragstellerinnen nicht ohnehin ausschließe.

Mit Beschluss vom 03.07.2015 hat das Sozialgericht Köln dem Begehren der Antragstellerinnen im Wesentlichen entsprochen, nicht jedoch den Antragsgegner nach den Vorschriften des SGB II sondern die Beigeladene nach dem SGB XII verpflichtet, die aufgelaufenen Mietschulden vorläufig zu übernehmen. Eine Inanspruchnahme des Antragsgegners käme nicht in Betracht, da dessen Leistungsverpflichtung nach § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II ausgeschlossen sei. Im Rahmen eines Erst-Recht-Schlusses sei die Vorschrift auch auf solche Personen anwendbar, die sich auf keinerlei Aufenthaltsrecht berufen könnten. Ob die Antragstellerinnen einen Anspruch auf Gewährung von Leistungen nach dem SGB XII hätten, ließe sich im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nicht abschließend erklären. Daher sei die Beigeladene im Rahmen einer Folgenabwägung jedenfalls zu verpflichten, die rückständige Miete zu übernehmen; von einer Verpflichtung zur Übernahme der laufenden Unterkunftskosten sei jedoch abzusehen.

Gegen den Beschluss des Sozialgerichts haben sowohl die Beigeladene als auch die Antragstellerinnen Beschwerde eingelegt.

II.

Auf die Beschwerde der Beigeladenen ist der angefochtene Beschluss des Sozialgerichts Köln zu ändern. Die Antragstellerinnen haben einen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht. Leistungen nach dem SGB II sind nach § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II ausgeschlossen. Ansprüche nach dem SGB XII kommen ebenfalls nicht in Betracht. Dementsprechend ist auch die weitergehende Beschwerde der Antragstellerinnen unbegründet.

1.
Gemäß § 86b Abs. 2 S. 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Dies ist dann der Fall, wenn dem Antragsteller ohne eine solche Anordnung schwere, unzumutbare und nicht anders abwendbare Nachteile entstehen, zu deren Beseitigung eine Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (BVerfG, Beschluss vom 25.10.1988, 2 BvR 174/88). Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt voraus, dass der geltend gemachte Anspruch (Anordnungsanspruch) und die besonderen Gründe für die Notwendigkeit der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes (Anordnungsgrund) von dem jeweiligen Antragsteller glaubhaft gemacht werden, § 86b SGG i.V.m. §§ 920 Abs. 2, 294 ZPO. Eine Tatsache ist dann glaubhaft gemacht, wenn ihr Vorliegen überwiegend wahrscheinlich ist. Die bloße Möglichkeit des Bestehens einer Tatsache reicht noch nicht aus, um die Beweisanforderungen zu erfüllen. Es genügt jedoch, dass diese Möglichkeit unter mehreren relativ am wahrscheinlichsten ist, weil nach der Gesamtwürdigung aller Umstände besonders viel für diese Möglichkeit spricht (BSG, Beschluss vom 08.08.2001, B 9 V 23/01 B). Die mit einer einstweiligen Anordnung auf die Durchführung einer Maßnahme in der Regel zugleich verbundene Vorwegnahme der Entscheidung in der Hauptsache erfordert darüber hinaus erhöhte Anforderungen an die Glaubhaftmachung des Anordnungsanspruchs und des -grundes, da der einstweilige Rechtsschutz trotz des berechtigten Interesses des Rechtsuchenden an unaufschiebbaren gerichtlichen Entscheidungen nicht zu einer Vorverlagerung der Entscheidung in das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes führen soll. Erforderlich ist mithin das Vorliegen einer gegenwärtigen und dringenden Notlage, die eine sofortige Entscheidung unumgänglich macht. Eine solche besondere Eilbedürftigkeit, die den Anordnungsgrund kennzeichnet, ist nur zu bejahen, wenn dem Antragsteller bei Versagung des einstweiligen Rechtsschutzes eine erhebliche, über Randbereiche hinausgehende Verletzung seiner Rechte droht, die durch eine der Klage stattgebende Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr beseitigt werden kann, es sei denn, dass ausnahmsweise überwiegende, besonders gewichtige Gründe entgegenstehen (BVerfG Beschluss v. 16.05.1995, 1 BvR 1087/91).

Soweit es um die Sicherung einer menschenwürdigen Existenz geht, müssen die Gerichte die Sach- und Rechtslage abschließend prüfen bzw. wenn dies nicht möglich ist, auf der Basis einer Folgenabwägung auf Grundlage der bei summarischer Prüfung bekannten Sachlage entscheiden (BVerfG, Beschluss vom 12.05.2005, 1 BvR 569/05, Breithaupt 2005, 830ff mit weiteren Nachweisen, Keller in Meyer-Ladewig u.a., SGG, 11. Auflage, § 86b Rn. 29a). Maßgebender Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist dabei der Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts über den einschlägigen Antrag (vgl z.B. Keller in Meyer-Ladewig u.a., 11.Aufl., § 86b Rn 42).

2.
Nach der gebotenen summarischen Prüfung im Verfahren auf die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes sind die Antragstellerinnen von Leistungen nach dem SGB II nach § 7 Abs.1 S. 2 Nr. 2 SGB II ausgeschlossen, da sie ohne materielles Aufenthaltsrecht handeln.

a) Aus den vorliegenden Aktenunterlagen und nach dem von den anwaltlich vertretenen Antragstellerinnen dargestellten Sachverhalt ist ein materielles Aufenthaltsrecht nicht zu erkennen. Allenfalls ist ein Aufenthaltsrecht zur Arbeitssuche zu diskutieren.

Das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht zur Arbeitssuche ist in § 2 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a FreizügG/EU konkretisiert. Danach haben Unionsbürger, die sich zu Arbeitssuche aufhalten, ein Aufenthaltsrecht bis zu sechs Monaten und darüber hinaus solange sie nachweisen können, dass sie weiterhin arbeitssuchend sind und begründete Aussicht haben, eingestellt zu werden. Nach Ablauf der Sechsmonatsfrist besteht ein Aufenthaltsrecht zur Arbeitssuche damit nur dann, wenn ein Unionsbürger nachweisen kann, dass er ernsthaft und mit begründeter Aussicht auf Erfolg Arbeit sucht, wobei dies objektivierbar nach außen hin zum Ausdruck gebracht werden muss (vgl. EuGH, Urteile vom 23.03.2004-C-138/02 Collins, vom 20.02.1997-C-344/95 und vom 26.02.1991-C-292/89 Antonius). Zur Glaubhaftmachung eines solchen Aufenthaltsrechts genügt damit nicht allein, dass ein Unionsbürger erklärt, sich zur Arbeitssuche in der Bundesrepublik aufzuhalten, vielmehr sind ernsthafte Bewerbungsbemühungen über eine Antragstellung beim Grundsicherungsträger hinausgehend sowie eine begründete Erfolgsaussicht im einstweiligen Rechtsschutzverfahren zu verlangen. Die erforderlichen Aspekte sind vorliegend jedenfalls nicht glaubhaft gemacht. Eine Arbeitssuche wird nicht einmal behauptet. Selbst angesichts der entsprechenden Ausführungen des LSG NRW im Beschluss vom 24.04.2015, L 19 AS 539/15 B ER verzichten die anwaltlich vertretenen Antragstellerinnen auf eine entsprechende Darstellung.

Ein Aufenthaltsrecht der Antragstellerinnen nach §§ 2 Abs. 2 Nrn. 1, 3, 4, Abs. 3, 3 FreizügG/EU ist ebenfalls nicht ersichtlich. Gegen ein Aufenthaltsrecht nach § 11 Abs. 1 S. 1 FreizügG/EU in Verbindung mit § 28 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 AufenthaltsG spricht, dass die Antragstellerin zu 2) kein materielles Aufenthaltsrecht hat.

b) Der Leistungsausschluss des § 7 Absatz ein S. 2 Nr. 2 SGB II ist auch auf EU-Bürger anwendbar, die sich ohne materielles Aufenthaltsrecht in Deutschland aufhalten. Der Senat verbleibt insoweit bei seiner Auffassung, die er insbesondere im Beschluss vom 28.04.2015, L 12 AS 727/15 B ER dargelegt hat. Er schließt sich damit der ständigen Rechtsprechung des 2. Senats des LSG NRW an (vergleiche z.B. Beschlüsse vom 03.12.2014, L 2 AS 1623/14 B ER, 09.04.2015, L 2 AS 2247/14 B ER und vom 16.04.2015, L 2 AS 2299/14B ER, a.A. z.B. LSG NRW 19.Senat, Beschluss v. 24.04.2015, aaO mwN).

c) Europarechtliche Bedenken gegen die Anwendung des Leistungsausschlusses nach § 7 Abs. 1. S. 2 Nr. 2 SGB II hinsichtlich Personen, bei denen ein Aufenthaltsrecht zum Zwecke der Arbeitssuche nie bestanden hat oder fortgefallen ist und kein anderes Aufenthaltsrecht feststellbar ist, bestehen nicht. Der Senat schließt sich insofern der Entscheidung des Gerichtshofes der Europäischen Union, EuGH in Sachen Dano, Urteil vom 11.11.2014, C-333/13 an.

d) Auch das Europäische Fürsorgeabkommen (EFA) steht der Geltung des Leistungsausschlusses in § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II nicht entgegen. Die Bundesregierung hat am 19.12.2011 (in der Fassung der Bekanntmachung vom 31.01.2012 BGBl II 144, berichtigt durch die Bekanntmachung vom 03.04.2012 BGBl. II 470) gegen die Anwendung des SGB II im Rahmen des EFA einen Vorbehalt nach Art. 16 Absatz b EFA angebracht. Dieser ist auch wirksam. Der Senat schließt sich insoweit der Rechtsauffassung des BSG (Vorlagebeschluss vom 12.12.2013, B 4 AS 9/13 R, siehe zum Meinungsstand umfassend LSG NRW Beschluss vom 14.01.2015, L 19 AS 2186/14 B ER) an.

3.
Eine Leistungsgewährung kommt auch nach dem SGB XII nicht in Betracht.

a) Die Anwendung der Normen des SGB XII ist gemäß § 21 SGB XII ausgeschlossen. Gemäß § 21 S. 1 SGB XII erhalten Personen, die dem Grunde nach Leistungsberechtigte nach dem SGB II sind, keine Leistungen für den Lebensunterhalt nach dem SGB XII. Bei den Antragstellerinnen handelt es sich aber um solche Personen, die dem Grunde nach nach dem SGB II leistungsberechtigt sind. Die Antragstellerin zu 1) hat nämlich das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a SGB II noch nicht erreicht und ist auch erwerbsfähig (§ 7 Abs. 1 S. 1 Nrn. 1 u 2 SGB II). Ferner beruft sie sich gemäß § 7 Abs. 1 S. 1 Nrn. 3 u 4 SGB II auf ihre Hilfebedürftigkeit und den gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik. Die Leistungsberechtigung der Antragstellerin zu 2) leitet sich aus § 7 Abs. 2 S. 1 SGB II ab, da sie als minderjährige Tochter der grundsätzlich leistungsberechtigten Antragstellerin zu 1) mit dieser in einer Bedarfsgemeinschaft zusammenlebt.

Der grundsätzlichen Leistungsberechtigung der Antragstellerinnen steht auch nicht der Leistungsausschluss des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II, der entsprechend der obigen Ausführungen einschlägig ist, entgegen, da dieser Leistungsausschluss nach der Gesetzessystematik keine negative Anspruchsvoraussetzung, sondern lediglich eine anspruchsvernichtende Einwendung darstellt. Begreift man den Leistungsausschluss als negative Anspruchsvoraussetzung wäre eine Leistungsberechtigung dem Grunde nach zu verneinen. Begreift man ihn dagegen als anspruchsvernichtende Einwendung, ist auch bei seinem Vorliegen eine Leistungsberechtigung nach dem SGB II dem Grunde nach weiterhin vorhanden. Für die Beantwortung der Frage, für welches Modell sich die Gesetzgebung entschieden hat, sind allein die Wertvorstellungen des Normgebers maßgeblich. Es kommt deshalb darauf an, ob die Gesetzgebung bei Eingreifen des Leistungsausschlusses nach § 7 Abs. 1S. 2 Nr. 2 SGB II einen Rückgriff auf die existenzsichernden Leistungen des SGB XII ermöglichen wollte. Hierbei ist in den Blick zu nehmen, dass die Gesetzgebung mit § 23 Abs. 3 S. 1 SGB XII jedoch einen identischen Leistungsausschluss normiert hat, so dass es sich bei dem Leistungsausschluss nur um eine anspruchsvernichtende Einwendung handeln kann (so wohl auch LSG NRW, 9. Senat, Beschluss vom 15.05.2013, L 9 AS 466/13 B ER, a.A. z.B. LSG NRW, Beschluss v. 24.04.2015, L 19 AS 539/15 B ER mwN). Diese Überlegungen entsprechen auch dem gesetzgeberischen System, dass die Sicherungssysteme des SGB II und des SGB XII gleichberechtigt nebeneinanderstellt. Das SGB XII ist nicht als Auffangsystem hinter dem System des SGB II zu begreifen. Vielmehr finden die Systeme grundsätzlich nebeneinander, sich einander ausschließend Anwendung. Das SGB II gilt grundsätzlich für erwerbsfähige Personen (und ihre Familien), das SGB XII hingegen für solche Hilfebedürftigen, die keiner Erwerbstätigkeit nachgehen können.

Den Leistungsausschluss gemäß § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II im Rahmen der Abgrenzung nach § 21 SGB XII nicht als negative Anspruchsvoraussetzung, sondern als anspruchsvernichtende Einwendung zu begreifen, steht auch nicht die Rechtsprechung des BSG entgegen. Eine konkrete Aussage zur Anwendung von § 21 SGB XII wird in der im vorliegenden Zusammenhang oft zitierten Entscheidung vom 12.12.2013, B 8 SO 24/12 R nicht getroffen. Das Urteil vom 16.05.2012, B 4 AS 105/11 R betrifft nicht den hier diskutierten Leistungsausschluss, sondern verhält sich zum Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 4 S. 1 SGB II für Bezieher von gesetzlichen Altersrenten. Bei diesem Leistungsausschluss handelt es sich hingegen aber eindeutig um eine negative Anspruchsvoraussetzung des SGB II, da Altersrentenbezieher grundsätzlich einen Leistungsanspruch nach dem SGB XII nach dessen vierten Kapitel haben.

b) Der Bezug von Leistungen nach dem SGB XII ist für ausländische Antragsteller im Übrigen nach § 23 XII eingeschränkt. § 23 Abs. 3 S. 1 2. Alt. SGB XII normiert dabei inhaltlich denselben Leistungsausschluss wie § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II. Insofern kann auf die vorstehenden Ausführungen zur Anwendbarkeit der Normierung auf Personen ohne materielles Aufenthaltsrecht verwiesen werden.

c) Der Anwendbarkeit des § 23 Abs. 3 S. 1 2. Alt. SGB XII steht schließlich das EFA nicht entgegen, auch wenn die Antragstellerinnen als Italienerinnen Staatsangehörige eines Staates sind, der wie die Bundesrepublik das Abkommen ratifiziert hat. Aus dem Abkommen leitet sich nach allgemeiner Meinung der sogenannte Inländergleichbehandlungsgrundsatz ab. Dieser kann aber im Falle der Antragstellerinnen nicht zur Anwendbarkeit des SGB XII führen. Denn Inländer im Alter und der Situation der Antragstellerinnen wären von Ansprüchen nach dem SGB XII nach § 21 SGB XII ausgeschlossen, da diese - bei bestehender Bedürftigkeit - unzweifelhaft eine Leistungsberechtigung nach § 7 SGB II hätten.

4.
Weitere Anspruchsgrundlagen sind nicht ersichtlich. Insbesondere ergibt sich kein Leistungsanspruch aus Verfassungsrecht.

Ein Anspruch auf Sozialleistungen kann grundsätzlich nicht unmittelbar aus der Verfassung abgeleitet werden (vgl. BverfG, Urteil v. 14.06.1994, 1 BvR 1022/88). Das GG garantiert mit Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG zwar ein Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums. Art. 1 Abs. 1 GG begründet diesen Anspruch und das Sozialstaatsgebot des Art. 20 Abs. 1 GG erteilt dem Gesetzgeber den Auftrag, ein menschenwürdiges Existenzminimum zu sichern. Das Grundrecht ist dem Grunde nach unverfügbar und muss durch einen Leistungsanspruch eingelöst werden, es bedarf aber der Konkretisierung und stetigen Aktualisierung durch den Gesetzgeber (BverfG, Beschluss vom 23.07.2014, 1 BvL 10/12, bei juris Rn. 74). Die Instanzgerichte können sich über den insofern bestehenden und von dem BVerfG formulierten Gesetzesvorbehalt nicht hinwegsetzen, sondern sind an die einfachgesetzlichen Vorgaben gebunden.

Sollten sie eine Leistungserbringung verfassungsrechtlich für geboten und damit entgegenstehende einfachgesetzliche Vorschriften, die einen Leistungsanspruch - wie hier - ausschließen oder jedenfalls nicht begründen, für verfassungswidrig halten, besteht lediglich die Möglichkeit, den Rechtstreit nach Art 100 Abs. 1 GG auszusetzen und dem BVerfG zur Klärung vorzulegen.

Verfassungsrechtliche Bedenken bestehen hinsichtlich der Versagung von Sozialleistungen im vorliegenden Falle jedoch nicht, da die Antragstellerinnen italienische Staatsangehörige sind und sie bei einer ihnen vorbehaltenen Rückkehr auf italienisches Staatsgebiet von den dortigen sozialen Sicherungssystemen angemessen aufgefangen würden. Hierauf müssen sie sich verweisen lassen, da ihnen kein materielles Aufenthaltsrecht in der Bundesrepublik zusteht und auch keine sonstigen Umstände erkennbar sind, die ihnen eine Rückkehr nach Italien unmöglich machen könnten.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.

Die Voraussetzung für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren waren mangels Erfolgsaussichten der Angelegenheit nicht gegeben (§ 73a Abs. 1 S. 1 SGG i.V.m. §§ 114 ff ZPO.

Eine Beschwerde gegen diesen Beschluss findet nicht statt (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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