L 25 AS 1911/14 B PKH

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
25
1. Instanz
SG Cottbus (BRB)
Aktenzeichen
S 21 AS 598/13
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 25 AS 1911/14 B PKH
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Cottbus vom 28. Februar 2014 aufgehoben. Der Klägerin wird für das Klageverfahren mit Wirkung ab dem 26. Februar 2014 Prozesskostenhilfe ohne Festsetzung von Monatsraten und aus dem Vermögen zu zahlenden Beträgen unter Beiordnung ihres Verfahrensbevollmächtigten bewilligt. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen. Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe:

Die zulässige Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Cottbus vom 28. Februar 2014 ist weitgehend begründet. Überwiegend zu Unrecht hat das Sozialgericht den Antrag der Klägerin auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das sozialgerichtliche Verfahren abgelehnt, in dem die Klägerin anstelle eines ihr von dem Beklagten nach Maßgabe des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch (SGB II) zur Begleichung von Stromschulden gewährten Darlehens die Gewährung eines Zuschusses begehrt und in dem sie sich weiter gegen die Tilgung dieses Darlehens durch eine monatliche Aufrechnung in Höhe von 10 Prozent des der Klägerin zustehenden jeweiligen Regelbedarfs wendet. Denn die Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe liegen für die Zeit ab dem 26. Februar 2014 hier vor.

Nach § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. § 114 Abs. 1 Satz 1 der Zivilprozessordnung (ZPO) erhält ein Prozessbeteiligter auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn er nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann und die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg verspricht und nicht mutwillig erscheint. Bei der Abwägung, ob einer Klage hinreichende Aussicht auf Erfolg zukommt, gebietet Artikel 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) i. V. m. dem in Artikel 20 Abs. 3 GG allgemein niedergelegten Rechtsstaatsgrundsatz und der in Artikel 19 Abs. 4 GG verankerten Rechtsschutzgarantie gegen Akte der öffentlichen Gewalt eine weitgehende Angleichung der Situation von Bemittelten und Unbemittelten bei der Verwirklichung des Rechtsschutzes. In der Folge dürfen die Anforderungen an die Erfolgsaussicht nicht überzogen werden, weil das Prozesskostenhilfeverfahren den Rechtsschutz, den der Rechtsstaatsgrundsatz erfordert, nicht selbst bietet, sondern ihn erst zugänglich macht (ständige Rechtsprechung, vgl. Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Beschluss vom 6. Mai 2009 – 1 BvR 439/08 – zitiert nach juris -; vom 14. März 2003 – 1 BvR 1998/02 – in NJW 2003, 2976; vom 7. April 2000 – 1 BvR 81/00 – in NJW 2000, 1936). Damit muss der Erfolg des Rechtsschutzbegehrens nicht gewiss sein; hinreichende Aussicht auf Erfolg ist nur dann zu verneinen, wenn diese nur entfernt oder schlechthin ausgeschlossen ist. Die hinreichende Erfolgsaussicht ist daher gegeben, wenn das Gericht den Rechtsstandpunkt des Klägers zumindest für vertretbar hält und in tatsächlicher Hinsicht von der Möglichkeit der Beweisführung überzeugt ist. Ist eine Rechtsfrage aufgeworfen, die in der Rechtsprechung noch nicht geklärt, aber klärungsbedürftig ist, muss ebenfalls Prozesskostenhilfe bewilligt werden.

Nach Maßgabe dieser Voraussetzungen bot die Klage der Klägerin, die seit dem 1. Januar 2015 aus dem Leistungsbezug bei dem Beklagten ausgeschieden ist, jedenfalls zum Zeitpunkt der Bewilligungsreife, die hier mit dem Eingang ihrer Erklärung über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse bei dem Sozialgericht am 26. Februar 2014 eingetreten ist, hinreichende Erfolgsaussichten. Dabei kann hier offen bleiben, ob die Klägerin tatsächlich einen Anspruch auf Gewährung eines Zuschusses anstelle eines Darlehens hat, wobei zu beachten ist, dass nach Maßgabe des Vergleichs zwischen den Beteiligten vor dem 10. Senat des Landessozialgerichts (LSG) Berlin-Brandenburg am 20. August 2013 in dem Verfahren L 10 AS 1091/13 ein Teilbetrag von 750,- Euro bereits als Zuschuss gewährt worden ist, so dass sich das Darlehen nur noch auf 1.651,13 Euro beläuft. Denn jedenfalls ergeben sich die hinreichenden Erfolgsaussichten der Klage in Bezug auf die Aufrechnungsverfügung.

Der Beklagte hat die Aufrechnungsverfügung auf § 42a Abs. 2 SGB II gestützt. Nach dessen Satz 1 werden Rückzahlungsansprüche aus Darlehen ab dem Monat, der auf die Auszahlung folgt, durch monatliche Aufrechnungen in Höhe von 10 v. H. des maßgebenden Regelbedarfes getilgt. Die Aufrechnung ist dabei gemäß § 42a Abs. 2 Satz 2 SGB II gegenüber dem Darlehensnehmer schriftlich durch Verwaltungsakt zu erklären.

Gegen § 42a Abs. 2 SGB II werden gewichtige verfassungsrechtliche Bedenken erhoben, die insbesondere damit begründet werden, die laufende Minderung der Leistung zur Deckung des Regelbedarfs wegen Aufwendungen für ein Darlehen negiere die vom BVerfG geforderte Möglichkeit, Ansparungen auf Regelbedarfsanteile vorzunehmen (vgl. etwa Sozialgericht Berlin, Beschluss vom 30. September 2011 - S 37 AS 24431/11 ER – info also 2011, S. 275; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 18. November 2013 - L 10 AS 1793/13 B PKH – juris). Das BVerfG habe nur eine vorübergehende monatliche Kürzung der Regelleistung ausdrücklich verfassungsrechtlich nicht beanstandet (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 23. April 2015 - L 7 AS 1451/14 – juris). Der 20. Senat des LSG Berlin-Brandenburg hat in seinem Urteil vom 12. März 2015 (L 20 AS 261/13 – juris) diese Bedenken zwar nicht geteilt, aber die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung in Bezug auf die hier erörterte Rechtsfrage zugelassen, die beim Bundesssozialgericht unter dem Aktenzeichen B 4 AS 14/15 R anhängig ist.

Mit Blick auf die skizzierte streitige Rechtsfrage sind die hinreichenden Erfolgsaussichten der Klage zu bejahen, was hier umso mehr gilt, als ausgehend von dem Darlehensbetrag von rund 1.650,- Euro eine mehrjährige Aufrechnung in Rede stand.

Auch die weiteren Voraussetzungen für die Gewährung von Prozesskostenhilfe sind ab dem 26. Februar 2014 erfüllt. Insbesondere ist die Klägerin nach ihren aktuellen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen nicht dazu in der Lage, sich auch nur teilweise an den Kosten der Prozessführung zu beteiligen. Die Beiordnung des Verfahrensbevollmächtigten der Klägerin folgt aus § 73a SGG i. V. m. § 121 Abs. 2 ZPO.

Im Übrigen, das heißt für die Zeit vor dem 26. Februar 2014, war die Beschwerde der Klägerin zurückzuweisen. Denn Prozesskostenhilfe unter Beiordnung des von der Klägerin benannten Verfahrensbevollmächtigten kann erst ab dem 26. Februar 2014 bewilligt werden, weil der Antrag erst an diesem Tag bewilligungsreif geworden ist, weil die Klägerin erstmals am 26. Februar 2014 eine Erklärung über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nebst den erforderlichen Belegen zu den Gerichtsakten gereicht hat.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit §§ 118 Abs. 1 Satz 4, 127 Abs. 4 ZPO.

Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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