S 25 AS 496/15 ER

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Gießen (HES)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
25
1. Instanz
SG Gießen (HES)
Aktenzeichen
S 25 AS 496/15 ER
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 9 AS 947/15 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
1. Das Konzept des Landkreises Gießen zur Ermittlung der angemessenen Bedarfe für Unterkunft ist - jedenfalls für den Bereich der Stadt Gießen und Drei-Personen-Haushalte - schlüssig.
2. Eine Bedarfsgemeinschaft aus drei Personen ist auch dann an den Angemessenheitsgrenzen eines Drei-Personen-Haushalts zu messen, wenn ein Mitglied nach § 7 Abs. 5 SGB II von Leistungen ausgeschlossen ist und über ausreichende Mittel zur Deckung des Lebensunterhalts verfügt, § 7 Abs. 3 Nr. 4 SGB II.
1. Der Antrag wird abgelehnt

2. Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Die Antragstellerinnen begehren im Wege der einstweiligen Anordnung die Übernahme der tatsächlichen Kosten für Unterkunft und Heizung im Rahmen der Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II.

Die Antragstellerin zu 1. lebt mit ihrer 20jährigen Tochter, der Antragstellerin zu 2., und ihrem Sohn in einer 96 m2 großen Vier-Zimmer-Mietwohnung. Für diese Wohnung waren zunächst eine Grundmiete vom 498 EUR und Nebenkostenvorauszahlungen von monatlich 200 EUR zu zahlen. Seit dem 1. Juli 2015 verlangen die neuen Vermieter 50 EUR Miete mehr.

Die Antragstellerinnen erhalten als Bedarfsgemeinschaft laufend Leistungen von dem Antragsgegner.

Die Anmietung der Wohnung nahmen die Antragstellerinnen damals ohne Zustimmung des Antragsgegners vor. Auf die aus Sicht des Antragsgegners bereits damals zu hohen Kosten für Unterkunft wies der Antragsgegner bereits mit Bescheid vom 2. Oktober 2012 unter Mitteilung der damaligen auf der Wohngeldtabelle plus einem Sicherheitsaufschlag von 10 % basierenden Angemessenheitsgrenze von 526,90 EUR für drei Personen hin und übernahm für die Antragstellerinnen zu 1. und 2. zwei Drittel dieses Betrages.

Mit Schreiben vom 3. September 2013 wies der Antragsgegner die Antragstellerinnen auf die nach dem neuen bereits seit Ende 2012 anzuwendenden Konzept zu hohen Kosten hin und forderte sie zur Stellungnahme auf. Es sei eine Bruttokaltmiete von 468,29 EUR angemessen. Nachdem eine Äußerung der Antragstellerinnen nicht erfolgte, forderte der Antragsgegner die Antragstellerinnen mit Schreiben vom 10. Dezember 2013 zur Kostensenkung auf. Angemessen sei eine Bruttokaltmiete von 467,25 EUR. Seit dem 1. Juli 2014 übernahm der Antragsgegner nur noch die aus seiner Sicht angemessenen Kosten von zwei Drittel dieser Summe (311,50 EUR, Bescheid vom 15. April 2014).

Für den Monat Juni 2015 bewilligte der Antragsgegner der Antragstellerin zu 1. zuletzt mit Änderungsbescheid vom 30. Juni 2015 Leistungen in Höhe von 599,37 EUR (381,01 EUR Regelbedarf, 9,18 EUR Mehrbedarf, 209,18 EUR Bedarfe für Unterkunft und Heizung) und der Antragstellerin zu 2. 371,40 EUR (154,86 EUR Regelbedarf, Mehrbedarf 7,36 EUR, 209,18 EUR Bedarfe für Unterkunft und Heizung). Für den Zeitraum Juli bis Dezember 2015 bewilligte der Antragsgegner der Antragstellerin zu 1. zuletzt mit Änderungsbescheid vom 30. Juni 2015 Leistungen in Höhe von 617,36EUR (399 EUR Regelbedarf, 9,18 EUR Mehrbedarf, 209,18 EUR Bedarfe für Unterkunft und Heizung) und der Antragstellerin zu 2. 376,54 EUR (160 EUR Regelbedarf, Mehrbedarf 7,36 EUR, 209,18 EUR Bedarfe für Unterkunft und Heizung). Dabei berücksichtigte der Antragsgegner jeweils eine Bruttokaltmiete (Gesamtmiete ohne Heizkosten) in Höhe von 327,80 EUR.

Die Antragstellerin zu 2. besucht voraussichtlich bis Sommer 2016 die Fachoberschule (C.-Schule). Für sie wird monatlich 184 EUR Kindergeld und 6 EUR Leistungen nach dem BAföG gezahlt.

Der 24jährige Sohn der Antragstellerin zu 1. absolviert eine Ausbildung und erhält keine Leistungen von dem Antragsgegner.

Die Antragstellerinnen sind der Auffassung, dass das Konzept des Antragsgegners zur Ermittlung der angemessenen Kosten der Unterkunft nicht schlüssig sei. Die Auswahl der erhobenen Daten sei zufällig und rein willkürlich. Es seien bei 77.733 Einwohnern der Stadt Gießen nur 8.790 Wohnungen erfasst worden. Die Auswahl bilde nicht die gesamte Bandbreite des Wohnungsbestandes ab. Ein Vertreter der beauftragten Firma habe eingeräumt, dass bei Erstellung des Konzepts nicht genügend Daten aus den letzten vier Jahren vorgelegen hätten. Man habe deshalb auch ältere Bestände erfasst. Die Annahme der Urheber des Konzepts, dass 40 % der Wohnungen ohne Anzeige neu vermietet würden, sei weder belegt noch nachvollziehbar. Bei den Wohnungsbaugesellschaften betrage die Wartezeit ein Jahr oder länger. Das Institut für Wohnen und Umwelt (IWU) habe im Frühjahr 2013 in einer Studie festgestellt, dass Gießen bei Mietsteigerungen an der Spitze liege. Für neuere Wohnungen seien durchschnittlich 8,20 EUR /m2 zu zahlen. Nur 6 % der auf dem Markt angebotenen Wohnungen hätten 2012 den Anforderungen des Antragsgegners entsprochen. Die Antragstellerin zu 1. habe aufgrund der Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung einen negativen Schufaeintrag und erhalte schon deshalb keine Wohnung bei Wohnungsbaugesellschaften. Die Antragstellerinnen bäten seit drei Jahren in jedem Widerspruch um Benennung konkreter Wohnungen. Dies sei bisher nicht erfolgt. Angesichts der unklaren Zukunft der Antragstellerin zu 2. sei ein Umzug derzeit ohnehin nicht zumutbar, da bei einem Auszug der Antragstellerin zu 2. bereits der nächste Umzug anstünde.

Mit dem am 16. Juni 2015 hier eingegangenen Antrag beantragen die Antragstellerinnen,
den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, die vollen Kosten für Unterkunft der Antragstellerinnen zu übernehmen.

Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen.

Mit Schreiben vom 25. Juni 2015 baten die Vermieter der Antragstellerinnen diese darum, die Mietzahlungen um 50 EUR zu erhöhen.

Die Antragstellerin zu 1. hat mit Schreiben vom 9. Juli 2015 Widerspruch gegen die Bescheide vom 30. Juni 2015 eingelegt.

Mit Schreiben 6. Juli 2015 hat der Antragsgegner eine Liste mit 16 Wohnungsangeboten aus der Sammlung des kommunalen Trägers des Antragsgegners für Gießen ab Mai 2014 vorgelegt. Wegen des Inhalts wird auf die Anlagen zu diesem Schriftsatz verwiesen.

Das Gericht hat mit den Beteiligten am 20. Juli 2015 einen Erörterungstermin durchgeführt.

Am 27. Juli 2015 hat die Wohnbau Gießen GmbH Fragen des Gerichts beantwortet. Auf den Inhalt des Schreibens bei Bl. 85 der Gerichtsakte wird Bezug genommen.

Mit Schreiben vom 25. September 2015 hat der Antragsgegner eine Aufstellung mit freien Wohnungen in den aus seiner Sicht zumutbaren Umkreisgemeinden vorgelegt.

Mit Schreiben vom 9. Oktober 2015 haben die Antragstellerinnen mitgeteilt, dass die Antragstellerin zu 2. die letzte Klasse der Fachoberschule besucht und dass die Abschlussprüfungen im Mai 2016 stattfinden.

Dem Gericht lagen die Bände XI und XII der Verwaltungsakte des Antragsgegners über die Bedarfsgemeinschaft der Antragstellerinnen vor. Das Gericht hat die "Mietwerterhebung zur Ermittlung der KdU-Richtwerte im Landkreis Gießen", den Bericht über die Anpassung der KdU-Richtwerte 2014, den Bericht über die Berechnung ohne die Jobcentermieten und den Bericht über die Anpassung der Angemessenheitsgrenzen unter Berücksichtigung der geänderten Wohnflächen vom 22. Juli 2014 beigezogen.

II.

Der zulässige Antrag ist unbegründet.

Nach § 86b Abs. 2 S. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt das Bestehen eines Anordnungsanspruchs, d.h. des materiellen Anspruchs, für den vorläufiger Rechtsschutz begehrt wird, sowie das Vorliegen eines Anordnungsgrundes, d.h. die Unzumutbarkeit voraus, bei Abwägung aller betroffenen Interessen die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten. Können ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Beeinträchtigungen entstehen, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären, sind die Erfolgsaussichten der Hauptsache nicht nur summarisch, sondern abschließend zu prüfen. Scheidet eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren aus, ist auf der Grundlage einer an der Gewährleistung eines effektiven Rechtsschutzes orientierten Folgenabwägung zu entscheiden. Die grundrechtlichen Belange der Antragsteller sind dabei umfassend in die Abwägung einzustellen (BVerfG vom 12. Mai 2005 – 1 BvR 569/05 = NVwZ 2005, 927 ff).

Es fehlt an einem Anordnungsanspruch. Die Antragstellerinnen haben keinen Anspruch auf die Übernahme der tatsächlichen Kosten der Wohnung.

Nach § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II werden Bedarfe für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind. Der Bedarf der Antragstellerinnen ist mit 498,67 EUR (zwei Drittel der Gesamtkosten von 748 EUR) nicht angemessen. Er überschreitet die durch den Antragsgegner richtig ermittelte Angemessenheitsgrenze von 327,80 EUR für die Antragstellerinnen.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts muss den Feststellungen des Grundsicherungsträgers ein schlüssiges Konzept zu Grunde liegen, um die Nachvollziehbarkeit und Überprüfbarkeit des Ergebnisses zu ermöglichen.

Ein Konzept ist ein planmäßiges Vorgehen des Grundsicherungsträgers im Sinne der systematischen Ermittlung und Bewertung genereller, wenngleich orts- und zeitbedingter Tatsachen für sämtliche Anwendungsfälle im maßgeblichen Vergleichsraum. Schlüssig ist das Konzept, wenn es mindestens die folgenden Voraussetzungen erfüllt: Die Datenerhebung darf ausschließlich in dem genau eingegrenzten Vergleichsraum und muss über den gesamten Vergleichsraum erfolgen (keine Ghettobildung), eine nachvollziehbare Definition des Gegenstandes der Beobachtung (z.B. welche Art von Wohnungen - Differenzierung nach Standard der Wohnungen, Brutto- und Nettomiete, Differenzierung nach Wohnungsgröße) muss gegeben sein, es müssen Angaben über den Beobachtungszeitraum vorliegen, die Art und Weise der Datenerhebung (Erkenntnisquellen, z. B. Mietspiegel) muss festgelegt sein, der Umfang der erhobenen Daten muss repräsentativ sein, die Validität der Datenerhebung muss gewährleistet sein, die anerkannten mathematisch-statistischen Grundsätze der Datenauswertung müssen eingehalten werden und es müssen Angaben über die gezogenen Schlüsse (z.B. Spannoberwert oder Kappungsgrenze) vorliegen (vgl. z. B. BSG vom 22. September 2009 – B 4 AS 18/09 R – Juris-Rn. 19 = BSGE 104, 192).

Das Konzept des Antragsgegners entspricht diesen Vorgaben (vgl. auch Hessisches Landessozialgericht vom 6. November 2013 – L 4 SO 166/13 B ER – Juris-Rn. 40 ff). Die gegenteilige Auffassung (SG Gießen vom 28. November 2014 – S 25 AS 859/14 ER – Juris-Rn. 39) wird ausdrücklich aufgegeben.

Das Konzept des Antragsgegners teilt den Landkreis Gießen in vier als Wohnungsmarkttypen (Wohnungsmarkttyp I: Allendorf (Lumda), Biebertal, Buseck, Langgöns, Lollar, Rabenau, Reiskirchen, Staufenberg, Wohnungsmarkttyp II: Fernwald, Heuchelheim, Lich, Linden, Pohlheim, Wettenberg, Wohnungsmarkttyp III: Gießen, Wohnungsmarkttyp IV: Grünberg, Hungen, Laubach) bezeichnete räumliche Einheiten im Wege einer Clusteranalyse. Die Wohnungsmarkttypen bilden nach der schlüssigen Darstellung der Mietwerterhebung Vergleichsräume mit einem weitgehend homogenen Mietpreisniveau. Als Indikatoren wurden die Bevölkerungsentwicklung, die Bevölkerungsdichte, die Siedlungsstruktur, die Neubautätigkeit in einer Kommune, das Pro-Kopf-Einkommen, der Bodenpreis und die Zentralität sowie die jeweilige Mietstufe nach dem Wohngeldgesetz berücksichtigt. Die Stadt Gießen bildet allein den Wohnungsmarkttyp III, als charakteristisch beschrieben werden insoweit deutlich überdurchschnittliche Bodenpreise, die klar überdurchschnittliche Bevölkerungsentwicklung, die Siedlungsstruktur mit dem höchsten Anteil an Mehrfamilienhäusern sowie – bedingt durch einen hohen Bevölkerungsanteil an Studenten – das unterdurchschnittliche Pro-Kopf-Einkommen. Diese Einteilung begegnet – jedenfalls für das hier relevante Gebiet der Stadt Gießen (Wohnungsmarkttyp III) – keinen durchgreifenden Bedenken. Das Stadtgebiet von Gießen bildet einen den Anforderungen des Bundessozialgerichts entsprechenden Vergleichsraum (vgl. dazu BSG vom 17. Dezember 2009 – B 4 AS 27/09 R – Juris-Rn. 18.). Es handelt sich um einen ausreichend großen Raum der Wohnbebauung, der auf Grund seiner räumlichen Nähe, seiner Infrastruktur und insbesondere seiner verkehrstechnischen Verbundenheit einen insgesamt betrachtet homogenen Lebens- und Wohnbereich bildet (so auch Hessisches Landessozialgericht vom 6. November 2013 – L 4 SO 166/13 B ER – Juris-Rn. 40 ff).

Die Datengrundlage bilden die Bestandsmieten. Dabei wurden, wie vom Bundessozialgericht gefordert (BSG vom 10. September 2013 – B 4 AS 77/12 R – Juris-Rn. 21 = SozR 4-4200 § 22 Nr. 70 m.w.N.), sogenannte Substandardwohnungen (ohne Bad oder Sammelheizung), aber auch Wohnungen des Luxussegments, unberücksichtigt gelassen. Dass Wohnungen unter 35 m² oder in Wohn- und Pflegeheimen, gewerblich oder teilgewerblich genutzte Wohnungen, mietpreisreduzierte Werkswohnungen und Wohnungen mit sog. Freundschaftsmieten ebenfalls nicht einbezogen wurden, begegnet keinen durchgreifenden Bedenken. Zwar mag die Untergrenze von 35 m² dazu führen, dass Wohnungen mit einem hohen Preis pro Quadratmeter nicht in die Berechnung einfließen, doch ist es nachvollziehbar, dass eine Untergrenze angesetzt werden muss, damit keine Wohnungen berücksichtigt werden, die wegen der zu geringen Größe nicht mehr zumutbar sind. Die Festlegung einer bestimmten Grenze ist dabei zwangsläufig beliebig. Verstärkt wird der Eindruck der Beliebigkeit dadurch, dass in anderen – insbesondere ostdeutschen Städten – mit einem hohen Anteil sehr kleiner Wohnungen üblicherweise eine Untergrenze von nur 30 m² angesetzt wird. Allerdings darf aber nicht übersehen werden, dass für die Frage der Zumutbarkeit einer bestimmten Wohnungsgröße das regional Übliche und damit die Vorgaben des regionalen Wohnungsmarktes durchaus eine Rolle spielen können.

Die Erhebung der Daten durch Befragung von Großvermietern und –verwaltern und zufällig ermittelten Kleinvermietern und die Aufnahme der Daten des Antragsgegners sind ebenfalls nicht zu bestanden. Der Einwand der Antragstellerinnen, es seien auch mehr als vier Jahre alte Bestandsmieten ausgewertet worden, führt – auch wenn er als wahr unterstellt wird – nicht zu einer Unschlüssigkeit des Konzepts. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts kann ein Konzept ausschließlich auf Bestandsmieten basieren (BSG vom 10. September 2013 – B 4 AS 77/12 R – Juris-Rn. 30 = NZS 2014, 149). Dies ist auch folgerichtig, da das Konzept nicht nur dazu dient, die Angemessenheitsgrenzen bei Neuanmietungen zu ermitteln, sondern auch die Prüfung der Angemessenheit von Bestandsmieten ermöglichen soll. Dabei ist es nicht erforderlich, die Bestandsmieten nach der Vertragslaufzeit zu differenzieren. Auch langlaufende Mietverträge bilden, jedenfalls so lange sie zum Erhebungszeitraum noch bestehen, den örtlichen Wohnungsmarkt ab. Der Rückgriff auf Bestandsmieten ist auch deshalb unproblematisch, da das Konzept auf andere Weise auf die Problematik der Neuanmietungen eingeht.

Die Berechnung der Angemessenheitsgrenzen ist ebenfalls nicht zu beanstanden. Der Gesamtumfang der erhobenen Wohnungsmieten umfasste 14.806 Mieten, wovon 14.123 Mieten – nach Abzug unvollständig ausgefüllter Fragebögen, Filterfragen bzw. unplausibler Werte – als tabellenrelevant erkannt wurden. Die Angaben wurden den Wohnungsgrößen, wie sie bei der Förderung im sozialen Wohnungsbau relevant sind, zugeordnet, Extremwerte wurden auf der Basis eines 95 % Konfidenzintervalls entfernt und die Angaben über die verbleibenden 13.374 Wohnungen ausgewertet. Bei einem Gesamtwohnungsstand (nicht nur Mietwohnungen) von 123.317 Wohnungen im Landkreis hat das Gericht an der Repräsentativität des Datenumfangs keine Zweifel. Auch die Berechnungsmethode selbst ist frei von Fehlern. Das Konzept ermittelt die Angemessenheitsgrenzen nicht am Standard der Wohnungen, sondern daran, wie viele Wohnungen benötigt werden, um den Bedarf bei Leistungsempfängern und Niedriglohnempfängern decken zu können. Dabei wurde anhand der Bestandsmieten geprüft, welches Perzentil erforderlich ist, um bei den Neuvertragsmieten (Abschluss in den letzten neun Monaten nach dem Stichtag 1. Februar 2012 bei den Groß- und Kleinvermietern) ein Perzentil zwischen 10 und 20 zu erreichen. Für das Gebiet der Stadt Gießen ergab sich daraus ein Perzentil der Bestandsmieten von 65 für Ein-Personen-Haushalte und von 50 für Mehr-Personen-Haushalte. Den Zielwert von einem Perzentil von 10 bis 20 bei den Neuvertragsmieten vermag das Gericht allerdings nicht nachzuvollziehen. Es handelt sich um einen definierten Wert ohne empirische Grundlage. Warum sollte der Anteil der Niedriglohn- und Leistungsempfänger bei den Bestandsmieten ein Perzentil von 50 und bei den Neuvertragsmieten nur von 10 bis 20 erfordern? Es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass Niedriglohn- und Leistungsempfänger weniger häufiger umziehen. Allerdings sind an dem Ergebnis trotzdem keine Zweifel angebracht, da es mit einem Perzentil von 50 die Hälfte aller Wohnungen mit Bestandsmieten für Leistungsempfänger zur Verfügung stellt. Das Bundessozialgericht hält hingegen sogar einen pauschalen Anteil von 20 % für möglich (BSG vom 10. September 2013 – B 4 AS 77/12 R – Juris-Rn. 37 = SozR 4-4200 § 22 Nr. 70).

Dass die sogenannten Angebotsmieten nicht in die Berechnung eingeflossen sind, begegnet ebenfalls keinen Bedenken (ebenso Hessisches Landessozialgericht vom 6. November 2013 – L 4 SO 166/13 B ER – Juris-Rn. 45). Das Konzept stellt nachvollziehbar dar, dass die Angebotsmieten lediglich ca. 60 % des tatsächlichen Angebotsvolumens ausmachten, weil ca. 40 % des Angebots direkt vermarktet würden. Dabei handele es sich jedoch nicht nur um Mieten, die unter der Hand bzw. unter Freunden angeboten würden. Es handele sich auch um Wohnungen von Wohnungsunternehmen mit Interessentenlisten. Darüber hinaus würden von den Wohnungsunternehmen häufig nur ausgesuchte Wohnungen öffentlich angeboten, was statistisch in aller Regel zu einer Übergewichtung der teureren Wohnungen führe. Darüber hinaus zeige der Vergleich von Angebots- und Vertragsmieten, dass die durchschnittlichen Neuvertragsmieten in der Regel deutlich unterhalb der durchschnittlichen Angebotsmieten lägen, so dass tatsächlich ein wesentlich größeres Wohnungsangebot unterhalb der Richtwerte zur Verfügung stehe, als dies in den ermittelten Angebotsmieten zum Ausdruck komme. Die Nachfrage des Gerichts bei der größten Wohnungsbaugesellschaft in Gießen, der Wohnbau Gießen GmbH, hat gezeigt, dass ein sehr erheblicher Teil des Mietwohnungsbestandes in der Stadt Gießen auf die Wohnbau Gießen GmbH entfällt. Diese schaltet regelmäßig keine Wohnungsanzeigen, da sie über ausreichend gefüllte Wartelisten verfügt. Ob der konkrete Anteil der Angebotsmieten an den Neuvertragsmieten tatsächlich 60 % beträgt, ob also tatsächlich 40 % der Neuvertragsmieten ohne allgemein zugängliche Anzeige vermietet werden, spielt keine Rolle. Es ist jedenfalls nachvollziehbar, dass sich das Konzept nicht an den Angebotsmieten, sondern an den Neuvertragsmieten orientiert, zumal ein sehr großer Anteil der Differenz zwischen Neuvertrags- und Angebotsmieten auf die grundsätzlich allgemein zugänglichen Wohnungen der Wohnungsbaugesellschaften entfallen wird.

Die Zusammensetzung des Datenbestandes ist auch nicht fehlerhaft. Während die Bestandsmieten, die aus der Befragung der Groß- und Kleinvermieter ermittelt wurden, nach dem Zufallsprinzip die gesamte Bandbreite des Wohnungsstandards von einfachem bis gehobenem Standard abbilden, ist dies zwar bei den Daten aus dem Bestand des Antragsgegners nicht zwingend zu erwarten. Da der kommunale Träger inzwischen aber die bereits im Beschluss im Verfahren S 25 AS 859/14 ER geforderte Neuberechnung ohne die Daten aus dem Bestand des Antragsgegners vorgelegt hat und diese nicht zu einer Erhöhung der Angemessenheitsgrenzen geführt hat, zeigt sich, dass die erwartete Verzerrung durch den möglichen Zirkelschluss nicht vorliegt. Der Einwand der Antragstellerinnen, die übrigen Daten seien willkürlich ausgewählt, vermag nicht zu überzeugen. Es wird weder vorgetragen, noch gibt es irgendwelche Anhaltspunkte dafür, dass die durch den kommunalen Träger beauftragte Firma die zu befragenden Vermieter gezielt ausgewählt hat, um eine möglichst geringe Angemessenheitsgrenze zu erzielen.

Gegen die Anpassung der Werte nach zwei Jahren anhand eines Indexes hat das Gericht keine Bedenken. Auch für den qualifizierten Mietspiegel ist in § 558 d Abs. 2 S. 2 BGB vorgesehen, dass ein Mietspiegel anhand des Preisindexes für die Lebenshaltung aller privaten Haushalte des Statistischen Bundesamtes fortgeschrieben werden kann. Die Anpassung durch den Antragsgegner geht darüber hinaus, da die Fortschreibung anhand des Indexes über die Mietpreisentwicklung in Hessen die Preisentwicklung genauer trifft, als dies der Verbraucherpreisindex könnte. Das Gericht verkennt dabei nicht, dass die Mieten in der Stadt Gießen wahrscheinlich stärker steigen, als dies im Landesdurchschnitt der Fall ist. Da aber nach weiteren zwei Jahren ohnehin eine Neuermittlung der Daten erforderlich ist, hält es das Gericht unter Berücksichtigung der Ermittlungskosten für den kommunalen Träger für zumutbar, dass die Angemessenheitsgrenzen für zwei Jahre nicht ganz mit der Preisentwicklung mithalten.

Die Ermittlung der kalten Betriebskosten (ohne Wasser) ist ebenfalls fehlerfrei erfolgt. Neben den Grundmieten hat der kommunale Träger auch diese Werte erhoben und nach Kappung um die Extremwerte Mittelwerte berechnet. Die Anpassung der kalten Betriebskosten nach zwei Jahren mittels des entsprechenden Indexes ist nicht zu beanstanden.

Auch die Ermittlung der Wasserkosten begegnet keinen Bedenken. Die Wasserkosten ermittelt der kommunale Träger direkt bei den örtlichen Versorgern und legt einen Verbrauch von 3,62 m3 Wasser pro Person und Monat zugrunde. Dieser Verbrauch wurde aus der aktuellen Wasserbilanz des Regierungspräsidiums Gießen, die für den Landkreis Gießen einen Verbrauch von 119 Litern pro Tag und Einwohner ausweist, entnommen. Hier ist – wie bei den übrigen kalten Nebenkosten – die Annahme eines Mittelwertes nicht zu beanstanden.

Auch die Zweifel des Gerichts, ob das Konzept tatsächlich zu dem Ergebnis führt, dass für den Untersuchungsraum Stadt Gießen freie Wohnungen zu den Kriterien des Antragsgegners in einem ausreichenden Umfang vorhanden sind, sind inzwischen beseitigt. Ob dies eine Frage der abstrakten Angemessenheit, also der Schlüssigkeit des Konzepts, oder der konkreten Angemessenheit ist, ist in der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts bisher nicht geklärt. Der 4. Senat des Bundessozialgerichts meint, dass Fälle der objektiven Unmöglichkeit der Anmietung einer angemessenen Wohnung nur in Ausnahmefällen auftreten können (BSG vom 19. Februar 2009 – B 4 AS 30/08 R – Juris-Rn. 36 = BSGE 102, 263) und geht damit davon aus, dass die Frage der ausreichenden Anzahl angemessener Wohnungen im Rahmen des Konzepts beantwortet wird. Der 14. Senat folgt diesem Ansatz nur bedingt und nimmt nur in den Fällen, in denen das Konzept auf einem qualifizierten Mietspiegel beruht, an, dass angemessene Wohnungen auf dem Wohnungsmarkt tatsächlich in ausreichender Anzahl vorhanden sind (BSG vom 13. April 2011 – B 14 AS 106/10 R – Juris-Rn. 30 = SGb 2012, 361). Ob dieser Rückschluss bei Erhebungen, die sich nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zulässiger Weise nur auf Bestandsmieten stützen dürfen (BSG vom 10. September 2013 – B 4 AS 77/12 R – Juris-Rn. 30 = NZS 2014, 149), tatsächlich zwingend ist, kann letztlich dahinstehen, da die Zweifel des Gerichts an der ausreichenden Anzahl von abstrakt zugänglichen Neuvertragswohnungen durch die Ermittlungen des Gerichts in diesem Verfahren und im Verfahren S 25 AS 331/15 ER bei der Wohnbau Gießen GmbH beseitigt wurden.

Zwar vermag der Antragsgegner aus der vom kommunalen Träger geführten Angebotsdatenbank regelmäßig nur eine – jedenfalls nach genauer Überprüfung – einstellige Anzahl von angemessenen Angebotsmieten für in der Regel über sechs Monate lange Zeiträume zu benennen, doch zeigen die Nachfragen des Gerichts bei der Wohnbau Gießen GmbH, dass diese nicht nur in erheblicher Anzahl angemessene Wohnungen im Bestand hat, sondern diese auch in ausreichender Anzahl in den letzten Jahren neu vermietet hat. Dem steht nicht entgegen, dass sich die Anzahl der angebotenen Wohnungen durch die hohe Zahl der Interessenten (ca. 1.500) erheblich relativiert. Ob die Antragstellerinnen konkret die Möglichkeit hatten, eine der angebotenen Wohnungen anzumieten, ist eine Frage der konkreten Angemessenheit.

Die Kosten der Antragstellerinnen waren auch nicht als konkret angemessen anzuerkennen. Nach § 22 Abs. 1 S. 3 SGB II sind unangemessene Kosten so lange als Bedarf anzuerkennen, wie es der oder dem alleinstehenden Leistungsberechtigten oder der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate. Nach dieser Vorschrift ist zu überprüfen, ob eine Wohnung, die den abstrakten Kriterien entspricht, für den Leistungsberechtigten auf dem Mietmarkt tatsächlich verfügbar und konkret anmietbar war, es ihm also möglich war, die Kosten für die Unterkunft auf das abstrakt angemessene Maß zu senken (konkrete Angemessenheit, BSG vom 17. Oktober 2013 B 14 AS 70/12 R – Juris-Rn. 29 = BSGE 114, 257). Besondere durch die persönlichen Lebensumstände von Leistungsberechtigten bedingte Bedarfe sind im Rahmen der konkreten Angemessenheit zu berücksichtigen. Gegen die konkrete Angemessenheit des niedrigeren, abstrakt angemessenen Unterkunftsbedarfs und die Zumutbarkeit von Kostensenkungsmaßnahmen können Gründe sprechen, die auch einem Umzug entgegenstehen wie Krankheit, Behinderung, Pflegebedürftigkeit, Rücksichtnahme auf schulpflichtige Kinder, Alleinerziehung (BSG vom 16. April 2013 – B 14 AS 28/12 R – Juris-Rn. 37). Die Antragstellerin zu 1. wohnt zwar ohne den Kindsvater mit ihrer Tochter, der Antragstellerin zu 2., zusammen, doch kann von einer Alleinerziehung bei der inzwischen 20jährigen Antragstellerin zu 2. nicht mehr gesprochen werden. Insbesondere liegen die Gründe für eine Berücksichtigung der Alleinerziehung in der Regel in der Betreuungsmöglichkeit im räumlichen Umfeld. Eine Betreuung war für die Antragstellerin zu 2. bereits seit der Kenntnis von den zu hohen Kosten im Jahr 2012 nicht mehr erforderlich. Auch aus dem Besuch der Fachoberschule folgt keine relevante Verengung des zumutbaren Umzugsbereichs. Der Einwand der Antragstellerinnen, ein Umzug sei unzumutbar, da die Antragstellerin zu 2. nach ihrem Schulabschluss im Sommer 2016 möglicherweise ausziehen und dann ein weiterer Umzug erforderlich werde, vermag zwar zum jetzigen Zeitpunkt zu überzeugen, zumal mit der Vollendung des 25. Lebensjahres des Sohnes der Antragstellerin zu 1. im nächsten Jahr dieser nicht mehr Mitglied der Bedarfsgemeinschaft ist und die Kosten der gesamten Wohnung dann für eine Bedarfsgemeinschaft mit zwei Personen und eine Bedarfsgemeinschaft mit einer Person als Wohngemeinschaft angemessen sein dürften. Diese Überlegung berücksichtigt aber nicht, dass den Antragstellerinnen bereits bei Einzug in die derzeitige Wohnung bekannt war, dass diese den damaligen Angemessenheitsgrenzen des Antragsgegners (Wohngeldtabelle + 10 %) nicht entsprach. Die Antragstellerinnen waren bereits seit dem Einzug in diese Wohnung, spätestens aber mit dem Hinweis auf die abgesenkten Angemessenheitsgrenzen mit Schreiben vom 3. September 2013, gehalten, ihre Kosten durch Umzug abzusenken. Dass ein Umzug möglicherweise jetzt nicht mehr zumutbar wäre, ändert nichts daran, dass die Antragstellerinnen sich vorhalten lassen müssen, dass sie seit 2012 bzw. 2013 nicht umgezogen sind.

Der zumutbare Suchbereich beschränkt sich nach Auffassung des Gerichts nicht nur auf das Stadtgebiet Gießen, sondern besteht auch mindestens aus den umliegenden Orten Fernwald, Buseck, Heuchelheim, Linden und Langgöns. Von allen Orten ist die C. Schule, die die Antragstellerin zu 2. besucht, durch öffentliche Verkehrsmittel in einer zumutbaren Zeit (höchstens 45 Minuten von Tür zu Tür) zu erreichen. Auch die Antragstellerin zu 1. kann so ihre sozialen Kontakte in der Stadt Gießen aufrechterhalten. Möglicherweise sind in Langgöns die Ortsteile Niederkleen, Oberkleen und Kleeberg nicht mehr zumutbar. Darauf kam es aber angesichts der Anzahl der angebotenen Wohnungen im übrigen Suchbereich nicht an, zumal nicht ersichtlich ist, warum zusätzlich Pohlheim, Lich, Wettenberg und möglicherweise auch noch Reiskirchen, Lollar und Staufenberg nicht ebenfalls in Betracht kommen. Schüler aus diesen Orten besuchen regelmäßig weiterführende Schulen in der Stadt Gießen.

Bei der Auswahl der Wohnungen ergibt sich eine Einschränkung dahingehend, dass die Wohnung für die drei erwachsenen Bewohner über mindestens drei Zimmer und je nach Größe der Küche sogar über vier Zimmer verfügen muss. Die Anfrage bei der Wohnbau Gießen GmbH hat aber ergeben, dass solche Wohnungen durchaus in relevanter Anzahl vorhanden sind.

Der Vortrag der Antragstellerin zu 1. über ihre Suchbemühungen konnte das Gericht nicht davon überzeugen, dass es den Antragstellerinnen seit August 2012 bzw. September 2013 unmöglich war, eine angemessene Wohnung konkret anzumieten. Der vorgetragene Umfang der Suchbemühungen (Zeitungen und Internetportale) war zwar grundsätzlich noch ausreichend, die Antragstellerin zu 1. hat aber selbst eingeräumt, nicht die ganze Zeit durchgehend gesucht zu haben (erst ab 2014, nicht während der Zeit der "Normenkontrollklage" beim Landessozialgericht). Außerdem durfte die Antragstellerin ihre Suche nicht – wie bereits dargestellt – auf Gießen und Heuchelheim beschränken. Auch unter Berücksichtigung der angespannten Lage auf dem Wohnungsmarkt der Stadt Gießen und der zulässigen Beschränkung auf Drei- bzw. Vier-Zimmer-Wohnungen vermag das Gericht nicht festzustellen, dass eine Wohnung für die Antragstellerinnen im Suchgebiet konkret nicht anmietbar war. Dass die Antragstellerinnen als Grundleistungsbezieher bei der Auswahl des potentiellen Mieters regelmäßig nicht an erster Stelle kommen werden, ist nachvollziehbar, auch wenn einige Vermieter die regelmäßige Zahlung durch das Jobcenter schätzen, doch ist das Gericht nicht in der Lage, die Auswirkungen dieses Nachteils abzuschätzen, da die Antragstellerin zu 1. sowohl in zeitlicher als auch vor allem in örtlicher Hinsicht die Suchmöglichkeiten bei weitem nicht ausgeschöpft hat. Ob es trotz möglicherweise geringen Erfolgsaussichten erforderlich war, sich als Interessent bei der Wohnbau Gießen GmbH zu melden, kann angesichts dessen dahinstehen bleiben.

Konkret bestimmt sich die angemessene Bruttokaltmiete wie folgt: Die angemessene Bruttokaltmiete beträgt für einen Drei-Personen-Haushalt nach der Anpassung im Jahr 2014 und der Anpassung an die seit dem 3. August 2014 vergrößerte angemessene Wohnfläche von 75 m2 491,70 EUR [zur Wohnungsgröße siehe Anlage 1 des Erlasses "Ausstellung von Bescheinigungen über die Wohnberechtigung nach § 5 des Hessischen Wohnungsbindungsgesetzes (HWoBindG) beziehungsweise nach § 17 des Hessischen Wohnraumfördergesetzes (HWoFG) sowie von Berechtigungsbescheinigungen zum Bezug von Wohnungen der Vereinbarten Förderung (§§ 88d und 88e des Zweiten Wohnungsbaugesetzes)]. Für die Antragstellerinnen ergibt sich ein Betrag von 327,80 EUR (zwei Drittel). Die Wohnung der Antragstellerinnen ist an den Angemessenheitsgrenzen eines Drei-Personen-Haushalts zu messen. Dies gilt, obwohl der Sohn der Antragstellerin zu 1. von Leistungen nach § 7 Abs. 5 SGB II ausgeschlossen ist und unabhängig davon, ob er seinen Lebensunterhalt selbst sicherstellen kann. Grundsätzlich wird bei der Frage, ob es sich um einen Drei-Personen-Haushalt oder um einen Zwei-Personen- und einen Ein-Personen-Haushalt handelt, danach differenziert, ob die Bewohner der Wohnung eine gemeinsame Bedarfsgemeinschaft sind (vgl. BSG vom 18. Juni 2008 – B 14/11b AS 61/06 R – Juris-Rn. 21). Der Grund für diese Annahme liegt darin, dass die in § 7 Abs. 3 SGB II genannten Konstellationen sich sämtlich durch eine besondere Verbundenheit und gegenseitige Verantwortlichkeit der einbezogenen Personen auszeichnen. Bei einer Bedarfsgemeinschaft kann typischerweise davon ausgegangen werden, dass der Wohnraum insgesamt gemeinsam genutzt wird (vgl. BSG vom 18. Juni 2008 – B 14/11b AS 61/06 R – Juris-Rn. 22). Die Antragstellerinnen bilden grundsätzlich mit dem Sohn der Antragstellerin zu 1. eine Bedarfsgemeinschaft im Sinne des § 7 Abs. 3 Nr. 1 und Nr. 4 SGB II. Die Antragstellerinnen haben weder Anhaltspunkte dafür vorgetragen, noch sind sonst Anhaltspunkte ersichtlich, die darauf schließen lassen, dass der Sohn der Antragstellerin zu 1. nicht dem Haushalt der Antragstellerin zu 1. angehört (vgl. dazu BSG vom 14. März 2012 – B 14 AS 17/11 R – Juris-Rn. 26 = BSGE 110, 204). Darauf, dass der Sohn der Antragstellerin zu 1. dann nicht Mitglied der Bedarfsgemeinschaft ist, wenn er seinen Unterhalt selbst sicherstellen kann, § 7 Abs. 3 Nr. 4 a.E. SGB II, kommt es nicht an. Dieser Zusatz dient nur dazu, die nicht hilfebedürftigen Kinder von Leistungen auszuschließen. An den Gründen für die gemeinsame Heranziehung zur Berechnung der Angemessenheitsgrenzen – nämlich der besonderen Verbundenheit und gegenseitigen Verantwortlichkeit der Personen – ändert dies nichts.

Die Anteile an den angemessenen Kosten für Unterkunft waren nach Kopfteilen zwischen den drei Bewohnern aufzuteilen. Nach ständiger Rechtsprechung des BSG sind die Kosten der Unterkunft und Heizung im Regelfall unabhängig von Alter und Nutzungsintensität anteilig pro Kopf aufzuteilen, wenn Hilfebedürftige eine Unterkunft gemeinsam mit anderen Personen, insbesondere anderen Familienangehörigen, nutzen (z.B. BSG vom 29. November 2012 – B 14 AS 36/12 R – Juris-Rn. 26). Hier sind keine Anhaltspunkte für eine anderweitige Regelung durch die Bewohner ersichtlich.

Ein Anordnungsgrund liegt vor, die Angelegenheit ist aber nicht so eilbedürftig, dass angesichts des nicht bestehenden Anordnungsanspruchs trotzdem eine Regelungsanordnung zugunsten der Antragstellerinnen zu treffen war. Das Gericht nimmt einen Anordnungsgrund bei einem Streit über die Bedarfe für Unterkunft und Heizung erst dann an, wenn eine Kündigung der Wohnung in absehbarer Zeit drohen kann und ein Hauptsacheverfahren bis zur Kündigung nicht abgeschlossen wäre (SG Gießen vom 10. Januar 2013 – S 25 AS 832/12 ER – Juris-Rn. 29). Nach § 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) i.Vm. § 569 Abs. 3 Nr. 1 BGB kann eine Kündigung durch den Vermieter erst erfolgen, wenn der Mieter mit der Miete an zwei aufeinanderfolgenden Terminen mit mehr als einer Monatsmiete oder über einen Zeitraum, der sich über mehr als zwei Termine erstreckt, mit zwei Monatsmieten in Verzug ist. Derzeit bestehen keine Mietrückstände der Antragstellerinnen. Angesichts der erheblichen Differenz zwischen tatsächlichen und übernommenen Kosten ist davon auszugehen, dass demnächst Schulden entstehen werden.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG. Da hier eine Entscheidung für den Zeitraum Juni bis November 2015 erfolgt und die Differenz zwischen der tatsächlichen und der angemessenen Bruttokaltmiete ab Juli 2015 monatlich 222,20 EUR betrug, sind die Antragstellerinnen mit mehr als 750 EUR durch diese Entscheidung beschwert, so dass die Beschwerde für die Antragstellerinnen nach den §§ 172 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1, 143, 144 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGG zulässig ist.
Rechtskraft
Aus
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