L 2 AS 1199/15 B ER

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
2
1. Instanz
SG Köln (NRW)
Aktenzeichen
S 36 AS 1858/15 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 2 AS 1199/15 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Köln vom 07.07.2015 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind für das Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird abgelehnt.

Gründe:

Die zulässige Beschwerde des Antragstellers ist nicht begründet.

Das Sozialgericht hat zu Recht mit dem angefochtenen Beschluss die von den Antragstellern beantragte einstweilige Verpflichtung des Antragsgegners zur Gewährung höherer Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende unter Berücksichtigung von Kosten der Unterkunft und Heizung abgelehnt.

Gemäß § 86 b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) sind einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes setzt mithin neben einem Anordnungsanspruch - im Sinne eines materiell-rechtlichen Anspruches auf die beantragte Leistung - einen Anordnungsgrund - im Sinne einer besonderen Eilbedürftigkeit der vom Gericht zu treffenden Regelung - voraus. Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund sind glaubhaft zu machen (§ 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG in Verbindung mit § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung [ZPO]).

Einem Erfolg des einstweiligen Rechtsschutzgesuchs steht bereits das Fehlen eines Anordnungsgrundes entgegen. Ein solcher ist regelmäßig nur gegeben, wenn Eilbedürftigkeit im Sinne einer dringenden und gegenwärtigen Notlage vorliegt, die eine sofortige Entscheidung des Gerichts zur Abwendung wesentlicher Nachteile erfordert. Dies ist der Fall, wenn den Antragstellern unter Berücksichtigung auch der widerstreitenden öffentlichen Belange ein Abwarten bis zur Entscheidung in der Hauptsache nicht zuzumuten ist, weil ihnen bei Versagung des einstweiligen Rechtsschutzes eine erhebliche, über Randbereiche hinausgehende Verletzung wichtiger Rechte droht, die durch eine später erfolgende stattgebende Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr folgenlos beseitigt werden könnte. Zur Glaubhaftmachung eines Anordnungsgrundes für eine Verpflichtung des Leistungsträgers hinsichtlich der Übernahme der Kosten für Unterkunft und Heizung und diesbezüglicher Zahlungsrückstände bedarf es des substantiierten und nachvollziehbaren Vortrages, dass eine baldige Wohnungs- bzw. Obdachlosigkeit droht. Der Senat hält - in Übereinstimmung mit den Beschlüssen des LSG NRW vom 29.06.2015 zum Az. L 12 AS 862/15 B ER (bei juris Rn. 10 ff.) sowie vom 06.07.2015 zum Az. L 19 AS 931/15 B ER (bei juris Rn. 33 ff.) - in ständiger Rechtsprechung (siehe zuletzt Beschluss vom 17.11.2015, L 2 AS 1821/15 B ER, bei juris Rn. 4 f.) daran fest, dass eine derartige Gefahr in der Regel frühestens ab Zustellung einer Räumungsklage anzunehmen ist und nicht bereits generell eine Kündigung ausreichend ist, um die Erforderlichkeit einer vorläufigen Regelung durch das Gericht zu begründen. Der Auffassung, dass bereits eine Bedarfsunterdeckung bei glaubhaft gemachter Hilfebedürftigkeit den Kernbereich des Grundrechts auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums berührt, so dass ein Anordnungsgrund bereits dann vorliege, wenn der Antragsteller nicht über bedarfsdeckende Mittel verfügt (so aber der 7. Senat des Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, vgl. Beschluss vom 17.06.2015 - L 7 AS 704/15 B ER, L 7 AS 705/15 B, bei juris Rn. 22 m.w.N.) folgt der erkennende Senat nicht. Mietrückstände allein begründen noch keine unmittelbare Gefährdung des Grundrechts aus Art.13 Grundgesetz (GG). Eine solche Gefährdung ist nicht bereits gegeben, wenn die privatrechtliche Verpflichtung zur Mietzahlung nicht mehr erfüllt werden kann. Sie tritt frühestens ein, wenn auch der Verlust der Wohnung unmittelbar droht (Beschluss des erkennenden Senates vom 05.11.2015 - L 2 AS 1723/15 B ER, zur Veröffentlichung vorgesehen). Dies setzt bei erstmaliger außerordentlicher Kündigung des Mietvertrages zumindest ein auf Räumung der Wohnung gerichtetes konkretes Handeln des Vermieters voraus (ständige Rechtsprechung des erkennenden Senates, vgl. zuletzt Beschluss vom 17.11.2015, L 2 AS 1821/15 B ER, bei juris Rn. 4 f., und Beschluss vom 03.11.2015 - L 2 AS 1101/15 B ER, L 2 AS 1102/15 B, bei juris Rn. 5 m.w.N.).

Anhaltspunkte für eine dem Antragsteller aktuell drohende Obdachlosigkeit liegen derzeit nicht vor. Zwar hat der Vermieter des Antragstellers am 24.08.2015 bei dem Amtsgericht C (Az.: 26 C 00/15) Räumungsklage gegen ihn erhoben. Diese leidet jedoch nach dem Vortrag des anwaltlich vertretenen Antragstellers unter dem Mangel, dass zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung noch kein Mietrückstand mit zwei vollen Monatsmieten bestanden hat, da der Antragsteller einen Teilbetrag in Höhe von 100,00 EUR für den Monat August 2015 geleistet hat. Daher ist die Kündigung zur Überzeugung des Antragsstellers unwirksam, selbst wenn - weil möglicherweise weiterer Mietzahlungen nicht geleistet wurden - eine erneute Kündigung erklärt werden könnte. Die bloße Existenz von Mietschulden rechtfertigt bei in der Hauptsache noch ungeklärter Anspruchsberechtigung nicht den Einsatz öffentlicher Mittel, deren Wiedererlangung auch bei Gewährung als Darlehen keinesfalls sichergestellt ist. Insofern ist vorliegend zu bedenken, dass wegen der bereits zuvor Anfang 2015 erklärten Wohnraumkündigung, die wegen einer vollständigen Übernahme der Mietrückstände durch den Antragsgegner unwirksam wurde, eine Unwirksamkeit der nunmehr ausgesprochenen Kündigung selbst bei Ausgleich sämtlicher Mietrückstände gar nicht mehr erreicht werden könnte, vgl. § 569 Abs. 3 Nr. 2 Satz 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB).

Darüber hinaus hat der Senat aber auch erhebliche Zweifel, ob ein Anordnungsanspruch besteht. Mit dem Sozialgericht Köln, das mit Beschluss vom 24.11.2015 (Az. S 33 AS 3577/15 ER) den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung, bezogen auf den Zeitraum ab dem 01.10.2015, abgelehnt hat und dessen Begründung sich der Senat zu Eigen macht, ist der Senat der Auffassung, dass der Antragsteller durch sein Verhalten die Aufklärung des Sachverhalts, insbesondere im Hinblick auf das Bestehen von Hilfebedürftigkeit, unmöglich macht.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung der §§ 183, 193 SGG.

Eine Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren konnte wegen fehlender hinreichender Erfolgsaussichten nicht erfolgen.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 177 SGG.
Rechtskraft
Aus
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