S 7 AS 2233/12

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
SG Dessau-Roßlau (SAN)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
7
1. Instanz
SG Dessau-Roßlau (SAN)
Aktenzeichen
S 7 AS 2233/12
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Der Bescheid des Beklagten vom 30.03.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.08.2012 wird insoweit aufgehoben, als der Beklagte den Antrag der Klägerin auf Gewährung von Leistungen nach dem SGB II für den Monat Mai 2012 ablehnt. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin im Zeitraum 01.05.2012 bis 31.05.2012 Leistungen in Höhe von 34,92 EUR zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Der Beklagte hat der Klägerin 1/10 der notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten im Verfahren um die Gewährung von Leistungen der Grundsicherung nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).

Die am ... 1952 geborene Klägerin wohnte in einem Einfamilienhaus in T. Das Grundstück stand im Eigentum der Eltern ihres Ehemannes. Nach dem Versterben der Eltern und später des Ehemannes und dessen Brüder werden von deren Rechtsnachfolgern Rechtstreitigkeiten über das Bestehen von Miteigentumsanteilen geführt. Die Klägerin bewohnte das Haus weiter und trug sämtliche Kosten des Hauses und des Grundstücks allein.

Die Klägerin stand beim Beklagten im laufenden Leistungsbezug seit 2005. Am 14.02.2012 beantragte die Klägerin beim Beklagten erneut Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Im Antrag gab sie in der Anlage EK an, eine Witwenrente in Höhe von 554,14 EUR zu beziehen und legte auszugsweise einen Bescheid der Deutschen Rentenversicherung vom 18.05.2011 vor. Vermögen gab die Klägerin auf ihrem Sparkassenkonto in Höhe von 951,24 EUR sowie einen Pkw Ford Fiesta, Baujahr 1996 an. Aufwendungen für Unterkunft wies die Klägerin für Grundbesitzabgaben in Höhe von 27,61 EUR mit Fälligkeit am 15.02.2012 und in Höhe von 27,58 EUR mit Fälligkeit am 15.05.2012 sowie nachfolgend vierteljährlich; Trinkwasservorauszahlungen aus dem Gebührenbescheid vom 12.01.2012 in Höhe von 20,26 EUR im Februar 2012 sowie nachfolgend in Höhe von 28,00 EUR zweimonatlich fällig werdend; Abwasservorauszahlungen im März 2012 in Höhe von 53,36 EUR, nachfolgend quartalsweise ab Mai 2012 in Höhe von 70,00 EUR; einen am 04.03.2012 fälligen Beitrag zur Wohngebäudeversicherung in Höhe von 52,39 EUR; einen monatlichen Festbetrag für einen Wärmekontovertrag in Höhe von 30,00 EUR sowie weitere Rechnungen mit Fälligkeiten im Jahr 2011 nach. Die Klägerin legte einen Nachweis über ihre Kfz-Haftpflichtversicherung vor, aus der bei vierteiljährlicher Zahlweise für das erste Quartal 2012 ein Beitrag in Höhe von 53,05 EUR und in Höhe von 22,25 EUR für die Kaskoversicherung mit Fälligkeit im Januar erhoben wurde.

Mit Bescheid vom 30.03.2012 lehnte der Beklagte den Antrag der Klägerin auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ab. Aufgrund der Höhe des anzurechnenden Einkommens sei die Klägerin nicht hilfebedürftig. Sie habe daher keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Dem Bescheid angefügt war eine Horizontalübersicht der Berechnung des Anspruchs, auf der der Monat "Februar 2012 bis 07/12" vermerkt war. Am 20.04.2012 erhob die Klägerin hiergegen Widerspruch. Die Ablehnung sei zu Unrecht erfolgt. Heizkosten dürften nicht auf die Monate im Bedarfszeitraum aufgeteilt werden, sondern seien bei tatsächlichem Anfall zu zahlen. Die Klägerin müsse Heizöl nachtanken. Es sei aktuell Heizkostenbedarf gegeben. Mit Widerspruchsbescheid vom 02.08.2012 wies der Beklagte den Widerspruch der Klägerin als unbegründet zurück. Der Beklagte führte zur Begründung aus, das Einkommen übersteige den Bedarf. Heizkosten seien aus dem Wärmekontovertrag berücksichtigt. Die weiteren vorgelegten Heizkostenabrechnungen seien vor Antragstellung fällig und haben keine Berücksichtigung finden können. Allein durch den Bezug von Heizmaterial in größeren Abständen könne keine Hilfebedürftigkeit herbeigeführt werden, wenn mit dem vorhandenen Einkommen bei monatlicher Umrechnung auf den Bedarf diese Kosten gedeckt werden könnten. In diesen Fällen sei es dem Leistungsberechtigten zuzumuten, die Heizkosten aus Ansparungen zu tätigen.

Mit ihrer am 03.09.2012 vor dem Sozialgericht Dessau-Roßlau erhobenen Klage begehrt die Klägerin die Gewährung von Leistungen nach dem SGB II. Die Klägerin meint, ihr stehe ein Leistungsanspruch zu, da bereits die Höhe der Regelleistung mit dem Grundgesetz nicht vereinbar sei. Mit Schriftsatz vom 15.04.2014 trägt die Klägerin erstmals vor, bei dem Einkommen sei nur die Versicherungspauschale in Abzug gebracht, zusätzlich sei der Beitrag für die Kfz-Versicherung von 25,10 EUR in Abzug zu bringen. Die monatlichen Kosten der Unterkunft und Heizung seien durch den Beklagten fehlerhaft berechnet.

Seit dem 1. März 2015 bezieht die Klägerin Altersrente.

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid des Beklagten vom 30.03.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.08.2012 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, der Klägerin im Zeitraum 01.02.2012 bis 28.02.2015 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte verweist auf seine Ausführungen im angefochtenen Widerspruchsbescheid. Er meint, hinsichtlich der Bewilligung eines Regelbedarfs bestünden keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Der Beklagte habe Zweifel, ob vorliegend überhaupt noch die Kosten der Unterkunft problematisiert werden könnten, da mit der Klagebegründung ausschließlich die Verfassungswidrigkeit der Regelsätze als abtrennbarer Streitgegenstand angegriffen worden sei. Es liege keine unbegrenzte Ablehnung vor, da der angegriffene Bescheid Berechnungsbögen enthielt für die Berechnung des Leistungszeitraumes Februar 2012 bis Juli 2012. Auf diesen Zeitraum sei die Ablehnung begrenzt.

Die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte des Beklagten haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Sachvortrages der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte ergänzend verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist im tenorierten Umfang begründet.

I.

Streitgegenstand ist vorliegend der Bescheid des Beklagten vom 30.03.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.08.2012. Dieser betrifft die Ablehnung von Grundsicherungsleistungen. Nach Auffassung der Kammer ist dabei nur der Zeitraum vom 01.02.2012 bis 31.07.2012 streitgegenständlich. Der Bescheid vom 30.03.2012 trifft eine Regelung nur für den genannten Zeitraum. Folgezeiträume über einen Bewilligungsabschnitt von sechs Monaten hinaus sind nur Gegenstand eines Klageverfahrens, wenn die Leistung ohne zeitliche Begrenzung abgelehnt und der Streitgegenstand nicht beschränkt worden ist (Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 07.11.2006, B 7b AS 16/06 R). Ob eine zeitlich begrenzte Ablehnung erfolgte, ist vorliegend durch Auslegung zu ermitteln. Ausgangspunkt ist, dass gemäß § 41 Abs. 1 Satz 4 SGB II Leistungen jeweils für sechs Monate bewilligt werden sollen. Der Bewilligungszeitraum kann nach Satz 5 auf bis zu zwölf Monate verlängert werden, bei Berechtigten, bei denen eine Veränderung der Verhältnisse in diesem Zeitraum nicht zu erwarten ist. Im Verfügungssatz des Bescheides vom 30.03.2012 lehnt dieser den Antrag der Klägerin hinsichtlich einer Leistungsgewährung ab, ohne einen konkreten Zeitraum der ablehnenden Entscheidung zu benennen. Zur Auslegung des Verfügungssatzes kann auf die Begründung des Verwaltungsaktes einschließlich beigefügter Anlagen zurückgegriffen werden (vgl. BSG, Urteil vom 10.09.2013, B 4 AS 89/12 R). Abzustellen ist auf die Erkenntnismöglichkeit eines verständigen, objektiven Erklärungsempfängers. Der Bescheid enthielt am Ende der Begründung der behördlichen Entscheidung im Fettdruck den Hinweis auf den Berechnungsbogen. Dieser war dem Bescheid beigefügt. Die Horizontalübersicht (als Berechnungsbogen) wies eine Anspruchsberechnung für Februar bis Juli 2012 augenfällig aus. Einem verständigen objektiven Erklärungsempfänger stellt sich damit eindeutig dar, dass der Beklagte nur für diese Monate eine Leistungsberechnung vorgenommen hat und die ablehnende Entscheidung sich nur auf diese Monate erstreckt. Der Klägerin war zudem aus den Vorbezugszeiten von Grundsicherungsleistungen bekannt, dass diese Leistungen nur für einen begrenzten Zeitraum gewährt werden und nach Ablauf der einzelnen Bewilligungszeiträume ein neuer Antrag zu stellen ist.

Streitgegenständlich ist der gesamte Bescheid vom 30.03.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.08.2012 und nicht nur der grundsätzlich abtrennbare Regelungsgegenstand des Regelbedarfes. Der in der Klageschrift vom 03.09.2012 formulierte Klageantrag bezieht sich auf die Aufhebung des Bescheides und die Gewährung von Leistungen nach dem SGB II. Allein die Ausführungen in der Klagebegründung zur Höhe der Regelleistung haben den Streitgegenstand nicht auf diese abtrennbare Verfügung begrenzt. Jede Beschränkung des Streitgegenstands setzt aus Gründen der Rechtsklarheit und im Hinblick darauf, dass die Kläger im Zweifel das für sie Günstigste begehren, eine unzweifelhafte und ausdrückliche Erklärung der Kläger voraus (BSG, Urteil vom 07.11.2006, B 7b AS 08/06 R). Eine solche liegt nicht vor. Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat in der Klageschrift zur weiteren Begründung in der Sache Akteneinsicht in die Verwaltungsakte beantragt. Weder dem Antrag noch der Begründung der Klage kann eine Beschränkung der Klage auf den Gegenstand des Regelbedarfes eindeutig entnommen werden.

II.

Der Bescheid des Beklagten vom 30.03.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.08.2012 ist hinsichtlich der Ablehnung einer Leistungsgewährung im Monat Mai 2012 rechtswidrig und verletzt insoweit die Klägerin in ihren Rechten, § 54 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Die Klägerin hat im Mai 2012 einen Anspruch auf Grundsicherungsleistungen in Höhe von 34,92 EUR. Im Übrigen ist der Bescheid rechtmäßig.

Die Klägerin erfüllt im streitigen Zeitraum nur im Monat Mai 2012 die Voraussetzungen für die Gewährung von Arbeitslosengeld II.

Gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II erhält Leistungen nach diesem Buch, wer das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze von § 7a SGB II noch nicht erreicht hat, erwerbsfähig und hilfebedürftig ist und seinen gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland hat. Die Klägerin ist im streitigen Zeitraum im passenden Alter und hat ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland. Anhaltspunkte, die gegen eine Erwerbsfähigkeit sprechen, sind weder ersichtlich noch vorgetragen.

Die Klägerin ist in dem o. g. Zeitraum nur im Monat Mai hilfebedürftig. Gemäß § 9 Abs. 1 SGB II ist hilfebedürftig, wer seinen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen, erhält. Die Klägerin konnte in den Monaten Februar bis April und Juni bis Juli 2012 ihren Bedarf aus Einkommen decken. Vermögen zur Bestreitung des Lebensunterhalts war nicht zu berücksichtigen, da die im Antrag angegebenen Vermögenswerte die nach § 12 Abs. 2 SGB II abzusetzenden Freibeträge nicht übersteigen und das selbst genutzte Hausgrundstück von angemessener Größe gemäß § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 SGB II sowie aufgrund der Erbstreitigkeiten nicht verwertbar war.

Im Mai 2012 errechnet sich ein Anspruch der Klägerin auf Arbeitslosengeld II in Höhe von 34,92 EUR. Das Arbeitslosengeld II nach § 19 Abs. 1 Satz 1 SGB II umfasst den Regelbedarf, Mehrbedarfe und den Bedarf für Unterkunft und Heizung, § 19 Abs. 1 Satz 3 SGB II.

Der Beklagte hat den Regelbedarf gemäß § 20 Abs. 2 Satz 1, Abs. 5 SGB II mit 374,00 EUR monatlich bestimmt. Der Auffassung der Klägerin, dass dieser Bedarf in verfassungswidriger Weise zu gering bestimmt sei, kann nicht gefolgt werden. Die vom Gesetzgeber für die Zeit ab dem 01.01.2011 neu festgesetzte Höhe der Regelbedarfe für Volljährige ist nicht in verfassungswidriger Weise zu niedrig bemessen und genügt den Vorgaben von Art. 1 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Grundgesetz (GG). Die Kammer verweist zur Begründung auf die Urteile des BSG vom 12.07.2012, B 14 AS 153/11 R und vom 28.03.2013, B 4 AS 12/12 R sowie auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 23.07.2014, 1 BvL 10/12, 1 BvL 12/12, 1 BvR 1691/13. In Letzterem Urteil hat das BVerfG insbesondere ausführlich dargestellt, dass die Ermittlung der Regelbedarfe sich mit der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS) im Ausgangspunkt auf geeignete empirische Daten stütze und die vom Gesetzgeber getroffene Auswahl der für die Ermittlung des Regelbedarfs zu berücksichtigenden Referenzhaushalte von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden sei. Auch die Herausnahme einzelner Positionen der EVS aus der Berechnung des Regelbedarfs begegne keinen durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken; es handle sich um wertende Entscheidungen des Gesetzgebers im Rahmen des ihm zustehenden Ausgestaltungsspielraums. Soweit allerdings erkennbar sei, dass aufgrund derartiger Entscheidungen eine Gefahr der Unterdeckung entstehe, müsse der Gesetzgeber dies ausgleichen.

Zum Regelbedarf hinzu kommen Bedarfe für die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung. Gemäß § 22 Abs. 1 SGB II werden Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind. In erster Linie kommen Kosten im Zusammenhang mit der Unterkunft selbst in Betracht, im Regelfall also der Mietzins nebst Nebenkosten. Erfasst werden sowohl die laufenden als auch einmaligen Aufwendungen, die dem Hilfeempfänger für seine Unterkunft entstehen. Diese Grundsätze sind ebenfalls bei selbst genutztem Eigentum heranzuziehen. Maßgeblich ist danach, welche Aufwendungen notwendig sind, um den Unterkunftsbedarf nachhaltig zu sichern. Die Ermittlung der Bedarfe für Unterkunft und Heizung hat monatsweise nach dem aktuellen Bedarf im Zeitpunkt ihrer Fälligkeit zu erfolgen und ist nicht auf längere Zeitraume zu verteilen (BSG, Urteil vom 22.08.2012, B 14 AS 1/12 R). Nur im Rahmen der Prüfung der Angemessenheit bei der Nutzung von Eigenheimen und Eigentumswohnungen ist auf die im Kalenderjahr anfallenden Kosten abzustellen, weil vor allem die Betriebskosten für Eigenheime (etwa Grundsteuern, Beiträge zu Versicherungen) nicht monatlich, sondern gegebenenfalls jährlich, halbjährlich oder vierteljährlich anfallen (BSG, Urteil vom 29.11.2012, B 14 AS 36/12 R). Die jährliche Berechnungsweise des Beklagten mit Aufteilung aller Kosten auf zwölf Monate ist zu beanstanden. Ausgehend von den vorgenannten Grundsätzen ergeben sich unter Berücksichtigung der im Tatbestand aufgeführten Nachweise im Februar 2012 Aufwendungen für Unterkunfts- und Heizkosten in Höhe von 77,87 EUR (30,00 EUR Heizkosten aus Wärmekontovertrag, 20,26 EUR Trinkwasserabschlag, 27,61 EUR Grundsteuer), im März 2012 in Höhe von 135,75 EUR (30,00 EUR Heizkosten aus Wärmekontovertrag, 53,36 EUR Abwasserabschlag, 52,39 EUR Wohngebäudeversicherung), im April 2012 in Höhe von 58,00 EUR (30,00 EUR Heizkosten aus Wärmekontovertrag, 28,00 EUR Trinkwasserabschlag), im Mai 2012 in Höhe von 185,06 EUR (30,00 EUR Heizkosten aus Wärmekontovertrag, 70,00 EUR Abwasserabschlag, 27,58 EUR Grundsteuer, 57,48 EUR Schornsteinfegergebühren), im Juni 2012 in Höhe von 58,00 EUR (entspricht dem Bedarf im April) und im Juli 2012 in Höhe von 60,78EUR (30,00 EUR Heizkosten aus Wärmekontovertrag sowie 30,78 EUR Abfallgebühren).

Der Gesamtbedarf der Klägerin ergibt sich wie folgt:

451,87 EUR (02/12) 509,75 EUR (03/12) 432,00 EUR (04/12) 559,06 EUR (05/12) 432,00 EUR (06/12) 434,78 EUR (07/12).

Auf den Gesamtbedarf der Klägerin ist gemäß § 9 Abs. 1 SGB II das zu berücksichtigendes Einkommen anzurechnen, § 19 Satz 3 SGB II. Als Einkommen zu berücksichtigen sind Einnahmen in Geld oder Geldeswert abzüglich der nach § 11b SGB II abzusetzenden Beträge mit Ausnahme der in § 11a SGB II genannten Einnahmen, § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II. Gemäß § 11 Abs. 2 Satz 1 SGB II sind laufende Einnahmen für den Monat zu berücksichtigen, in dem sie zufließen. Die Klägerin bezog von der Deutschen Rentenversicherung eine laufende Hinterbliebenenrente in Höhe von 554,14 EUR.

Vom Einkommen sind abzusetzen Beiträge zu öffentlichen oder privaten Versicherungen oder ähnlichen Einrichtungen, soweit diese Beiträge gesetzlich vorgeschrieben oder nach Grund und Höhe angemessen sind, § 11b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB II. Zu berücksichtigen ist zunächst ein Pauschbetrag für private Versicherungsverträge nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 der Verordnung zur Berechnung von Einkommen sowie zur Nichtberücksichtigung von Einkommen und Vermögen beim Arbeitslosengeld II/Sozialgeld (ALG II-V) in Höhe von 30,00 EUR.

Weiterhin ist das Einkommen der Klägerin in den Monaten April und Juli 2012 um die Beiträge für die Kfz-Haftpflichtversicherung in Höhe von 53,05 EUR als gesetzlich vorgeschriebener Versicherungsbeitrag zu bereinigen. Nach Auffassung der Kammer erfolgt eine Absetzung des Kfz-Haftpflichtversicherungsbeitrages im Monat seiner Fälligkeit. Die bisher gängige Praxis des Beklagten, wonach der Beitrag monatsweise umgelegt und monatlich abgesetzt wird, entspricht nicht dem im Grundsicherungsrecht geltenden Bedarfsprinzip. In der Rechtsprechung des BSG wird immer wieder das Monatsprinzip betont (vgl. BSG, Urteil vom 20.2.2014, B 14 AS 53/12 R; Urteil vom 22.8.2013, B 14 AS 78/12 R; Urteil vom 30.7.2008, B 14 AS 26/07 R; Beschluss vom 23.11.2006, B 11b AS 17/06 B; zur Abgrenzung von Einkommen und Vermögen im Zusammenhang mit der Festlegung des sog. Verteilzeitraums bei Zufluss einmaliger Einnahmen vgl. auch BSG, Urteil vom 30.9.2008, B 4 AS 29/07 R). Der Arbeitslosengeld II Anspruch ist auf eine kalendermonatsweise Betrachtung angelegt, wie bereits die in § 41 Abs. 1 SGB II normierte Festlegung der Berechnungs- und Leistungsabschnitte auf einen Kalendermonat zeigt. Zudem wird der Regelbedarf nach § 20 SGB II als Leistung je Kalendermonat ausgewiesen und die Ermittlung der Bedarfe für Unterkunft und Heizung im Sinne von § 22 SGB II hat monatsweise zu erfolgen. Die § 11 Abs. 2 und 3 SGB II stellen hinsichtlich der Anrechnung von Einkommen auf den Zufluss von Einnahmen innerhalb eines Kalendermonats ab und § 11b Abs. 3 SGB II sieht einen vom monatlichen Erwerbseinkommen abzusetzenden Freibetrag vor. In Anwendung des Zuflussprinzips bei der Einkommensanrechnung ist auch eine Absetzung der tatsächlich im jeweiligen Monat abfließenden Ausgaben erforderlich, um den in dem jeweiligen Monat bestehenden gegenwärtigen Anspruch zu ermitteln (so auch Sozialgericht [SG] Berlin, Urteil vom 23.01.2015, S 37 AS 238/14). Dass diese Berechnungsweise ggf. dazu führt, dass eine Absetzung unterbleibt, wenn im Monat der Fälligkeit der Beiträge kein Einkommen erzielt wird, oder ein Jahresbeitrag nur einmalig zu geringerem anzurechnenden Einkommen über das Jahr gesehen wird, ist hinzunehmen und Konsequenz und Ausdruck des Bedarfsprinzips.

Für eine pauschalierte Anrechnung bedarf es nach Auffassung der Kammer einer ausdrücklichen Regelung, die im Gestaltungsspielraum des Gesetz-/Verordnungsgebers liegt. Im Referentenentwurf des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales, Entwurf eines Neunten Gesetzes zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch-Rechtsvereinfachung vom 21.10.2015, Seite 19, ist geplant, § 6 Abs. 1 Nr. 3 ALG II-V zu ändern und wie folgt neu zu regeln: Als Pauschbeträge sind abzusetzen "3. von dem Einkommen Leistungsberechtigter monatlich ein Betrag in Höhe eines Zwölftels der zum Zeitpunkt der Entscheidung nachgewiesenen Jahresbeiträge zu gesetzlich vorgeschriebenen Versicherungen nach § 11b Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch". Unter Zugrundelegung der Rechtslage im streitigen Zeitraum war keine gesetzliche Grundlage vorhanden, die Absetzung der tatsächlichen Beiträge über das Jahr gesehen zu pauschalieren auch wenn im Referentenentwurf in der Begründung von einer Klarstellung der Pauschalierung ausgegangen wird. Gleichzeitig wird die vorgeschlagene Änderung aber auch mit der Aufnahme von Erfahrungen der Praxis begründet.

Auch aus der Regelung zur Pauschalierung und gleichmäßigen Verteilung der Versicherungsbeiträge für private Versicherungen nach § 6 Abs. 1 Nr. 3 ALG II-V (in der im streitigen Zeitraum gültigen Fassung) kann nicht abgeleitet werden, dass die gesetzlich vorgeschriebenen gesondert abzusetzenden Versicherungsbeiträge pauschal auf das Jahr verteilt werden sollen (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 11.06.2014, L 2 AS 275/14 B, L2 AS 446/14 NZB). Mit dem festgelegten Betrag von 30,00 EUR sollen die Beiträge zu privaten Versicherungen abgedeckt werden, die bei in einfachen wirtschaftlichen Verhältnissen lebenden Bürgern in Deutschland allgemein üblich sind. Das BSG hat diese Pauschale als verfassungsgemäß angesehen, soweit von der Pauschale nicht die Beiträge zu gesetzlich vorgeschriebenen privaten Versicherungen erfasst sind, die nach § 11 Abs. 2 Nr. 3 SGB II a. F. gesondert vom Einkommen absetzbar sind und hierzu auch die Beiträge zu einer Kfz-Haftpflichtversicherung gezählt werden (BSG, Urteil vom 07.11.2006. B 7b AS 18/06 R). Die Entlastung der Verwaltung hinsichtlich der Prüfung und Ermittlung der Üblichkeit und Angemessenheit der einzelnen Versicherungen, die zu der Regelung der 30 EUR Pauschale geführt haben, ist jedoch nicht bei einer gesetzlich vorgeschriebenen Versicherung unter Berücksichtigung deren tatsächlichen Höhe erforderlich. Aufgrund der gesonderten Absetzbarkeit dieser Versicherungsbeiträge werden diese nicht von der Vorschrift erfasst. Eine pauschalierte Absetzung ohne gesetzliche Grundlage ist für diese Beiträge nicht vorzunehmen.

Hinzu kommt, dass das Ziel der Sicherstellung monatlich gleichbleibender Leistungen (vgl. z. B. BT-Drs. 15/1516, Seite 63) durch die von der höchstrichterlichen Rechtsprechung aufgestellten Maxime der Berücksichtigung der Bedarfe nach Fälligkeit (z. B. für Unterkunft und Heizung), vielfach schwankender Einkommen der Leistungsberechtigten und bei Anwendung des Monatsprinzips kaum noch zu erreichen ist. Die jährliche Verteilung der Kfz-Versicherungsbeiträge führt daher entgegen des Bedarfsprinzips zu einer Abweichung von den bisher aufgestellten und angewandten Strukturprinzipien, die eine Unterdeckung des Existenzminimums verhindern sollen. Ein Bestreiten einmaliger höherer Beiträge aus über das Jahr hin angesparten Mitteln (so LSG Nordrhein-Westfalen a. a. O.) ist nicht zu fordern.

Nicht gesondert zu berücksichtigen ist die Kasko-Versicherung, da es sich nicht um eine gesetzlich vorgeschriebene Versicherung handelt. Diese Versicherung ergänzt den Versicherungsschutz für das von der Klägerin gehaltene Fahrzeug und ist als private Versicherung in der Pauschale für private Versicherungsbeiträge nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 ALG II-V mit enthalten.

Das auf den Bedarf anzurechnende Einkommen beträgt nach Bereinigung in den einzelnen Monaten:

524,14 EUR (02/12) 524,14 EUR (03/12) 471,09 EUR (04/12) 524,14 EUR (05/12) 524,14 EUR (06/12) 471,09 EUR (07/12).

Damit ergibt sich ein Anspruch nur im Mai 2012 in Höhe von 34,92 EUR. In den weiteren Monaten übersteigt das Einkommen den Bedarf, so dass eine Hilfebedürftigkeit der Klägerin zu verneinen ist.

Auch wenn die Klägerin überwiegend aus dem Leistungsbezug aufgrund des bedarfsdeckenden Einkommens herausfällt, meint die Kammer, dass der Klägerin auch für den einzelnen Monat die ermittelte Leistung zu gewähren ist. Ausgangspunkt ist auch hier die kalendermonatsweise Betrachtung der Berechnung und Erbringung der Leistungen nach dem SGB II. Die Kammer sieht keine gesetzliche Grundlage, die eine Anrechnung von bedarfsübersteigendem Einkommen aus Vormonaten oder eine jährliche Betrachtungsweise rechtfertigen würde. Eine Ansparung übersteigenden Einkommens für defizitäre Folgemonate entspräche zwar dem Vorgehen anderer einkommensschwacher Personen, kann jedoch im Rahmen der Existenzsichernden Leistungen nicht vom Leistungsberechtigten ohne gesetzliche Regelung gefordert werden. Bei unwirtschaftlichem Verhalten, z. B. bei selbstbestimmter Generierung eines hohen einmaligen Heizkostenbedarfs käme die Anwendung des § 34 SGB II (Ersatzansprüche bei sozialwidrigem Verhalten) in Betracht. Im vorliegenden Fall bestünde jedoch keinerlei Anhaltspunkt für die Anwendung dieser Norm.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG und berücksichtigt den Ausgang des Verfahrens.
Rechtskraft
Aus
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