S 8 AS 984/15

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
SG Augsburg (FSB)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
8
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 8 AS 984/15
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Keine Publikationspflicht für Unterkunftskostenkonzept, zudem Rügeobliegenheit
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Klägerinnen Anspruch auf höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts vom 1. Mai bis zum 31. Oktober 2015 haben, indem die tatsächlichen Kosten der Unterkunft anzusetzen sind.

Die 1968 geborene Klägerin zu 1 und ihre 1996 geborene Tochter, die Klägerin zu 2, beziehen seit Längerem laufende Leistungen zum Lebensunterhalt vom Beklagten. Seit Mitte März 2009 bewohnen sie eine 3-Zimmer-Wohnung mit knapp 76qm, für die monatlich 405 EUR Grundmiete und 67,50 EUR an Nebenkosten zu entrichten sind.

Unter dem 30. Juni 2014 forderte der Beklagte die Klägerinnen zur Senkung ihrer Unterkunftskosten auf maximal 254,80 EUR Kaltmiete und 79,95 EUR Nebenkosten, zusammen 334,75 EUR, monatlich bis 1. Januar 2015 auf. Diese Werte seien nach dem seit 1. Januar 2014 angewandten Konzept zur Feststellung der Angemessenheit von Unterkunftskosten im Landkreis Günzburg (im Folgenden: Konzept) die maximal angemessenen Werte für eine zweiköpfige Bedarfsgemeinschaft.

Das Konzept des Beklagten ordnet - mittels einer sogenannten Clusteranalyse verschiedener Indikatoren - alle Gemeinden im Bezirk des Beklagten einem von drei Wohnungsmarkttypen zu. Für die einzelnen Typen ergeben sich unterschiedliche maximale Bruttokaltmieten. Bezogen auf einen Zwei-Personen-Haushalt ist nach dem Konzept für den Wohnungsmarkttyp II eine Bruttokaltmiete von 372,45 EUR und für den Wohnungsmarkttyp III von 334,75 EUR noch angemessen.

Mit Bescheid vom 10. April 2015 bewilligte der Beklagte den Klägerinnen Arbeitslosengeld II für den Zeitraum Mai bis Oktober 2015. An Kosten der Unterkunft wurden dabei 334,75 EUR berücksichtigt.

Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 26. August 2015 zurückgewiesen. Das Konzept sei schlüssig. Die Datenerhebung sei über den gesamten Landkreis erfolgt. Innerhalb dessen seien die Gemeinden in verschiedene Wohnungsmarkttypen eingeteilt worden, wenn sie sich strukturell ähnelten. Die Gruppierung sei nicht willkürlich erfolgt, sondern mittels Clusteranalyse. Selbst wenn man für die Wohngemeinde der Kläger den Wohnungsmarkttyp II annehmen würde, wären die tatsächlichen Kosten der Unterkunft unangemessen hoch.

Dagegen haben die Klägerinnen durch ihren Prozessbevollmächtigten am 8. September 2015 Klage zum Sozialgericht Augsburg erheben lassen. Die klägerische Wohnung sei nicht unangemessen. Auf das seit 1. Januar 2014 gültige Konzept könne sich der Beklagte nicht berufen, weil dieses nicht schlüssig sei. Es fehle an Repräsentativität und Validität der Datenerhebung. Der Wohnort der Klägerinnen, A-Stadt, werde dem Wohnungsmarkttyp III zugeordnet und mit ländlichen Gemeinden gleichgestellt. Hierbei werde die höchst unterschiedliche Struktur verkannt. A-Stadt weise eine höchst unterschiedliche Struktur auf, von ländlich geprägt bis zu dicht bebauten Ortsteilen. Die ausschließliche Zuordnung zum Wohnungsmarkttyp III sei daher methodisch fehlerhaft. Ebenso wenig könne die Verwaltungsgemeinschaft T. dem Wohnungsmarkttyp II zugeordnet werden, weil sie neben städtisch geprägten Teilen auch ländlich geprägte Gebiete umfasse. Richtigerweise hätte A-Stadt dem Wohnungsmarkttyp II des Konzepts zugeordnet werden müssen. Insofern sei eine Nettomiete von 3,92 EUR/qm methodisch fehlerhaft ermittelt worden. Zudem seien keine angemessenen Wohnungen für die Kläger tatsächlich verfügbar gewesen.

Der Beklagte hat seine Entscheidung, namentlich das Konzept, als schlüssig verteidigt.

Für die Klägerinnen wird beantragt:

Der Beklagte wird unter Abänderung seines Bescheids vom 10. April 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26. August 2015 verpflichtet, den Klägerinnen für den Zeitraum Mai bis Oktober 2015 höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts zu bewilligen.

Für den Beklagten wird beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Ergänzung des Tatbestands wird auf den Inhalt der Gerichts- und Behördenakten sowie die Niederschrift Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg.

Der Bescheid des Beklagten vom 10. April 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26. August 2015 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerinnen nicht in ihren Rechten. Denn die Klägerinnen haben im Zeitraum vom 1. Mai bis zum 31. Oktober 2015 keinen höheren Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts als bereits vom Beklagten bewilligt.

Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach § 19 Abs. 1 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitssuchende - (SGB II) umfassen zum einen die Regelbedarfe nach § 20 SGB II, vornehmlich in Form eines altersstufenabhängigen Regelbedarfs, und zum anderen die Bedarfe für Unterkunft und Heizung, § 22 SGB II. Hinzu kommen gegebenenfalls noch Mehrbedarfe oder unabweisbare Bedarfe; dergleichen kommt vorliegend aber nicht infrage.

Was die Kosten für Unterkunft und Heizung anbelangt, schreibt § 22 Abs. 1 SGB II vor, dass diese in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt werden, soweit diese angemessen sind. Sie sind als Bedarf außerdem so lange anzuerkennen, als es dem Leistungsberechtigten bzw. der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate.

Die Prüfung der Angemessenheit unterliegt der vollen gerichtlichen Kontrolle. Dabei werden die Kaltmiete und die Betriebs- bzw. Nebenkosten ohne die Heizkosten (sogenannte kalte Betriebskosten) auf der einen und die Heizkosten auf der anderen Seite gesondert betrachtet. Die Prüfung der Aufwendungen für die Unterkunft erfolgt unter Berücksichtigung des allgemeinen Gleichheitssatzes nach einheitlichen Kriterien in mehreren Stufen unter Zugrundelegung der sogenannten Produkttheorie (vgl. zum Ganzen BSG, Urteile vom 18. November 2014, B 4 AS 9/14 R, und vom 10. September 2013, B 4 AS 77/12 R). Zunächst wird ermittelt, ob die tatsächlichen Kosten dem entsprechen, was für eine nach abstrakten Kriterien angemessene Unterkunft aufzuwenden wäre. Dazu ist in einem ersten Schritt zu bestimmen, welche Wohnungsgröße für die Bedarfsgemeinschaft abstrakt angemessen ist. Das orientiert sich an den jeweiligen landesrechtlichen Vorschriften zum sozialen Wohnungsbau, in Bayern den Verwaltungsvorschriften zum Vollzug des Wohnungsbindungsrechts (VVWOBindR - Bekanntmachung des Bayer. Staatsministeriums des Innern vom 27. Februar 2013, AllMBl. S. 133). Nachfolgend ist der abstrakt angemessene Preis, der pro Quadratmeter anzusetzen ist, zu ermitteln. Dabei ist auf Wohnungsstandards im Vergleichsraum im unteren Bereich abzustellen. Die Wohnung muss nach Ausstattung, Lage und Bausubstanz einfachen und grundlegenden Anforderungen genügen und darf keinen gehobenen Wohnstandard aufweisen. Wohnungen gehobenen Standards gehören von vornherein nicht zu dem Wohnungsbestand, der überhaupt für die Bestimmung der Vergleichsmiete abzubilden ist. Die Merkmale Ausstattung, Lage und Bausubstanz müssen im Ergebnis (insofern besteht Methodenfreiheit) beachtet werden. Der zu bildende Vergleichsraum muss genügend groß gewählt werden, aber aufgrund seiner räumlichen Nähe, seiner Infrastruktur und insbesondere seiner verkehrstechnischen Verbundenheit noch einen insgesamt betrachtet homogenen Lebens- und Wohnbereich bilden.

Im Anschluss ist aus dem Produkt der so ermittelten abstrakt angemessenen Werte für Wohnungsgröße und Quadratmetermietzins die Vergleichsmiete zu errechnen.

Den für die Bildung der Vergleichsmiete heranzuziehenden angemessenen Quadratmetermietzins hat vorrangig das örtlich zuständige Jobcenter für seinen Bereich zu ermitteln. Falls diesbezügliche Erkenntnismöglichkeiten und - mittel fehlen, kann auf die Werte nach § 12 des Wohngeldgesetzes (WoGG) zuzüglich eines Zuschlages von 10% zurückgegriffen werden.

Bei der Ermittlung des angemessenen Wertes pro Quadratmeter muss das Jobcenter nach einem Konzept vorgehen, das die hinreichende Gewähr dafür bietet, dass es die aktuellen Verhältnisse auf dem relevanten (örtlichen) (Miet-)Wohnungsmarkt widerspiegelt, somit ein "schlüssiges Konzept" darstellt. Alle Leistungsberechtigten müssen danach in der Lage sein, eine zugleich bedarfsgerechte als auch kostenangemessene Wohnung zu finden. Das Bundessozialgericht (BSG) hat folgende methodische wie inhaltliche Mindestvoraussetzungen für ein derartiges schlüssiges Konzept - bei grundsätzlicher Methodenfreiheit des Jobcenters - aufgestellt: - Die Datenerhebung darf ausschließlich in dem genau eingegrenzten und muss über den gesamten Vergleichsraum erfolgen, - es bedarf einer nachvollziehbaren Definition des Gegenstandes der Beobachtung, z.B. welche Art von Wohnungen - Differenzierung nach Standard der Wohnungen, Brutto- und Nettomiete (Vergleichbarkeit), Differenzierung nach Wohnungsgröße, - Angaben über den Beobachtungszeitraum, - Festlegung der Art und Weise der Datenerhebung (Erkenntnisquellen, z.B. Mietspie- gel), - Repräsentativität des Umfangs der eingezogenen Daten, - Validität der Datenerhebung, - Einhaltung anerkannter mathematisch-statistischer Grundsätze der Datenauswertung und - Angaben über die gezogenen Schlüsse (z.B. Spannoberwert oder Kappungsgrenze).

In die Ermittlung des pro Quadratmeter anzusetzenden Betrages sind auch die kalten Betriebskosten einzubeziehen. Dazu sind zunächst örtliche Übersichten heranzuziehen, bei deren Fehlen auch auf bundesweite Übersichten abgestellt werden kann. Hieraus sind sodann Durchschnittswerte zu ermitteln.

Überschreiten die tatsächlichen Kosten für Unterkunft oder Heizung die so gebildeten Werte, ist im letzten Schritt schließlich zu prüfen, ob eine nach den so ermittelten Werten angemessene Unterkunft für den Leistungsberechtigten auch konkret verfügbar ist. Allerdings ist davon auszugehen, dass hierzulande angemessener Wohnraum verfügbar ist, weil keine allgemeine Wohnungsnot herrscht. Wenn zur Erstellung des Konzepts auch Mietwerte erhoben worden sind, ist die Annahme begründet, dass angemessene Wohnungen auch konkret verfügbar sind. Um dies zu widerlegen, muss deshalb der Leistungsberechtigte zunächst konkret darlegen, dass er sich intensiv, aber vergebens um eine Unterkunftsalternative bemüht hat. Erfolgt dies in ausreichender Weise, liegt es am beklagten Jobcenter nachzuweisen, dass dennoch eine angemessene Unterkunft konkret verfügbar war.

Nach diesen Maßstäben ergibt sich kein höherer Anspruch der Klägerinnen.

Hinsichtlich der angesetzten Regelbedarfe sowie des Mehrbedarfs nach § 21 Abs. 7 SGB II ist eine Fehlerhaftigkeit der Entscheidung des Beklagten nicht geltend gemacht worden und auch sonst nicht ersichtlich. Das Gericht hat bezüglich der Einkommensanrechnung nichts zu beanstanden.

Die Kosten für Heizenergie wurden über den gesamten streitigen Bewilligungszeitraum in tatsächlicher Höhe angesetzt. Insofern besteht schon deswegen keine Basis für einen höheren Anspruch.

Bezüglich der Kosten der Unterkunft sieht das Gericht ebenso wenig eine Grundlage für höhere Leistungen als bislang bewilligt. Es ist nicht zu beanstanden, dass der Beklagte monatlich an Kosten der Unterkunft (ohne Heizkosten) lediglich 334,75 EUR anstelle der tatsächlich anfallenden 472,50 EUR berücksichtigt.

Es gibt keine Gründe, die den Klägerinnen im streitigen Zeitraum eine Senkung der Unterkunftskosten unmöglich oder unzumutbar gemacht haben. Vor allem sind keine gesundheitlichen Umstände vorgetragen oder sonst ersichtlich, die sie an einem Wechsel der Unterkunft gehindert haben oder ihr Verbleiben in der bisherigen Wohnung erforderten.

Auch sind die Klägerinnen wirksam unter dem 30. Juni 2014 zur Senkung der Unterkunftskosten aufgefordert und es ist ihnen Klarheit über die als angemessen erachtete Höhe verschafft worden.

Soweit eingewandt wird, bei einem Konzept im Sinn des § 22 Abs. 1 SGB II handle es sich um (normkonkretisierende) Verwaltungsvorschriften (dagegen aber: BSG, Urteil vom 19. Oktober 2010, B 14 AS 50/10 R; LSG Thüringen, Urteil vom 8. Juli 2015, L 4 AS 718/14) und deren Anwendung bzw. Wirksamkeit erfordere eine Publikation (so SG Bayreuth, Urteil vom 26. Mai 2015, S 4 AS 102/15), greift das nach Ansicht des Gerichts nicht durch. Diesbezüglich wird Bezug genommen auf eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, Urteil vom 25. November 2004, 5 CN 2/03), wonach Verwaltungsvorschriften mit unmittelbarer Außenwirkung gegenüber Dritten bekannt zu machen sein sollen und für die Bekanntgabe eine selektive, erläuternde Wiedergabe des Inhalts der Verwaltungsvorschrift nicht ausreichen soll. Vorliegend wurde das der Bestimmung der angemessenen Unterkunftskosten zugrunde gelegte Konzept des Beklagten nicht publiziert oder den Klägern vollständig zur Kenntnis gebracht.

Das war aber auch nicht erforderlich. Denn sieht man ein Konzept zur Ermittlung der angemessenen Kosten der Unterkunft als Verwaltungsvorschrift an, umfasst der maßgebliche Teil, d.h. der "Vorschriftsteil" des Konzepts allein die ermittelten Kostenobergrenzen (hier S. 5 des Konzepts). Nur diese Werte sind sozusagen die angewandten Vorschriften. Der darüber hinausgehende Teil des Konzepts ist dann als Weg zu diesen Werten, quasi als Begründung anzusehen. Hinsichtlich des Letzteren ist eine Publikationspflicht aber nicht gegeben, wie etwa auch der Blick auf die Verkündung sonstiger Rechtsnormen zeigt, die sich auch allein im Regelungstext erschöpft. Etwas anderes hat das Bundesverwaltungsgericht auch für die normkonkretisierenden/regelnden Verwaltungsvorschriften nicht angenommen. Dort war es - im Gegensatz zum Konzept des Beklagten - nur so, dass die gesamte Verwaltungsvorschrift regelnden Charakter hatte.

Aus § 22b Abs. 2 SGB II ist nichts anders herzuleiten. Diese Regelung gilt ausschließlich für den Fall, dass durch Satzung die angemessenen Unterkunftskosten bestimmt werden, nicht aber, wenn - wie hier - entsprechend der von der Rechtsprechung entwickelten Vorgaben ein sogenanntes Konzept im Rahmen des § 22 Abs. 1 SGB II erstellt wird. Auch wenn die §§ 22a ff. SGB II insbesondere vom BSG entwickelte Überlegungen aufgreifen, ist die Satzungsregelung nicht mit dem Konzept vergleichbar, weil einer Satzung eine rechtlich andere Qualität und Verbindlichkeit zukommt und die Veröffentlichung der Begründung gerade mit Blick auf das Verfahren nach § 55a des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) statuiert wurde.

Ferner geht das Gericht davon aus, dass eine fehlende Veröffentlichung nur beachtlich ist, wenn sie auch unverzüglich und rechtzeitig, d.h. vor Abschluss des Verwaltungsverfahrens mit Bekanntgabe des Widerspruchsbescheids, gerügt wird. Das war hier nicht der Fall. Zu sehen ist nämlich, dass die Veröffentlichung lediglich verfahrensrechtliche Bedeutung haben kann, nicht aber eine materielle. Sie kann allenfalls der Information und Transparenz dienen, um die Aufklärungsfunktion einer Kostensenkungsaufforderung zu vertiefen. Insofern besteht nach Auffassung des Gerichts eine ähnliche Situation wie beim Auswahlrecht nach § 200 Abs. 2 des Siebten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VII). Dort nimmt das BSG eine unverzügliche Rügeobliegenheit an (BSG, Urteil vom 20. Juli 2010, B 2 U 17/09 R), um dem Leistungsträger eine rechtzeitige Reaktion zu ermöglichen. Das wäre im Fall der fehlenden Kenntnis eines Konzepts ebenso relativ einfach umsetzbar und gegebenenfalls dadurch Streit vermeidbar. Also müsste auch hier eine unverzügliche Rüge erfolgen, andernfalls dieser Einwand unbeachtlich wird.

Zutreffend ist der Beklagte ferner davon ausgegangen, dass für die Kläger nach den für Bayern geltenden Richtwerten (VVWOBindR, siehe oben, dort Ziffer 5.8) für die Klägerinnen 65qm als abstrakt angemessene Wohnfläche anzusetzen sind.

Das als Grundlage für die Ermittlung der Vergleichsmiete herangezogene Konzept des Beklagten erweist sich zudem als schlüssig nach den oben dargestellten Anforderungen.

Die Datenerhebung ist in einem genau eingegrenzten Vergleichsraum, nämlich im gesamten Landkreis Günzburg, durchgeführt worden (Konzept Ziffer 3.1). Dieses ist zum einen ausreichend groß genug gewählt, zum anderen auch als homogen anzusehen, nachdem dies sogar bezüglich des deutlich größeren Stadtgebietes von Berlin bejaht wurde. Eine Ghettoisierung ist daher nicht zu befürchten. Das gesamte Kreisgebiet ist zum anderen aber auch als nicht zu groß zu werten. Insbesondere im ländlichen Bereich endet der Vergleichsraum nicht an der Grenze der Wohnortgemeinde des Leistungsberechtigten, sondern es können auch größere Gebiete betrachtet werden (vgl. LSG Thüringen, a.a.O.). Das ist auch hier anzunehmen. Nach seinen verkehrlichen Strukturen und angesichts des Fehlens von Oberzentren stellt sich der herangezogene Vergleichsraum als einheitlich dar.

Auch die Unterteilung des Landkreises in drei sogenannte Wohnungsmarkttypen bzw. wohngeldrechtlich die Unterteilung in zwei Mietenstufen ändert daran nichts. Denn diese Kategorien entsprechen nicht dem homogenen Lebens- und Wohnbereich, wie er für die Ermittlung der grundsicherungsrechtlich angemessenen Unterkunftskosten verlangt wird. Namentlich die Clusteranalyse und die nachfolgende Bildung von Wohnungsmarkttypen dienen nur der Differenzierung nach unterschiedlichen Mietpreisniveaus innerhalb des gewählten Vergleichsraumes. Vorliegend liegt dies darin begründet, dass der Landkreis Günzburg über keinen einheitlichen Wohnungsmarkt verfügt und größere regionale Unterscheide in den Mietstrukturen aufweist. Weil aber z.B. wegen eines zu geringen Wohnungsangebotes nicht für jede kreisangehörige Gemeinde eine separate Mietübersicht erstellt werden kann, wurden strukturell vergleichbare Gemeinden zu Wohnungsmarkttypen zusammengefasst (vgl. Konzept Ziffer 4). Das Gericht hält dieses Vorgehen angesichts der dargestellten Gründe für methodisch schlüssig.

Die Anwendung der sogenannten Clusteranalyse begegnet ebenfalls keinen rechtlichen Bedenken. Bei der Clusteranalyse sollen Gebiete mit hoher Ähnlichkeit demselben und Gebiet mit geringer Ähnlichkeit unterschiedlichen Clustern zugeordnet werden. Dazu wird das Distanzmaß der "quadrierten euklidischen Distanz" herangezogen. Damit wird die Ähnlichkeit von Gebieten bezüglich verschiedener, zu definierender Faktoren bzw. Indikatoren ermittelt. Die Feststellung der konkreten Ähnlichkeit erfolgt sodann mithilfe des "Ward-Verfahrens". Zu Beginn des Verfahrens stellt jede Gebietseinheit ein einzelnes Cluster dar. Es werden dann die Cluster zusammengeführt, welche das vorgegebene Heterogenitätsmaß am wenigsten vergrößern. Ziel ist es, diejenigen Cluster zu vereinigen, die sich am Ähnlichsten sind (siehe Konzept Anlage 2; LSG Thüringen, a.a.O.). Vorliegend wurde eine Vielzahl von Indikatoren untersucht, bei denen ein wesentlicher Einfluss auf den Wohnungsmarkt und die Miethöhe anzunehmen ist. Dazu zählen (Konzept Ziffer 4.1): Bevölkerungsentwicklung und -dichte, Siedlungsstruktur, Pro-Kopf-Einkommen, Neubautätigkeit, Wohngeldeinstufung, Bodenpreis, Entfernung zum nächsten Oberzentrum und Mietquote. Für das Gericht ist es nachvollziehbar, dass diese Umstände direkten Einfluss auf die jeweilige lokale Miethöhe entfalten, da sie den maßgeblichen Faktor Lage prägen oder daraus resultieren.

Speziell bezogen auf den Wohnort der Klägerinnen, A-Stadt, ist die Zuordnung zum Wohnungsmarkttyp III anhand des geschilderten Verfahrens fehlerfrei erfolgt. Mit den genannten Indikatoren wird eine Zuordnung nach objektivierbaren und vergleichbaren Kriterien erreicht. Dabei wird eine Zuordnung nach eher subjektiv geprägten Eindrücken vermieden. Zudem erfolgt die Einteilung auf einer breiten Basis von Umständen. Ergebnis dieser Methode kann dann auch sein, dass hohe Werte bei einem Indikator sich mit niedrigen Werten an anderer Stelle ausgleichen. Da dieses Vorgehen methodisch aber nicht zu beanstanden ist, ist auch das gefundene Ergebnis als schlüssig zu betrachten. Aus dem Konzept (Anlage 2) ist zudem detailliert zu entnehmen, welche Werte jede Gemeinde des Kreisgebiets bei den einzelnen Indikatoren erhält. A-Stadt weist demzufolge - immer im Vergleich betrachtet - zwar hohe Werte bei der Bevölkerungsentwicklung auf, jedoch niedrige Werte bei der Neubautätigkeit und bei der Entfernung zum nächsten Oberzentrum. Auch war, wie im Konzept ebenfalls schlüssig erläutert, eine weitergehende Aufteilung des Kreisgebiets nicht sachgerecht. Eine Gliederung in drei Cluster bietet einerseits eine hinreichende Differenzierung und Berücksichtigung der lokalen Differenzen und stellt andererseits den besten Kompromiss zwischen einer möglichst homogenen Clusterstruktur und einer niedrigen Anzahl an Clustern dar. Die Bildung von vier Wohnungsmarkttypen beispielsweise hätte nur einen geringen Qualitätsgewinn erbracht, der nötige Erhebungsaufwand wäre jedoch stark erhöht worden.

Es war auch keine Differenzierung innerhalb einer Gemeinde veranlasst (sogenannte Binnendifferenzierung). In der im gerichtlichen Verfahren vorgelegten Stellungnahme wird ferner dargelegt, dass der Mietwohnungsmarkt in A-Stadt mit 897 Wohnungen zu klein ist, um als eigenständiger Wohnungsmarkt gelten zu können. Dass innerhalb einer Gemeinde bzw. innerhalb eines Vergleichsraumes Unterschiede, regionale Disparitäten, existieren, ist außerdem bis zu einem gewissen Grad hinzunehmen. Unterschiede zwischen Rand- und Kernbereichen eines Gemeindegebietes sind der Regelfall. Es bestehen sogar teilweise Unterschiede innerhalb eines Rand- oder Kernbereichs. Verglichen mit den regionalen Disparitäten, z.B. zwischen den Berliner Bezirken, erweisen sich die Unterschiede im Gemeindegebiet von A-Stadt als deutlich kleiner. Dasselbe gilt für das Stadtgebiet von München. Bei einer so kleinen Gemeinde wie A-Stadt mit nur etwa 6.300 Einwohnern und knapp 900 Mietwohnungen sind die Unterschiede daher nicht so ausgeprägt, dass sie zu einer grundsicherungsrechtlich nicht mehr hinnehmbaren Nivellierung führen würden. Hinzu kommt, dass keine statistisch belastbaren Zahlen zur Verfügung standen, die eine Binnendifferenzierung ermöglicht hätten. Kleinste statistische Betrachtungsebene ist üblicherweise das gesamte Gebiet einer Gemeinde, nicht aber einzelne Teile. Eine Differenzierung nach einzelnen Stadteilen beispielsweise wird erfahrungsgemäß nur bei Großstädten mit eigenen Statistikämtern durchgeführt.

Nicht zu beanstanden ist für das Gericht, dass sich daraus unterschiedlich hohe Mietobergrenzen für die drei Wohnungsmarkttypen respektive die zugeordneten Gemeinden ergeben. Wenn sich infolge des Verfahrens der Clusteranalyse innerhalb des Landkreises unterschiedliche Regionen ergeben, wird damit nur ein innerhalb desselben Vergleichsraumes unterschiedliches Mietniveau abgebildet. Das erlaubt im Übrigen für die Satzungslösung auch § 22b Abs. 2 Satz 4 SGB II. Nachdem die Clusteranalyse ein methodisch nicht zu beanstandendes Vorgehen darstellt, wie eben ausgeführt, ist es methodisch auch nicht zu kritisieren, wenn sich auf dieser Basis unterschiedliche Mietkategorien für ein und denselben Vergleichsraum ergeben. Vor allem ist damit keine Gefahr der Ghettobildung verbunden. Denn die Leistungsberechtigten im Bereich des Beklagten werden nicht darauf verwiesen, sich eine Unterkunft nur in einer Gemeinde des günstigsten Wohnungsmarkttyps zu suchen. Es steht ihnen weiterhin frei, im gesamten Landkreis eine Wohnung zu nehmen und dann den Ansatz der Unterkunftskosten nach den für die jeweilige Gemeinde geltenden Mietobergrenzen zu beanspruchen. Insofern weist ein aus verschiedenen Gemeinden bestehender Landkreis Unterschiede gegenüber einer größeren Stadt als Vergleichsraum auf, die sich auch bei der Ermittlung der angemessenen Quadratmetermietpreise niederschlagen.

Der Beobachtungsgegenstand ist nachvollziehbar definiert worden (Konzept Ziffern 5.2, 5.3, Anlage 3). Hinsichtlich der Festlegung des Wohnungsstandards ist die Abgrenzung nach oben hin im Wesentlichen über den Mietpreis vorgenommen worden. Das ist schlüssig damit zu begründen, dass zwischen Miethöhe und Ausstattung ein enger positiver Zusammenhang anzunehmen ist. Als Substandardwohnungen, die einem Leistungsberechtigten nicht mehr zumutbar sind und daher auch in die Ermittlung des Quadratmeterpreises nicht einfließen dürfen, sind diejenigen ausgefiltert worden, die nicht über Bad oder Sammelheizung verfügen.

Der Beobachtungszeitraum ist angegeben (Konzept Ziffer 5.5). Die Recherchen der Angebotsmieten fand demnach von Februar bis August 2013 statt.

Die Art und Weise der Datenerhebung ist nachvollziehbar festgelegt worden (Konzept Ziffern 5.3.2, 5.5). Als Erkenntnisquellen dienten Mietwerterhebungen, wobei hier Bestands- und Angebotsmieten einflossen, ergänzt durch Mieten aus dem SGB II-Datensatz des Beklagten.

Das Gericht hat keine Zweifel, dass der Umfang der einbezogenen Daten (Konzept Ziffer 5.3) ausreichend repräsentativ ist und dass die Datenerhebung valide ist. Im Landkreis Günzburg werden rund 19.100 Wohnungen zu Wohnzwecken vermietet. Darunter befinden sich auch Werkswohnungen und Wohnungen, die zu Freundschaftsmieten oder Sonderkonditionen vermietet werden. Die Mietwerterhebung umfasste dann 2.704 Bestandsdaten, hinzu kamen noch 606 Angebotsmieten. Damit stellt sie sich als ausreichend repräsentativ dar.

Auch in Bezug auf die Einhaltung mathematisch-statistischer Grundsätze der Datenauswertung hat sich kein Anlass für Bedenken ergeben. Soweit Kappungsgrenzen gebildet wurden (Konzept Ziffer 5.4), ist das Vorgehen mittels eines Intervalls der 1,96-fachen Standardabweichung unter- und oberhalb des Mittelwertes erfolgt. Das ist nicht zu beanstanden.

Schließlich sind auch die gezogenen Schlüsse hinreichend deutlich dargelegt, vor allem bezüglich der Spannoberwerte (Konzept Ziffer 6) und, wie bereits erwähnt, der Kappungsgrenzen. Da die Eingrenzung des grundsicherungsrelevanten Wohnungssegmentes nach oben nicht vor der Mietwerterhebung erfolgt ist, musste aus den erhobenen Daten das untere Marktsegment noch abgeleitet werden. Das Konzept setzt dies um, indem eine Obergrenze mittels einer Perzentile und einem iterativen Verfahren gebildet wird. Dies geschieht unter Berücksichtigung der regionalen Verhältnisse und mit Blick auf die Konkurrenz durch andere Nachfrager nach preisgünstigem Wohnraum, wie etwa Wohngeldempfänger oder Geringverdiener, außerhalb des Leistungsbezuges und erfolgt für jede Haushaltsgrößenklasse separat, weil auch der Anteil der Leistungsempfänger nicht in allen Haushaltsgrößenklassen gleich ist, sondern sich auf 1-2 Personen-Haushalte konzentriert. Nach den im Konzept aufgeführten Zahlen existieren 1.300 Bedarfsgemeinschaften im SGB II, 290 Haushalte beziehen Wohngeld, 535 Bedarfsgemeinschaften Sozialhilfe. Die sonstigen Nachfragegruppen werden mit 9.480 beziffert. Damit beläuft sich der Anteil der Haushalte insgesamt auf 54.600, davon stellen 14% die zu berücksichtigenden Nachfrager dar. Das daraus abgeleitete 33. Perzentil bietet somit ausreichende Gewähr dafür, dass genügend verfügbare Wohnungen für den relevanten Nachfragerkreis verfügbar sind. Auch hat sich gezeigt, dass der Anteil der Nachfrager bei allen Haushaltsgrößen nur gering differiert (zwischen 12% und 16%), so dass die Verwendung unterschiedlicher Perzentile methodisch nicht geboten ist.

Zutreffend erfolgt ist für das Gericht weiter die Ermittlung und Einbeziehung der kalten Betriebs- bzw. Nebenkosten. Hier hat der Beklagte keinen Spannoberwert, wie zur Ermittlung der Grundmiete, gebildet, sondern einen Mittelwert aller Betriebskostenwerte differenziert nach Wohnungsgröße und Wohnungsmarkttyp (Konzept Ziffer 6.3). Nach der bisher dazu ergangenen Entscheidung des BSG ist dieses Vorgehen nicht zu kritisieren. Dass hier kein Spannoberwert, sondern ein Durchschnittswert ermittelt wurde, ist nachvollziehbar. Mit dem Ansatz des 95prozentigen Konfidenzintervalls sind unplausible bzw. unrealistische Werte ausgeschlossen. Der Durchschnittswert für die einzelnen Haushalte im Konzept bildet hinreichend schlüssig die Werte ab, zu denen noch von Betriebskosten in angemessener Größenordnung ausgegangen werden kann.

Für das Gericht ist auch hinreichend belegt, dass konkret Wohnalternativen zu den Vergleichsmieten verfügbar waren. Das Konzept des Beklagten ist mittels Mietwerterhebungen erstellt worden, in die Angebotsmieten Einzug gefunden haben. Deshalb ist davon auszugehen, dass tatsächlich Wohnraum zu den ermittelten Konditionen angemietet werden kann. Klägerseits ist das nicht ernsthaft infrage gestellt worden. Intensive, aber erfolglose Bemühungen um nach dem Konzept angemessenen Wohnraum haben die Klägerinnen bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung nicht nachgewiesen. Der Verweis darauf, dass auch eine Wohnbaugenossenschaft nur zu höheren Quadratmeterpreisen vermieten würde, genügt nicht. Dabei handelt es sich nur um einen Anbieter unter vielen, mag er auch groß sein. Das Konzept weist auch darauf hin (Konzept Ziffer 5.5), dass tatsächlich mehr als die einbezogenen Mietangebote verfügbar sind. Das veröffentlichte Angebot im Landkreis Günzburg betrug demnach nur etwa die Hälfte dessen, was tatsächlich als verfügbar anzunehmen ist. Denn ein Teil der angebotenen Wohnungen wird vermarktet, ohne Anzeigen zu schalten, gleichartige Wohnungen werden gerade von großen Anbietern, nur einmal als Anzeige geschaltet oder Mieter vermitteln ihre Wohnung an Bekannte als Nachmieter.

Anhand des somit schlüssig ermittelten Quadratmeterbetrages sind schließlich die Angemessenheitsgrenzen unter Einbeziehung der kalten Betriebskosten fehlerfrei errechnet worden (Konzept Ziffer 0). Im Fall der Klägerinnen ergibt sich demnach eine Obergrenze für die Kosten der Unterkunft (ohne Heizkosten) von 334,75 EUR. Diese hat der Beklagte so im Bewilligungszeitraum der Leistungsbewilligung zugrunde gelegt.

Die Klage ist deshalb abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 183, 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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