S 20 AS 331/14

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Darmstadt (HES)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
20
1. Instanz
SG Darmstadt (HES)
Aktenzeichen
S 20 AS 331/14
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 9 AS 201/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen.

Die Beteiligten haben einander keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Zuerkennung eines Mehrbedarfs für kostenaufwändige Ernährung.

Der 54 Jahre alte Kläger bezieht vom Beklagten seit Dezember 2008 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) in Höhe des Regelbedarfs, da er mietfrei im Haus seiner Eltern wohnt. Mit Bescheid vom 10. Juni 2013 bewilligte der Beklagte dem Kläger den Regelbedarf in Höhe von 382 EUR für den Zeitraum vom 1. Juli bis 31. Dezember 2013, sowie mit Folgebescheid vom 23. Dezember 2013 für den Zeitraum vom 1. Januar bis 30. Juni 2014 in Höhe von 391 EUR.

Am 28. August 2013 beantragte der Kläger beim Beklagten die Gewährung eines Mehrbedarfs für kostenaufwändige Ernährung. Dazu legte er ein ärztliches Schreiben von Dr. C. vom 2. Juli 2010 vor, aus dem hervorgeht, dass bei ihm eine Laktoseintoleranz besteht und die Refluxkrankheit festgestellt wurde; dies mache eine säurereduzierte und laktosefreie Ernährung erforderlich.

Nach Aufforderung durch den Beklagten legte der Kläger außerdem eine ärztliche Bescheinigung des Dr. C. vom 16. Oktober 2013 vor, aus der hervorgeht, dass bei ihm eine Laktoseintoleranz besteht, die dauerhaft mit laktosefreier Ernährung behandelt werden müsse.

Mit Bescheid vom 20. November 2013 lehnte der Beklagte die Gewährung eines Mehrbedarfs ab, da für die beim Kläger bestehende Art der Erkrankung (Laktoseintoleranz) kein Mehrbedarf nach § 21 Abs. 5 SGB II vorgesehen sei.

Den dagegen eingelegten Widerspruch des Klägers wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 4. März 2014 zurück. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, die Laktoseintoleranz des Klägers vermöge keinen Anspruch auf einen Mehrbedarf wegen kostenaufwändigerer Ernährung nach § 21 Abs. 5 SGB II zu begründen. Bei der Laktoseintoleranz handele es sich um eine weitverbreitete Lebensmittelunverträglichkeit, welcher durch die Vermeidung milchzuckerhaltiger Kost begegnet werden könne. Eine laktosefreie Kost sei nicht kostenaufwändiger als laktosehaltige Nahrungsmittel, zumal in vielen Discountern bereits ein weites Feld an zum Teil kostengünstigen, laktosefreien Nahrungsmitteln zu finden sei. Ein krankheitsbedingter erhöhter Ernährungsaufwand sei hier nicht gegeben. Seitens des Arztes sei kein Attest mit einer genaueren Bezeichnung des Gesundheitsschadens und der Notwendigkeit einer Krankenkost vorgelegt worden. Bei Laktoseintoleranz werde ein Mehrbedarf nur unter den Voraussetzungen anerkannt, dass der Patient unter einem massiven Untergewicht aufgrund der Erkrankung leide und bei der Ernährungsumstellung ein Gewichtsverlust ausgeglichen werden müsse. Auch ein Anspruch nach § 21 Abs. 6 SGB II scheide aus, es handele sich hier nicht um einen besonderen Bedarf. § 21 Abs. 6 SGB II sei auch kein Auffangtatbestand, für den Fall, dass die speziellere Regelung des § 21 Abs. 5 SGB II nicht greife.

Mit der am 7. April 2014 erhobenen Klage macht der Kläger geltend, das Bundessozialgericht (BSG) habe am 14. Februar 2013 (Az. B 14 AS 48/12 R) entschieden, dass Laktoseintoleranz eine Erkrankung sei. Das rechtfertige einen Mehraufwand für kostenaufwändige Ernährung gemäß § 21 Abs. 5 SGB II. Bisher habe es dazu unterschiedliche Entscheidungen innerhalb der Sozialgerichtsbarkeit gegeben, nun herrsche durch dieses höchstrichterliche Grundsatzurteil Rechtssicherheit. Allein die weite Verbreitung einer Erkrankung (hier: Laktoseintoleranz) entbinde nicht von der Feststellung eines besonderen, medizinisch begründeten Ernährungsbedürfnisses im Einzelfall. Damit habe das BSG erneut festgestellt, dass die bisherige Praxis des Gesetzgebers, die anerkannten Mehrbedarfe für kostenaufwändige Ernährung an die Empfehlungen des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge zu koppeln, rechtlich nicht haltbar sei. Denn bei den Empfehlungen des Deutschen Vereins handele es sich nicht um antizipierte Sachverständigengutachten, die einer gerichtlichen Überprüfung standhielten. Das Fehlen der Laktoseintoleranz in der Auflistung der Empfehlungen des Deutschen Vereins vom 1. Oktober 2008 lasse nicht den Schluss zu, dass es sich dabei nicht um eine Erkrankung handele, die einen Mehrbedarf auslösen könne. Vielmehr ergebe sich daraus, dass ein Anspruch auf einen Mehrbedarf in jedem Einzelfall geprüft werden müsse, dazu sei auch der Beklagte verpflichtet. Die Laktoseintoleranz des Klägers sei zwar bereits im Jahr 2010 diagnostiziert worden, ihm sei jedoch nicht bekannt gewesen, dass ein Antrag auf Gewährung eines Mehrbedarfs für kostenaufwändige Ernährung gestellt werden könne. Erst als er davon Kenntnis erlangt habe, sei die Antragstellung erfolgt. Die konkreten Mehrkosten lägen durchschnittlich bei über 140 % der üblichen Preise. Dies könne der Auflistung der Verbraucherzentrale Hamburg entnommen werden. Gerade bei Produkten wie Käse und Brot bestünden Preisdifferenzen zwischen 168 % und 383 %. Bei der Klage gehe es um die generelle Frage, ob dem Kläger ein Anspruch auf Mehrbedarf zustehe oder nicht. Die medizinische Notwendigkeit sei durch die ärztlichen Bescheinigungen deutlich bestätigt worden. Es läge inzwischen zahlreiche Rechtsprechung zu der Thematik vor. In keinem der Urteile sei aufgeführt, dass Kläger dazu verpflichtet seien, den Mehrbedarf durch die Auflistung ihrer täglichen Essgewohnheiten darzulegen. So sei auch im vorliegenden Verfahren der Kläger nicht dazu verpflichtet, in der vom Beklagten geforderten Form Auskunft zu erteilen. Die Rechtsprechung sehe es als bewiesen an, dass tatsächlich Mehrkosten durch eine solche Ernährung anfielen. Es dürfte wohl mehr als eindeutig sein, dass der Kläger bisher nicht die volle Palette der angebotenen Produkte habe konsumieren können. Dies bedingt dadurch, dass ihm die finanziellen Mittel dafür nicht zur Verfügung gestanden hätten. Er sei finanziell nur dazu in der Lage, die notwendigen laktosefreien Milchprodukte zu konsumieren. Es sei von einem Mehraufwand in Höhe von 93,50 EUR bzw. 121,97 EUR monatlich auszugehen. Der Auffassung des Deutschen Vereins, wonach Milchprodukte überflüssig seien und das Kalzium auch über andere Produkte zugeführt werden könnte, könne nicht entsprochen werden. Milch sei ein Grundnahrungsmittel und kein Luxusprodukt. Man trinke Milch ja nicht hauptsächlich nur wegen des Kalziums. Der Deutsche Verein habe es sich einfach gemacht, indem er Milchprodukte als überflüssig bezeichne und damit einer Mehrkostendiskussion von Anfang an den "Kopf abschlage". Damit gehe der Deutsche Verein zu weit. Hartz-IV-Empfänger lebten sowieso auf "Sparflamme", diesen Leuten jetzt auch noch Milchprodukte bzw. Ersatzprodukte zu verbieten, sei anmaßend und unsozial. Die Empfehlungen des Deutschen Vereins würden in der Rechtsprechung sehr kontrovers diskutiert. Diverse Gerichte teilten nicht die Auffassung des Deutschen Vereins (z. B. das BSG). Der Kläger habe nie geäußert, dass er laktosehaltige Milchprodukte konsumiere. Er kaufe seit Jahren nur laktosefreie Produkte ein. Er habe nur gesagt, dass es Produkte gebe, die er besser vertrage und welche, die er gar nicht vertrage – je nach Laktosegehalt. Länger gereifter Hartkäse bereite ihm z.B. keine Probleme. Entgegen der Meinung des Beklagten könne die Fruktoseintoleranz ebenfalls mit ins Verfahren aufgenommen werden.

Der Kläger beantragt,
den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 20. November 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. März 2014 zu verurteilen, ihm ab Antragstellung vom 28. August 2013 einen Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung wegen Laktose- und Fruktoseintoleranz in Höhe von 121,97 EUR monatlich zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Der Beklagte macht geltend, die Gewährung eines Mehrbedarfs wegen kostenaufwändiger Ernährung könne nicht in zulässiger Weise zum isolierten Streitgegenstand eines gerichtlichen Verfahrens bestimmt werden. Zudem könne eine ablehnende Entscheidung hinsichtlich eines bestimmten Bedarfs wegen der in § 41 Abs. 1 S. 4 SGB II vorgeschriebenen abschnittsweisen Bewilligung von Leistungen grundsätzlich keine Bindungswirkung für zukünftige Bewilligungsabschnitte entfalten. Gegenstand des Verfahrens sei deshalb neben dem in der Klageschrift genannten Ablehnungsbescheid, jener Bewilligungsbescheid, der für den Kläger die Höhe der SGB II-Leistungen im streitigen Bewilligungszeitraum regele. Dies sei der Bescheid, der zum Zeitpunkt des Antrages ergangen sei, bis zum Ablauf des dort geregelten Gewährungsendes. Im streitbehafteten Zeitraum (28. August bis 31. Dezember 2013) habe der Kläger keinen Anspruch auf Berücksichtigung eines Mehrbedarfs. Er habe schon nicht darlegen können, dass er in nennenswertem Umfang im streitgegenständlichen Zeitraum entsprechende Präparate bzw. Nahrungsmittel überhaupt tatsächlich erhalten habe und von ihm ein entsprechender Betrag verausgabt worden sei und ihm deshalb auch Mehrkosten für eine kostenaufwändige Ernährung überhaupt entstanden seien. Soweit – wie hier – begehrte Leistungen für einen in der Vergangenheit abgeschlossenen Zeitraum in Rede stünden, setze ein Anspruch des Klägers auf Übernahme der geltend gemachten Kosten notwendig zunächst voraus, dass er die Kosten für das Präparat überhaupt aufgewendet habe, er es also im Wege der zulässigen "Selbstbeschaffung" erworben habe. Aufgabe der Sozialhilfe sei es nämlich nicht, nachträglich Leistungen zu erbringen, wenn der Bedarf hierfür mittlerweile entfallen sei. Diese zum SGB XII gemachten Überlegungen seien auf den hier in Rede stehenden Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung nach dem SGB II uneingeschränkt zu übertragen, weil es sich auch bei einer kostenaufwändigen Ernährung nicht um eine Pauschale handele. Zudem habe der Kläger trotz bereits im Jahr 2010 festgestellter Laktoseintoleranz einen entsprechenden Antrag gegenüber dem Grundsicherungsträger erst knapp drei Jahre später gestellt. Der pauschale Hinweis des Klägers auf eine Auflistung der Verbraucherzentrale Hamburg ersetze nicht substantiierten Vortrag zu der Frage, in welcher Höhe ihm tatsächlich Mehrkosten für eine kostenaufwändige Ernährung entstanden sein sollten. Ein kumulativer Verzehr sämtlicher dort im Einzelnen aufgelisteten Produkte erscheine weder glaubhaft mit Blick auf den der Höhe nach begrenzten Regelbedarf, noch vor dem Hintergrund, dass teils mehrere gleiche oder ähnliche Produkte aufgelistet seien. Dass dem Kläger überhaupt im streitgegenständlichen Zeitraum tatsächlich Mehrkosten in bislang unbekannter Höhe entstanden sein sollten, erscheine vor dem Hintergrund, dass die in der Auflistung aufgeführten Produkte deutlich höherpreisiger als "normale" Produkte seien, deren Erwerb allein aus dem zustehenden Regelbedarf nicht möglich gewesen sei, nicht glaubhaft. Der Kläger sei daher aufgefordert, seine tatsächlichen täglichen Essgewohnheiten zu schildern, insbesondere, welche Produkte er täglich in welchen Mengen zu sich genommen habe und aus welchen Mitteln er im streitgegenständlichen Zeitraum die Mehrkosten getragen habe. Dessen ungeachtet rechtfertige sich aus der vom Kläger vorgelegten Auflistung der Verbraucherzentrale Hamburg zuvörderst die Schlussfolgerung, dass der Erwerb spezieller als "laktosefrei/glutenfrei" deklarierter und höherpreisigerer Produkte durchweg als nicht notwendig einzustufen sei. Mehrkosten aber, die nach Einschätzung der Verbraucherzentrale Hamburg einzig auf wettbewerbswidrigen Irreführungen bzw. Marketingtricks der Anbieter beruhten, seien nicht als medizinisch notwendige Mehrkosten zu betrachten. Aus der attestierten Laktoseintoleranz ergäben sich keine Anhaltspunkte für einen angeborenen Laktasemangel, der einer medizinischen Behandlung bedürfte. Die Befunderhebung verneine vielmehr ausdrücklich eine Behandlungsbedürftigkeit. Gegen einen angeborenen Laktasemangel, der die Notwendigkeit zur Folge hätte, auf laktosehaltige Lebensmittel vollständig verzichten zu müssen, spreche im Übrigen das Vorbringen des Klägers, auch laktosehaltige (normale) Milch und Joghurt zu verzehren. Eine "Null-Toleranzgrenze" läge nicht vor. Hinsichtlich der erst seit Juni 2015 bekannten Fruktoseintoleranz könne ein Mehrbedarf für den streitgegenständlichen Zeitraum nicht in Betracht kommen.

Die Vorsitzende hat vor der mündlichen Verhandlung mit den Beteiligten bereits am 21. April 2015 einen Erörterungstermin durchgeführt, wegen der Einzelheiten wird auf die Niederschrift des Termins Bezug genommen.

Außerdem hat das Gericht bei Dr. C. einen Befundbericht über den Kläger eingeholt, der unter dem 8. Juli 2015 erstattet worden ist. Dabei wurde angegeben, dass bei dem Kläger eine Laktoseintoleranz seit Juni 2010 bestehe und Fruktoseintoleranz seit Juni 2015. Laktosehaltige und fruktosehaltige Lebensmittel dürften nicht verzehrt werden. Die persönliche Toleranzgrenze sei nicht ermittelt worden. Eine medizinische Behandlung sei wegen der Lebensmittelunverträglichkeit nicht notwendig, ggf. eine professionelle Ernährungsberatung.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten und des Sachverhalts im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, sowie der beigezogenen Verwaltungsakte des Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist unbegründet. Der Beklagte hat zu Recht mit Bescheid vom 20. November 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. März 2014 die Gewährung eines Mehrbedarfs für kostenaufwändige Ernährung abgelehnt, da ein entsprechender Anspruch des Klägers nicht besteht.

Streitgegenständlich ist im vorliegenden Verfahren die Frage des Bestehens eines Mehrbedarfs wegen kostenaufwändiger Ernährung für den Zeitraum vom 1. Juli bis 31. Dezember 2013. Die Gewährung eines Mehrbedarfs wegen kostenaufwändiger Ernährung, auf den der Kläger sein Begehren stützt, kann nicht in zulässiger Weise zum isolierten Streitgegenstand eines gerichtlichen Verfahrens gemacht werden. Dies gilt auch, wenn – wie hier – die Leistungen bestandskräftig festgestellt und der Mehrbedarf in einem gesonderten Verfahren abgelehnt worden ist (BSG, Urt. v. 12. Dezember 2013, – B 4 AS 6/13 R –, Rdn. 10, 11 bei juris; LSG Sachsen-Anhalt, Urt. v. 28. Mai 2015, – L 5 AS 570/13 –, Rdn. 32 bei juris). Darauf hat die Vorsitzende in der mündlichen Verhandlung hingewiesen, dennoch hat der Kläger den Klageantrag nicht auf einen bestimmten Zeitraum beschränkt. Über den betroffenen Bewilligungszeitraum von Juli bis Dezember 2013 kann die Klage nicht hinausgehen. Eine ablehnende Entscheidung hinsichtlich eines bestimmten Bedarfs kann wegen der in § 41 Abs. 1 S. 4 SGB II vorgeschriebenen abschnittsweisen Bewilligung von Leistungen grundsätzlich keine Bindungswirkung für zukünftige Bewilligungsabschnitte entfalten (vgl. BSG, Urt. v. 14. Februar 2013, – B 14 AS 48/12 R –, Rdn. 9 bei juris, m.w.N.; vgl. auch LSG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 12. März 2013, – L 6 AS 291/10 –, Rdn. 36 bei juris). Ein entsprechender isolierter Ablehnungsbescheid (wie hier der Bescheid vom 20. November 2013) hat immer nur Bindungswirkung für den laufenden Bewilligungsabschnitt. In zeitlicher Hinsicht kann sich eine Leistungsklage daher nur auf höhere Leistungen für den betroffenen Bewilligungsabschnitt beziehen (BSG, Urt. v. 26. Mai 2011, – B 14 AS 146/10 R –, Rdn. 15, 16 bei juris, vgl. auch LSG Sachsen-Anhalt, a.a.O., Rdn. 28 bei juris). Gegenstand des Verfahrens ist neben dem Ablehnungsbescheid vom 20. November 2013, in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. März 2014, daher auch der Bewilligungsbescheid, der die Höhe der dem Kläger zustehenden Leistungen für den streitigen Bewilligungszeitraum regelt. Dies ist der Leistungsbescheid vom 10. Juni 2013 für den Zeitraum vom 1. Juli bis 31. Dezember 2013.

Die für den Zeitraum von Juli bis Dezember 2013 zulässige Leistungsklage ist unbegründet, da der Kläger keinen Anspruch auf den von ihm begehrten Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung hat.

Nach § 21 Abs. 5 SGB II wird bei Leistungsberechtigten, die aus medizinischen Gründen einer kostenaufwändigen Ernährung bedürfen, ein Mehrbedarf in angemessener Höhe anerkannt. Die Gewährung eines Mehrbedarfs nach § 21 Abs. 5 SGB II setzt nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG, Urteil vom 14. Februar 2013, a.a.O.; vgl. auch BSG, Urteil vom 10. Mai 2011, – B 4 AS 100/10 R –, in juris) Folgendes voraus:

1. Der Leistungsberechtigte muss an einer Krankheit im Sinne der üblichen krankenversicherungsrechtlichen Begriffsdefinition leiden.
2. Der Leistungsberechtigte muss sich im Sinne einer Krankenkost "besonders" ernähren und diese besondere Ernährung muss aufgrund der Krankheit medizinisch notwendig sein (Ursächlichkeitszusammenhang).
3. Die im Einzelfall erforderliche Krankenkost muss gegenüber der in der Bevölkerung üblichen, im Regelbedarf zum Ausdruck kommenden Ernährung kostenaufwändiger sein.

Demnach muss ein ursächlicher Zusammenhang zwischen einer bestehenden oder drohenden Erkrankung oder Behinderung und der Notwendigkeit einer besonderen Ernährung vorliegen und diese besondere "Krankenkost" muss gegenüber der in der Bevölkerung üblichen, im Regelbedarf zum Ausdruck kommenden Ernährung kostenaufwändiger sein (BSG, Urt. v. 14. Februar 2013, a.a.O., Rdn. 12 bei juris).

Im Gegensatz zu den Fallgruppen, die nach § 21 Abs. 2 bis 4 SGB II einen Mehrbedarf begründen können (z. B. für Schwangere und Alleinerziehende), sieht die Mehrbedarfsregelung für kostenaufwändige Ernährung keine pauschale Erhöhung des Regelbedarfs vor, sondern richtet sich auch in dieser Hinsicht nach den Umständen des Einzelfalls. Das Bundessozialgericht verlangt daher eine am konkreten Einzelfall orientierte tatsächliche und rechtliche Würdigung (BSG, Urt. v. 14. Februar 2013, a.a.O., Rdn. 15 bei juris).

Nach den vorliegenden ärztlichen Befunden leidet der Kläger nachweislich an einer seit Juni 2010 bekannten Laktoseintoleranz und an einer seit Juni 2015 bekannten Fruktoseintoleranz. Soweit der Kläger bei seiner Antragstellung im August 2013 außerdem noch das Bestehen einer Refluxkrankheit geltend gemacht hat, liegt dazu nur ein Nachweis vom Juli 2010 vor. Für den hier streitgegenständlichen Zeitraum im Jahr 2013 ist diese Erkrankung und eine deshalb etwa zu beachtende besondere Ernährung nicht nachgewiesen. Dr. C. nennt die Refluxkrankheit weder im Attest vom 16. Oktober 2013, noch im Befundbericht vom 8. Juli 2015. Im beigefügten ärztlichen Schreiben vom 1. Juni 2015 führt Dr. C. ausdrücklich aus, dass aktuell keine Refluxkrankheit bestehe.

Hinsichtlich der Fruktoseintoleranz bestand im streitgegenständlichen Zeitraum von Juli bis Dezember 2013 schon deshalb kein Bedarf, weil die Erkrankung erst im Juni 2015 nachgewiesen und damit bekannt geworden ist. Voraussetzung für die Entstehung eines Mehrbedarfs ist aber – neben der objektiven medizinischen Erforderlichkeit – die Kenntnis von der Erkrankung. Dies ergibt sich schon aus dem Gesetzeswortlaut ("bedürfen", vgl. BSG, Urt. v. 20. Februar 2014, – B 14 AS 65/12 R –, Rdn. 25 bei juris, LSG Sachsen-Anhalt, a.a.O., Rdn. 48, 49 bei juris). Aufgrund dessen kommt es auf die Folgen einer Fruktoseintoleranz im vorliegenden Verfahren nicht weiter an.

Die im streitgegenständlichen Zeitraum beim Kläger bestehende Laktoseintoleranz stellt zwar eine Krankheit dar (1.), die auch einer besonderen Ernährung bedarf (2.), welche jedoch nicht kostenaufwändiger im Sinne des § 21 Abs. 5 SGB II ist (3.).

(1.) Die Laktoseintoleranz stellt nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts eine gesundheitliche Beeinträchtigung dar, die grundsätzlich einen Mehrbedarf nach § 21 Abs. 5 SGB II auslösen kann (BSG, Urt. v. 14. Februar 2013, a.a.O., Rdn. 13 bei juris). Es handelt sich bei der Laktoseintoleranz um eine Krankheit auch im Sinne der internationalen Klassifikation der Krankheiten (ICD-10-GM E 73). Der Qualifizierung der Laktoseintoleranz als mehrbedarfsbegründende Krankheit im Sinne des § 21 Abs. 5 SGB II steht dabei nicht die weltweit hohe Verbreitung dieser Stoffwechselkrankheit entgegen, entscheidend ist, dass es sich um einen für sich genommenen regelwidrigen Zustand handelt (vgl. BSG, Urt. v. 14. Februar 2013, a.a.O., Rdn. 13 bei juris).

(2.) Der Kläger muss sich nach dem Ergebnis der Sachverhaltsermittlungen aufgrund der bei ihm bestehenden Laktoseintoleranz zur Überzeugung des Gerichts auch besonders ernähren. Wegen der durch die Erkrankung hervorgerufenen Symptome (wie Bauchschmerzen und Durchfall) ist der Verzehr von laktosehaltigen Nahrungsmitteln zu meiden bzw. zu reduzieren (vgl. ärztliche Bescheinigungen des Dr. C. vom 16. Oktober 2013 und 8. Juli 2015).

(3.) Allerdings fehlt es an dem darüber hinausgehenden Erfordernis, dass die notwendige Krankenkost gegenüber der üblichen, im Regelbedarf zum Ausdruck kommenden Ernährung kostenaufwändiger ist. Soweit der Beklagte vorträgt, der Kläger habe nicht nachgewiesen, ob und in welchem Umfang im streitgegenständlichen Zeitraum überhaupt Mehrkosten durch die laktosefreie Ernährung entstanden seien, kommt es hierauf nicht an. Die tatsächliche Einhaltung einer kostenaufwändigen Ernährung oder ggf. der Nachweis tatsächlicher Mehraufwendungen ist keine Anspruchsvoraussetzung für die Anerkennung eines Mehrbedarfs (BSG, Urt. v. 20. Februar 2014, a.a.O.; SG Freiburg, Urt. v. 17. April 2015, – S 15 AS 3600/13 ZVW –, in juris).

Auch die Argumentation, ein Mehrbedarf sei generell zu verneinen, weil die Therapie vorrangig im "Weglassen" unverträglicher Lebensmittel liege, wodurch kein erhöhter Aufwand entstehe, kann nicht zur Ablehnung des Anspruchs führen. Für einen ernährungsbedingten Mehrbedarf ist nach der Rechtsprechung nicht entscheidend, ob ein bestimmtes Nahrungsmittel bei der Ernährung weggelassen werden kann. Entscheidend ist vielmehr, ob und durch welche Nahrungsmittel es ersetzt werden muss und ob hierdurch Mehrkosten entstehen (BSG, Urt. v. 9. Juni 2011, – B 8 SO 11/10 R –, in juris, SG Freiburg, a.a.O.).

Nach Auffassung des Gerichts führt die notwendige besondere Ernährung in dem vor-liegend zu beurteilenden konkreten Einzelfall jedoch nicht zu einem höheren, einen Mehrbedarf auslösenden Kostenaufwand. Dies ergibt sich zunächst grundlegend aus den Empfehlungen des Deutschen Vereins zur Gewährung von Krankenkostzulagen in der Sozialhilfe in der vierten, neu erarbeiteten Auflage vom 10. Dezember 2014. Zu Nahrungsmittelintoleranzen wird dort allgemein ausgeführt, die vorrangige Maßnahme bestehe im Verzicht auf die Symptome auslösenden Nahrungsmittel. Die relevante Frage zum eventuellen Mehrbedarf bei Nahrungsmittelintoleranzen sei folglich, ob das Meiden bestimmter Lebensmittel eine Substitution durch andere Produkte erfordere, die zu einem signifikant erhöhten Aufwand im Vergleich zu einer allgemein empfohlenen Ernährung ("Vollkost") führe. Unzutreffend sei das teilweise bemühte Argument, dass ein Mehrbedarf generell zu verneinen sei, weil die Therapie vorrangig im "Weglassen" unverträglicher Lebensmittel liege, wodurch kein erhöhter Aufwand entstehe. Die Deckung des Ernährungsbedarfs könne durch Meiden unverträglicher und durch Zufuhr verträglicher Lebensmittel erfolgen. Hierdurch könne grundsätzlich ein krankheitsbedingt erhöhter Ernährungsaufwand entstehen. Speziell zur Laktoseintoleranz lauten die Empfehlungen des Deutschen Vereins wie folgt:

"III.3.2.1 Laktoseintoleranz Die Laktoseintoleranz wird meist durch eine abnehmende Expression von Laktose im Darm mit zunehmendem Lebensalter verursacht. Die Verträglichkeit von Laktose unterliegt hierbei keinen eindeutigen systematischen Regeln, sondern ist individuell unterschiedlich. In der Regel werden jedoch 12 g bis 15 g, teilweise bis zu 24 g Laktose pro Tag toleriert, so dass eine Substitution mit speziellen Nahrungsmitteln nicht erforderlich ist. Therapeutisch gibt es bei Laktoseintoleranz keine spezielle Diät. Es wird eine Vollkost mit einer auf das Beschwerdebild angepassten Ernährung empfohlen. Die ernährungsmedizinische Behandlung besteht im Meiden von Nahrungsmitteln, die nicht vertragen werden (z.B. Kuhmilch). Die Deckung des Kalziumbedarfs ist insbesondere durch den Verzehr von Milchprodukten möglich, die von Natur aus sehr geringe Mengen an Laktose enthalten (z.B. reifer Käse). Eine kostenaufwändigere Ernährung ist damit in der Regel nicht erforderlich.
Ausnahmen gelten für Besonderheiten im Einzelfall, beispielsweise bei einem angeborenen Laktasemangel, der einer medizinischen Behandlung bedarf."

Die in einer interdisziplinär zusammengesetzten Arbeitsgruppe, der Sozialrechtler, Ärzte, Verwaltungsfachkräfte und Ernährungswissenschaftler angehörten (vgl. Fn. 1 auf S. 3 der Empfehlungen), erstellten und somit im Rahmen wissenschaftlicher Erhebungen zustande gekommenen Empfehlungen erweisen sich nach Auffassung des Gerichts als überzeugend und nachvollziehbar (so auch SG Freiburg, a.a.O.). Dabei wird nicht verkannt, dass die Rechtsprechung bislang ganz überwiegend davon ausgeht, dass den Mehrbedarfsempfehlungen nach ihrer Konzeption und Entstehungsgeschichte weder die Rolle antizipierter Sachverständigengutachten zukommt und sie erst recht nicht normähnlich angewendet werden können (vgl. BSG, Urt. v. 22. November 2011, – B 4 AS 138/10 R –, in juris). Insoweit ist jedoch zu berücksichtigen, dass den – zum Zeitpunkt der auf sie Bezug nehmenden Entscheidungen teilweise mehrere Jahre alten – Empfehlungen die Einstufung als antizipiertes Sachverständigengutachten unter anderem mit der Begründung abgesprochen wurde, diese stellten nicht mehr den aktuellsten Stand der medizinischen Erkenntnisse dar (so auch die Einschränkung des BSG, Urt. v. 27. Februar 2008, – B 14/7b AS 64/06 R –, Rdn. 29 bei juris). Aufgrund der Aktualisierung von 2014 geben die Empfehlungen indes nunmehr den neusten Stand der ernährungswissenschaftlichen Erkenntnis wieder. Außerdem verhalten sie sich in der aktuellen Auflage – anders als in den vorgehenden Auflagen, die der genannten Rechtsprechung zugrunde lagen – ausführlich zu der Frage einer kostenaufwändigen Ernährung bei Laktoseintoleranz (so auch SG Freiburg, a.a.O., Rdn. 40 bei juris, vgl. auch LSG Hamburg, Urt. v. 24. September 2015, – L 4 SO 2/15 –, Rdn. 23 bei juris).

Auch der Gesetzgeber bezieht sich im Zusammenhang der Feststellung eines Mehrbedarfs wegen kostenaufwändiger Ernährung auf die Mehrbedarfsempfehlungen und führt in der Gesetzesbegründung ausdrücklich aus, dass bei der Bestimmung eines ernährungsbedingten Mehrbedarfs "die ( ) vom Deutschen Verein ( ) entwickelten und an typisierbaren Fallgestaltungen ausgerichteten Empfehlungen herangezogen werden" können (BT-Drs. 15/1516, S. 57 zu § 21 Abs. 5 SGB II). Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist ein Abweichen von den Empfehlungen sogar begründungsbedürftig (BVerfG, Beschl. v. 20. Juni 2006, – 1 BvR 2673/05, Rdn. 19 bei juris). Im Einklang hiermit qualifiziert das Bundessozialgericht die Empfehlungen zumindest als "eine Orientierungshilfe, die den Umfang der Ermittlungen im Einzelfall steuert" (BSG, Urt. v. 14. Februar 2013, a.a.O., Rdn. 16 bei juris) und auch als Entscheidungsgrundlage herangezogen werden kann (BSG, Urt. v. 27. Februar 2008, – B 14/7b AS 32/06 R, Rdn. 39 bei juris, vgl. auch BSG, Urt. v. 20. Februar 2014, a.a.O., Rdn. 17 bei juris). Nach Auffassung des entscheidenden Gerichts darf in diesem Zusammenhang die Aussage des Bundessozialgerichts, es seien im Anwendungsbereich des § 21 Abs. 5 SGB II kaum Fälle denkbar, in denen sich für eine bestimmte Erkrankung, die – wie die Laktoseintoleranz – Einfluss auf die Ernährung habe, ein besonderer Kostenaufwand abschließend als generelle Tatsache (Rechtstatsache) mit Gültigkeit für jeden Einzelfall verneinen lasse (BSG, Urt. v. 14. Februar 2013, a.a.O., Rdn. 17 bei juris), nicht im Sinne einer Vorfestlegung auf die grundsätzliche Gewährung eines Mehrbedarfs bei Vorliegen einer entsprechenden Erkrankung missverstanden werden. Vielmehr muss unter Heranziehung der Mehrbedarfsempfehlungen und Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalls geprüft werden, ob die gesundheitlichen Einschränkungen einen tatsächlichen Mehrbedarf auslösen (so auch SG Freiburg, a.a.O., Rdn. 41 in juris).

Die 2014 neu herausgegebenen Empfehlungen des Deutschen Vereins sind für den vorliegenden, das Jahr 2013 betreffenden Rechtsstreit anzuwenden. Es gibt keine Gründe, die dort dokumentieren ernährungswissenschaftlichen Erkenntnisse nicht heranzuziehen (vgl. LSG Sachsen-Anhalt, Urt. v. 28. Mai 2015, a.a.O., Rdn. 54 bei juris; vgl. auch BSG, Urt. v. 10. Mai 2011, a.a.O., Rdn. 23 bei juris).
Danach ist für die bei dem Kläger vorliegende Erkrankung regelmäßig kein krankheitsbedingter erhöhter Kostenaufwand für die Ernährung anzunehmen (Ziffer 3.2.1 der Empfehlungen 2014).

Besonderheiten, die im Einzelfall eine andere Beurteilung rechtfertigen könnten, bestehen beim Kläger nicht. Anhaltspunkte für eine ausnahmsweise schwere Form von Laktoseintoleranz sind der eingeholten ärztlichen Stellungnahme des Dr. C. nicht zu entnehmen. Eine medizinische Behandlung ist wegen der Lebensmittelunverträglichkeit nicht erforderlich, die persönliche Toleranzgrenze wurde bislang nicht ermittelt. Eine "Null-Toleranzgrenze" besteht jedoch offensichtlich nicht, denn der Kläger hat im Erörterungstermin am 21. April 2015 angegeben, auch normale Milch und normalen Joghurt zu konsumieren. Nach Angaben des Klägers hängt die Verträglichkeit der Produkte vom jeweiligen Laktosegehalt ab, z.B. bereite ihm länger gereifter Hartkäse keine Probleme.

Die Einschätzung der Empfehlungen des Deutschen Vereins von 2014 entspricht auch dem wissenschaftlichen Kenntnisstand der Europäischen Behörde für Lebensmittel-sicherheit (EFSA – in: The EFSA Journal 2010, 8 (9), 1777). Danach können die meisten Betroffenen einer Milchzuckerunverträglichkeit geringere und auch höhere Dosen beschwerdefrei tolerieren, wenn sie über den Tag verteilt verzehrt werden. Ein vollständiger Verzicht auf laktosehaltige Lebensmittel sei nicht erforderlich (vgl. LSG Sachsen-Anhalt, a.a.O., Rdn. 56 bei juris).

Auch in dem vom Kläger vorgelegten Bericht der Verbraucherzentrale Hamburg vom Juli 2012 ist ausgeführt, dass jeder Mensch mit einer Milchzuckerunverträglichkeit eine persönliche Toleranzgrenze habe. Ausschlaggebend dafür sei die individuelle Aktivität eines Enzyms (Laktase) im Darm. Es gehe nicht darum, völlig laktosefrei zu essen, sondern darum, eine bestimmte Menge nicht zu überschreiten.

Ergänzend sei darauf hingewiesen, dass in dem vom SG Freiburg zu entscheidenden Fall, in einem eingeholten ärztlichen Gutachten, das unter Hinzuziehung einer Ernährungsberaterin erstellt wurde, ausgeführt wird, dass ohne Nachteil auf alle laktosehaltigen Nahrungsmittel außer Milch und Milchprodukte verzichtet werden könne. Unter Zugrundelegung des erforderlichen Bedarfs an Milch/Milchprodukten (etwa siebeneinhalb bis zehn Liter Milch im Monat), komme es bei Ersatz durch laktosefreie Produkte zu monatlichen Mehrkosten in Höhe von rund 2,00 EUR bis 2,60 EUR. Nach Auffassung des SG Freiburg halten sich die ermittelten Mehrkosten in einem Rahmen, der ohne weiteres durch den Regelsatz gedeckt werden könne. Die Mehrkosten, die die regelmäßige Kalziumzufuhr durch laktosefreie Produkte verursache, ließen sich beim Einkauf auch durch Einsparungen bei anderen Lebensmitteln ausgleichen. Eine entsprechende preisbewusste Einkaufsweise erachte die Kammer insoweit als durchaus zumutbar. Der im Regelsatz berücksichtigte Ansatz für Nahrungsmittel und Getränke, der einen pauschalen Anteil für eine ausreichende und ausgewogene Ernährung enthalte, lasse insoweit Spielraum für individuelle Bedürfnisse. Zudem gebe es eine Vielzahl von laktosefreien Lebensmitteln zu Discounterpreisen, die eine ausreichende, Mangelerscheinungen ausschließende Ernährung zu Preisen ermögliche, mit denen auch die Regelbedarfsernährung beschafft werden könne. Nach Auffassung des SG Freiburg habe sich auf dem Gebiet der laktosefreien Nahrungsmittel bereits ein derart umfangreiches Angebot entwickelt, welches es ermögliche, mit den aus der Regelleistung für Ernährung zur Verfügung stehenden Mitteln, eine ausgewogene Ernährung auch unter Berücksichtigung der gesundheitlichen Einschränkungen sicherzustellen (vgl. wegen der Einzelheiten Urteil des SG Freiburg, vom 17. April 2015, a.a.O., Rdn. 43, 44 in juris).

Soweit der Kläger sich auf die Angaben der Verbraucherzentrale Hamburg (sog. "Marktcheck 2012") bezieht, wonach die Mehrkosten bei Laktoseintoleranz durchschnittlich bei über 140 % der üblichen Preise lägen, vermag dies im vorliegenden Fall nicht zu einem Klageerfolg zu führen. Die erhebliche Abweichung basiert u.a. auf der Heranziehung von laktosefreien Nahrungsmitteln wie z. B. Schinken oder Wurst. Mit dem Marktcheck soll offenkundig auf die "Marketingtricks" der Nahrungsmittelindustrie aufmerksam gemacht werden. Zur Ermittlung der Höhe eines ernährungsbedingten Mehrbedarfs bei Laktoseintoleranz ist er nach Auffassung des Gerichts indes völlig untauglich (so auch SG Freiburg, a.a.O., Rdn. 45 in juris). Zudem muss durch den Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung nicht sichergestellt werden, dass jemand umfassend für diejenigen Produkte, welche er krankheitsbedingt nicht verzehren kann, Ersatzprodukte erwerben kann, gegebenenfalls muss der Hilfebedürftige auch auf diese Produkte verzichten. Die Gewährung eines Mehrbedarfs ist erst dann angezeigt, wenn ohne teure Ersatzprodukte gesundheitliche Einschränkungen drohen oder aber keine ausreichende Auswahl an Alternativprodukten zur Verfügung steht. Dies ist hier jedoch – wie dargelegt – nicht der Fall.

Ob der Kläger aus persönlichen Gründen auf bestimmte Produkte (wie z. B. laktosefreie Schokolade) zurückgreifen möchte, insbesondere um in seiner Ernährung mehr Abwechslung zu haben, ist im Rahmen des Mehrbedarfs wegen kostenaufwändiger Ernährung nach § 21 Abs. 5 SGB II ohne Belang. Insofern ist es dem Kläger – wie jedem anderen Hilfebedürftigen auch, der eine besondere Ernährung wünscht – zuzumuten, sich durch Umschichtung innerhalb der in der Regelleistung enthaltenen Beträge eine den persönlichen Vorlieben genügende abwechslungsreichere, aber teurere Ernährung zu verschaffen (so auch SG Freiburg, a.a.O., Rdn. 46 in juris, m.w.N.).

Weitere Ermittlungen von Amts wegen waren im Hinblick auf die nachvollziehbaren neuen Mehrbedarfsempfehlungen des Deutschen Vereins aus dem Jahr 2014 und dem eingeholten Befundbericht des behandelnden Arztes des Klägers nicht erforderlich. Besondere Umstände, die ein Abweichen von den Empfehlungen des Deutschen Vereins und die Durchführung weiterer Ermittlungen begründen könnten, sind weder substantiiert vorgetragen, noch aufgrund der ärztlichen Angaben und des vorliegenden Sachverhalts erkennbar.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Rechtskraft
Aus
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